Buchrezension: „A Dream Given Form – The Unofficial Guide to the Universe of Babylon 5“

Bücher über „Babylon 5“ gibt es nicht viele. Die Kultserie aus den Neunzigern hat zwar bis heute eine treue Anhängerschaft und findet durchaus auch noch neue Fans, fristet aber dennoch ein Nischendasein – unter anderem aufgrund der traurigen Tatsache, dass sie immer noch bei keinem der großen Streaminganbieter verfügbar ist. Wer nach Episodenführern mit ausführlichen Besprechungen der einzelnen Folgen sucht, stößt auf die Bücher von Jane Killick, die zu jeder der fünf Staffeln einen Band veröffentlicht hat oder auf die beiden „The Babylon File“-Bücher von Andy Lane. Mit „A Dream Given Form“ haben Ensley F. Guffey und K. Dale Koontz nun ein weiteres Buch veröffentlicht, in dem alle 110 Serienepisoden, der Pilotfilm und die weiteren Fernsehfilme, die kurzlebige Spin-off-Serie „Crusade“ sowie alle zum offiziellen Kanon gehörenden Romane und Comics unter die Lupe genommen werden. Der Vorteil gegenüber den anderen erwähnten Büchern scheint also klar auf der Hand zu liegen: hier findet man erstmals Besprechungen aller zum „Babylon 5“-Universum gehörenden Geschichten in einem einzigen Buch vereint.

A Dream Given Form - The Unofficial Guide to the Universe of Babylon 5

Die Autoren haben zuvor ein ähnliches Buch zu „Breaking Bad“ veröffentlicht, was angesichts der Popularität und Aktualität der Serie nahe lag. Warum nun also ein Buch zu einer Serie, deren letzte Folge vor 19 Jahren ausgestrahlt wurde? Ich habe leider noch keine Gelegenheit gehabt, die Autoren dazu zu befragen, nehme aber an, dass sie ganz einfach selbst große Fans von J. Michael Straczynskis (JMS) Weltraum-Saga sind. (Und was die Aktualität betrifft: „Babylon 5“ mag schon ein paar Jahre auf dem Buckel haben, inhaltlich sind große Teile der Serie aber momentan leider so aktuell wie nie seit ihrem Bestehen. Man denke nur an den Aufstieg einer korrupten, fremdenfeindlichen Regierung und andere Aspekte der Serienhandlung, die stark an das aktuelle politische und gesellschaftliche Geschehen in Deutschland oder den USA erinnern.)

Nun aber zum Buch selbst. Wie erwähnt behandelt es alle bislang erschienenen Geschichten, die zum offziellen Kanon gehören (einige der „Babylon 5“-Romane und Comics sind JMS zufolge nicht kanonisch; auf sie wird im Buch dementsprechend nicht eingegangen). Das bedeutet allerdings, dass selbst auf knapp 500 Seiten nicht der Platz ist, um jede einzelne Episode und jeden Comic wirklich ausführlich zu besprechen und ausführliche Interpretationen und Analysen zu liefern. Die Episodenbesprechungen fallen hier dementsprechend ziemlich knapp aus und gehen meist nicht einmal auf alle Handlungsstränge der jeweiligen Folge ein. Stattdessen werden jeweils ein oder zwei wichtige oder interessante Punkte herausgegriffen und in wenigen Absätzen besprochen. Damit dienen diese Episodenbesprechnungen mehr als Ausgangspunkt für weitere, eigene Überlegungen oder Diskussionen denn als fundierte Informationsquelle. Manchen Fans der Serie mag das genügen, ich persönlich hätte es aber gerne etwas ausführlicher gehabt. Das hätte aber wohl den Rahmen des Buches gesprengt. Ich freue mich auch sehr, dass die 13 Episoden von Crusade (und dazu drei zwar geschriebene, aber nicht mehr verfilmte „Crusade“-Drehbücher), die Comics und Romane ebenfalls Teil des Buches sind. Zu den Büchern und Comics werden nämlich kurze Inhaltsangaben geliefert, was praktisch für all diejenigen ist, die sie nicht selbst lesen wollen. (Ich habe vor ein paar Monaten begonnen, den ersten Teil der „Psi-Corps“-Trilogie zu lesen und nach einigen Kapiteln abgebrochen, weil mich das Buch so gelangweilt hat.)

