Filmfest München: „Les Fauves“, „Leid und Herrlichkeit“, „Memory – The Origins of Alien“

Nach meinen ersten beiden Filmen ging es am Freitag und Samstag für mich mit drei Filmen weiter, die rücklickend eines gemeinsam haben: Es geht in ihnen ums Erzählen von Geschichten, um Mythologie.

Depp & LafitteDer erste davon heißt „Les Fauves“, kommt aus Frankreich und lässt sich – wie uns vor Beginn der Vorstellung mitgeteilt wurde – nur äußerst schwer einem Genre zuordnen. Horror, Erotik, Thriller, Teenie-Film – von allem ist ein bisschen was dabei und gleichzeitg geht der Film über all das hinaus. Auch dabei ist Lily-Rose Depp, die Tochter von Johnny Depp. In einem anderen Film sei sie ihm aufgefallen, erzählt der Regisseur Vincent Mariette nach Filmende dem Publikum und ihm sofort als richtige Besetzung der Hauptrolle erschienen. Auch wenn er diese wohl am liebsten mit der jungen Christina Ricci besetzt hätte, in die er als 17-Jähriger verliebt gewesen war. Aber Lily-Rose Depp, die dank ihrer Mutter Vanessa Paradis fließend französisch spricht, ist eine ähnlich gute Besetzung für die junge Laura, die auf einem Campingplatz in Südfrankreich nicht nur sexuelle Erfahrungen macht, sondern auch scheinbar übernatürliche. Immer wieder werden zerfetzte Tierkadaver im Wald gefunden, was die Leute als Beweis dafür sehen, dass irgendetwas in der Gegend sein Unwesen treibt.
Für eine ganze Weile habe ich den Film richtig geliebt. Nicht nur erzeugt er eine beklemmende Atmosphäre und baut sein Mysterium geschickt auf, sondern er wird ab einem gewissen Punkt der Handlung zudem ein Film über das Geschichtenerzählen selbst. Die Bedeutung von Geschichten und Mythen und deren Notwendigkeit für die Gesellschaft wird thematisiert, gleichzeitg auch die Frage, wie weit man gehen darf, um den Menschen solche Geschichten zu liefern. Noch mehr begeistert als Depp hat mich dabei Laurent Lafitte, der den mysteriösen, bedrohlichen und auf Laura anziehend wirkenden Paul spielt. Leider zerfastert der Film für meinen Geschmack zum Ende hin jedoch ein wenig, wird etwas zu konkret und verliert die wunderbare Metaebene der Geschichte aus dem Blick. Aber das ist Ansichtssache, denn er bietet durchaus noch genügend Interpretationsspielraum, um sich zu fragen, was hier real war und was nicht. Die ersten drei Viertel von „Les Fauves“ (englischer Titel: „Savage“) habe ich jedenfalls geliebt und hatte dann das Gefühl, dass mir der Schluss zu viel Denkarbeit abgenommen hat, so dass ich mich nicht weiter damit beschäftigen wollte. Schade.

BanderasWo ich gerade schon von Geschichten schreibe, die vom selbst vom Geschichtenerzählen handeln, muss ich natürlich auch auf Pedro Almodóvars neuen Film „Leid und Herrlichkeit“ eingehen. Darin spielt Antonio Banderas eine Version von Almodóvar selbst, könnte man sagen. Einen alternden – okay: alten – Filmregisseur, der von körperlichen Leiden und Gebrechen geplagt wird, schon länger keinen Film mehr gedreht hat und sich mit seiner Vergangenheit auseinandersetzen muss. Vieles, aber nicht alles, was im Film vorkommt, stammt tatsächlich aus der Biographie Almodóvars, wie Banderas nach der Vorführung des Films erzählt. Vieles ist aber auch „Autofiktion“, also eine fiktive Version der eigenen Lebensgeschichte des Regisseurs. Banderas spielt seine Rolle jedenfalls großartig, weil er vor allem körperlich ganz darin aufgeht. Allein wie er mit steifem Rücken und schmerzenden Gliedmaßen langsam in ein Auto steigt ist sehenswert!
In Rückblenden gibt es die Kinheit Almodóvars, Entschuldigung die Kindheit von Salvador Mallo (so der Name von Banderas‘ Rolle) zu sehen, wodurch das Bild dieser Persönlichkeit komplettiert wird und man zudem in den Genuss weiterer großartiger Schauspielleistungen kommt (Asier Flores als junger Salvador und Penélope Cruz als seine Mutter). „Leid und Herrlichkeit“ hat mir mit seiner Mischung aus komödiantischen und tragischen Elementen in typischer Almodóvar-Manier sehr gut gefallen.

Auch beim dritten Film in diesem Blogpost bleibe ich bei Thema „Geschichten über Geschichten erzählen“. Alexandre O. Philippe hat bereits die Dokumentation „The People vs. George Lucas“ sowie einen ganzen Film über die Duschszene in Hitchcocks „Psycho“ gedreht. Für seine neueste Doku „Memory – The Origins of Alien“ hat er sich wieder eine der ganz großen in Filmform erzählten Geschichten zum Thema genommen: „Alien“ von Ridley Scott. Ich war skeptisch, bevor der Film losging. Denn mal ehrlich, was soll man über einen vierzig Jahre alten Klassiker noch Neues sagen, über den es umfangreiche Bücher und sehr gute Making-of-Dokumentationen gibt? Als „Alien“-Fan kenne ich die Entstehungsgeschichte dieses Films bereits sehr gut und habe einige der damit verbundenen Anekdoten schon mehrmals gehört. Gleichzeitig konnte ich als „Alien“-Fan trotz meiner Skepsis aber natürlich doch nicht anders, als mir eine Karte für „Memory“ zu holen. Und tatsächlich, meine Zweifel gegenüber der Daseinsberechtigung von Philippes Film wurden größtenteils zerstreut.
O'BannonDer Film schafft es nämlich, eine Geschichte über „Alien“ zu erzählen, die über das hinausgeht, was man eben von den DVD bzw. Blu-rays oder etwa aus Dokumentationen über H.R. Giger schon kennt. Dabei besinnt er sich tatsächlich auf die „Origins“, also Ursprünge der Geschichte und beginnt ganz am Anfang bei Dan O. Bannon, in dessen Ideen und Konzepten das Drehbuch zu „Alien“ seinen Anfang hatte. Neu war mir zum Beispiel, dass O’Bannon an Morbus Crohn litt, also einer chronischen Darmerkrankung und dass es durchaus möglich ist, dass dies als Teil seiner Inspiration für das im Körper eines Menschen schlummernde und plötzlich herausbrechende Alien war. Auch auf H.R. Giger und (in geringerem Umfang) auf Ridley Scott wird im Film eingegangen, schließlich haben der Künstler und der Regisseur beide maßgeblich zum Film beigetragen.
Auch mythologische und kunstgeschichtliche Ursprünge des Films werden beleuchtet, wobei insbesondere die Namen Francis Bacon und H.P. Lovecraft von Bedeutung sind. Zum Glück verlässt sich Philippe weitestgehend nicht auf alte, bereits bekannte Interviews mit den Beteiligten, sondern hat – soweit dies möglich war – neue Interviews beispielsweise mit den Darstellern Veronica Cartwright und Tom Skerrit geführt. O’Bannon und Giger sind leider bereits verstorben und von Sigourney Weaver oder Ridley Scott findet man im Film leider keine neuen Aussagen. Sigourney Weaver ist natürlich ein paar Mal in Filmszenen zu sehen, wird ansonsten aber gar nicht erwähnt, womit zumindest ein wichtiger Einfluss auf den Film vollkommen außen vor bleibt. Auf die 1979 überraschende Tatsache, dass die Hauptfigur weiblich ist, wird hier jedenfalls nicht eingegangen. Trotzdem bietet „Memory“ auch hartgesottenen Fans noch den einen oder anderen Informations- bzw. Interpretationshappen, den sie noch nicht gehört haben dürften.

„Les Fauves“ wird noch einmal am 6. Juli auf dem Filmfest gezeigt. „Leid und Herrlichkeit“ läuft noch einmal am 4. Juli (hierfür gibt es aber wenn überhaupt nur noch Restkarten). Die beiden Vorstellungen von „Memory“ sind leider bereits vorüber.

Copyright Bilder: Filmfest München

Filmfest München 2019: „Maggie“ & „Los Tiburones“

Heute hat das 37. Filmfest München begonnen und ich nehme das mal zum Anlass, endlich diesen vernachlässigten Blog zu reaktivieren. Während des Filmfestes wird es also von mir hier ein paar Beiträge geben; hoffentlich werde ich auch danach wieder regelmäßig bloggen.

Mein Filmfest ging heute mit einem Fehlstart los. Ich wollte mir nämlich um 9 Uhr in der Früh den Eröffnungsfilm „The Art of Self-Defense“ in der Pressevorführung anschauen. Gewohnheitsmäßig bin ich dafür ins City/Atelier-Kino an der Sonnenstraße gefahren, das von meiner Wohnung so schnell erreichbar ist und wo die meisten der Pressevorstellungen stattfinden. Aber eben nur die meisten! Kurz vor meiner Ankunft musste ich bei einem Blick ins Programm nämlich feststellen, dass genau diese eine Vorstellung im Festivalzentrum im Gasteig stattfand. Dort noch rechtzeitig zum Filmbeginn hin zu kommen, war leider nicjt nicht mehr möglich. Also bin ich erst einmal wieder nach Hause gefahren.

Dort habe ich als Akkreditierter von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, mir einige der Filmfest-Filme zu Hause per Stream anzuschauen. Mit dem Laptop auf dem Bett liegend habe ich so den koreanischen Independent-Film „Maggie“ von Ok-seop Yi gesehen. Ein richtiges Kinoerlebnis ist das natürlich nicht und ich habe mich immer wieder durch mein Smartphone ablenken lassen, was mir im Kino nie passieren würde.

