Filmfest München: „Home“, „Wakefield“, „The Death and Life of Otto Bloom“, „Prinzessinnen und Drachen“

Sieben von neun Festivaltagen liegen hinter mir. 25 Filme habe ich schon gesehen und heute und morgen werden es noch ein paar mehr werden. Über ein paar Filme habe ich schon gebloggt (hier, hier und hier), aber bevor ich nachher wieder ins Kino muss, sollen auch hier im Blog noch ein paar Filmbesprechungen dazu kommen.

Einen der besten – ja vielleicht sogar den besten – Film meines diesjährigen Festivalprogramms habe ich am Dienstag gesehen. „Home“ ist ein belgisches Drama der Regisseurin Fien Troch, die darin die Geschichte einiger Jugendlicher schildert. Einer von ihnen, Kevin, ist soeben aus dem Jugendgefängnis entlassen worden und kommt bei seiner Tante unter. Er freundet sich mit Sammy und John an, die beide ihre eigenen Probleme haben. Mehr will ich über die Handlung gar nicht verraten. Auch wenn es zunächst den Anschein hat, der Film habe gar keine richtige Geschichte, so spitzt diese sich mit zunehmendem Verlauf doch immer mehr zu. Viele Szenen dienen allerdings ganz einfach der Etablierung der Charaktere und ihrer Lebenswelt. Dadurch wirken die Figuren so nahbar und authentisch.

HomeEin weiterer Grund dafür ist, dass Troch überwiegend Laiendarsteller gecastet hat, die sich bei den Dreharbeiten nicht streng ans Drehbuch halten mussten. Zudem basiert vieles von dem, was im Film gezeigt wird, auf eigenen Jugenderinnerungen der Regisseurin. Das Ergebnis ist ein Film, der einen mit seiner Direktheit und Natürlichkeit sehr berührt und einem das eine oder andere Mal auch einen Schlag in die Magengrube versetzt. „Home“ ist spannend, aber zum Teil auch erschreckend. Denn hier wird nichts beschönigt oder verschwiegen und Themen wie Gewalt und sexueller Missbrauch werden offen thematisiert. Das ist ganz großes, aber sicherlich nicht leicht verdauliches Kino.
Lockerer geht es da schon in „Wakefield“ (Regie: Robin Swicord) zu – allerdings nur auf den ersten Blick. Der diesjährige CineMerit Award-Preisträger Bryan Cranston („Breaking Bad“) spielt darin den New Yorker Anwalt Howard Wakefield, der jeden Abend nach der Arbeit mit dem Zug nach Hause in den Vorort fährt, zurück zu seiner Frau (Jennifer Garner, „Alias“) und seinen beiden Töchtern. Eines Abends jedoch entdeckt er bei seiner Ankunft einen Waschbär vor der Garage gegenüber des Hauses. Als er das Tier verscheuchen will, flüchtet es in die Garage.Wakefield Howard folgt ihm und landet schließlich in der Abstellkammer über der Garage. Von dort hat er durch ein kleines Fenster einen guten Blick in die Küche und das Wohnzimmer seines Hauses. Weil er sich mit seiner Frau gestritten hat und einer weiteren Konfrontation aus dem Weg gehen will, macht er es sich in dem Schuppen bequem und beobachtet seine Familie aus der sicheren Distanz, bis ihn der Schlaf übermannt. Auch am nächsten Morgen traut er sich jedoch nicht, wieder ins Haus zu gehen und beginnt, sich in der Kammer über der Garage häuslich einzurichten…

So seltsam und unglaubwürdig die Situation klingen mag, so absurd und bisweilen komisch ist dann doch die sich daraus ergebende Geschichte. Wer hat nicht schon einmal davon geträumt, einfach alles hinzuschmeißen und aus dem Alltag auszubrechen, fragt Howard Wakefield in einem seiner per Voice-Over vorgetragenen inneren Monologe das Publikum. Natürlich stehen hinter diesem Wunsch bei ihm tieferliegende Probleme in der Beziehung zu seiner Familie, die der Film zum Teil in Rückblenden erläutert. Auf diese Weise wird Howards Entscheidung, quasi als Obdachloser beim eigenen Haus zu leben, doch noch nachvollziehbar. Er lebt von den Essensresten, die seine Familie und die Nachbarn wegwerfen und je mehr Zeit vergeht, umso „professioneller“ wird er einerseits was diesen Lebensstil betrifft, umso weniger traut er sich allerdings auch, seiner Frau wieder gegenüber zu treten.

Der Geschichte wird ganz aus Howards Perspektive gezeigt, was u.a. bedeutet, dass man seine Familie meistens nur durch die Fenster des Hauses zu sehen bekommt, ihre Unterhaltungen aber nicht hört. Stattdessen hört man dagegen die Version dieser Unterhaltungen, die Howard sich im Kopf zurechtlegt – seine eigene Interpretation des Geschehens, die stets von seinem anfänglichen Hass auf seine Frau geprägt ist und mit der Zeit auch immer mehr davon, dass er sich in seinen Zustand mehr und mehr hineinsteigert, mit kaum jemandem mehr spricht und, nun ja, ein wenig verrückt dabei wird.

WakefieldIn gewisser Weise ist „Wakefield“ ein Gedankenexperiment, welches durchspielt, was passieren würde, wenn man sich seinen Problemen nicht stellen würde und stattdessen aus dem eigenen Leben heraustreten und zum bloßen Beobachter werden könnte. Der Film ist absurd und komisch, aber doch in sich schlüssig und Bryan Cranston überzeugt auch in der Rolle des Durchschnittstypen, die weniger Aufmerksamkeit erregend ist als seine Rollen in „Breaking Bad“ oder als Präsident Lyndon B. Johnson in „All The Way“, welcher auch auf dem Filmfest gezeigt wurde.

„Gedankenexperiment“ ist ein gutes Stichwort, das mich gleich zum nächsten Film führt. Oben habe ich „Home“ als den vielleicht besten Film meines diesjährigen Programms bezeichnet. Nun, dasselbe muss ich auch über „The Death and Life of Otto Bloom“ sagen. Dieser Film ist in der Ausführung zwar weniger spektakulär als „Home“, dafür aber voll von Kreativität und naiver Lebenslust. Es handelt sich hierbei um eine Mockumentary, also eine fiktive Dokumentation, mit der Regisseur Cris Jones seinen ersten Langfilm vorgelegt hat. Er erzählt darin die Geschichte von Otto Bloom (Xavier Samuel), der die Zeit rückwärts erlebt. Er hat also keinerlei Erinnerungen an alles Vergangene, kann sich aber an die Zukunft „erinnern“. Mit Hilfe von (gespielten) Interviewaufnahmen von Ottos Weggefährten, fiktiven dokumentarischen Aufnahmen aus dessen Leben und auch mit einigen Aufnahmen, die genau genommen mit der Form der Dokumentation brechen, erzählt Jones die Geschichte dieses Mannes.

Das Szenario wird dabei erstaunlich ernsthaft und gut durchdacht durchgespielt. Was wäre, wenn es einen solchen Menschen tatsächlich geben würde? Sein Leben wäre gewissermaßen eine Mischung aus „Benjamin Button“ und „Memento“, denn während sein Körper altert wie der aller anderen auch, bewegt sich sein Bewusstsein doch fortwährend in die andere Richtung. Die sich daraus ergebenden philosophischen uThe Death and Life of Otto Bloomnd sonstigen wissenschaftlichen Fragen sind natürlich endlos, und einige davon werden im Film auch angesprochen. Filmisch ist an „Otto Bloom“ wie bereits angedeutet nichts besonders aufregend; die Grundidee jedoch und die Konsequenz, mit der diese weiterverfolgt wird, machen den Film nicht nur zu einem wahren Vergnügen, sondern auch zu einer Geschichte, über die man noch lange nach dem Abspann nachdenkt. Der Film bringt nicht nur Vergangenheit und Zukunft zusammen, sondern betrachtet zahlreiche weitere Themen mal aus einem etwas anderen Blickwinkel: Wissenschaft, Religion, Liebe, Tod… Man entdeckt hier Zusammenhänge, die man nicht für möglich gehalten hätte und folgt gespannt der Lebensgeschichte des fiktiven Otto Bloom, als sei er tatsächlich eine reale, zeitgeschichtliche Person. „The Death and Life of Otto Bloom“ ist ein Film, über den ich noch lange nachdenken werde.

Um die ganz großen Themen des Lebens geht es auch im Festivalbeitrag „Prinzessinnen und Drachen“ („Ivan Tsarevitch et la Princesse Changeante“) von Michel Ocelot. Allerdings werden diese dort kindgerecht aufbereitet (und der Film läuft auch in der Reihe des Kinderfilmfestes). In wunderschöner Scherenschnitt-Optik erzählt der 57 Minuten lange Animationsfilm vier verschiedene Märchen aus aller Welt. Davon hat es mir vor allem die erste Geschichte angetan: Sie handelt von einer Gruppe von Menschen, die in einer Höhle leben und von Monstern bedroht werden. Nur wenn die Monster gnädig sind, lassen sie die Menschen an die Trinkwasserquelle oder zum Pilzesammeln. Ein kleines Mädchen, für das alle anderen nur Verachtung übrig haben, traut sich jedoch – unterstützt von einer Ratte – den Monstern gegenüber zu treten. Und siehe da: Tritt man ihnen entgegen und blickt ihnen in die Augen, dann werden die Monster immer kleiner und verschwinden schließlich ganz. Auf diese Weise kommt das Mädchen nicht nur an Wasser und Nahrung, sondern findet schließlich einen Weg aus der Höhle hinaus in eine Welt, die keiner der Höhlenbewohner je gesehen hat.