Wenn man die einzelnen Episoden gut kennt, hat man keine Probleme, den kurzen Erläuterungen und Gedankengängen der Autoren zu folgen. Die Texte lesen sich flüssig; dazu finden sich am Ende jeder Episodenbesprechung Rubriken wie „Did You Notice“, wo allerlei Interessantes und Kurioses aus der jeweiligen Folge aufgelistet wird oder „Hyperspace Beacons“, wo die Autoren auf Dinge in der Episode verweisen, die in Zukunft noch eine Rolle spielen werden. Auch ein „Highlight“ sowie ein besonders hervorstechendes Zitat aus jeder Episode liefern die Autoren. Hin und wieder streuen sie auch interessante Fakten ein, die über die Geschichten des B5-Universums hinausgehen, z.B. wenn sie im Zusammenhang mit der Episode, in der Susan Ivanova über ihren verstorbenen Vater trauert, erläutern, was es mit dem jüdischen Ritual der Schiv’a auf sich hat. Zu jeder Episode werden weiterhin der/die Autor/in, der/die Regisseur/in und das Datum der Erstausstrahlung aufgelistet. Leider fehlt eine Auflistung der Gaststars, möglicherweise aus Platzgründen.

Noch nicht erwähnt habe ich das exklusive Interview mit Londo-Darsteller Peter Jurarsik, welches ebenfalls Teil des Buches ist und wirklich sehr informativ und lustig ausgefallen ist. In einem weiteren Abschnitt haben die beiden Autoren kurze Nachrufe auf die viel zu vielen bereits verstorbenen „Babylon 5“-Darsteller untergebracht. Fotos enthält das Buch übrigens gar keine, man findet lediglich eine handvoll Seiten mit Schwarzweiß-Zeichnungen aus den Comics. Überrascht hat mich, dass die Autoren wenig auf die Online-Posts von JMS eingegangen sind, in denen dieser jede einzene Folge selbst kommentiert und Hintergrundwissen sowie seine eigenen Gedanken dazu geliefert hat. Wahrscheinlich wurde auch diese Quelle ganz einfach aus Platzgründen nur wenig berücksichtigt. Größere Fehler konnte ich keine im Buch ausmachen, auch wenn mich hier und da kleiner Dinge gestört haben. Zum Beispiel liest sich die Besprechung der Episode „Divided Loyalties“, als sei der Ausstieg einer der Hauptfiguren aus der Serie in dieser Folge von langer Hand geplant gewesen, was allerdings nicht der Fall war. Seltsamerweise gehen die Autoren auch nur im Zusammenhang mit Staffel zwei darauf ein, in welcher Reihenfolge man die Episoden am besten anschauen sollte. Diese „Idealreihenfolge“ weicht nämlich bei allen Staffeln, vor allem jedoch bei der ersten, von der Reihenfolge auf den DVDs ab. (Am Ende meiner Besprechung des Finales der ersten Staffel könnt ihr die Reihenfolge einsehen.)

Im Großen und Ganzen hat mir das Buch zwar gefallen, ich hätte es aber gerne ausführlicher gehabt und dafür auch in Kauf genommen, dass man es in zwei (oder mehr) Bände hätte aufteilen müssen. Trotzdem ist es schön, ein einziges Buch zur Hand zu haben und darin jede beliebige Episode nachschlagen zu können. Oft regt einen das Lesen der Texte dann ja zum eigenen Nachdenken über die Folge an oder man bekommt Lust, sie selbst gleich nochmal anzuschauen. „A Dream Given Form – The Unofficial Guide to the Universe of Babylon 5“ ist bislang nur auf englisch erschienen. Ob es – wie beim „Breaking Bad“-Buch – auch eine deutsche Übersetzung geben wird, ist angesichts der viel geringeren Popularität der Serie fraglich. Es wäre aber sehr zu begrüßen.