Maggie - SzenenbildIn „Maggie“ geht es um eine junge Krankenschwester (Ju-young Lee), die Grund zu der Annahme hat, dass sie und ihr Freund auf dem plötzlich im Krankenhaus aufgetauchten Röntgenbild zu sehen sind, das ein Paar beim Sex zeigt. Als wäre dies nicht schon absurd genug, taucht auch noch ein die Geschichte erzählender Wels auf, der in einem Aquarium im Krankenhaus lebt. Und dann beginnen sich über die gesamte Stadt verteilt riesige Sinklöcher zu bilden…

Wie das alles genau zusammen hängt, will ich hier gar nicht verraten. Ich könnte es auch gar nicht, denn wie so oft im asiatischen Kino wird in „Maggie“ nichts zu Ende erklärt. Der Film vermittelt stattdessen Stimmungsbilder und Gefühle – Einsamkeit, die Sehnsucht nach Nähe und Verbindung und mehr. Die eigentliche Geschichte ist gar nicht so wichtig. Dass der Film dadurch keine wirklich greifbare Handlung hat und man sich viel selbst zusammenreimen bzw. dazu denken muss, mag den einen oder anderen abschrecken. Gleichzeitig macht es den Film aber auch leichter zugänglich, sofern man bereit ist, sich auf diese Erzählweise einzulassen.

Abends ging es dann endlich richtig los für mich. Um 18 Uhr stand in der Hochschule für Film und Fernsehen die Vorführung des argentinischen Independentfilms „Los Tiburones“ an. Der Saal war nur sehr spärlich besucht, vielleicht waren viele Münchner einfach noch nicht in Filmfest-Stimmung. Im Mittelpunkt des Regiedebüts von Lucía Garibaldi steht die 14-jährige Rosina (Romina Bentancur), die mit ihrer Familie in einem Dorf in Uruguay lebt. An der Schwelle zwischen Kindheit und Erwachsensein ist sie von Sex und allen anderen Dingen, die das Leben der Erwachsenen ausmachen, ebenso fasziniert wie eingeschüchtert. Ein etwas schmierig wirkender Typ, der für Rosinas Vater arbeitet, versucht sich Los Tiburones - Szenenbildimmer wieder plump an sie heran zu machen. Er scheint damit Erfolg zu haben, doch wohl nur, weil es Rosina an anderen Optionen mangelt und ihre Neugier auf das faszinierende Unbekannte zu groß ist. Schließlich sind da noch die titelgebenden Haie, die Rosina im Meer gesichtet haben will.

Genau eine Szene gibt es in „Los Tiburones“ die stark an Steven Spielberg erinnert. Darin beschließen die am Strand zusammen stehenden Dorfbewohner, den Hai zu jagen und zu töten. Ansonsten nimmt dieser Handlungsstrang gar keinen so großen Raum ein, wie man glauben könnte. Womöglich ist der Hai hier gar kein Hai, sondern vielmehr ein Symbol für all das, was Rosina im Kopf herumgeht – Erwachsenwerden, Männer, Sex,… Genau wie diese ihr größtenteils noch unbekannten Seiten des Lebens ist nämlich auch der Hai faszinierend und furchteinflößend zugleich.

Im Gesicht der Hauptdarstellerin spiegeln sich den ganzen Film über ihre Reaktionen auf die Ereignisse um sie herum. Allzu viel passiert auch in diesem Film nicht, aber immerhin passt er mit seinen glühend heißen Bildern von Sonne, Strand und Meer bestens zur Stimmung, die auch auf Deutschlands sonnigstem Filmfestival herrscht.

„Maggie“ wird noch dreimal auf dem Filmfest gezeigt: am 3., 4. und 5. Juli. „Los Tiburones“ läuft noch zweimal, am 4. und 6. Juli.

 

Copyright Bilder: Filmfest München

Meine Oscar-Tipps 2019

Update vom 25.02.:

So, die Oscarverleihung ist vorbei, ich bin wieder wach und will hier kurz Fazit ziehen. Dieses Jahr habe ich mal wieder in 16 von 24 Oscar-Kategorien richtig getippt. Seit 2013 (seitdem schreibe ich mir meine „Trefferquote“ auf) habe ich damit insgesamt fünf Mal zwei Drittel der Oscarpreisträger korrekt vorhergesagt. Mittlerweile sind diese „16 von 24“ auch immer mein erklärtes Ziel, das ich dieses Mal zumindest nicht unterschritten habe. (Zweimal war ich in den letzten sechs Jahren aber sogar deutlich besser: 2014 hatte ich 21 Richtige, 2018 20).
Auf meine Tipps hatte ich mich ja ein paar Tage vor den Oscars endgültig festgelegt. Ich war zu stur, daran noch einmal etwas zu ändern, obwohl mir mein Bauchgefühl insbesondere in der Kategorie „Visuelle Effekte“ gesagt hat, dass ich mit „Infinity War“ falsch liege. Denn auch dieses Jahr hat mal wieder der Film mit den „unscheinbarsten“ Effekten unter den fünf Nominierten gewonnen, „Aufbruch zum Mond“. Genau das hatte ich vorher vermutet, aber meinen Tipp nicht mehr geändert. Selbst schuld.
Die Oscarshow an sich war gut, bot aber keine größeren Höhepunkte. Die größte Überraschung war Olivia Colmans Auszeichnung als beste Schauspielerin, wobei auch das nicht ganz aus heiterem Himmel kam und vollkommen verdient ist. Glenn Close tut mir trotzdem ein bisschen leid. Einen Moderator habe ich während der Show über weiter Strecken einerseits nicht vermisst, andererseits hätte ein erfahrener Host etwas Spontanität in die doch sehr zackig und streng nach Plan ablaufende Show bringen können. Für nächstes Jahr wünsche ich mir jedenfalls wieder entweder einen traditionellen Eröffnungsmonolog oder eine große Musicalnummer zu Beginn der Show. Und ich werde mich anstrengen, 2020 mindestens 17 Richtige zu tippen! 🙂


In der Nacht von Sonntag auf Montag findet in Hollywood die 91. Oscar-Verleihung statt. Was hat es schon im Vorfeld für ein Drama gegeben in diesem Jahr! Der recht spät gefundene Moderator (Kevin Hart) hat wieder abgesagt, jemand anderes wollte den Job anscheinend nicht machen. Also geht die Show zum ersten Mal seit 30 Jahren ohne durch den Abend führenden Host über die Bühne. Weil aber die Zuschauerzahlen in den letzten Jahren gesunken sind, wurden noch einige andere Änderungen vorgenommen. Da wäre zum Beispiel die strikte Begrenzung der Länge der Show – drei Stunden (inklusive Werbepausen) sollen es in diesem Jahr sein, auf keinen Fall mehr. Ich persönlich hätte ja gar nichts gegen eine auch deutlich längere Oscar-Show, schließlich bleibe ich dafür ja sowieso extra die ganze Nacht wach. Außerdem kommt es weniger auf die Länge an als auf den Inhalt. Lassen wir uns also überraschen, ob die Zeremonie eine willkürliche Aneinanderreihung von mehr oder weniger gelungenen Gags und Reden wird oder ob es doch so etwas wie einen roten Faden und ein paar einfallsreiche, lustige Momente geben wird.

Die Produzenten der Show versuchen jedenfalls, die Show zu straffen und hatten dazu zunächst die Performance von drei der fünf als „bester Song“ nominierten Liedern aus dem Programm geschmissen. Nach dem medienwirksamen Protest von Lady Gaga (die einen der beiden verbliebenen Songs hätte singen dürfen), sind jetzt wieder alle fünf Lieder Teil der Show, allerdings wohl nur als jeweils 90-sekündige Kurzversionen.
Auch die kurzzeitig geplante Verbannung der Verleihung von Oscars in vier bestimmten Kategorien (u.a. Kamera und Schnitt) aus der Live-Übertragung wurde nach lautstarkem Protest vieler prominenter Filmschaffender wieder rückgängig gemacht. Die Oscar-Show wird damit wahrscheinlich doch wieder länger als drei Stunden dauern (natürlich inklusive der zahlreichen Werbepausen). Wie gesagt setze ich meine Erwartungen an die Show eher niedrig an, aber ich lasse mich gerne positiv überraschen und hoffe insgeheim, dass das (ziemlich haltlose) Gerücht stimmt , welches gestern die Runde machte – nämlich dass Whoopi Goldberg die große Geheimwaffe der Show-Produzenten ist und tatsächlich wieder einmal die Show moderieren wird! (Ich glaube es allerdings nicht.)

Hier nun meine Tipps in allen 24 Kategorien:

Bester Film
Wahnsinnig schwierig in diesem Jahr. Ich gehe mal nach dem Ausschlussverfahren vor. Danach würde ich als erstes „Vice“ rauswerfen. Bleiben noch sieben Filme übrig. „BlacKkKlansman“ kann ich mir auch nicht als Gewinner vorstellen, also weg damit. Noch sechs Filme. „Roma“ ist ein interessanter Fall, weil der Film natürlich einerseits als Favorit gilt, andererseits aber auch als „bester fremdsprachiger Film“ nominiert ist. Das könnte dazu fühen, dass viele Mitglieder der Academy dort dafür stimmen, aber beim „besten Film“ „Roma“ weiter unten auf ihre Liste setzen (die Abstimmung erfolgt in dieser Kategorie, indem die acht Filme in eine Reihenfolge gebracht werden müssen). Auch die Tatsache, dass es sich um eine Netflix-Produktion handelt, könnte den Film viele Stimmen kosten. All das wiederum könnte einigen anderen Filmen helfen. Allerdings kann ich mit nicht vorstellen, dass „A Star Is Born“ hier gewinnt, schmeißen wir den also auch mal raus. Bleiben (mit „Roma“) noch fünf Filme.

Sich ein bisschen in das genaue Abstimmungsverfahren einzulesen, ist zwar interessant, sorgt am Ende vor allem für einen rauchenden Kopf. Wenn ich zum Beispiel davon ausgehe, dass „Vice“ von den wenigsten Abstimmungsberechtigten auf Platz eins gewählt wird, muss ich mir ja im nächsten Schritt vorstellen, welchen Film die Mehrheit dieser Minderheit auf den zweiten Platz gewählt hat. Damit geht das große Mutmaßen endgültig los, aber interessant ist es wie gesagt allemal.
Ich wollte hier eigentlich auf „Roma“ setzen. Doch da der Film aus den oben erwähnten Gründen nicht nur Fans, sondern auch Gegner in der Academy hat, entscheide ich mich nun für „Green Book“. Dieser Film könnte meiner Meinung nach am ehesten davon profitieren, dass „Roma“ die Academy spaltet

Bester Hauptdarsteller
Rami Malek hat für seinen Freddie Mercury in „Bohemian Rhapsody“ den Golden Globe, BAFTA und SAG-Award gewonnen. Vor ein paar Monaten hätten es wohl die wenigsten gedacht, aber nun sieht es so aus, als sei er auf dem besten Weg zum Oscar. Christian Bale und Willem Dafoe sind wohl nur Außenseiter. Bradley Cooper dürfte mit „A Star Is Born“ in der Academy mehr Fans haben und gerade „Green Book“ sollte man nicht unterschätzen. Und obwohl es sowohl um „Bohemian Rhapsody“ als auch um „Green Book“ ein paar Kontroversen gab, dürften diese kaum auf die Schauspieler abfärben. Also… Malek oder Mortensen? Ich tippe auf Rami Malek, auch wenn ich seine Leistung gar nicht soooo toll fand und den Oscar lieber bei Viggo „Aragorn“ Mortensen sehen würde.

