Ein paar Gedanken zu „The Dark Knight Rises“

Vor kurzem habe ich – verteilt auf zwei Abende – mal wieder den dritten Teil von Christopher Nolans „Dark Knight“-Trilogie angeschaut. Ich weiß gar nicht so genau warum, denn so sehr mag ich den Film eigentlich gar nicht. Wie für einige andere Nolan-Filme auch empfinde ich für den Film eine Art Hassliebe. Jedenfalls wollte ich die Gelegenheit nutzen, um hier ein paar Gedanken zu „The Dark Knight Rises“ aufzuschreiben.

Ich habe den Film nun zum dritten oder vierten Mal gesehen, aber viel mehr als bisher ist mir dieses Mal eines seiner zentralen Themen aufgefallen: „The Dark Knight Rises“ ist ein Film über Terrorismus und über die immer größer werdende Kluft zwischen Armen und Reichen. Das ist sicherlich keine bahnbrechende Erkenntnis, schließlich war schon beim Kinostart vor drei Jahren in vielen Besprechungen die Rede vom „Film zur Wirtschaftskrise“, mir ist dieser Punkt aber wie gesagt dieses Mal verstärkt aufgefallen. Phasenweise hatte ich das Gefühl, gar keinen Batman-Film mehr zu sehen, vor allem im Mittelteil als sich Bruce Wayne (Christian Bale) in Gefangenschaft befindet und Bane (Tom Hardy) Gotham City unter seine Kontrolle gerissen hat. Da hatte ich auch das Gefühl, Nolan sei an Batman inzwischen gar nicht mehr interessiert gewesen und hätte viel lieber einen Film über die Wirtschaftskrise, Terrorismus und Revolution gemacht. Dass er schließlich Batman wieder ins Spiel bringen muss, wirkt fast wie eine unliebsame Pflichtübung. Bane scheint für Nolan weitaus interessanter zu sein und er hat ja im Mittelteil auch ein paar imposante Szenen, die dann in seiner Ansprache an die Bürger Gothams gipfeln: „We take Gotham from the corrupt! The rich! The oppressors of generations who have kept you down with myths of opportunity. And we give it back to you… the people.“

Da weiß man dann einen Moment lang nicht mehr, ob man zu Bane oder zu Batman halten soll bzw. warum denn die beiden nicht auf einer Seite kämpfen? Ist nicht auch Batman der Held der Unterdrückten, Armen, Namenlosen? Der Held des Volkes? Natürlich erklärt Bane nicht, wie das denn funktionieren soll, dass er die Stadt an „das Volk“ zurückgibt. Gotham ist verwüstet, die Stadtbewohner leiden und Bane, der sich als Freiheitskämpfer stilisiert, hat die Stadt unter Kontrolle. Letztendlich sind seine Ansprachen sowieso egal, denn wie wir erfahren möchte er das Werk seines Vaters Ra’s al Ghul vollenden und Gotham – das wohl stellvertretend für die westliche, kapitalistische Zivilisation steht – komplett auslöschen. Bane wirkt so sehr wie ein „konventioneller“, ganz gewöhnlicher Terrorist (und weniger wie der Bösewicht einer Comicverfilmung), dass dem Film über weite Strecken das Comichafte völlig abgeht (zumal ja auch Batman lange Zeit abwesend ist).

Und genau das ist das Problem, das ich mit „The Dark Knight“ und „The Dark Knight Rises“ (und dem einen oder anderen weiteren Film von Christopher Nolan) habe: Nolan legt so viel Wert darauf, dass alles realistisch, rational und durchdacht ist, dass das letztlich zu Lasten der Geschichte und des Spaßes geht. Bei „Batman Begins“ habe ich diesen Ansatz noch geliebt, weil es darin ja darum ging, der Batman-Figur einen realistischen psychologischen Unterbau zu verschaffen (und zudem hat man nach dem katastrophalen „Batman & Robin“ wohl einen solchen düsteren, realistischen Film gebraucht). Dass nebenbei auch noch erklärt wurde, woher die ganzen technischen Spielzeuge kommen und wie sie funktionieren, war ein netter Bonus. Aber ich hätte mir gewünscht, dass im Lauf der Trilogie das Fantastische wieder Einzug in Batmans Welt hält. Stattdessen hat Nolan es mit der Rationalität aber noch weiter getrieben. Da werden dann solche Dinge wie die Notwendigkeit von Banes Atemmaske erklärt, was ihn aber auch nicht zu einer interessanteren Figur macht. Ich persönlich finde Bane wahnsinnig langweilig. Warum gerade er so eine große Gefahr für Batman ist, während das die früheren Bösewichte nicht waren, ist nicht genau nachvollziehbar und höchstens mit Batmans/Bruce Waynes nachlassenden Fähigkeiten zu begründen.