Die Moral dieser Geschichte ist natürlich, dass man sich seinenPrinzessinnen und Drachen Ängsten stellen muss, um sie zu überwinden. Dann sehen sie auf einmal gar nicht mehr so groß aus, wie man vorher dachte. Zugleich entdeckt man so ganz neue Welten, anstatt wie die Menschen in der Geschichte sein Leben lang in einer Höhle zu verbringen. Hätte ich Kinder, würde ich ihnen diesen Film auf jeden Fall zeigen, nicht nur wegen der wichtigen Botschaften in den Geschichten. Die Märchenerzählungen sind optisch wunderschön gestaltet und lassen sich (zumindest wenn man die Möglichkeit hat, sie zuhause anzuschauen) auch als einzelne, in sich geschlossene Kurzfilme betrachten. Wie gesagt war der erste davon meine Lieblingsepisode, und darin wiederum hatte ich eine Lieblinsszene: Die Ratte lotst das Mädchen aus der Höhle heraus, wobei jedoch eine Reihe von Monstern überwunden werden müssen. Wieder und wieder beteuert das Mädchen, dass es große Angst vor diesen habe. Und was erwidert die Ratte darauf jedes Mal? „Bien sur. Vas-y!“ („Natürlich. Geh weiter!“) Denn was bleibt einem schon anderes übrig, wenn man sich nicht von seiner Angst besiegen lassen will? Den Monstern in die Augen schauen und weitergehen! Ich wünsche mir, auch ich hätte eine kleine Ratte an meiner Seite, die mir dabei hilft…

Leider sind alle Vorführungen der vier hier besprochenen Filme auf dem Filmfest schon vorbei.

Copyright Bilder: Filmfest München

Alias – Season 3

— Der folgende Text enthält Spoiler für die gesamte dritte Staffel von „Alias“!! —

Gesundheitliche Probleme, ein dank defekter Lüftung überhitzter Laptop und schließlich meine alljährliche, achttägige Filmfest-Auszeit sind die Gründe dafür, dass ich mich in den letzten Wochen kaum um mein(en) Blog kümmern konnte (ich kann mir einfach nicht merken, ob es der oder das Blog heißt). Inzwischen bin ich wieder gesund, mein Laptop hat eine neue Lüftung eingebaut bekommen und das Filmfest München ist leider auch schon wieder vorbei. Während meiner Blog-Auszeit haben sich einige Blog-Themen angesammelt, die ich in den nächsten Tagen und Wochen hoffentlich alle abarbeiten werde.

Dieses Mal geht es also um die dritte Staffel von „Alias“, eine Serie über die ich bereits mehrmals gebloggt habe und die ich so toll eigentlich gar nicht finde. Trotzdem will ich immer wissen, wie die Handlung weitergeht. Es ist nun schon eine Weile her, dass ich die Staffel angeschaut habe und meine Erinnerung an die Ereignisse darin ist zum Teil etwas verschwommen, aber ich hoffe mal, dass ich mit Hilfe meiner Notizen einen halbwegs sinnvollen Post hinkriege. 😉 Die erste Folge der Staffel beginnt direkt nach dem Cliffhanger-Ende von Season 2: Sydney Bristow (Jennifer Garner) wacht auf und muss feststellen, dass sie sich an die letzten zwei Jahre nicht erinnern kann. Während in ihrem Gedächtnis nur ein großes Loch klafft und sie absolut keine Ahnung hat, was sie in diesen zwei Jahren so getrieben hat, haben die anderen Charaktere ihr Leben weiter gelebt. Michael Vauhn (Michael Vartan) zum Beispiel ist plötzlich verheiratet (und zwar nicht mit Sydney). Noch in der zweiten Staffel musste außerdem Sydneys beste Freundin Francie ihr Leben lassen, da sie durch einen „bösen Klon“ ersetzt wurde; zudem ist Sydneys ehemaliger Vorgesetzter Arvin Sloane (Ron Rifkin) nun offiziell einer der Bösen (das war jedenfalls der Stand am Ende der zweiten Staffel). Nun, am Beginn von Season 3, erfahren wir, dass Sydney für tot gehalten wurde. Irgendjemand muss ihren Tod vorgetäuscht haben, Wohnungsbrand und menschliche Überreste inklusive. Sydneys CIA-Partner Marcus Dixon (Carl Lumbly) leitet jetzt die Abteilung, während Syds Vater Jack (Victor Garber) im Gefängnis sitzt, weil er mit ihrer terroristischen Mutter zusammen gearbeitet hat, um Sydney aufzuspüren (er kommt aber zu Beginn der dritten Staffel schnell wieder frei).

Beim Anschauen der ersten Minuten der Staffel habe ich gemerkt, dass ich mich zwar nur schlecht an die Handlung der ersten beiden Staffeln erinnern konnte, dafür aber umso besser an die Charaktere. Außerdem hat sich die Serie sofort wieder vertraut angefühlt, weil sie nach wie vor nach demselben Schema verfährt: Es geht von einer Mission und einer neu gewonnenen Erkenntnis zur nächsten, jede Frage führt zwar früher oder später zu einer Antwort, in die aber die nächste Frage gleich eingebaut ist. Auch das, was Sydney und die Zuschauer als Wahrheit kennen und akzeptieren müssen, stellt sich meist nur als ein Teil der Wahrheit heraus, dem Stück für Stück neue Teile hinzugefügt werden, durch die rückblickend auch manchmal frühere Erkenntnisse in einem ganz neuen Licht erscheinen, Wahrheit also sozusagen umdefiniert wird. (Im Rahmen meiner Diplomarbeit habe ich „Desperate Housewives“ mit Hilfe der sogenannten „Grounded Theory“, also einer auf der Grundlage der Daten – in diesem Fall Transkripe einiger Serienfolgen – gewonnenen Theorie analysiert. Dabei kristallisierten sich verschiedene Konzepte bzw. Kategorien heraus, die in der Serie eine wichtige Rolle spielen, z.B. „Fremdheit“ oder „Geheimnis“. Im Fall von „Alias“ wäre wohl „Wahrheit“ ein solches die gesamte Serie durchziehendes Konzept. Auch „Geheimnis“ könnte hier eine Kategorie darstellen, da Geheimnisse, die die Figuren voreinander haben oder die die Serie vor dem Zuschauer hat, immer wieder eine wichtige Rolle spielen.)

Nicht nur das, was als Wahrheit gilt, wird im Lauf der Serie immer wieder neu definiert, sondern auch wer gut und wer böse ist. Vor allem Arvin Sloane ist hier zu nennen: Am Anfang der Serie ist er Sydneys Mentor und eine Art Vaterfigur für sie, dann wird er zu ihrem schlimmsten Feind, nun ist er ihr zweckmäßiger, aber nach wie vor verhasster Verbündeter. Und noch dazu soll er jetzt eine Wandlung zum großzügigen Wohltäter durchgemacht haben? Weder Syd noch die Zuschauer können das so recht glauben. Seine „Wandlung“ erinnert jedenfalls stark an das Schema, nach dem in Staffel zwei mit Sydneys Mutter verfahren wurde, die war ja auch mal gut, mal böse und nie wusste man so recht, ob man ihr trauen sollte oder nicht.

Von der ersten Folge am besten im Gedächtnis geblieben ist mir jedenfalls dieser Wortwechsel zwischen Sydney und einem anderen Agenten:

Er: „Forgive me if I look shocking to you, but I was believing that you were dead.
Sie: „I was. But now I’m not.
Er: „This is why I love our business.“

Die ganze erste Folge wird aus Sydneys Sicht erzählt, die Zuschauer erfahren nur das, was auch sie erfährt. Dazu gehört ganz zum Schluss auch die Erkenntnis, dass sie in den letzten zwei Jahren keineswegs nur Däumchen gedreht hat, sondern anscheinen einen kaltblütigen Mord begangen hat. Aber warum und unter welchen Umständen? Dies Herauszufinden ist nun Sydneys Hauptaufgabe.

Die zweite Folge bringt dann auch mehr Antworten darüber, was Syd in den letzten zwei Jahren so getrieben hat. Aber ganz in Übereinstimmung mit den ungeschriebenen Gesetzen der Serie führen diese Antworten nur zu noch mehr Fragen und unter anderem auch zu der unbequemen Konstellation, dass es nun ausgerechnet Michael Vaughns Frau Lauren (Melissa George) den Mord untersuchen soll, den Sydney begangen hat, was einmal mehr das Konzept „Geheimnis“ in die Serie einbringt (schließlich will Sydney um jeden Preis verhindern, dass sie als die Täterin enttarnt wird, jedenfalls solange ihr selbst die genauen Umstände der Tat nicht bekannt sind). Sydney und ihr Vater müssen Lauren von nun an immer einen Schritt voraus bleiben, woraus sich eine ähnliche Konstellation wie in den ersten beiden Staffeln ergibt, als die beiden als Doppelagenten innerhalb von SD6 tätig waren. Leider ist Victor Garbers Schauspiel für mich immer noch einer der größten Schwachpunkte der Serie. Seine Sprechweise wirkt stets monoton, sein Gesichtsausdruck immer gleich – gar nicht auszudenken, was ein anderer, besserer Darsteller aus dieser Rolle gemacht hätte!