(Übrigens bin ich überrascht, dass „Der Spitzenkandidat“ vollkommen übergangen worden ist. Hugh Jackman liefert darin eine phänomenale Leistung ab und auch die Kameraarbeit fand ich beeindruckend.)

Beste Hauptdarstellerin
Hier sieht es ausnahmsweise mal ganz einfach aus in diesem Jahr. Glenn Close ist 71 Jahre alt und zum siebten Mal nominiert, hat aber noch nie einen Oscar gewonnen! Da wird es ganz einfach Zeit. Ihre Leistung in „The Wife“ („Die Frau des Nobelpreisträgers„) ist großartig, sie hat bei den Golden Globes eine tolle Dankesrede gehalten – da sollte eigentlich nichts mehr zwischen sie und ihren ersten Oscar kommen, oder? Olivia Colman hat zwar bei den BAFTAs gewonnen, dort aber auch einen Heimvorteil gehabt. Ihre Leistung in „The Favourite“ würde ich hier lieber ausgezeichnet sehen als die von Glenn Close in „The Wife“. Aber ich tippe trotzdem auf Glenn Close. Beim siebten Mal muss es einfach klappen.

Bester Nebendarsteller
Auch hier scheint der Gewinner bereits ausgemacht zu sein. Richard E. Grant freut sich mit 61 Jahren über seine erste Oscarnomominierung so sehr, dass man ihn gerne auch auf der Bühne die Trophäe in Empfang nehmen sehen würde. Als großer „Star Wars“-Fan würde ich mich auch wahnsinnig für Adam Driver freuen. Aber Mahershala Ali hat für seine Rolle in „Green Book“ bereits alle anderen wichtigen Filmpreise abgeräumt und wird wohl auch bei den Oscars nicht mit leeren Händen sitzen bleiben müssen, obwohl er erst vor zwei Jahren für „Moonlight“ gewonnen hat. Fast hätte ich auch diesen Tipp noch einmal geändert und doch auf Grant gesetzt. Schließlich dürften viele Stimmen an ihn gehen, weil Ali eben erst vor kurzem gewonnen hat. Und wer weiß, vielleicht reicht es für Grant wirklich und ich liege falsch. Das würde gleich zu Beginn der Oscar-Show für eine Überraschung sorgen. Aber ich traue mich nicht, diesen doch etwas riskanten Tipp abzugeben. Also bleibe ich bei Mahershala Ali.

Beste Nebendarstellerin
Hier wird es wieder schwieriger. Amy Adams ist für ihre Rolle in „Vice“ zum sechsten Mal nominiert und hat noch nie gewonnen. Regina King gilt mit „If Beale Street Could Talk“ als Favoritin, aber auch Rachel Weisz („The Favourite“) hat viele Fans. Ich tippe mal auf Regina King, unter anderem auch deswegen, weil das vielleicht die einzige realistische Chance für den Film auf eine Oscarauszeichnung sein wird. In die Kategorie „bester Film“ scheint es die Literaturverfilmung ja nur ganz knapp nicht geschafft zu haben.

Beste Regie
Ich denke mal, dass sich die Academy hier auf Alfonso Cuarón einigen wird.

Bester Animationsfilm
Wenn ein Pixar-Film in dieser Kategorie nominiert war, dann hat er bisher auch immer gewonnen, oder? Nun, ich tippe dieses Jahr dennoch nicht auf Pixars „Die Unglaublichen 2“. Denn wenn das, was die Macher von „Spider-Man: Into The Spider-Verse“ abgeliefert haben, nicht oscarwürdig ist, was denn bitteschön dann? Der Film ist einer der besten Superheldenfilme seit Jahren und hat endlich mal einen neuen, kreativen Weg gezeigt, wie man Comics auch wirklich als solche auf die Leinwand bringt.

Bester fremdsprachiger Film: Hier dürfte Roma gewinnen, der deutsche Beitrag „Werk ohne Autor“ hat keine realistische Chance.

Meine Tipps in den übrigen Kategorien:

Bestes adaptiertes Drehbuch:  Charlie Wachtel, David Rabinowitz, Kevin Willmott und Spike Lee für „BlacKkKlansman“
Bestes Originaldrehbuch: „The Favourite“ (Deborah Davis und Tony McNamara)
Beste Ausstattung: „The Favourite“ (Fiona Crombie und Alice Felton)
Beste Kamera (Cinematography): Alfonso Cuarón für „Roma“
Bester Ton (Sound Mixing): „Bohemian Rhapsody“ (Paul Massey, Tim Cavagin und John Casali)
Bester Tonschnitt (Sound Editing): „Bohemian Rhapsody“ (John Warhurst und Nina Hartstone)
Beste Musik: „If Beale Street Could Talk“ (Nicholas Britell)
Bestes Lied: „Shallow“ aus „A Star Is Born“ (geschrieben von Lady Gaga, Mark Ronson, Anthony Rossomando und Andrew Wyatt)
Beste Kostüme: Sandy Powell für „The Favourite“
Beste Dokumentation: Elizabeth Chai Vasarhelyi, Jimmy Chin, Evan Hayes und Shannon Dill für „Free Solo“
Beste Kurzdokumentation: „Black Sheep“
(Ed Perkins and Jonathan Chinn)

Bester Schnitt: Hank Corwin für „Vice“
Beste Maske (Makeup & Hairstyling): „Vice“ (Greg Cannom, Kate Biscoe und Patricia Dehaney)
Bester animierter Kurzfilm: Hier tippe ich auf Pixars „Bao“ (von Domee Shi und Becky Neiman-Cobb), der vor „Die Unglaublichen 2“ im Kino gezeigt wurde.
Bester Kurzfilm: Skin von Guy Nattiv und Jaime Ray Newman. Es könnte aber auch „Marguerite“ gewinnen. Wie immer habe ich in den Kurzfilmkategorien wenig Ahnung, die meisten Filme noch nicht gesehen und mich nur ein wenig in die Expertenmeinungen eingelesen. (Eventuell werde ich aber am Sonntag noch alle fünf nominierten Live Action-Kurzfilme im Kino anschauen.)
Beste visuelle Effekte: Dan DeLeeuw, Kelly Port, Russell Earl und Dan Sudick für „Avengers: Infinity War“

Woody Allen: Wonder Wheel

Es ist schon länger ziemlich ruhig hier im Blog. Zwar habe ich einige Blogposts „in Planung“ und es liegt auch noch das ein oder Rezensionsexemplar in meiner Wohnung herum, aber irgendwie habe ich in den letzten Monaten nie die Motivation zum Schreiben gefunden.

Nachdem ich gestern Abend aber Woody Allens letzten Film „Wonder Wheel“ angeschaut habe, habe ich direkt im Anschluss einer Tinder-Bekanntschaft eine relativ ausführliche Kritik zum Film geschrieben. (Ich muss dazu sagen, dass wir uns bereits vorher kurz über den Film unterhalten hatten.) Nachdem ich diese Filmkritik in mein Smartphone getippt hatte, dachte ich mir, es wäre doch schade, wenn ich sie nicht auch hier veröffentliche. Hier ist sie also, meine extra für euch noch einmal überarbeitete und erweiterte Tinder-Filmkritik zu „Wonder Wheel“:

Der Film spielt in den 1950er Jahren im Vergnügungspark Coney Island. Ginny (Kate Winslet) ist 39 Jahre alt und lebt dort mit ihrem Mann Humpty (Jim Belushi) und ihrem Sohn aus erster Ehe. Sie arbeitet als Kellnerin, während Humpty sein Geld als Karussellbesitzer verdient. Eines Tages taucht dessen erwachsene Tochter Carolina (Juno Temple) auf. Diese will sich vor ein paar üblen Typen verstecken, die hinter ihr her sind (warum, ist gar nicht so wichtig) und kommt in der Wohnung von Humpty und Ginny unter. Als Carolina den Rettungsschwimmer Mickey (Justin Timberlake) kennen lernt, versucht Ginny zu verhindern, dass sich zwischen den beiden etwas anbahnt. Der Grund dafür: Ginny hat selbst eine Affäre mit Mickey, von der weder ihr Mann noch Carolina etwas wissen dürfen.

Ich habe inzwischen schon viele Filme von Woody Allen gesehen. „Wonder Wheel“ war ziemlich genau so, wie ich erwartet hatte. Ich mag Woody Allen, aber gerade an seinen jüngeren Filme regt mich immer viel auf. Zum Beispiel, dass er Voice Over benutzt, um die Geschichte zu erzählen, obwohl man das immer auch über Dialoge zwischen den Figuren tun könnte oder die Infos im Voice Over manchmal gar nicht nötig wären. Allen ist ein guter Geschichtenerzähler, aber sehr oft ein schlechter Filmemacher, weil er die Möglichkeiten, die das Kino bietet, gar nicht ausnutzt. Dass Justin Timberlakes Figur direkt zum Zuschauer in die Kamera spricht, um die Geschichte zu erzählen, kann ich ja noch akzeptieren. Schließlich spielt Timberlake mit Mickey hier einen Amateur-Theaterautor, der auf seinen großen Durchbruch hofft. An einer Stelle gibt es aber eine Szene, in der sich Mickey mit einem Freund trifft und bei der zu Beginn im Voice Over angekündigt wird, wer dieser Freund ist (er arbeitet am Philosophie-Institut einer Uni, welch Überraschung!) und warum sie sich treffen. Nichts davon wäre nötig gewesen und alles hätte man auch im Dialog zwischen den beiden Charakteren unterbringen können!