 

Vielen Dank an Ensley F. Guffey für die Zusendung eines kostenlosen Rezensionsexemplares! 🙂

 

Copyright Bild: ECW Press

Babylon 5: Episode 1.22 – Chrysalis

— Ganz am Ende dieses Blogposts findet Ihr eine Übersicht aller bisherigen „Babylon 5“-Blogposts! —

Neuigkeiten von B5-Schöpfer J. Michael Straczynski und aus dem „Babylon 5“-Universum

Seit meinem letzten „Babylon 5“-Blogpost ist natürlich so einiges passiert. Wie ihr wahrscheinlich wisst, ist seitdem die komplette zweite Staffel von „Sense8“ bei Netflix erschienen – und die Serie kurz danach abgesetzt worden. 😦 Die Fans haben nicht locker gelassen und Netflix lautstark dazu aufgefordert, die von JMS und den Wachowskis ursprünglich auf fünf Staffeln angelegte Serie doch noch weiterzuführen. Einen kleinen, aber beachtenswerten Erfolg konnte die #RenewSense8-Kampagne immerhin verbuchen: Irgendwann im nächsten Jahr wird es ein zweistündiges Special geben, welches die noch offenen Handlungsfäden der Serie abschließt.
Auf der San Diego Comic Con hat JMS auch dieses Jahr wieder ein eigenes Panel gehabt, in dem er die Fans über den aktuellen Stand seiner Projekte informiert hat. Unter anderem arbeitet er gerade an einem Roman, die Vorproduktion zur Verfilmung seiner Comicserie „Rising Stars“ ist angelaufen und er will immer noch einen „Babylon 5“-Kinofilm drehen, hat aber Angst, dass die Marke umso uninteressanter wird, je mehr Zeit verstreicht. Eine kurze Zusammenfassung seiner wichtigsten Aussagen könnt ihr euch hier durchlesen. Es ist zudem in den letzten Jahren fast schon zur Tradition geworden, dass JMS auf diesen Panels auch äußerst Persönliches aus seinem Leben erzählt. Auch diesbezüglich hat er dieses Mal nicht enttäuscht. Er hatte einige sehr bewegende Dinge aus seiner Kindheit und Jugend zu berichten, die mich zu einem noch größeren Fan und Bewunderer von ihm gemacht haben. Gleichzeitig erklären sie ein bisschen, warum JMS in der Branche bisweilen einen Ruf als Sturkopf hat und man manchmal hört, mit ihm arbeite es sich nicht leicht zusammen. In einem weiteren Panel gab JMS allen Nachwuchsautoren hilfreiche Tipps fürs Schreiben von Drehbüchern, Romanen und Comics und berichtete von seinen eigenen Erfahrungen aus der Branche. Eine Zusammenfassung könnt ihr euch hier durchlesen.
Am 16. Juni verstarb leider erneut ein Darsteller aus „Babylon 5“: Stephen Furst, den wir alle als Vir Cotto kennen, erlag den Komplikationen, die im Zusammenhang mit seiner langjährigen Diabetes-Erkrankung entstanden. Er wurde nur 63 Jahre alt. Neben seiner Rolle in „Babylon 5“ war er vor allem als Flounder in „National Lampoon’s Animal House“ bekannt. Außerdem führte er bei drei Folgen von „Babylon 5“ Regie.
Auch der langjährige ausführende Produzent von „Babylon 5“, Douglas Netter, verstarb am 8. Mai im stolzen Alter von 95 Jahren. In der Episode, die ich unten bespreche, bekommt man ihn kurz zu sehen (siehe „Hinter den Kulissen-Fakten“).