Die Szenarien sind jedenfalls nach wie vor spannend und kreativ; teilweise wirkt die Handlung aber auch arg konstruiert und vor allem nervt es, wenn sich die Charaktere Folge für Folge fast wortgleich die gleichen Fakten ins Gesicht sprechen, bloß um den Zuschauer auf dem Laufenden zu halten. Auch Sydneys Unentschlossenheit in den ersten Folgen der Staffel hat mich wahnsinnig genervt („Soll ich meinen CIA-Kollegen nun verraten, dass ich diesen Mord begangen habe, aber selbst nicht weiß, wie es dazu kam oder soll ich lieber alleine weitere Nachforschungen anstellen?“). Schließlich verrät Jack Sydneys Geheimnis an Dixon und erlöst seine Tochter zumindest von diesem Dilemma.

Dass es in „Alias“ nicht wirklich um den Inhalt der Missionen geht, die Sydney und ihr Team in jeder Episode absolvieren müssen, habe ich ja schon in meinen früheren Posts geschrieben. Das ist natürlich auch in der dritten Staffel noch so. Stattdessen geht es darum, wie diese Missionen und die sich aus ihnen ergebenden Veränderungen und gewonnenen Erkenntnisse sich auf die Figuren und ihre Beziehungen auswirken. Als Vaughn zum Beispiel davon erfährt, dass Sydney den Mord begangen hat, wird er dazu gezwungen, diese Erkenntnis vor seiner Frau, die ja genau diesen Mord untersucht, geheim zu halten. Der Ehe der beiden kommt das nicht gerade zugute.

Am Ende der siebten Folge wird Sydney schließlich in Rom von der CIA überwätligt und festgenommen; Lauren hat inzwischen herausgefunden, dass Sydney den Mord begangen hat (wer dabei eigentlich ermordet wurde, lasse ich hier mal weg, es ist ja so schon kompliziert genug). In Folge acht wird sie von Vaughn und ihrem Vater befreit – und von Lauren, die sich in letzter Sekunde doch dazu entschlossen hat, ihnen dabei zu helfen. Auch Sloane arbeitet mit ihnen zusammen und kurzzeitig bilden sie nun so eine Art Rebellengruppe, die gegen die CIA kämpft. Es gelingt ihnen sogar erfolgreich, es so erscheinen zu lassen, als sei The Covenant für Sydneys Befreiung verantwortlich – jene Terrorgruppe, die den Hauptantagonisten der Staffel darstellt. Wohl oder übel müssen Sydney & Co. nun also mit Sloane zusammen arbeiten, der eine Idee hat, wie man Sydneys Gedächtnis wieder herstellen kann: Er kennt da so einen Hippie-Professor, der eine Prozedur entwickelt hat, die vielleicht helfen könnte… Jener von David Cronenberg gespielte Professor wirkt wie ein Vorläufer von Walter Bishop aus J.J. Abrams späterer Serie „Fringe“, sowohl was sein Verhalten als auch was seine Methoden betrifft. Er versetzt Sydney in einen Traumzustand, während dessen sie sich der Tatsache, dass sie träumt bewusst ist. Und in dieser Traumsequenz hören wir Auszüge aus den Cellosuiten von Bach, was ich deshalb erwähnenswert finde, weil mir in den letzten Jahren immer wieder auffällt, wie oft diese (und andere Stücke von Bach) in Filmen und TV-Serien eingesetzt werden. Diese Episode ist jedenfalls ein gutes Beispiel dafür, dass die Serie immer wieder – und auch durchaus oft erfolgreich – versucht, ihr eigenes Erzählschema (Fragestellung-Mission-neue Erkenntnisse-neue Fragen-nächste Mission…) zu durchbrechen. Das bringt Abwechslung. Am Ende dieser Episode steht jedenfalls mal wieder eine alles verändernde neue Erkenntnis, durch die das, was bisher als „Wahrheit“ galt, umdefiniert wird: Sydney hat den Mord gar nicht begangen, denn der scheinbar Ermordete lebt noch…

Weil Episode 3.09 eben ganz anders war als die vorherigen Episoden und zudem mit diesem Cliffhanger am Ende aufwartete, musste ich danach ausnahmsweise sofort die nächste Folge gucken. (Sonst bin ich von der dann doch oft gleichen Erzählstruktur der „Alias“-Episoden eher gelangweilt – von den erwähnten kreativen Ausnahmen abgesehen laufen die Folgen nämlich meist alle gleich ab. Da scheinen die Konsequenzen der Plotentwicklungen für die Figuren im ersten Moment zwar riesig zu sein, aber weil sich in bester „24“-Manier ja sowieso ständig alles wieder ändert, sind sie letztlich doch wieder egal.)

In 3.11 fasst Sydney selbst eines der Prinzipien der Serie zusammen, als sie bemerkt, jedes Mal, wenn sie den Antworten über die ihr fehlenden zwei Jahre nahekommt, schließe sich vor ihr eine Tür. Sie kann ja noch nicht wissen, dass sie genau in dieser Folge endlich tatsächlich Antworten erhalten wird – und zwar von Terry „John Locke“ O’Quinn, der hier einmal mehr als Special Agent (oder was auch immer) Kendall auftaucht. Die Episode kaut einem zunächst all die bisherigen Ereignisse der Staffel noch einmal vor und eignet sich damit perfekt zum Einstieg, falls man die erste Staffelhälfte verpasst haben sollte. Aber sie gibt wie gesagt auch zahlreiche neue Antworten und es ist fast überflüssig zu erwähnen, dass dabei einmal mehr Konzepte wie „Wahrheit“, „Geheimnis“ und „Vertrauen“ (das könnte nämlich auch so eine Kategorie sein) über den Haufen geworfen, gut durchgeschüttelt und neu definiert werden. Den größten Schock hält in diesem Zusammenhang mal wieder die letzte Szene der Episode bereit: Gerade als Sydney den Mann gerettet hat, von dem sie bis vor kurzem noch dachte, sie selbst habe ihn ermordet, wird dieser tatsächlich erschossen – von Lauren! Natürlich wissen Sydney & Co. noch nicht, dass es Lauren war, die den Schuss abgefeuert hat, aber der Zuschauer weiß nun, dass Lauren ein falsches Spiel treibt. Sie ist eine Doppelagentin und gibt nur vor, für die CIA zu arbeiten. Dass sie zudem mit einem CIA-Agenten verheiratet ist, macht die Sache nur noch tragischer (und damit erzählerisch ergiebiger). Von da an achtet man als Zuschauer in den kommenden Folgen ganz besonders auf jede Regung und Äußerung Laurens, zum Beispiel wenn sie mit ihren Kollegen bei einer Einsatzbesprechung zusammen sitzt. Schließlich wissen wir nun etwas über sie, das ihre Kollegen in der Serie nicht wissen.

Bei all den Verwicklungen und Verwirrungen des Agentenlebens, die in der Serie eine Rolle spielen (jeder muss mal gegen jeden spionieren, jeder vor jedem etwas verbergen), hilft den Betroffenen früher oder später anscheinend nur noch Psychotherapie. Jack schlägt Sloane in Episode 3.13 vor, es mal mit einer Therapie zu versuchen und auch Sydney sehen wir hier mal wieder bei ihrer Therapeutin. Über „people who work in intelligence“ sagt diese:

„[They have] to grapple with some serious issues. Living duplicitous lives, compartmentalizing the personal and the professional. It’s a difficult challenge.“

Das Agentenleben ist in der Tat nicht leicht… Aber auch Arvin Sloane legt sich wie erwähnt auf die Couch und schüttet der CIA-Therapeutin sein Herz aus – naja, nicht wirklich, ganz in Übereinstimmung mit den Gesetzen der Serie erzählt er ihr zwar von einem großen Geheimnis, das er mit sich herum trägt, aber um was für ein Geheimnis es sich dabei handelt, das verrät er zumindest in dieser Folge noch nicht:

 „I manipulate people. I’m good at that, and I know it. I lie, I keep secrets. I divulge only what I must in order to elicit the reaction I need. […] One of those secrets affects the only two people I care about in the world, Sydney and Jack Bristow. There are many secrets I enjoy keeping. There is power in secrets that you keep. But this one, oh, this one wears on me. It has for many years. It’s central to my very existence. It’s who I am.”