Die Figuren sind ziemlich schablonenhaft und der ganze Film wirkt, als hätte jemand anderes versucht, einen Film im Woody-Allen-Stil zu schreiben. Aber dieses Gefühl hat man wohl bei vielen Künstlern, die schon so lange dabei sind wie Allen. Viele seiner altbekannten Themen kommen hier vor und auch ein Junge, der Probleme in der Schule hat, immer wieder Feuer legt und schließlich zum Psychiater muss. Da kann man natürlich alles mögliche reindeuten und psychologisieren, aber gerade dieser Handlungsstrang um Ginnys Sohn läuft ziemlich ins Leere.
Die typisch witzigen Dialoge findet man hier nur ganz selten; dafür aber manchmal auch richtig schlimme Dialogzeilen, die wie Platzhalter wirken. Kate Winslet sagt an einer Stelle tatsächlich „I’ve become consumed with jealousy“! Schade, dass dem Autor da keine andere Möglichkeit eingefallen ist, diese Emotion im Dialog rüber zu bringen – so wirkt es jedenfalls wie eine Bühnenanweisung für die Schauspielerin, aber nicht wie eine Zeile, die sie wörtlich so sagen sollte! Einem weniger etablierten Drehbuchautor würde man eine solche Zeile wahrscheinlich niemals durchgehen lassen, aber Woody Allen kann sich solche Faulheiten an diesem Zeitpunkt seiner Karriere leider erlauben.

Die Schauspieler haben mir überwiegend gut gefallen. Kate Winslet kämpft zwar in manchen Szenen sichtbar mit dem für sie geschriebenen Material, kommt aber in ihrer Rolle authentisch rüber; noch besser fand ich fast Jim Belushi als ihren Mann. Justin Timberlake war okay. Insgesamt war der Film also ganz nett und ich würde ihn irgendwo im Mittelfeld der Woody Allen-Filme einordnen. Demnächst werde ich noch Allens vorherigen Film „Café Society“ anschauen, den habe ich nämlich auch im Kino verpasst.

Das 36. Filmfest München 2018

Ein Hinweis in eigener Sache:

Über das Filmfest München schreibe ich dieses Jahr nicht hier auf dem Blog. Stattdessen könnt ihr mein Festivaltagebuch auf Filmszene.de lesen. Am besten speichert ihr euch den Link, weil ich das Tagebuch im Verlauf der nächsten Tage noch ein paar mal um neue Einträge erweitern werde.
Auf Twitter werde ich euch jedes Mal sofort informieren, wenn das Festivaltagebuch aktualisiert worden ist.

Viel Spaß beim Lesen!

Big Little Lies

Fernsehen ist das neue Kino. So oder ähnlich wissen wir das ja schon lange. Während im Kino sich seit Jahren die immer gleichen Superhelden in den immer gleichen Comic-Filmen die Köpfe einschlagen, bringen uns HBO, Netflix, Showtime, Amazon usw. Jahr für Jahr neue, aufregende Serien und Mehrteiler. So auch „Big Little Lies“, eine siebenteilige Mini-Serie, die auf dem gleichnamigen Roman von Liane Moriarty basiert und von David E. Kelley fürs Fernsehen adaptiert wurde, dem wir schon Serien-Hits wie „Picket Fences“, „Ally McBeal“ oder „Boston Legal“ verdanken. Regie hat bei allen Episoden Jean-Marc Vallée geführt, der bisher vor allem für von Kritikern und Preisverleihungen gelobtes Kino wie „The Young Victoria“, „Dallas Buyers Club“ oder „Wild“ zuständig war. „Big Little Lies“ wurde mit Emmys und Golden Globes überhäuft und obwohl die Serie als einmaliges Event geplant gewesen war, wird momentan doch eine zweite Staffel gedreht, in der nun sogar Meryl Streep mitspielt.

Dabei mangelt es schon der ersten Staffel wahrlich nicht an Hollywood-Stars. Die drei Hauptrollen spielen nämlich Nicole Kidman, Reese Witherspoon und Shailene Woodley (letztere kennt man vom Kino her vor allem aus der „Divergent“-Trilogie, aus „The Descendants“ oder „Snowden“). Noch namhafter hätte man die Serie wohl nur besetzen können, wenn man Jennifer Lawrence statt Shailene Woodley gecastet hätte. 😉 Diese drei Schauspielerinnen spielen jedenfalls trotz ihres unterschiedlichen Alters (sie sind 1967, 1976 und 1991 geboren ) alle Mütter von Erstklässlern. Die Serie spielt in der kalifornischen Küstenstadt Monterey, wo es sich nicht nur wegen der Nähe zum Meer gut leben lässt, sondern auch weil die dortige öffentliche Grundschule quasi die Ausbildung und den Luxus einer Privatschule, aber eben zum Preis einer öffentlichen Schule bietet – so jedenfalls formuliert es eine der Figuren zu Beginn der Serie. (Das Alter der Schauspielerinnen habe ich übrigens nur erwähnt, weil mir bis zum Ende der Serie nicht bei allen Figuren klar war, wie alt sie eigentlich sein sollen. Wie alt die von Nicole Kidman, Reese Witherspoon oder Laura Dern gespielten Figuren sind, wird nicht ganz klar.)

„Big Little Lies“ ist so etwas wie die Luxusvariante von „Reich und schön“: im Grunde handelt es sich hier um nichts weiter als eine Soap Opera, in der die Figuren manipulieren, intrigieren, lieben, eifersüchtig sind, unter gewalttätigen Partnern leiden und alles tun würden, um ihre Kinder zu verteidigen. Mich hat die Serie ein wenig an „Desperate Housewives“ erinnert (womit ich mich damals für meine Diplomarbeit ausführlich beschäftigt habe), nur dass hier die Zahl der Konflikte noch mal hochgefahren worden ist – „Desperate Housewives“ auf Speed also. Einer dieser Konflikte, der sich durch alle Episoden zieht, beginnt gleich in der ersten Folge, als am Tag vor dem ersten Schultag (dem „orientation day“ an der Grundschule) die Tochter von Renata Klein (Laura Dern) von einem Jungen gewürgt wird. Niemand hat den Vorfall beobachtet, aber das Mädchen beschuldigt Ziggy, den Sohn der neu in die Stadt gezogenen allein erziehenden Mutter Jane (Woodley). Für die Kinder ist das alles wohl halb so wild, aber die Mütter verbringen den Rest der Staffel damit, ihre Kinder zu verdächtigen, übereinander herzuziehen und werden sogar handgreiflich. Derlei Konflikte gibt es mehrere und natürlich sind sie, wie es sich für eine ordentliche Soap Opera gehört, häufig mit Geheimnissen verbunden. Es gibt immer irgendetwas, das zumindest ein Teil der Charaktre oder aber der Zuschauer nicht weiß. Daraus entstehen Fragen, die Spannung erzeugen: Wer ist Ziggys Vater? Wann wird Celeste (Kidman) endlich ihren gewalttätigen Mann verlassen oder auch nur ihren Freundinnen von ihrem Leid berichten? Wann und wie wird die Affäre, die Madeline (Witherspoon) vor einem Jahr hatte, ans Licht kommen?

Klassischer Soap-Stoff also, der hier aber durch die durchweg guten bis großartigen Schauspielleistungen aufgewertet wird. Zudem ist die Serie extrem hübsch anzusehen, was an den idyllischen Drehorten liegt und auch daran, dass hier fast alle Figuren in villenartigen Häusern leben, in denen schon mal ein ganzes Zimmer als Kleiderschrank dient. Tatsächlich gab es in einer der ersten Folgen eine Szene mit Madeline und ihrer Tochter, bei der ich zunächst annahm, die beiden hielten sich gerade in einem Designer-Einrichtungsgeschäft auf. Kurz darauf realisierte ich dann, dass sie in der Küche ihres eigenen Hauses standen! 😀
Teilweise kam mir die Serie mit der hohen Dichte an Konflikten und Intrigen und den ständigen Bildern hübscher Menschen in teuren Häusern schon wie eine Parodie auf Soap Operas vor.

In „Big Little Lies“ gehen die Figuren immer gleich vom Schlimmsten aus und halten andere stets für schlecht und böse – das war jedenfalls mein Eindruck. Und es gehört natürlich zum dramatischen Erzählen (ganz besonders in Soap Operas) dazu, denn auf diese Weise lassen sich leicht neue Konflikte schaffen und dann das Meiste aus ihnen rausholen. Die drei Hauptfiguren sind zwar gute Freundinnen, bilden auf diese Weise aber lediglich einen Gegenpol zu all den „bösartigen“ Beziehungen und sind Identifikationsfiguren für den Zuschauer. Intrigant und manipulativ sind allerdings auch sie. Jede Figur ist hier darauf bedacht, das Bild eines nach außen hin perfekt erscheinenden Lebens aufrecht zu erhalten. Oftmals ist dieses Leben in Wahrheit aber längst in die Brüche gegangen oder – um fairerweise mal nicht zu übertreiben – die Charaktere haben zumindest Probleme und Schicksalsschläge, mit denen sie fertig werden müssen.

Noch gar nicht erwähnt habe ich den eigentlichen Aufhänger der Serie: Schon von Beginn an wird klar gemacht, dass ein Mord geschehen wird. Man weiß allerdings noch nicht, wer das Opfer sein wird. In kurzen Ausschnitten aus vorweg genommenen Zeugenbefragungen geben die Stadtbewohner kurze Statements von sich, in denen sie über ihre Mitmenschen herziehen. Das erzeugt zwar am Anfang Spannung, weil man eben noch nicht weiß, um welches konkrete Verbrechen es geht (das ja zum Zeitpunkt der Haupthandlung noch nicht passiert ist), auf Dauer wirken diese Szenen aber etwas überflüssig. Als das Geheimnis um dieses Verbrechen am Ende schließlich aufgelöst wurde, habe ich mich erneut an „Desperate Housewives“ erinnert gefühlt. Dort diente ein ganz ähnliches Verbrechen nämlich mal als zentrales, handlungstreibendes Geheimnis für eine ganze Staffel.