Und nun zur Episode, um die es in diesem Blogpost geht – dem Finale der ersten Staffel. 🙂


Episode 1.22 „Chrysalis“ („Chrysalis“)

Drehbuch: J. Michael Straczynski, Regie: Janet Greek
Erstausstrahlung: 26.10.1994 (USA), 17.12.1995 (Deutschland)

„Chrysalis“ bildet den Abschluss der ersten Staffel von „Babylon 5“. Die Folge stellt eine der wichtigsten und sicherlich auch besten Episoden der Staffel dar, wartet mit mehreren Cliffhangern auf und lässt den Zuschauer mit zahlreichen offenen Fragen zurück.

„Alles wie gehabt“, denkt man sich in den ersten Minuten der Episode noch. Diese beginnt nämlich mit einem Streit zwischen Londo und G’Kar vor den versammelten Ratsmitgliedern. Genau wie in der ersten Folge geht es dabei um ein Stück Weltraum – genauer gesagt Quadrant 37 – das beide Völker für sich beanspruchen, das aber momentan einen Außenposten der Narn beherbergt.
Auch als Garibaldi in der daran anschließenden Szene einem sterbenden Informanten gerade noch die Worte „They’re gonna kill him…“ entlocken kann, reißt einen das noch nicht unbedingt vom Hocker. Wahrscheinlich werden es wieder ein paar Kleinkriminelle auf den Commander oder einen anderen Stationsbewohner abgesehen haben, denkt man sich zu diesem Zeitpunkt. Auch so etwas haben wir ja bereits mehrmals erlebt.

Doch nach der Titelsequenz werden im weiteren Verlauf der Folge viele der Erwartungen des Zuschauers über den Haufen geworfen – und ebenso zahlreiche Entwicklungen und Gegebenheiten, die im Verlauf der Staffel etabliert worden waren. Der Präsident ist tot, Botschafterin Delenn steckt in einem Kokon, Londo Mollari hat sich endgültig auf einen Pakt mit dem Teufel eingelassen und Sicherheitschef Garibaldi liegt im Koma. Dass Commander Sinclair seiner Freundin Catherine Sakai einen Heiratsantrag gemacht hat, wird angesichts dieser Ereignisse zur Nebensache.