Ich erinnere mich, ein Interview mit Nolan gelesen zu haben, in dem er stolz erzählt hat, er und sein Team hätten sogar einen Weg gefunden, Selian Kyles Katzenohren funktional zu rechtfertigen (als hochgeklapptes Nachtsichtgerät) – dabei ist so etwas in einer Comicverfilmung doch wirklich nicht von Bedeutung. Batmans Kostüm hat schließlich auch Fledermausohren, die keinen praktischen Zweck erfüllen. Insgesamt hat sich Nolan im Lauf der Trilogie meiner Meinung nach so sehr in solchen Details verrannt, dass er ganz vergessen hat, dass „Batman“ in erster Linie immer noch ein Comicfilm ist. Realismus schön und gut, aber doch bitte nicht zu Lasten des Spaßes.

Sehr loben muss ich an „The Dark Knight Rises“ allerdings, dass der Film im Gegensatz zu den meisten anderen großen Actionfilmen nicht auf einen Shodown hinausläuft, in dem alles einfach nur noch größer, lauter und kaputter sein muss als beim letzten Mal. Hier bleibt der Film nah an den Charakteren und ihren Geschichten, so dass man nicht wie zum Beispiel bei „Man of Steel“ oder den letzten „Transformers“-Filmen desinteressiert mit leeren Augen auf die Leinwand glotzt.

Mein Fazit: Was in „Batman Begins“ vielversprechend begann und mir dort noch gefiel, wurde in den Fortsetzungen immer mehr zum Selbstzweck. Nolan hat zwar technisch perfekte Filme mit einigen beeindruckenden Szenen abgeliefert, aber das Comicartige immer mehr zur Seite gedrängt. In meinem persönlichen „Kopfkanon“ stellt „Batman Begins“ jedenfalls das Prequel zu den beiden Tim Burton-Filmen dar; der Christian Bale-Batman wird irgendwann zum Michael Keaton-Batman. Die beiden „Dark Knight“-Filme schaue ich mir zwar ab und zu auch gerne an, aber ich kann sie nicht völlig genießen, weil ich mich dabei jedes Mal über einige Dinge ärgere.

„Chronicle“ & „Unbreakable“ – Superhelden abseits ausgetretener Pfade

Man hat ja als Filmfan immer so einiges nachzuholen, seien es jahrzehntealte Klassiker, die man immer noch nicht gesehen hat oder die Filme des vergangenen Jahres, die man einfach nicht alle im eigenen Film-Kalender hat unterbringen können. Welche Titel bei mir in die erste Kategorie gehören, verrate ich lieber nicht, ein Nachzügler des Kinojahres 2012 war bei mir aber „Chronicle“ von Josh Trank, den ich gestern gesehen habe. Besonders große Lust hatte ich auf den Film eigentlich gar nicht, weil die Form des „Found Footage“-Films für mich sehr schnell ihren Reiz verloren hat. Ich muss zwar zugeben, dass ich gar nicht besonders viele Filme, die dieses Konzept verwenden, gesehen habe („Blair Witch Project“ gehört bei mir in die Kategorie „immer noch nicht gesehen“), aber die wenigen, die ich kenne, benutzen erstens die Form des „gefundenen Filmmaterials“ meist nur dazu, bestimmte Schwächen zu kaschieren und widersprechen zweitens in ihrem Verlauf früher oder später ihrem eigenen Ausgangspunkt, dass nämlich alles, was man zu sehen bekommt, eben aus von irgendjemandem irgendwo gefundenem Filmmaterial zusammen geschnitten wurde. Damit wirken sie zwangsläufig genauso „unrealistisch“ wie andere Filme eben auch, die gar nicht erst vorgeben, „wahre“ Geschichten zu erzählen. (Oder sie machen sogar noch mehr darauf aufmerksam, wie blödsinnig ihr als wahr hingestellter Inhalt ist, wie beispielsweise der dämliche „Apollo 18“ vor zwei Jahren.)

Aber mir geht es hier eigentlich gar nicht darum, das Found Footage-Konzept zu kritisieren, denn im Großen und Ganzen war ich von „Chronicle“ ziemlich fasziniert. Für alle, die den Fim nicht kennen, hier die Story in wenigen Sätzen: Drei Jugendliche, von denen einer ständig mit einer Kamera unterwegs ist, steigen in ein seltsames Erdloch und als sie wieder herauskommen, haben sie Superkräfte! Ja, das wird im Film auch nicht viel mehr erklärt oder gezeigt, als ich es hier erklärt habe, aber das macht nichts, denn es geht um die Konsequenzen: Wie die drei anfangen, ihre telekinetischen Kräfte zu entdecken und weiter zu entwickeln, wie sie erste Streiche damit spielen und wie das Ganze schließlich außer Kontrolle gerät. All das ist wirklich hervorragend umgesetzt und nach einer Weile wird man auch nicht mehr von wackeligen Handkamerabildern genervt, weil die Hauptfigur Andrew (Dane DeHaan) schließlich lernt, die Kamera per Telekinesis in sanften Bögen um das Geschehen kreisen zu lassen (statt blöde Streiche zu spielen, hätte er sich vielleicht einfach bei einem großen Filmstudio bewerben sollen, die hätten jemanden mit dieser Fähigkeit sofort genommen und sich viel Geld für Steadycams, Kräne und computergenerierte Kamerafahrten sparen können!).