Im Lauf der sieben Folgen hat mir die Serie nach anfänglichen Schwierigkeiten immer besser gefallen. Gerade die letze Folge hat mich mit ihrer langen Partyszene beeindruckt; diese ist nämlich sehr gut geschrieben und geschnitten – man weiß stets, welche der vielen Figuren sich wo aufhält, wer schon auf der Party angekommen ist und wer nicht usw. Übrigens spielen in der Serie auch Männer mit, auch wenn ich bis jetzt noch keinen von ihnen erwähnt habe. Die Hauptrollen gehören hier ganz klar den Frauen. Ich habe mich spaßeshalber sogar mal gefragt, ob „Big Little Lies“ überhaupt so etwas wie einen „umgekehrten Bechdel-Test“ bestehen würde. Gibt es hier also eine Szene, in der sich zwei Männer über etwas anderes als Frauen unterhalten? Ich bin mir ehrlich nicht sicher, aber es ist auch nicht wichtig. Die meisten Szenen gehören den  Darstellerinnen und die Männer sind vor allem dazu da, die Handlungsstränge der weiblichen Figuren voranzutreiben. Vor Alexander Skarsgård („True Blood“, „Die Legende von Tarzan“) habe ich mich in den späteren Folgen aber tatsächlich gefürchtet, so realistisch spielt er den einerseits scheinbar liebevollen und fürsorglichen, andererseits cholerischen und gewalttätigen Ehemann.

Insgesamt gibt es also einen Daumen hoch von mir für „Big Little Lies“. Ja, es ist irgendwie Edel-Trash und von der Handlung her eine Soap Opera, aber eben eine auf sehr hohem Niveau. Dialoge, Schauspielleistungen und Produktionsaufwand gehen weit über das hinaus, was man an Soap-Kost im Vorabendprogramm zu sehen bekommt. Ich freue mich schon auf die zweite Staffel!

Bates Motel – Season 5

Dieser Text enthält Spoiler!

Nachdem ich die ersten vier Staffeln von „Bates Motel“ hier im Blog besprochen habe, kommt nun auch die fünfte und letzte Staffel zum Zug. Sie ist ist bereits seit dem 9. November auf DVD und Bluray erhältlich.

Die fünfte Staffel von "Bates Motel" auf BluRay

Man konnte ja noch Hoffnung haben für Norman Bates (Freddie Highmore) – mir zumindest ging es im Verlauf der Staffel mehrmals so. Zwar haben sämtliche Versuche ihn zu heilen im Verlauf der letzten Staffeln nicht gefruchtet und Staffel vier endete schließlich mit dem tragischen (aber natürlich von „Psycho“-Kennern erwarteten) Mord an seiner Mutter Norma (Vera Farmiga). Weil dieser wie ein Selbstmord aussah, lebt Norman nun zwei Jahre später allein in dem großen, düsteren Haus auf dem Hügel neben dem Motel. Sein Bruder Dylan (Max Thieriot) lebt mit seiner Freundin Emma (Olivia Cooke) inzwischen in Seattle und der ehemalige Sheriff und Ehemann von Norma, Alex Romero (Nestor Carbonell) sitzt im Gefängnis.

Norman Bates (Freddie Highmore) hängt neue Duschvorhänge auf

Norman Bates (Freddie Highmore) hängt neue Duschvorhänge auf

Wer Hitchcocks „Psycho“ gesehen hat, weiß natürlich, was nun noch kommen muss. Während die ersten vier Staffeln die Vorgeschichte von Norman Bates erzählt haben, kommen wir im Lauf dieser letzten Staffel nun mitten in die bekannten Ereignisse aus „Psycho“ hinein. Wobei diese sich dann allerdings nicht genauso zutragen wie im Film. Denn wie so oft, wenn in den letzten Jahren bereits zuvor verfilmte Stoffe in Kino und TV wiederverwertet wurden, wird auch hier die Geschichte etwas abgewandelt (so wie dies zum Beispiel auch bei „Star Trek Into Darkness“ der Fall war). So ist es dieses Mal nicht Marion Crane (Rihanna), die von Norman Bates unter der Dusche ermordet wird…

Trotz des Tods ihrer Serienfigur ist Vera Farmiga natürlich weiter in der Serie dabei, schließlich lebt Norma schon lange in Normans Kopf fort. Mit dieser „Norma“ (ich habe die imaginäre Version der Figur in meinen Notizen stets in Anführungszeichen gesetzt) spielt Farmiga nun also nur noch eine nicht reale, oftmals idealisierte Version ihrer Figur, was schauspielerisch sicherlich interessant gewesen sein muss. Ohne dass Norman sich hinterher daran erinnern kann, übernimmt „Norma“ immer wieder die Kontrolle über ihn. Sie versucht, ihn vor schlechten Einflüssen zu beschützen, die sie natürlich vor allem in jungen, weiblichen Konkurrentinnen auszumachen glaubt. So sieht sie es gar nicht gerne, als Norman Madeleine (Isabelle McNally) kennen lernt, die Inhaberin eines Haushaltswarengeschäfts. Bei ihr bestellt er nicht nur neue Duschvorhänge fürs Motel, was den Zuschauer in freudige Erregung versetzt, sondern schenkt ihr auch die Kleider seiner Mutter. Dass die schlanke, blonde Madeleine Norma frappierend ähnlich sieht und damit genau Normans Typ ist, versteht sich von selbst. Die Eifersucht in „Norma“ ist jedenfalls geweckt und so gibt sie ihm bereits in der ersten Episode folgenden Ratschlag:

„All I know is that the world is full of bad people and we cannot trust anyone from the outside. It is you and me, Norman, that is all we have. We would die without each other, do you understand that?“

Auch nach ihrem Tod verlässt Norma (Vera Farmiga) ihren Sohn einfach nicht

Auch nach ihrem Tod verlässt Norma (Vera Farmiga) ihren Sohn einfach nicht

Außerdem lässt sie ihn wissen, dass er einfach keine anderen Leute außer ihr in seinem Leben haben könne. Es steht also weiterhin gar nicht gut um den armen Norman, der nach außen hin meistens so nett und unschuldig wirkt, aber innerlich zerrissen und von starken psychischen Problemen geprägt ist. Tatsächlich bleibt Normans Geschichte auch in der fünften Staffel weiterhin spannend. Seine Mutter ist zwar tot, aber wie erwähnt weiterhin ständig präsent. Außerdem werden einige neue Figuren eingeführt, darunter Marion Crane und Madeleine, aber auch ein Mann, der die beiden verbindet: Sam (Austin Nichols) ist Madeleines Ehemann und Marions Geliebter, was natürlich wieder einiges an Geheimnissen und Lügen mit sich bringt und letztendlich nicht gutgehen kann.

Den mit Abstand langweilisten Handlungsstrang hat dieses Mal leider der ehemalige Sheriff Romero abbekommen. Aus dem Gefängnis, in dem er zu Beginn der Staffel steckt, entkommt er natürlich, nur um sich dann aber in erzählerischer Monotonie über mehrere Episoden hinweg auf den Weg zurück nach White Pine Bay zu machen, wo er Rache an Norman nehmen will. Erst in der achten Folge kommt er dort an und bekommt etwas Interessantes zu tun. Er erschießt nämlich leider Chick (Ryan Hurst), der doch eigentlich einen True Crime-Roman über die Ereignisse rund um Norman schreiben wollte. Ich hatte mich schon so darauf gefreut, am Ende der Serie dieses Buch unter dem Namen „Psycho“ in den Handel kommen zu sehen, aber daraus wurde nichts.

Wie schlimm es um Normans psychische Gesundheit steht, wird hier vor allem an zwei Dingen deutlich (als wären die Morde, die er verübt und die Gespräche mit seiner imaginären Mutter nicht genug): Zum Einen trifft er in Folge fünf seinen früheren Therapeuten, nur um später festzustellen, dass er sich diese Begegnung auch nur eingebildet hat. Zum anderen realisiert er nach diesem „Gespräch“ selbst, dass er regelmäßig zu einer ganz anderen Person wird, zu „Norma“ eben. In der örtlichen Bar ist man jedenfalls ganz erstaunt, als er plötzlich ohne Frauenkleider und nicht in seiner „Norma“-Identität dort auftaucht.

Genau Normans Typ: Madeleine (Isabelle McNally) ist seiner Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten

Genau Normans Typ: Madeleine (Isabelle McNally) ist seiner Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten

Schauspielerisch überzeugen Freddie Highmore und Vera Farmiga erneut auf ganzer Linie. Nicht von allen anderen Darstellern kann ich dasselbe behaupten, was aber zum Teil daran liegt, das das Material, welches die Drehbücher ihnen bieten, unterschiedlich gut ist. Max Thieriot hat mich in den früheren Staffeln wenig begeistert, dieses Mal hat er aber zumindest gegen Ende der Staffel einige überzeugende, emotionale Szenen mit Highmore, in denen Dylan verzweifelt versucht, seinen Bruder doch noch zu retten. Dylans und Emmas Integration in die Handlung gelingt dabei überzeugender als Romeros, letztentlich sind sie aber natürlich nicht die Hauptfiguren in diesem Drama. Mit Normas Bruder Caleb (Kenny Johnson) wird relativ früh kurzer Prozess gemacht, worüber ich nicht besonders traurig war.

Richtig Fahrt nimmt die Staffel natürlich erst in ihrer zweiten Hälfte auf, als wir uns mit Marions Ankunft mitten in den „Psycho“-Ereignissen befinden. Durch deren leichte Abwandlung und die zusätzlichen Figuren bleibt das Ganze trotzdem spannend und spitzt sich zum Ende hin immer mehr zu. „If you ever feel overwhelmed, I could just take over“, bietet „Norma“ ihrem Sohn an. Doch Norman hat noch Hoffnung, dass sich die Dinge für ihn zum Besseren wenden. Nach dem Mord an Sam realisiert er zwar, dass er unter „Normas“ Kontrolle schon mehrere Morde begangen hat. Doch er stellt sich der Polizei. Zu dumm nur, dass ihm Sheriff Greene (Brooke Smith) erst einmal gar nicht glaubt.

Von der Nacherzählung „Psychos“ haben sich die Ereignisse hier wie erwähnt ein Stück weit entfernt, sodass „Bates Motel“ am Ende kein schlichtes Prequel – und in dieser Staffel zum Teil auch Remake – von Hitchcocks Film mehr ist (was die Serie aufgrund der Ansiedelung der Geschichte in der Gegenwart genau genommen sowieso nie gewesen war).  Am Ende verschwindet die imagniäre „Norma“ aus Normans Kopf, nachdem dieser Romero umgebracht hat, woraufhin sich Norman vollkommen in eine eigene Realität hinein träumt.

Rihanna tritt als Marion Crane die Nachfolge von Janet Leigh an - aber wird die Figur auch hier dasselbe Schicksal erleiden?

Rihanna tritt als Marion Crane die Nachfolge von Janet Leigh an – aber wird die Figur auch hier dasselbe Schicksal erleiden?