Erst am Ende der nächsten Folge erfahren wir dann mehr Details: Sloane hatte einst eine Affäre mit Irina Derevko, Sydneys Mutter, und glaubt nun, Sydney sei seine Tochter. Da ist sie wieder, unsere Lieblings-Agenten-Soap… Aber es wird noch besser, als Michael Vaughn herausfindet, dass seine eigene Frau eine Doppelagentin ist, ihr gegenüber aber vorerst weiterhin so tun muss, als ahne er nichts davon. Denn die Serie erzählt nun quasi auf zwei Ebenen; zum einen geht es um ganz normale Verdächtigungen in einer Ehe, wo sich die beiden Partner nicht mehr vertrauen und zum anderen wird diese Krise eines Ehepaares als deren berufliche Krise, auf der „Geheimdienst-Ebene“ erzählt (was ein wenig an „Mr & Mrs Smith“ erinnert). Dieses Handlungselement hat mir jedenfalls richtig viel Spaß gemacht, ganz besonders als es später Michael ist, der quasi vor Laurens Nase von ihr unbemerkt wichtige Daten stehlen soll und dies dann haarscharf in letzter Sekunde schafft, gerade noch ohne von ihr entdeckt zu werden. Laurens und Michaels Rollen werden in dieser Szene vertauscht, denn bis dahin war es ja stets sie, die Geheimnisse vor ihrem Mann hatte und von ihm unbemerkt irgendwelche Akten entwenden musste.

Wie eingangs erwähnt finde ich „Alias“ eigentlich gar nicht so toll. Inhaltlich kaut einem die Serie immer wieder dasselbe vor und hält die Zuschauer nur dank der teilweise wirklich kreativen, abwechslungsreichen Szenarien und der interessanten Figuren bei der Stange. Doch genau genommen handelt es sich hier nur um eine Soap Opera im Action-Format, ähnlich wie bei „24“. Es ist egal, was passiert, solange immer wieder irgendetwas möglichst Dramatisches passiert und die Kette von Problemen nie abreißt. In Episode 3.19 erfahren wir schließlich, dass Sydney eine Schwester hat, von der sie bislang nichts wusste – genau das ist doch eines der Instrumente, mit denen Soaps neue Konflikte in ihre Handlung bringen, wenn diese langweilig zu werden droht: man schreibt bisher noch nie erwähnte Familienmitglieder in die Story hinein (kamen nicht auch in „24“ irgendwann Jack Bauers Vater und Bruder dazu?). Leider interessiert mich dieser Teil der Story kaum, ebenso wie all die mysteriösen Rambaldi-Artefakte und Prophezeihungen. Trotzdem fand ich die vorletzte Folge der Staffel hochspannend. Zahlreiche wichtige Plotelemente wurden weiter entwickelt oder zum Abschluss gebracht, alle Hauptfiguren tauchten auf und ein paar lange nicht gesehene Nebenfiguren hatten auch eine Rolle. In diesem Fall führten tatsächlich einmal einige Handlungsstränge der Staffel auf ein Ziel zu. Insgesamt stand in der dritten Staffel Sydney Bristow weniger im Mittelpunkt als in den ersten beiden Staffeln und der Fokus wurde zum Teil auf andere Figuren verschoben. Jacks Gefühle für Irina Derevko, Sloanes Motive und Gefühle (die sich entweder ständig ändern oder über die er vielmehr ständig alle anderen täuscht), das Liebesdreieck aus Vaughn, Lauren und Sydney und der am Ende der Staffel auf Rache sinnende Vaughn – all dies sind Beispiele dafür, dass es der Serie schon lange gelungen ist, auch die Figuren um Sydney herum zu interessanten Charakteren mit eigenen Geschichten auszubauen. Irgendwann werde ich mir wohl auch noch die vierte und fünfte Staffel anschauen, in nächster Zeit brauche ich aber erst einmal wieder Pause von „Alias“.

 

Was gab es sonst noch Interessantes, Erwähnenswertes, Amüsantes in der dritten Staffel? Ich liste mal ein paar Dinge, die ich noch nicht erwähnt habe, auf:

  • In der zweiten Folge geht es unter anderem in meine Heimatstadt München, genauer gesagt in ein „adult theatre“ (also Pornokino) im „red light district“ der Stadt (wo immer der auch genau liegen soll). Von München selbst sieht man dann aber nicht viel mehr als einen establishing shot, der ganz bestimmt nicht München zeigt und eben einen Kinosaal, in dem gerade ein Pornofilm in deutscher Sprache läuft.
  • In der Serie gibt es tatsächlich eine Selbsthilfegruppe für „CIA operatives who habe experienced lost time“! Wofür die CIA wohl sonst noch Selbsthilfegruppen gegründet hat? Für Agenten, die von Aliens missbraucht wurden? Oder für solche, die nicht mehr in ihr altes Leben zurück können, weil es sich ein Klon unter den Nagel gerissen hat? 😉 Der Fantasie sind hier wohl keine Grenzen gesetzt.
  • Die zweite Folge hat auch eine wunderbar überzeichnete Szene, die ich garantiert klauen werde, falls ich jemals einen Actionfilm drehen sollte: Zwei Personen, die sich gerade in einer Aufzugkabine befinden, werden entführt, indem die Kabel des Aufzugs weggesprengt werden und der Aufzug mithilfe eines zuvor am Dach der Kabine befestigten weiteren Kabels, dessen anderes Ende an einem Hubschrauber hängt, einfach durch das Dach des Gebäudes nach draußen gerissen wird. Am Hubschrauber baumelnd wird so die ganze Aufzugkabine mitsamt ihrer Insassen weggeflogen. Das nenne ich mal effizient.
  • Dass ich die ersten Takte von Damien Rices „Delicate“ einmal zu den Bildern eines in Zeitlupe aus einem Maschinengewehr feuernden Michael Vaughn hören würde, hätte ich auch nicht gedacht…
  • Und hier noch ein Dialog zwischen Vaughn und Weiss (Greg Grunberg):
    Vaugn: „Do you think you can be in love with two people at the same time?“
    Weiss: „No, I don’t. However, I did have the same intense feelings for both Sporty and Posh Spice.“
    Vaughn: „Yeah, who didn’t.“
    (Kann ich übrigens nicht ganz nachvollziehen. Ich hatte nur für Posh Spice derartige Gefühle.)

 

 

Alias – Season 2 (Episode 1-7)

— Der folgende Text enthält Spoiler! Ich bespreche hier die ersten sieben Folgen der zweiten Staffel von Alias. Weiterlesen sollte nur, wer die Serie schon mindestens bis zu diesem Punkt angeschaut hat. Außerdem habe ich noch einen Spoiler zu „Dexter“ unterbringen müssen. Wer diese großartige Serie allerdings mindestens bis zum Ende ihrer sechsten Staffal gesehen hat, hat nichts zu befürchten. —

Seit ein paar Wochen ist es richtig heiß draußen. Und nicht nur dort, sondern auch in meiner Wohnung. Wirklich Lust dazu, mich vor den Fernseher zu setzen, um Filme und Serien anzuschauen habe ich daher zurzeit nicht. Draußen ist es eh viel schöner und abends wird es da ja eigentlich erst erträglich. Der Turm aus DVDs und Blu-rays, die noch angesehen werden wollen, wird deshalb nur sehr langsam kleiner. Nachdem ich mich durch die fünfte (und letzte) Staffel von Fringe gearbeitet habe (schön war’s), habe ich mir anschließend die fünfte Staffel von „True Blood“ vorgenommen (aber mir dabei überhaupt keine Notizen gemacht, deswegen kann ich nix dazu schreiben; vielleicht kommt nächstes Jahr ein Blogpost zu „True Blood“, wenn ich die sechste Staffel gesehen habe – Staffel Nr. 5 war jedenfalls wieder deutlich besser als Nr. 4). Inzwischen bin ich wieder bei „Alias“. Die erste Staffel der Serie mit Jennifer Garner habe ich vor ein paar Monaten gesehen und zweimal darüber gebloggt. Süchtig gemacht hat mich die Serie zwar nicht gerade, aber ich will doch wissen, wie es weitergeht und was sich J.J. Abrams & Co. noch so alles an Storywendungen ausgedacht haben. Wie gesagt tue ich mich mit dem regelmäßigen Serienkonsum derzeit etwas schwer, gucke also nicht gleich zehn oder mehr Folgen pro Woche, aber bis zur siebten Episode der Staffel habe ich es schon mal geschafft. Hier also meine Eindrücke soweit.

Gleich zu Beginn der Staffel hat mich schon mal die Mitwirkung von Lena Olin begeistert. Die schwedische Schauspielerin, die ich bisher nur aus Hollywood-Filmen wie „Chocolat“ oder „Mr. Jones“ kannte, spielt hier die KGB-Agentin Irina Derevko, Sidney Bristows Mutter. Unter Vortäuschung einer falschen Identität hatte sie einst die Bekanntschaft von Sidneys Vater Jack (Victor Garber) gemacht, der jahrelang keine Ahnung hatte, dass die Frau, die er unter dem Namen Laura kannte, nicht die war, die sie zu sein vorgab.
Die erste Folge beginnt mit einer hilfreichen Zusammenfassung der Ereignisse der ersten Staffel und insbesondere deren letzter Folge. Während Sidney ihrer Therapeutin bei der CIA die Ereignisse schildert, sehen wir teils Wiederholungen von bereits bekannten Szenen und teils neue Szenen. So werden wir auf den aktuellen Stand der Ereignisse gebracht. Selbst wenn man die erste Staffel gesehen hat, ist das keine schlechte Sache, schließlich erzählt „Alias“ in einem derart hohen Tempo, dass man schon mal einiges durcheinander bringen oder vergessen kann, besonders wenn mehrere Monate zwischen dem Anschauen von zwei Staffeln liegen.