Da das „Found Footage“-Konzept letztendlich nur ein Stilmittel darstellt und kein eigenes Genre verkörpert (theoretisch könnte man auf diese Weise ja auch einen Nicholas Sparks-Roman verfilmen), muss man „Chronicle“ wohl dem Genre „Superheldenfilm“ zuordnen. Wie bei „Spiderman“ & Co. geht es hier darum, wie ganz normale Durchschnittsmenschen (oder oft sogar solche, denen weniger Begabungen und weniger Aufmerksamkeit des anderen Geschlechts zufällt, als dem Durchschnitt) entdecken, dass sie über außergewöhnliche Fähigkeiten und übermenschliche Kräfte verfügen. Die entscheidenden Fragen sind: Was fängt man damit an? Welche Konsequenzen hat das dann für das eigene Leben und für das der Mitmenschen? Und wie geht man damit wiederum um? Die entscheidenden Weichen werden meist im ersten Akt einer solchen Geschichte gestellt, wo der Held sich zum Beispiel dafür entscheidet, seine Kräfte nicht zum eigenen Vorteil einzusetzen, sondern zum Wohl der Allgemeinheit und wo sich meist auch herausstellt, wer sein Gegner, sein Erzfeind ist.

Ich persönlich finde meistens diesen ersten Akt, die Entstehungsgeschichte des Helden, am interessantesten. „Batman Begins“ gefällt mir bis heute besser als seine beiden hoch gelobten Nachfolger. Ebenfalls einer meiner Lieblings-Superheldenfilme ist „Unbreakable“ von M. Night Shyamalan, an den ich beim Anschauen von „Chronicle“ mehrmals denken musste. Die Ähnlichkeit besteht eigentlich nur darin, dass beide Filme das Superheldengenre auf eine erfrischend andere Weise erzählen – „Chronicle“ eben aus Found Footage-Sicht, „Unbreakable“ dagegen als ruhiger Mystery-Thriller fast ohne Action. Während in „Chronicle“ die Entstehungsgeschichte des Superhelden noch weiter erzählt wird (wie weit genau und mit welchem Ende, möchte ich nicht verraten, es soll ja niemand gespoilert werden), erzählt „Unbreakable“ tatsächlich nur die Origin-Story seines von Bruce Willis dargestellten Superhelden: Die Entdeckung und das Austesten der Superkräfte, die Entscheidung, wie diese Fähigkeiten genutzt werden sollen und auch die Einführung eines Gegners, der dem Helden als negatives Spiegelbild gegenübersteht. Tatsächlich war „Unbreakable“ ursprünglich als Auftakt einer Trilogie geplant gewesen, hatte dann aber beim Publikum nicht den entsprechenden Erfolg, um noch eine Fortsetzung nach sich zu ziehen. Ich wage mal zu behaupten, dass ein Großteil der Zuschauer mit falschen Erwartungen in den Film gegangen ist und einfach ein zweites Mal so geflasht werden wollte, wie bei der ersten Shyamalan-Willis-Zusammenarbeit „The Sixth Sense“. Dementsprechend wirkte das Ende auf die meisten wohl enttäuschend und eher verwirrend; dabei dürften nur wenige verstanden haben, dass das Ende von „Unbreakble“ eigentlich nur das Ende des Anfangs einer klassischen Superheldengeschichte ist. Schade, dass sie meines Wissens nach nie weitererzählt wurde (wenn es schon kein Sequel gibt, würden sich Comics doch dafür anbieten!).

„Chronicle“ erzählt wie gesagt weit über die Origin-Story seiner Helden hinaus und bringt deren Geschichte zu einem Abschluss. Dennoch bringt auch dieser Film frischen Wind ins Superhelden-Genre, auch wenn ich „Unbreakable“ da noch wesentlich mutiger und innovativer finde. Ich fordere jedenfalls mehr solche ungewöhnlichen Superheldenfilme, denn so gut die aktuelle Welle der „Avengers“- und „X-Men“-Filme auch ist – irgendwann wird das immer Gleiche doch langweilig. Wo also bleibt bitte das längst überfällige Schwarz-weiß-Arthouse-Superhelden-Drama?