Dort lebt er zusammen mit Norma in Glückseligkeit und die beiden machen einen Neuanfang in einer neuen Stadt, wo sie ein neues Motel eröffnen. Wer weiß, vielleicht spielen sich die Ereignisse von „Psycho“ ja dort, also komplett in Normans Kopf ab? Es ist ein großes Kompliment an die Drehbuchautoren und die Leistung der beiden Hauptdarsteller, dass ich erst in dieser Schlussszene das Gefühl hatte, Norman sei wirklich verrückt und nicht mehr zu retten. Zuvor habe ich über fünf Staffeln mit ihm mitgefühlt und stets ein Stück weit geglaubt, es könne noch Hoffnung für diesen jungen Mann geben.

„Bates Motel“ hat die eine oder andere Schwäche, vor allem in den Handlungssträngen der zum „Psycho“-Universum hinzu erfundenen Figuren wie Dylan, Caleb oder Romero. (Möglicherweise wurden einige davon im Roman erwähnt, im Film kommen sie jedenfalls nicht vor.) Insgesamt bietet die Serie aber über fünf Staffeln hinweg kurzweilige Hochspannung mit überwiegend sehr guten Schauspielleistungen. Der Figur von Norman Bates haben die Autoren und natürlich Freddie Highmore zahlreiche neue Facetten hinzugefügt, die dessen Geschichte für mich noch viel interessanter gemacht haben, als sie es durch den Film ohnehin schon gewesen war.

Copyright Bilder: Universal Pictures Home Entertainment

Star Wars: The Last Jedi – Der Film & der Soundtrack

Es ist wieder Dezember und das bedeutet seit 2015: es kommt ein neuer „Star Wars“-Film ins Kino (nur 2018 wird mit dieser Regel brechen, denn „Solo – A Star Wars Story“ startet bereits im Mai). Ich habe den Film am Starttag zweimal gesehen und wollte ihn eigentlich noch ein drittes Mal anschauen, bevor ich darüber blogge. „The Force Awakens“ und „Rogue One“ habe ich jeweils kurz nach dem Kinostart besprochen, aber „The Last Jedi“ ist ein Film, den man mehrmals sehen muss, um sich eine feste Meinung dazu bilden zu können. Zu meinem dritten Kinobesuch bin ich noch nicht gekommen, den Blogpost über den Film – und das Soundtrack-Album! – wollte ich aber auf jeden Fall noch 2017 fertig stellen. Der Form halber weise ich an dieser Stelle darauf hin dass der folgende Text massive Spoiler zum Film beinhaltet!

Rey und Luke auf Ahch-ToNachdem zum ersten Mal vor mir der Abspann der achten „Star Wars“-Episode über die Leinwand lief, war ich verwirrt und alles andere als begeistert. Mir hatte der Film nicht gefallen und inzwischen weiß ich auch, warum. Regiesseur und Drehbuchautor Rian Johnson, der bei der Gestaltung seiner Fortsetzung der von J.J. Abrams in Episode VII begonnenen Geschichte völlig freie Hand hatte, widersetzt sich hier nämlich zahlreichen Erwartungen und liefert einen Film ab, der einem wenig bis nichts von dem vorsetzt, das man bei einem „Star Wars“-Film sehen will. Dafür liefert er ab sehr viel ab, das nötig war, um die „Star Wars“-Saga im Kino auch weiterehin frisch und relevant zu halten. Spätestens nach meinem zweiten Kinobesuch war mir klar, dass zahreiche Handlungselemente des Films zwar unterwartet, irritierend und für viele vielleicht sogar entäuschend erscheinen mögen, aber Johnson so doch einen viel besseren Film abgeliefert hat, als wenn er den Fans einfach das gegeben hätte, was sie erwartet hatten.

Das geht natürlich bei Luke Skywalker (Mark Hamill) los. In den Büchern und Comics des alten erweiterten Universums blieb Luke nach dem Ende von „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ der strahlende und erfolgreiche Held, zu dem er im Lauf von drei Filmen geworden war. Er gründete den Jedi-Orden neu, bildete eine neue Generation von Jedis aus und stellte sich so manchem übermächtig erscheinenden Gegner, den er nicht selten in einem epischen Lichtschwertduell besiegte. Inzwischen ist mir klar, dass auch ich mir für Episode VIII einen solchen Luke Skywalker gewünscht hatte. Zwar haben schon „The Force Awakens“ und der erste Teaser zu „The Last Jedi“ klar gemacht, dass wir es hier mit einem anderen Luke zu tun bekommen werden. Doch insgeheim habe ich mir wohl gewünscht, der einsiedlerische, zweifelnde und abweisende Luke würd im Lauf des Films seine Insel verlassen und Kylo Ren für einen mindestens 20-minütigen epischen Lichtschwertkampf gegenübertreten. Ich sehe aber  – genau wie Mark Hamill – inzwischen ein, dass der Film tatsächlich eine viel interessantere Geschichte erzählt und alles andere wohl nur eine Wiederholung dessen gewesen wäre, was wir im Verlauf der letzten sieben Filme schon erlebt haben.

Meine Enttäuschung nach dem Film bezog sich auch darauf, dass wir in meinen Augen weder einen „richtigen“ Lichtschwertkampf noch eine wirklich interessante Actionsequenz zu sehen bekommen. Auch hier habe ich meine Meinung aber inzwischen geändert. Zwar gibt es tatsächlich nicht das klassische Duell eines (oder mehrerer) Jedi gegen einen dunklen Machtnutzer. Stattdessen serviert uns Rian Johnson aber den brillanten Kampf Reys und Kylo Rens gegen Snokes Wachen, der auch optisch eine Augenweide ist. Und was sonstige Actionsequenzen betrifft, so findet sich die „traditionellste“ von ihnen gleich zu Beginn des Films, als Poe Dameron fast im Alleingang einen Dreadnaught ausschaltet. Roses und Finns Ritt auf den Fathiers durch Canto Walker (aber nicht Johnny)Bight hat mich nicht gerade umgehauen und die sogenannte Schlacht von Crait ist zu Ende, bevor sie richtig beginnt. Aber auch dabei gilt: hätte Johnson nur die Schlacht von Hoth größer und bombastischer wiederholt, dann wären zwar die Kinogänger vorrübergehend geflasht gewesen. Tatsächlich ging es ihm aber wohl nicht um bombastische Action, sondern um Charaktermomente, was der Auftritt von Luke Skywalker am Ende des Films gut verdeutlicht. Die kurze Belagerung des Widerstandes in der alten Rebellenbasis durch die Erste Ordnung endet nicht mit einem großen Kampf, sondern damit, dass Luke seiner Schwester und ihren Mitstreitern Zeit für die Flucht verschafft. Und das eben auch nicht in einem großen Lichtschwertduell, sondern in einer Weise, die man nicht hat kommen sehen.

Der schwächste Handlungsstrang des Films ist sicherlich der um Finn und Rose, die auf Canto Bight nach dem „Master Codebreaker“ suchen. Allerdings gefällt mir dieser „Monte Carlo-Planet“ sehr gut und die sozialen Unterschiede, auf die der Film damit aufmerksam macht, stellen nicht nur höchst aktuelle Bezüge zur Realität her, sondern wurden im „Star Wars“-Universum bislang auch wenig beleuchtet. Die Einführung der Sklavenkinder und insbesondere die letzte Szene des Films finde ich hochinteressant. Zum einen, weil wir damit am Ende von Episode VIII wieder dort sind, womit in Episode I das ganze Schlamassel angefangen hat: bei einem machtbegabten Sklavenjungen, der von den Sternen träumt. Zum anderen, weil sie so viel Stoff für eigene Gedanken und Spekulationen bietet. Zunächst dachte ich, Johnson (und Lucasfilm) wollen uns mit dieser Szene einen Ausblick auf zukünftige Filme geben. Wird es darin um eines der Kinder auf Canto Bight gehen? Inzwischen glaube ich das nicht mehr so sehr. Viel mehr soll diese Szene wohl die Bedeutung des Mythos von Luke Skywalker unterstreichen. War dieser schon zuvor galaxisweit für seine Heldentaten bekannt, so ist er mit seiner überraschenden Rückkehr und seinem Heldentod endgültig zur Legende geworden – und zur Inspiration für unzählige Wesen in der ganzen Galaxis.

Amilyn Holdo (Laura Dern)

Von den neuen Figuren hat mir Admiral Holdo (Laura Dern) mit Abstand am besten gefallen. Beim ersten Kinobesuch habe ich diese Figur richtig gehasst, bis schließlich klar wurde, dass sie sehr wohl die ganze Zeit über einen festen Plan hatte, um dem Widerstand zur Flucht zu verhelfen. Schauspielerisch hat mich Adam Driver sehr beeindruckt, während ich Mark Hamill zwar gut fand, aber wohl nicht so überagend wie viele andere Zuschauer. Die Szenen mit Carrie Fisher waren natürlich auch für mich besonders emotional. Ihren „Weltraumspaziergang“ fand ich einfach nur großartig. Es ist wunderbar, dass wir nun endlich auch Leia einmal die Macht nutzen haben sehen, und noch dazu in einer Szene in der es um Leben und Tod ging und auf eine Art und Weise, wie wir es zumindest in den Filmen noch nie gesehen haben. (In „Star Wars Rebels“ hat Kanan ja einen ähnlichen Trick vollführt.) Kurzzeitig irritiert war ich am Ende des Films über Finns Schicksal. Meiner Meinung nach ist seine Charakterentwicklung nun nach zwei Filmen abgeschlossen und ich war ein paar Sekunden lang überzeugt, dass er sterben würde. Seine Rettung durch Rose empfand ich als unpassend, sehe aber ein, dass sein Tod zusammen mit dem von Luke Skywalker dramaturgisch wohl etwas zuviel gewesen wäre.

Zum Schluss will ich noch einmal kurz auf die Erwartungen zurückkommen, die Rian Johnson hier alle unterlaufen hat: Finn liegt im Koma? Nein, er läuft dank Bacta-Behandlung bereits zu Beginn des Films wieder putzmunter herum. Snoke ist ein mysteriöser Oberbefehlshaber, über dessen Herkunft und Ziele wir noch mehr erfahren werden? Nun, zumindest in den Filmen dürfte davon kaum noch etwas vorkommen, schließlich ist Snoke nun mausetot. Selbst der nach Episode VII fast schon erwartete Wechsel Kylo Rens zur hellen Seite bleibt aus, stattdessen wird er zum neuen Obersten Anführer der Ersten Ordnung. Und unter Reys Vorfahren finden sich wohl weder Luke, Leia oder Han noch Obi-Wan Kenobi. Ich finde, Rian Johnson hat bei „The Last Jedi“ sehr vieles richtig gemacht und bei der Ausarbeitung seiner Geschichte Mut und Können bewiesen. Ich kann nur hoffen, dass J.J. Abrams und seinem Co-Autoren dies auch bei Episode IX gelingt und sie die Trilogie gleichzeitig zu einem würdigen Abschluss bringen werden.