Nach gut einer Viertelstunde ist es dann aber vorbei mit dem „Was bisher geschah“ und die Episode geht direkt zum Briefing für Sidneys nächste Mission über. Sid macht sich auf nach Frankreich und wenn man zu diesem Zeitpunkt schon wieder vergessen haben sollte, was sie dort eigentlich zu tun hat, dann ist das nicht weiter schlimm. Erstens, weil in „Alias“ die Durchführung der Mission das eigentlich Spannende und Unterhalsame ist und zweitens, weil man meistens noch in derselben, spätestens aber zu Beginn der nächsten Episode die Ergebnisse der Mission (und die gewonnenen Erkenntnisse sowie daraus resultierenden Konsequenzen) sowieso noch einmal zusammengefasst bekommt. In dieser Hinsicht ist „Alias“ eine Soap Opera: Die Missionen, auf die Sidney geschickt wird, führen immer zu weiteren Missionen. Jedes gelöste Problem bringt mindestens ein weiteres Problem, eine neue offene Frage mit sich, die nur durch einen weiteren gefährlichen Einsatz von Sidney beantwortet werden kann.
Gleich von der ersten Folge an legt auch die zweite Staffel ein hohes Tempo vor. Nach dem etwa 15minütigen Rückblick folgt wie gesagt Sidneys nächste Mission (die Befreiung Michael Vaughns), dann das Mission Briefing für den nächsten Einsatz und schließlich auch noch die Beerdigung von Arvin Sloans am Ende der ersten Staffel gestorbenen Frau.

Sehr gut gefallen hat mir die Entscheidung der Autoren, zumindest einen von Sidneys engen Freunden bereits nach der ersten Staffel von Sidneys Doppelleben als Agentin und normale Studentin erfahren zu lassen. Eine ähnliche Konstellation wie hier zwischen Sidney und ihrem besten Freund Will (Bradley Cooper) herrscht ja in „Dexter“; die Hauptfigur, also Dexter Morgan (Michael C. Hall), führt ein Doppelleben und muss seine Serienmörder-Identität vor seinen Kollegen und seiner Schwester Debra verbergen. Dass ihm das aber über sechs Staffeln hinweg gelingt, erscheint mit der Zeit immer unglaubwürdiger und seine Enttarnung durch Debra am Ende der sechsten Staffel ist damit überfällig. In „Alias“ hat man die Situation schlauer gelöst: Während Will nun Sidneys Geheimnis kennt, hat Francie (Merrin Dungey) immer noch keine Ahnung vom Agentendasein ihrer besten Freundin. Für die Beziehung zwischen Sidney und Will ergeben sich so neue Entwicklungsmöglichkeiten, während bei Francie das Rätselraten weitergeht, ob und wie sie Sidney jemals auf die Schliche kommen wird.
Unglaubwürdig finde ich allerdings, dass Will überhaupt überlebt hat. SD6 wurde bisher stets äußerst konsequent im Umgang mit Feinden und Mitwissern gezeigt. In der allerersten Folge hat Sloan Sidneys Verlobten umbringen lassen, der über wesentlich weniger Wissen verfügte als Will. Mit der „Zwangstarnung“ Wills als Heroinsüchtigem, der all seine Enthüllungen angeblich unter Drogeneinfluss erfunden hat, wurde dieses Dilemma zwar ganz gut gelöst, wenn man ehrlich ist, hätte Sloan Will aber einfach umbringen lassen müssen. Für die Serie allerdings ist es gut, dass Will weiterlebt (was natürlich auch die Autoren erkannt haben), schließlich ergeben sich dadurch wie erwähnt einige neue Erzählmöglichkeiten.
Als Will in der vierten Folge eine Selbsthifegruppe besucht, hat er mir schon fast leid getan. Der Arme muss den ehemaligen Heroinsüchtigen spielen, obwohl er mit dem Zeug vermutlich nie in Berührung gekommen ist. Als man ihn dort im Kreis all der „echten“ Süchtigen sitzen sieht, bekommt man allerdings den Eindruck, die Gruppe könnte ihm dennoch ganz gut tun. Schließlich hat er nach all den Erfahrungen mit Sidney und Jack und seinen Berührungen mit der Welt der Geheimdienste bestimmt einigen Redebarf (wenn er auch natürlich nicht wirklich offen über all das reden kann). Als er dann auf eine Verschwörungstheoretikerin trifft, die mit ihm in der Selbsthilfegruppe sitzt und davon überzeugt ist, dass die Dinge, die er über SD6 geschrieben hat, der Wahrheit entsprechen und er nur zum Schweigen verdonnert wurde, dachte ich ein paar Minuten, jetzt würde alles wieder von vorne losgehen. Das gleiche Schema wie in der ersten Staffel, aber mit anderer Rollenverteilung: während nun jene Verschwörungstheoretikerin die Rolle einnimmt, die Will früher innehatte, ist er nun derjenige, der (wie früher Sidney) darauf aufpassen muss, dass sie nicht zuviel herausfindet – um ihrer beider Leben willen. Zum Glück war das ganze jedoch nur von SD6 inszeniert und sollte Will testen. Da er weiter darauf beharrt, sich den Inhalt seiner Artikel nur ausgedacht zu haben, hat er den Test bestanden und dieses Handlungselement ist nach nur einer Episode abgehakt. Später bekommt er von Michael Vaughn einen neuen Rechercheauftrag, womit wieder neue Möglichkeiten für Will geschaffen werden, sich die Finger zu verbrennen…

Dann ist da natürlich noch Irina Derevko, die in Hannibal Lecter-Manier von der CIA gefangen gehalten wird. Die von ihr gelieferten Informationen haben zu einigen Erfolgen geführt, so dass Sidney sich nun nicht mehr sicher ist, ob ihre Mutter wirklich ihr Feind ist. Doch Sidneys Vater ist sich ganz sicher, dass Derevko nur ihre eigenen Motive verfolgt und nur deswegen versucht, eine emotionale Beziehung zu ihrer Tochter aufzubauen, um sie besser manipulieren zu können. „She’s someone you’ve idolized for twenty years“, sagt er zu Sidney. Und: „You wanted a mother and here she is“. „I’m not that naive.“, entgegnet ihm Sidney und erklärt: „The difference between you and me is that I am willing to squeeze her for everything she’s got.“ Während Jack also um keinen Preis jemals wieder irgendeine Form der Kooperation mit der Frau eingehen will, die ihn so lange ge- und schließlich maßlos enttäuscht hat, denkt Sidney pragmatischer und möchte das von Derevko zur Verfügung gestellte Wissen nutzen. Doch ist die Situation wirklich so einfach? Kann Sidney ihre Emotionen unter Kontrolle und die Beziehung zu ihrer Mutter trotz all der Manipulationsversuche Derevkos auf einer rein sachlichen Ebene halten? Natürlich nicht…
Als ihm klar wird, dass er Sid nicht davon überzeugen kann, sich von ihrer Mutter fern zu halten, greift Jack zu extremen Mitteln. Er lässt ein Haus auf Madagascar, in dem Sidney auf Derevkos Hinweis hin wichtige Informationen beschaffen soll, mit Sprengstoff ausstatten. Kurz bevor Sidney das Haus betritt, „entdeckt“ Jack den Sprengstoff; das Haus explodiert, aber Sidney kommt gerade noch einmal davon. Da es nun so wirkt, als habe Derevko absichtlich die Existenz des Sprengstoffs verschwiegen (von dem sie gar nichts wusste), hat sie das Vertrauen der CIA verloren. „You were right about her.“, sagt Assistant Director Kendall (Terry O’Quinn) zu Sidney. Diese wiederum entschuldigt sich bei ihrem Vater: „Everything you said was right. I’m sorry that I doubted you.“ Nach diesen Worten liegt Sidney wieder in den Armen ihres Vaters, der damit erreicht hat, was er wollte und sich nun mindestens genauso manipulativ gezeigt hat, wie er es von Derevko behauptet hat. Worum es hier eigentlich zu gehen scheint, ist der Kampf eines geschiedenen Paares um die Zuneigung der gemeinsamen Tochter. Scheidungsfamilien gehören ja zum Standardrepertoire in Spielberg-Filmen und so erscheint es nur passend, dass mit J.J. Abrams auch der Spielberg der nächsten Generation dieses Thema aufgreift (wie zum Beispiel auch in „Super 8“).
Es dauert natürlich nicht lange, bis Sidney erfährt, dass ihr Vater sie getäuscht hat und dass er sie sogar von Kindebeinen an zur Geheimagentin hat ausbilden lassen, was Jack wiederum vor Derevko geheim halten wollte. Nun kommt es wieder zum Bruch zwischen ihm und Sidney; auch das ist ein typisches Element vieler Fernsehserien (ganz besonders, aber nicht nur von Soap Operas): kaum herrscht in einer Beziehung endlich wieder so etwas wie Harmonie, schon tut sich der nächste Abgrund auf und stört die Ruhe. Und Sidney rennt von Jacks Armen direkt in die Arme von Michael Vaughn, dem Mann der nichts so gut beherrscht wie einen sorgenvollen Gesichtsausdruck.