Die Filmmusik von John Williams

Der Start einer neuen „Star Wars“-Episode bedeutet auch immer, dass wir einen brandneuen, von John Williams komponierten Soundtrack bekommen. Die CD mit der Filmmusik ist für mich stets das begehrteste Stück Merchandise; das Album mit der Musik zu „The Last Jedi“ ist seit 15.12.2017 als CD, Download und Stream erhältlich. Da ich dieses Mal freundlicherweise ein Rezensionsexemplar davon zur Verfügung gestellt bekommen habe will ich das Album hier kurz besprechen. Ich habe es inzwischen mehrmals angehört, wobei mir vor allem eines aufgefallen ist: Die Musik zu „The Last Jedi“ bietet so wenig neu komponierte Themen und Motive, wie das bisher bei keiner anderen „Star Wars“-Fortsetzung der Fall war. Das mag zunächst enttäuschen, lässt sich aber in gewisser Weise vielleicht auch gar nicht vermeiden. Schließlich hat John Williams über sieben Filme einen Fundus an Melodien aufgebaut, die mit verschiedenen Charakteren, Orten, Situationen und Gruppierungen verbunden sind und auf die er nun zurückgreifen kann. Natürlich wird Prinzession Leias Thema gespielt, wenn diese zu sehen ist! Und natürlich hören wir im Verlauf des Films immer wieder das berühmte „Force Theme“, insbesonder während der Sezenen, in denen Luke die junge Rey unterrichtet.

Star Wars: The Last Jedi (Soundtrack Album)

Zum Großteil besteht das Soundtrack-Album also aus Wiederholungen und Variationen bekannter Themen und Motive. Dazu gehören auch solche, die in Episode VII neu eingeführt worden waren, allen voran „Reys Theme“,  der „March of the Resitance“ und die beiden kurzen Motive für Kylo Ren bzw. die Erste Ordnung. Poes Thema ist zumindest auf dem Album leider kaum vertreten und das actiongeladene Thema, das wir im Verlauf von Episode VII mit Finn assoziiert haben, glänzt mit vollkommener Abwesenheit. Für alle bekannten Themen, die Williams erneut aufgreift, gilt jedoch, dass sie immer wieder variiert und zum Teil auch miteinander verwoben werden. So entdeckt man auch an altbekannten Melodien hier noch neue Seiten.

Das Album stellt zwei wichtige neue Themen vor, nämlich eines für Rose und eines das man als „Last Jedi“-Thema oder als Thema für den gealterten Luke Skywalker bezeichnen könnte. Ich muss zugeben, dass sie mir beide noch nicht im Gedächtnis hängen geblieben sind. Leider findet sich auf dem Album dieses Mal auch nur ein einziges Konzertarrangement der neuen Themen („The Rebellion is Reborn“). Dieses beinhaltet die beiden eben angesprochenen Themen. Dies sind zwar nicht die einzigen neuen Themen, die John Williams für den Film komponiert hat, aber die einzigen beiden, die sich an prominenter Stelle auf dem Soundtrack finden lassen. (Das für Admiral Holdo geschriebene Thema findet sich auf dem Album anscheinend nur kurz im letzten Track der während des Abspanns läuft.)

Neben dem bereits erwähnten „The Rebellion Is Reborn“ finden sich noch einige andere Höhepunkte auf dem Album. „Ahch-To Island“ untermalt Reys Interaktionen mit Luke zu Beginn des Films und nutzt dazu sowohl das vom Ende von „The Force Awakens“ bekannte „Jedi Steps“-Thema als auch „Reys Theme“, das „Force Theme“ und das neue „Last Jedi“-Thema. „Canto Bight“ geht nach einem majestätische Beginn zu einem Stück „Source Music“ über, die im Casino auf Canto Bight zu hören ist und stark an die „Cantina Band“ des ersten Films erinnert (anscheinend hat John Williams hier übrigens bereits für andere Filme komponierte Musik erneut verwendet und neu instrumentiert). Das verspielte „The Fathiers“ untermalt Finns und Roses Ritt auf den gleichnamigen Reittieren und erinnert an Williams‘ Soundtrack zu Spielbergs „Tintin“. In „The Spark“ kehrt zusammen mit Luke Skywalker auch ein lange nicht gehörtes Thema zurück, nämlich das bisher nur aus Episode VI bekannte „Luke & Leia“-Thema. Es wird wohl einer der Gründe dafür gewesen sein, warum der Kinobesucher im Sessel neben mir beim Zusammentreffen von Luke und Leia hörbar schluchzen musste. Etwas befremdlich mutetet dieses Mal das für den Abspann zusammen gestellte „Finale“ an. In den bisherigen Filmen hat John Williams die End Credits jedes Mal dazu genutzt, um einige der neuen Themen in all ihrer Breite zu präsentieren. Dieses Mal wirkt das entsprechende Stück allerdings wie ein nachträglich im Studio zusammenkopiertes Medley aus zahlreichen „Star Wars“-Melodien. Darunter befinden sich zwar einige der neuen Themen, aber auch die Themen von Rey und dem Widerstand sind hier erneut anzutreffen, ebenso wie Yodas Thema. Weniger wäre hier eindeutig mehr gewesen, denn keinem der einzelnen Themen wird hier genug Raum geschenkt und es wäre wirklich schön gewesen, wenn man hier noch einmal nur die neuen Themen hätte kennen lernen können.

Insgesamt ging es mir mit dem Soundtrack-Album ein wenig wie mit dem Film selbst: Ich war zunächst enttäuscht davon, konnte mich aber inzwischen damit anfreunden. Die von Williams verwendete Leitmotiv-Technik bringt es nun einmal mit sich, dass er auf bereits etabliertes Material zurückgreifen muss, von dem es inzwischen eine ganze Menge gibt. Immerhin wird dieses aber oft in einer neuen, frischen Weise präsentiert und gerade die schnelleren, actiongeladeneren Stücke verdeutlichen wieder einmal Williams‘ meisterhaften Umgang mit der Leitmotivtechnik. Trotzdem hätte ich mir auf dem Album mehr neue Themen gewünscht. Ich hoffe, dass Lucasfilm auch dieses Mal online eine „For Your Consideration“-Version des Soundtracks ins Internet stellt, die zum Teil aus noch nicht veröffentlichten Stücken besteht und vor allem die neuen Stücke in den Vordergrund stellt.

© 2017 & TM Lucasfilm Ltd.

Buchrezension: „A Dream Given Form – The Unofficial Guide to the Universe of Babylon 5“

Bücher über „Babylon 5“ gibt es nicht viele. Die Kultserie aus den Neunzigern hat zwar bis heute eine treue Anhängerschaft und findet durchaus auch noch neue Fans, fristet aber dennoch ein Nischendasein – unter anderem aufgrund der traurigen Tatsache, dass sie immer noch bei keinem der großen Streaminganbieter verfügbar ist. Wer nach Episodenführern mit ausführlichen Besprechungen der einzelnen Folgen sucht, stößt auf die Bücher von Jane Killick, die zu jeder der fünf Staffeln einen Band veröffentlicht hat oder auf die beiden „The Babylon File“-Bücher von Andy Lane. Mit „A Dream Given Form“ haben Ensley F. Guffey und K. Dale Koontz nun ein weiteres Buch veröffentlicht, in dem alle 110 Serienepisoden, der Pilotfilm und die weiteren Fernsehfilme, die kurzlebige Spin-off-Serie „Crusade“ sowie alle zum offiziellen Kanon gehörenden Romane und Comics unter die Lupe genommen werden. Der Vorteil gegenüber den anderen erwähnten Büchern scheint also klar auf der Hand zu liegen: hier findet man erstmals Besprechungen aller zum „Babylon 5“-Universum gehörenden Geschichten in einem einzigen Buch vereint.

A Dream Given Form - The Unofficial Guide to the Universe of Babylon 5

Die Autoren haben zuvor ein ähnliches Buch zu „Breaking Bad“ veröffentlicht, was angesichts der Popularität und Aktualität der Serie nahe lag. Warum nun also ein Buch zu einer Serie, deren letzte Folge vor 19 Jahren ausgestrahlt wurde? Ich habe leider noch keine Gelegenheit gehabt, die Autoren dazu zu befragen, nehme aber an, dass sie ganz einfach selbst große Fans von J. Michael Straczynskis (JMS) Weltraum-Saga sind. (Und was die Aktualität betrifft: „Babylon 5“ mag schon ein paar Jahre auf dem Buckel haben, inhaltlich sind große Teile der Serie aber momentan leider so aktuell wie nie seit ihrem Bestehen. Man denke nur an den Aufstieg einer korrupten, fremdenfeindlichen Regierung und andere Aspekte der Serienhandlung, die stark an das aktuelle politische und gesellschaftliche Geschehen in Deutschland oder den USA erinnern.)

Nun aber zum Buch selbst. Wie erwähnt behandelt es alle bislang erschienenen Geschichten, die zum offziellen Kanon gehören (einige der „Babylon 5“-Romane und Comics sind JMS zufolge nicht kanonisch; auf sie wird im Buch dementsprechend nicht eingegangen). Das bedeutet allerdings, dass selbst auf knapp 500 Seiten nicht der Platz ist, um jede einzelne Episode und jeden Comic wirklich ausführlich zu besprechen und ausführliche Interpretationen und Analysen zu liefern. Die Episodenbesprechungen fallen hier dementsprechend ziemlich knapp aus und gehen meist nicht einmal auf alle Handlungsstränge der jeweiligen Folge ein. Stattdessen werden jeweils ein oder zwei wichtige oder interessante Punkte herausgegriffen und in wenigen Absätzen besprochen. Damit dienen diese Episodenbesprechnungen mehr als Ausgangspunkt für weitere, eigene Überlegungen oder Diskussionen denn als fundierte Informationsquelle. Manchen Fans der Serie mag das genügen, ich persönlich hätte es aber gerne etwas ausführlicher gehabt. Das hätte aber wohl den Rahmen des Buches gesprengt. Ich freue mich auch sehr, dass die 13 Episoden von Crusade (und dazu drei zwar geschriebene, aber nicht mehr verfilmte „Crusade“-Drehbücher), die Comics und Romane ebenfalls Teil des Buches sind. Zu den Büchern und Comics werden nämlich kurze Inhaltsangaben geliefert, was praktisch für all diejenigen ist, die sie nicht selbst lesen wollen. (Ich habe vor ein paar Monaten begonnen, den ersten Teil der „Psi-Corps“-Trilogie zu lesen und nach einigen Kapiteln abgebrochen, weil mich das Buch so gelangweilt hat.)