Vaughn (Michael Vartan) wiederum hat, wie sich in der siebten Folge herausstellt, doch noch eine Freundin, die gerade dann auftaucht, als Sid kurz davor ist, ihr Leben für Vaughn zu riskieren. Die ganze Episode dreht sich hauptsächlich um die Beziehung zwsichen Sidney und Vaughn und darum, was die beiden für einander empfinden und bereit zu tun sind. Sidney handelt schließlich gegen ihre Befehle, um Vaughn zu retten und verspricht, SD6-Direktor Arvin Sloan (Ron Rifkin) an Julian Sark auszuliefern. Ganz sicher scheint sie sich ihrer Sache dabei nicht zu sein, obwohl sie Sloan natürlich abgrundtief hasst.
Die Information über das rettende Gegengift hat Derevko jedenfalls nur deswegen zur Verfügung gestellt, weil sie weiß, dass Sidney sehr, sehr viel an Vaughn liegt. Derevko formuliert es am Ende der Folge selbst sehr schön: Letztendlich dreht es sich hier nur um die Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau (Sidney & Michael Vaughn). Und wie Vaughn so schön sagt, ist seine Beziehung zu Sidney längst nicht mehr nur die eines „Betreuers“ zu einer Doppelagentin. Aber welcher Art ihre Beziehung denn dann ist und was er nun genau für sie fühlt, das spricht er noch nicht aus. Am Ende fasst er doch den Entschluss, es zu tun und rennt ihr hinterher – doch sie ist verschwunden. Auch die Geschichte von Sidney und Michael geht also in der nächsten Folge weiter.

Arvin Sloan wiederum macht seine Frau Emily zu schaffen, die er eigentlich für tot hielt. Schließlich hat er sie gerade erst begraben, doch nun mehren sich die Zeichen dafür, dass Emily entweder noch am Leben ist oder jemand anderes ein perfides Spiel mit Sloan treibt. Die anderen Mitglieder der „Alliance“ sähen es natürlich gar nicht gerne, wenn Emily noch am Leben wäre, schließlich war sie hinter das Geheimnis ihres Mannes gekommen und hatte von dessen Position als Direktor von SD6 erfahren. Zudem konnte SD6 in letzter Zeit immer weniger Erfolge verbuchen, was sicherlich auch auf Sidney und Jack zurückzuführen sein dürfte, die im Auftrag der CIA bei den meisten Missionen dazwischen funken. „I need a victory“, sagt der niedergeschlagene Sloan zu Jack.
Dann folgt der Paukenschlag: Sidney liefert Sloan tatsächlich an Sark aus. Sloan ist also tot! Oder? Ich hätte es dieser Serie jedenfalls zugetraut, so etwas durchzuziehen. Allerdings war die Geschichte um Sloans Frau gerade so schön vorbereitet worden und würde vollkommen nutzlos im Sand verlaufen, wenn Sloan plötzlich sterben würde. Aber Sloan ist doch noch am Leben, da Sark ihm ein unerwartetes, aber nicht unlogisches Angebot macht. Die beiden arbeiten fortan in einer „strategischen Allianz“ zusammen, als Feinde mit gemeinsamen Zielen. Sidneys Gesichtsausdruck, als sie dem totgeglaubten Sloan im Büro plötzlich gegenübersteht, ist herrlich und vielleicht der bisherige Höhepunkt der Serie!

So weit also zu den ersten sieben Folgen der zweiten „Alias“-Staffel. Ich finde die Serie unterhaltsam. Die Schauspieler sind sehr gut, die verschiedenen Missionen äußerst kreativ umgesetzt und bei dem hohen Tempo der Serie wird es eigentlich nie wirklich langweilig. Vollkommen begeistert bin ich von „Alias“ zwar nicht, werde die Serie aber weiter anschauen. Ein schönes Detail übrigens: Auf Marshalls Labortisch liegt in einer Folge ein Eisbär – da musste ich natürlich sofort an „Lost“ denken, zumal hier keine Erklärung für das Dasein des Eisbären abgegeben wird. Fast schon zum Running Gag entwickelt sich außerdem der Satz „I’ll buy time for you/us with Sloan.“, den Jack so oder ähnlich jedesmal äußert, wenn Sidney sich mal wieder auf eine CIA-Mission begibt und Jack ihre Abwesenheit bei SD6 irgendwie erklären muss. Sidney Bristows Tage müssen ja sowieso 36 Stunden haben, schließlich arbeitet sie als Geheimagentin für zwei Organisationen und studiert nebenbei auch noch (wovon man in der zweiten Staffel bislang allerdings nichts mitbekommen hat).
Ich freue mich jedenfalls auf Sidneys nächste Missionen. Die laufen zwar immer nach dem gleichen Schema ab – unerkannt eindringen, enttarnt werden, kämpfen und/oder flüchten – doch wie ich schon angemerkt habe, sind sie trotzdem sehr unterhaltsam und es geht zudem ja darum, dass das Ergebnis einer jeden Mission wieder der Grund dafür ist, Sidney auf einen weiteren Einsatz zu schicken. Klingt fast so, als wäre „Alias“ ein erzählerisches perpetuum mobile. Da man aber von anderen Serien weiß, dass sich so etwas trotzdem früher oder später tot läuft, bin ich gespannt, was für Tricks Abrams & Co. für die kommenden Folgen und Staffeln noch auf Lager haben.

„Alias“ – Season 1: weitere Eindrücke

Nachdem ich vor kurzem bereits meine allerersten Eindrücke zu J.J. Abrams „Alias“ hier gepostet hatte, gibt es nun den zweiten Teil. Inzwischen habe ich 17 (von 22) Folgen der ersten Staffel gesehen und würde mich zwar noch nicht als Fan der Serie bezeichnen, bin aber durchaus gespannt, wo all die Handlungsfäden hinführen und wie es dann in der zweiten Season weitergeht.

Was mir an der Serie gut gefällt, ist der abwechslungsreiche Aufbau der einzelnen Episoden. Eigentlich laufen die meisten Folgen nach dem gleichen Schema ab – Sydney bekommt einen Auftrag und muss in Verkleidung in feindliches Territorium vordringen, um dann Informationen, Daten oder Gegenstände zu beschaffen – aber die Macher der Serie haben es geschafft, dieses meiste gleiche Schema durch sehr unterschiedliche Schauplätze und Nebenfiguren doch jedes Mal aufs Neue interessant zu gestalten. Jedes Mal ist man aufs neue gespannt, welcher Tarnung und Verkleidung Sydney sich bedienen wird, welche technischen Spielereien sie dieses Mal dabei hat und in welchen Teil der Erde es sie verschlägt. Von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen wurde die gesamte Serie in und um Los Angeles gedreht, die Location Scouts dürften also viel Arbeit dabei gehabt haben, um Drehorte für ein Vatikan-Archiv, einen orientalischen Bazar und all die anderen Orte zu finden, an denen Sydney Aufräge ausführen muss. Allerdings findet ein Großteil der Überzeugungsarbeit im Kopf des Zuschauers statt: Jedes Mal, wenn Sydney irgendwo hinfliegt, wird der Name der entsprechenden Stadt eingeblendet und man sieht ein oder zwei Panoramaaufnahmen, um die Örtlichkeit zu etablieren. Sydneys Einsätz finden dann überwiegend in Innenräumen statt; das Budget einer solchen Serie erlaubt es natürlich nicht, für jede Folge in eine andere Ecke der Erde zu reisen, so dass für Außenaufnahmen, die in Brasilien, Russland oder Deutschland spielen, entsprechende Gebäude oder Landstriche im Raum Los Angeles gefunden werden mussten, die als Double herhalten mussten. Das funktioniert meist ganz gut, da das Tempo der Serie sowieso sehr hoch ist und Sydneys Auslandseinsätze oft nur ein paar Minuten Bildschirmzeit beanspruchen.

Die Aufgaben, die Sydney bei ihren Einsätzen zu erfüllen hat, wirken dabei manchmal wie Teile eines Videospiels. Sydney erhält beispielsweise den Auftrag, möglichst viele Seiten einer mittelalterlichen Schrift abzufotografieren oder muss an drei verschiedenen Stellen innerhalb eines Gebäudes Sprengstoff deaktivieren. Selten hat sich eine Fernsehserie so sehr für eine Videospielumsetzung geeignet wie „Alias“ (wahrscheinlich gab es dazu auch ein Spiel, ich kenne es aber jedenfalls nicht).

Sehr willkommene Überraschungen, die noch zusätzlich Abwechslung in die Serie gebracht haben, waren die Auftritte bekannter Gaststars, die bislang in der Staffel vorkamen: Quentin Tarantino mit einer coolen Rolle in einer Doppelfolge, Roger Moore als einer der Köpfe des organisierten Verbrechens, Terry O’Quinn (wobei der ja erst nach „Alias“ mit seiner Rolle als John Locke in „Lost“ bekannt wurde) und vielleicht noch ein paar andere, die ich übersehen habe, weil sie mir nicht bekannt waren. Es spricht wahrscheinlich sehr für die Serie, dass sie bereits in ihrer ersten Staffel Gaststars eines solchen Kalibers anlocken kann (oder für die Überzeugungskraft und die Kontakte von J.J. Abrams und der anderen Serien-Macher).

In meinem ersten Beitrag über „Alias“ habe ich geschrieben, dass das, was hier als Wahrheit gilt, im Laufe der Serie sicherlich noch mehrmals erweitert und neu definiert werden wird. Dazu passend stellt in Episode 1.15 Sydneys Vorgesetzter Arvin Sloane (Ron Rifkin) fest: „There are some truths that Sydney must never learn.“ Natürlich spricht er damit zugleich das Versprechen aus, dass diese Wahrheiten früher oder später trotzdem ans Licht kommen und Sydneys Leben verändern werden – und damit auch das Er-Leben der Serie durch die Zuschauer.

Auch wenn es sich bei „Alias“ um eine bereits seit mehreren Jahren abgeschlossene Serie handelt, möchte ich hier keine Spoiler verraten, deshalb werde ich nicht ausführlich auf die Handlung der ersten Staffel eingehen. Der Mystery-Handlungsbogen um einen italienischen Gelehrten aus dem 15. Jahrhundert wurde im Lauf der Staffel immer weiter getrieben, so dass nun noch mehr offene Fragen existieren, aber immer noch keine Antworten. Wie konnte dieser Rambaldi bereits vor Jahrhunderten so exakte Vorhersagen für die ferne Zukunft treffen? Und was genau haben diese Vorhersagen mit dem Leben der Serienfiguren zu tun? Wie dies alles zufriedenstellend erklärt werden soll, kann ich mir immer noch nicht vorstellen und ich habe meine Zweifel, ob es überhaupt vollständig aufgelöst und erklärt werden wird. Mit der inzwischen ins Spiel gebrachten Prophezeihung Rambaldis, die für die Handlung der Serie von großer Bedeutung ist, nimmt „Alias“ nun wirklich  „Lost“-ähnliche Züge an.
Ich persönlich würde diesen Handlungsstrang zu Ende bringen, indem ich spätestens nach zwei oder drei Staffeln einiges von Rambaldis eigener Hintergrundgeschichte klären würde. Dazu könnte man mehrere Folgen zu dessen Lebzeiten spielen lassen, um so seine Verbindungen zu unserer Gegenwart zu erklären. Vielleicht IST ja sogar einer der bereits bekannten Hauptcharaktere genau jener Rambaldi und wird all die Vorhersagen treffen, nachdem er in der Zeit zurück gereist ist…? Zugegeben, Zeitreisen scheinen noch nicht so ganz in das Konzept der Serie zu passen, aber wie sonst will man eine Jahrhunderte alte Prophezeihung und all die anderen Verbindungen Rambaldis zum Seriengeschehen erklären? Ich hätte jedenfalls nichts dagegen, wenn sich die Serie immer mehr in die Mystery-Richtung bewegt. Dieser Aspekt der Handlung interessiert mich eigentlich jetzt schon mehr als all die „normale“ Agentenarbeit und die angestrebte Zerschlagung der Verbrecherorganisation SD6.

Noch kurz zu Episode 1.17, der bislang letzten, die ich gesehen habe: Diese Folge bestand hauptsächlich darin, dass die augrund ihres Auftauchens in jener Prophezeihung in Verdacht geratenen Sydney ausführlich zu ihrerm Agentendasein befragt wurde. Im Kern bestand die Episode damit aus dem Zusammenfassen der vorherigen 16 Folgen und aus ziemlich vielen Rückblenden. Aber warum nur? Waren die Quoten zu diesem Zeitpunkt im Keller? Gab es Personen beim Fernsehsender, die Bedenken hatten, dass die Handlung für die Zuschauer zu komplex werden würde und die die Notwenidgkeit sahen, alles noch einmal zusammen zu fassen, um neue Zuschauer zu gewinnen? Die Episode (schlicht „Q & A“ betitelt) wirkte wie ein Lückenfüller, wenn auch am Ende eine neue Erkenntnis stand.
Allerdings wurde hier noch einmal verstärkt das Thema herausgearbeitet, das wohl eines der zentralen Themen der Serie (und im Werk von J.J. Abrams überhaupt) ist: Die Frage nach dem Schicksal – haben wir den Gang unseres Lebens selbst in der Hand oder folgt es einem bereits feststehenden Schema? In „Lost“ wurde die Bearbeitung dieser Frage fast bis zur Redundanz durchexerziert. Je mehr Folgen von „Alias“ ich sehe, um so mehr nimmt die Serie für mich die Gestalt eines typischen Abrams-Werkes an, zum einen wegen dieser Thematik, zum anderen durch die Mystery-Elemente.

Ich bin gespannt, wo all das noch hin führt.

„Alias“ – meine ersten Eindrücke nach sechs Episoden

Als ob es nicht genug tolle aktuelle Fernsehserien gäbe, bei denen ich nicht auf dem neuesten Stand bin oder die ich noch nicht einmal anzuschauen begonnen habe, habe ich nun auch noch eine schon etwas ältere Serie dazwischen geschoben: ALIAS (2001 – 2006)
Der Grund dafür, dass ich nun angefangen habe, noch eine weitere Serie anzuschauen, ist natürlich J.J. Abrams, der Mann hinter „Lost“, hinter dem fantastischen „Star Trek“-Reboot und (für mich nicht ganz unwichtig) auch der Regisseur von „Star Wars: Episode VII“. Nachdem „Lost“ eine meiner Lieblingsserien ist, war es nur eine Frage der Zeit, bis ich mir mal eines von Abrams‘ anderen TV-Werken vorgenommen habe („Fringe“ bin ich bereits verfallen und warte nur noch auf den Blu-ray-Release der letzten Staffel; Abrams‘ Frühwerk „Felicity“ werde ich mir sicherlich auch irgendwann vornehmen).

Nun also zu „Alias“: Zunächst einmal muss ich betonen, dass ich bislang erst sechs Episoden gesehen habe und hier nur meine allerersten Eindrücke wiedergeben kann. Ich weiß zum Glück noch nichts über den weiteren Verlauf der Serie und kann sie vollkommen ungespoilert genießen. Da die Serie fünf Staffeln mit jeweils 22 (Staffeln 1-4) bzw. 17 (Staffel 5) Episoden umfasst, liegt der größte Teil des Vergnügens noch vor mir. Und ein Vergnügen ist sie bis jetzt durchaus, diese rasante Serie, die wie im Geschwindigkeitsrausch von einem Plotpoint zum nächsten rauscht und sich zwischendurch trotzdem die Zeit nimmt, die Charaktere und deren Beziehungen auszuarbeiten.

Jennifer Garner spielt in „Alias“ die Studentin Sydney Bristow, die – wie bislang zu Beginn jeder Folge aufs Neue erklärt wird – schon seit einigen Jahren als Geheimagentin arbeitet. Im Lauf der Pilotfolge muss sie erfahren, dass es sich bei der Organisation, für die sie tätig ist, keineswegs um eine Unterabteilung der CIA handelt, wie Sydneys Auftraggeber behaupten. Tatsächlich handelt es sich bei SD6, so der Name der Organisation, um eben jene Feinde, gegen die sie bisher immer glaubte zu kämpfen. Als Sydney ihrem Verlobten die Wahrheit über ihre Arbeit und ihre Identität als Agentin erzählt, wird dieser von SD6 ermordet. Sydney nimmt sich daraufhin erst einmal eine kurze Auszeit vom Agentendasein, kehrt aber bald als Doppelagentin zurück – von nun an arbeitet sie (zusätzlich zu ihrem Job bei SD6) tatsächlich für die CIA und soll bei der Bekämpfung von SD6 helfen. Noch ein wenig komplizierter für Sydney wird das Ganze dadurch, dass es noch einen weiteren Doppelagenten mit der gleichen Aufgabe gibt: ihren Vater, den sie kaum kennt und zu dem sie alles andere als ein herzliches Verhältnis hat. Ach, und selbstverständlich darf sie gegenüber keinem ihrer Freunde auch nur die leiseste Andeutung über ihr Agentendasein machen, was aber unter anderem dazu führt, dass ihr bester Freund Will (ein sehr junger und sehr blonder Bradley Cooper!) Nachforschungen über den Tod von Sydneys Verlobtem anstellt, die einen als Zuschauer ständig um Wills Leben bangen lassen. Schließlich wissen wir, was die Konsequenz wäre, sollte er Sydneys Geheimnis erfahren…

Einer meiner ersten Gedanken beim Anschauen der ersten Folge war die Parallele zu „Indiana Jones“. Genau wie Indy, der ja seiner eigenen Aussage zufolge ein Teilzeitprofessor ist, den Rest seiner Zeit aber um den Globus hetzt, um wertvolle Kunstgegenstände und ähnliches vor den Schergen des Bösen zu retten, ist auch Sydney zum einen eine strebsame Studentin mit Sorgen, Problemen, aber auch Beziehungen wie sie ganz normale Studenten haben. Zum anderen ist sie aber eben eine professionell ausgebildete Geheimagentin, die in aller Welt gefährliche und actionreiche Aufträge zu erledigen hat (während ihre Freunde glauben, sie arbeite für eine weltweit operierende Bank).
Gegen Ende der ersten Folge herrschte dann bei mir ein Gefühl von allgemeiner Ratlosigkeit vor, weil ich wenn ich ehrlich bin bereits zu diesem Zeitpunkt nicht mehr völlig durchblickte vor lauter Verschwörungen und Doppel- und Dreifachagenten. Wer arbeitet hier eigentlich gegen wen? Und was soll das bitteschön für eine Organisation sein, die offensichtlich von amerikanischem Boden aus operiert, aber angeblich der Feind ist? Wessen Feind denn? Und warum? Und wodurch?? Die erste Folge stellt Sydneys gesamtes Leben auf den Kopf und wirbelt auch in dem des Zuschauers so einiges durcheinander. Inzwischen, nach sechs Folgen, weiß ich: man muss das alles gar nicht so genau verstehen (dazu weiter unten mehr). Diese Fragen gehören zu den großen Mysterien von „Alias“, die bestimmt noch eine ganze Weile Teil der Serie sein und nicht so schnell aufgelöst werden. Schließlich ist hier J.J. Abrams am Werk, der später auch im Pilotfilm von „Lost“ eine ganze Reihe von Fragen aufgeworfen hat, die zum Teil am Ende der Serie noch immer nicht völlig zufrienden stellend beantwortet waren.