Wenn man die einzelnen Episoden gut kennt, hat man keine Probleme, den kurzen Erläuterungen und Gedankengängen der Autoren zu folgen. Die Texte lesen sich flüssig; dazu finden sich am Ende jeder Episodenbesprechung Rubriken wie „Did You Notice“, wo allerlei Interessantes und Kurioses aus der jeweiligen Folge aufgelistet wird oder „Hyperspace Beacons“, wo die Autoren auf Dinge in der Episode verweisen, die in Zukunft noch eine Rolle spielen werden. Auch ein „Highlight“ sowie ein besonders hervorstechendes Zitat aus jeder Episode liefern die Autoren. Hin und wieder streuen sie auch interessante Fakten ein, die über die Geschichten des B5-Universums hinausgehen, z.B. wenn sie im Zusammenhang mit der Episode, in der Susan Ivanova über ihren verstorbenen Vater trauert, erläutern, was es mit dem jüdischen Ritual der Schiv’a auf sich hat. Zu jeder Episode werden weiterhin der/die Autor/in, der/die Regisseur/in und das Datum der Erstausstrahlung aufgelistet. Leider fehlt eine Auflistung der Gaststars, möglicherweise aus Platzgründen.

Noch nicht erwähnt habe ich das exklusive Interview mit Londo-Darsteller Peter Jurarsik, welches ebenfalls Teil des Buches ist und wirklich sehr informativ und lustig ausgefallen ist. In einem weiteren Abschnitt haben die beiden Autoren kurze Nachrufe auf die viel zu vielen bereits verstorbenen „Babylon 5“-Darsteller untergebracht. Fotos enthält das Buch übrigens gar keine, man findet lediglich eine handvoll Seiten mit Schwarzweiß-Zeichnungen aus den Comics. Überrascht hat mich, dass die Autoren wenig auf die Online-Posts von JMS eingegangen sind, in denen dieser jede einzene Folge selbst kommentiert und Hintergrundwissen sowie seine eigenen Gedanken dazu geliefert hat. Wahrscheinlich wurde auch diese Quelle ganz einfach aus Platzgründen nur wenig berücksichtigt. Größere Fehler konnte ich keine im Buch ausmachen, auch wenn mich hier und da kleiner Dinge gestört haben. Zum Beispiel liest sich die Besprechung der Episode „Divided Loyalties“, als sei der Ausstieg einer der Hauptfiguren aus der Serie in dieser Folge von langer Hand geplant gewesen, was allerdings nicht der Fall war. Seltsamerweise gehen die Autoren auch nur im Zusammenhang mit Staffel zwei darauf ein, in welcher Reihenfolge man die Episoden am besten anschauen sollte. Diese „Idealreihenfolge“ weicht nämlich bei allen Staffeln, vor allem jedoch bei der ersten, von der Reihenfolge auf den DVDs ab. (Am Ende meiner Besprechung des Finales der ersten Staffel könnt ihr die Reihenfolge einsehen.)

Im Großen und Ganzen hat mir das Buch zwar gefallen, ich hätte es aber gerne ausführlicher gehabt und dafür auch in Kauf genommen, dass man es in zwei (oder mehr) Bände hätte aufteilen müssen. Trotzdem ist es schön, ein einziges Buch zur Hand zu haben und darin jede beliebige Episode nachschlagen zu können. Oft regt einen das Lesen der Texte dann ja zum eigenen Nachdenken über die Folge an oder man bekommt Lust, sie selbst gleich nochmal anzuschauen. „A Dream Given Form – The Unofficial Guide to the Universe of Babylon 5“ ist bislang nur auf englisch erschienen. Ob es – wie beim „Breaking Bad“-Buch – auch eine deutsche Übersetzung geben wird, ist angesichts der viel geringeren Popularität der Serie fraglich. Es wäre aber sehr zu begrüßen.

 

Vielen Dank an Ensley F. Guffey für die Zusendung eines kostenlosen Rezensionsexemplares! 🙂

 

Copyright Bild: ECW Press

Rezension: „It Was Fifty Years Ago Today! The Beatles: Sgt. Pepper & Beyond“

Es gilt immer noch als das einflussreichste Album der Musikgeschichte: „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ von den Beatles. Dieses Jahr wurde das 50-jährige Jubiläum des Albums mit dem Erscheinen einer erstmals völlig neu abgemischten Version gefeiert, dank der man das legendäre Werk nun in einer ganz neuen, frischen Weise genießen kann.

Bl-ray: "It Was Fifty Years Ago Today"

Aber nicht nur von offizieller Seite kommen zum Jubiläum Neuveröffentlichungen, auch andere wollen ein Stück vom Kuchen abhaben. So kommt am 20. Oktober der Dokumentarfilm „It Was Fifty Years Ago Today! The Beatles: Sgt. Pepper & Beyond“ als DVD und Blu-ray in den Handel. Wie der Titel schon sagt, versucht Regisseur Alan G. Parker darin, ein Bild der Beatles im Zeitraum um die Veröffentlichung von „Sgt. Pepper“ zu zeichnen. So jedenfalls könnte man wohlwollend beschreiben, worum es in dem Film geht. Tatsächlich besteht dieser nämlich aus einer ziemlich wahllosen Aneinanderreihung von Interviews und Aufnahmen, die halt alle irgendwie mit den Beatles in den Jahren 1966 bis 1968 zu tun haben. Um die Entstehung und Rezeption des legendären Albums geht es dabei zwar bisweilen auch, aber generell bekommt man beim Anschauen eher den Eindruck, dass Parker ganz einfach all die (oft nicht besonders interessanten oder tiefgehenden) Informationen, die er seinen Interviewpartnern entlocken konnte, in eine halbwegs sinnvolle Reihenfolge bringen und daraus eben irgendwie einen Film machen wollte.

Bereits die Auswahl dieser Interviewpartner zeigt, dass es sich hier nicht gerade um eine Beatles-Doku allererster Klasse handelt. Musikexperten, Kulturkritiker und dergleichen sucht man vergebens; auch neue Interviews mit den noch lebenden Bandmitgliedern fehlen. Stattdessen darf unter anderem Ringos Vorgänger in der Band, Pete Best,  fröhlich in die Kamera grinsen und erzählen, wie froh und stolz er ist, auch einmal ein Beatle gewesen zu sein. Das war er für kurze Zeit zwar tatsächlich, aber nun einmal ganz bestimmt nicht mehr während der Entstehung von „Sgt. Pepper“. Der Informationsgehalt seiner Beiträge hält sich dementsprechend in engen Grenzen. Unter den weiteren Personen, die Parker vor seine Kamera bekommen hat, befinden sich unter an derem die Schwester von George Harrisons Frau sowie die frühere Sekretärin des Beatles-Fanclubs. Die eine oder andere interessante Anekdote springt dabei zwar schon heraus, oftmals scheint Parker aber leider viel zu verliebt in sein eigenes Material zu sein und hätte viel mehr kürzen und einzelne Redebeiträge stärker zusammenschneiden müssen, um sein Publikum nicht zu ermüden.

Die interessantesten Teile des Films sind dementsprechend stets die Originalaufnahmen aus den 1960er Jahren, darunter zahlreiche Interviews mit den Fab Four, die immer wieder zum Schmunzeln einladen. Doch wer sich nicht gerade erst seit gestern mit den Beatles beschäftigt, wird auch dabei nur noch wenig Neues finden. Thematisch ist „Fifty Years Ago Today“ wie bereits erwähnt ziemlich unfokussiert. Der Film beleuchtet zu Beginn die Umbrüche, denen sich die Band nach der Veröffentlichung von „Revolver“ und ihrer – wie sich heraus stellen sollte – letzten Konzerttournee ausgesetzt sah. Im Mittelteil beschäftigt sich Parker zwar dann schon mit dem „Sgt. Pepper“-Album, fördert dabei aber kaum neue Einsichten zutage, sondern arbeitet nacheinander einige Standardthemen (wie z.B. die Entstehung des Plattencovers) ab, lässt aber viele wichtige und interessante Aspekte einfach weg. Schließlich springt der Film zu den Erlebnissen der Beatles mit dem indischen Maharishi und dem Tod ihres Managers Brian Epstein. Die Frage ist nur, warum – schließlich hat das wenig bis gar nichts mit „Sgt. Pepper“ zu tun. Der Film zerfasert in seiner zweiten Hälfte immer mehr, bis er schließlich ganz zum Schluss doch plötzlich wieder zum „Sgt. Pepper“-Album zurückkehrt.

Insgesamt kann ich „It Was Fifty Years Ago Today“ überhaupt nicht empfehlen. Die Dokumentation wirkt lieblos und bringt nicht nur Beatles-Kennern keine neuen Erkenntnisse, sondern ist auch für Neulinge ungeeignet. Zu willkürlich werden die Schwerpunkte gesetzt, zu uninteressant sind zum Teil die Interviewpartner und deren Aussagen. Aber den vielleicht größten Schwachpunkt dieser Dokumentation habe ich noch gar nicht erwähnt: Die Filmemacher haben nämlich keine Erlaubnis für die Nutzung der Beatles-Lieder erhalten! Man hört also in dieser Beatles-Dokumentation kein einziges Beatles-Lied, was die Besprechung des Albums natürlich noch zusätzlich erschwert. Auch Musikvideos oder Auftritte der Band sind dementsprechend so gut wie gar nicht in den Film eingebunden.

Meine Empfehlung lautet daher: Besorgt euch die Neuauflage von „Sgt. Pepper“ und hört sie euch auf einer guten Anlage oder mit hochwertigen Kopfhörern an. Das bringt ein Vielfaches an Erleuchtung als es dieser nutzlose Film tut.

© Studio Hamburg Enterprises