Als Sydney in der zweiten Episode den Entschluss fasst, SD6 – also die Organisation, für die sie (inzwischen nur noch scheinbar) arbeitet, die aber zu „den Bösen“ gehört – zu zerstören, ist das auch nur der Beginn eines wohl mehrere Staffeln andauernden Erzählstranges. Mit eigentlich ganz einfachen Mitteln und nur wenigen Figuren hat J.J. Abrams (der die ersten beiden Episoden geschrieben hat) hier scheinbar unbegrenzte erzählerische Möglichkeiten geschaffen. Zu den zentralen Fragen der Serie gehört dabei die nach der Wahrheit – was ist die Wahrheit? Bislang dachte Sydney, sie arbeite für „die Guten“, für die CIA, für Amerika. Diese Wahrheit wurde gleich zu Beginn der Serie als Lüge entlarvt. Das führt direkt zur nächsten Frage: Wem kann man (also Sydney, aber auch der Zuschauer) hier trauen? Wer sagt die Wahrheit und wer nicht? Mich würde es ja nicht überraschen, wenn das, was als Wahrheit gilt, im weiteren Verlauf der Serie noch mehrmals neu definiert wird, ähnlich wie in der Pilotfolge. Sydney hat die Wahrheit, SD6 sei der Feind, ziemlich schnell und unkritisch akzeptiert – vielleicht stimmt das gar nicht? Vielleicht sind die Personen, die nun behaupten, sie repräsentierten die echte CIA, in Wahrheit die Feinde? Mit zunehmender Dauer werden in „Alias“ wohl immer neue Ebenen von Wahrheit erreicht werden. Das Infragestellen der Wahrheit sät hier ständige Zweifel, was zu den Grundelementen vieler Fernsehserien gehört.

In der dritten Folge kommt dann ein weiteres Mysterium ins Spiel, dass auch noch eine ganze Weile Teil der Handlung bleiben wird: SD6 ist einem Wissenschaftler aus dem 15. Jahrhundert auf der Spur, der damals schon in Binärcode geschrieben, anscheinend das Handy erfunden und viele weitere tolle Dinge getan und erfunden hat, die seiner Zeit um Jahrhunderte voraus waren. Ich bin mir noch nicht sicher, wie mir dieses Science-Fiction-Element der Serie gefällt; jedenfalls kann ich mir nicht vorstellen, wo das hinführen soll. Aliens? Zeitreisen? Ein Besuch bei Dan Brown? Willkommen in der Welt von J.J. Abrams, wo alles möglich ist, man muss die Ausgangssituation nur so vage formulieren, dass es in alle Richtungen und prinzipiell ewig weiter gehen kann (was keinesfalls heißt, dass es nicht spannend und unterhaltsam wird).

Eine weiterer zentraler Handlungsbogen von „Alias“ ist natürlich die Beziehung Sydneys zu ihrem Vater, der von Victor Garber gespielt wird (den viele wohl als den Konstrukteur der Titanic kennen werden; auch in „Argo“ hat er kürzlich eine Rolle gehabt). Genau wie die anderen offenen Fragen der Serie bietet auch diese Thematik Stoff für mehrere Staffeln: Die Vergangenheit ihres Vaters, seine genaue Rolle innerhalb der Organisation, die anfangs scheiternden Kontakt- und Annäherungsversuche. Auch in dieser Beziehung wird es wohl noch so einige schockierende Offenbarungen geben.

Ein Schema der Serie, das ich bereits jetzt sowohl sehr verwirrend, als auch sehr amüsant finde, ist die Rekordzeit, in der in jeder Folge die Mission Briefings erfolgen. Da Sydney zumindest bisher in jeder Episode einen bestimmten Auftrag zu erledigen hat, muss sie (und mit ihr der Zuschauer) diesen natürlich vorher von ihren Vorgesetzten erklärt bekommen – Einsatzort und -ziel, beteiligte Personen, technische Hilfsmittel usw. Ich habe oben schon geschrieben, dass mich all diese in Windeseile vorgtragene Exposition schon in der ersten Folge verwirrt hat. Inzwischen weiß ich: das ist nicht weiter schlimm, denn darum geht es in der Serie überhaupt nicht. Es ist vollkommen egal, ob man im Detail verstanden hat, wie und warum Sydney in einer Einzelfolge einen konkreten Auftrag auszuführen hat. Es geht nämlich um zwei andere Dinge: Zum einen soll man natürlich die Durchführung der Auträge selbst genießen – wie Sydney sich in Vekleidung irgendwo einschleicht, Sicherheitssysteme umgeht und ihr ganzes Wissen und Können sowie irgendwelche technischen Spielereien dazu einsetzt, um ihre Aufgabe zu erledigen.
Zum anderen erfüllen diese Aufträge eine ganz essentielle Funktion: sie treiben die Handlung voran. Am Ende eines Auftrags wissen wir mehr, als vorher. Genauer gesagt wissen wir eigentlich weniger, weil aus den gewonnenen Erkenntnissen sofort neue, offene Fragen folgen (hat da jemand „Lost“ gerufen?), die dann unmittelbar zum nächsten Einsatz führen. Das Ende des einen Einsatzes ist schon der Anfang des nächsten Auftrages für Sydney; die Antwort auf eine Frage stellt zugleich die nächste Frage dar. „Alias“ bietet damit ein TV-Serienprinzip in perfektionierter Form. Hier ist jede Folge darauf angelegt, zur nächsten überzuleiten, die Serie weiter gehen zu lassen (was nicht unbedingt gleichbedeutend damit sein muss, dass wirklich die Handlung vorangetrieben wird und Fragen zufrieden stellend beantwortet werden). Es geht der Serie zuallererst einmal darum, weiter zu gehen, fortgesetzt zu werden. Schließlich ist das das Prinzip der Serie. Ganz anders verfahren beispielsweise aktuell Serien wie „Mad Men“ und „Breaking Bad“, die sich manchmal fast quälend lange Zeit für die Ausarbeitung ihrer Figuren nehmen – quälend deswegen, weil man eben manchmal den Eindruck hat, dass da fast gar nichts passiert. „Alias“ ist da meinen ersten Eindrücken nach eher mit „24“ zu vergleichen: hier passiert so viel, dass es eigenlich auch schon wieder egal ist, was da passiert. Hauptsache es herrscht nie Stillstand. Und ähnlich wie bei „Lost“ scheint es bislang nicht um einen Abschluss der Geschichte zu gehen, sondern erst einmal nur darum, eine große Zahl an Fragen aufzuwerfen. Ob die dann zur Befriedigung der Zuschauer beantwortet werden, ist zu diesem Zeitpunkt unmöglich zu sagen. (Dass „Alias“ in den ersten sechs Folgen wesentlich mehr Fragen als Antworten in den Raum stellt, will ich keineswegs kritiseren. Schließlich handelt es sich hier erst um den Beginn einer großen Erzählung. Ich sehe allerdings die Gefahr, dass das Ganze aus dem Ruder laufen könnte und bin sehr gespannt, an welchem Punkt die Serie nach ein oder zwei Staffeln stehen wird.)

Ich finde es sehr interessant, dass die einzelnen Episoden oft mitten während eines von Sydneys Einsätzen beginnen, dann erst zum Mission Briefing für den nächsten Auftrag übergehen und schließlich mitten in diesem nächsten Aufrag mit einem Cliffhanger abbrechen. Es geht in einer Einzelfolge von „Alias“ also nicht darum, einen dieser Einsätz im Detail und von Anfang bis Ende zu erzählen. Und deshalb ist es auch nicht unbedingt notwenig, dass man als Zuschauer alle Details und Hintergründe dieser Einsätze im Kopf hat. Man weiß sowieso, dass nach diesem Einsatz ein weiterer folgen wird und dass dieser nächste nach einem ähnlichen Muster ablaufen wird. Hauptsache es geht immer weiter. Ich werde Sydney Bristows Agentenleben jedenfalls auch weiter verfolgen und vielleicht irgendwann erneut darüber bloggen.