Beginnen wir mal mit der Handlung um den Tod des Präsidenten.  Michael Garibaldi hat zunächst keine Ahnung, in was für eine große Sache er seine Nase dieses Mal hineinsteckt. Am Anfang ist es schön zu sehen, dass er sich um seinen Informanten, Petrov, sorgt. Mit diesem kann er sich offenbar identifizieren, da auch Garibaldis eigene Vergangenheit alles andere als blitzsauber ist. Deshalb versucht er Leuten eine Chance zu geben, die seiner Meinung nach eine zweite (oder dritte, vierte,…) Chance verdient haben, genau so wie Sinclair ihm mit dem Posten auf Babylon 5 noch einmal eine Chance gegeben hat. Doch Petrov stirbt und Garibaldi hat von ihm nur erfahren, dass irgendjemand umgebracht werden soll.
Dass es sich dabei um den Erdpräsidenten handeln könnte, deutet die Serie an, indem sie gleich danach zum ISN-Bericht über die „goodwill tour“ von Präsident Santiago schneidet (wir erinnern uns: dieser war in der allerersten Folge ins Amt gewählt worden). Beginnend beim Mars will Santiago mit der EarthForce One mehrere Kolonien besuchen und soll schließlich am Neujahrstag, dem 1.1.2259, auf Io eine Rede über die Beziehung der Menschen zu fremden Völkern halten. (Das Schiff des Präsidenten haben wir bereits in „Survivors“ zu sehen bekommen.) Später in der Episode erfahren wir zudem, dass Vizepräsident Morgan Clark (Gary McGurk) dieser Reise aufgrund einer angeblichen Vireninfektion für eine Weile fernbleibt.
Bei seinen Nachforschungen stößt Garibaldi auf einen Mann namens Devereaux (Edward Conery), der sich aber nicht von ihm nicht einschüchtern lässt. Devereaux wird in Gewahrsahm genommen, entkommt aber aus seiner Gefngniszelle, was ein deutlicher Hinweis darauf ist, dass es sich hier nicht nur um eine Angelegenheit unter Kleinkriminellen handelt und Deveraux Unterstützer unter den Sicherheitskräften der Station hat.
Als Garibalid schließlich einige Frachtcontainer ausfindig macht, in denen Störsender an Bord Bord der Station geschmuggelt worden sind, zieht er aus der dort eingestellten Frequenz die richtige Schlussfolgerung: jemand will den Präsidenten umbringen! Doch kurz darauf stellt sich ihm Deveraux in den Weg – und noch viel wichtiger: hinterrücks wird Garibaldi von einem seiner eigenen Leute erschossen, der für die Verschwörer arbeitet. Dabei handelt es sich glaube ich um Garibaldis Stellvertreter, den wir schon in einigen anderen Folgen gesehen haben. Gespielt wird er von Macauly Bruton, dessen Name ja schon ein wenig nach „Brutus“ klingt. 😉
Garibaldi kann sich anschließend schwerverletzt in einen Aufzug schleppen, wird auf einer Silvesterfeier entdeckt und ins Medlab gebracht. Dort kann er Sinclair zwar noch mitteilen, dass es jemand auf den Präsidenten abgesehen hat, doch es ist zu spät: Sinclair und alle anderen ISN-Zuschauer müssen mitansehen, wie die EarthForce One mit Präsident Luis Santiago an Bord explodiert. Aufgrund der gestörten Kommunikationskanäle gelingt es Sinclair nicht, vorher noch eine Warnung zu senden. Mit der Bewachung des im Koma liegenden Garibaldi beauftragt er ausgerechnet dessen Stellvertreter…
Dieser wiederum beseitigt später ein paar lose Enden und bringt Deveraux um. Im Gespräch mit einer Senatorin von der Erde versucht Sinclair die Regierung vergeblich davon zu überzeugen, dass die Explosion des Raumschiffs des Präsidenten kein Unfall war. Doch er hat keinerlei Beweise für seine Anschuldigungen. Schließlich wird Vizepräsident Clark zum Nachfolger von Santiago ernannt und legt an Bord der EarthForce Two den Amtseid ab.
Genau wie die anderen Handlungsstränge der Episode ist die Ermordung von Santiago und der Amtsantritt von Clark wegweisend für die Zukunft der Serie: Nicht nur ist Clark ein korrupter Politiker, der auch vor Mord nicht zurückschreckt. Seine Politik ist auch eine völlig andere als die seines Vorgängers. In seiner ersten Rede teilt er der Erdbevölkerung mit, die Erde werde sich von nun an wieder mehr um ihre eigenen Probleme kümmern. Das hat mich beim Anschauen diese Mal stark an die Antrittsrede von Donald Trump erinnert, in der dieser die Botschaft „America First“ kundtat. (Überhaupt wird im weiteren Verlauf der Serie noch einiges an aktuelle politische Entwicklungen erinnern.)
Von dieser Entwicklung gibt es jedenfalls kein Zurück; Clark ist nun Präsident, der politsche Kurs der Erdregierung ändert sicht damit stark und auch Babylon 5 und seine Bewohner werden davon betroffen sein.

Auch Londo Mollari trifft in dieser Episode eine folgenschwere Entscheidung, die seine weitere Laufbahn entscheidend beeinflussen wird: Im oben schon erwähnten Streit mit den Narn um den Außenposten in Quadrant 37 kommt ihm unerwartet der zwielichtige Mr. Morden (Ed Wasser) zu Hilfe. Dieser hatte ihm bereits in „Signs and Portents“ einen großen Gefallen getan, scheinbar ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Mordens Hilfsbereitschaft macht Mollari misstrauisch, doch die Antwort, die Morden gibt, als er ihn darauf anspricht, sollte ihn eigentlich noch misstrauischer machen: Mollari müsse erst einmal gar keinen Preis für die Gefallen zahlen, sagt Morden. Irgendwann in der Zukunft aber würden er und seine Verbündeten auf Mollari zukommen und von ihm eine Gegenleistung erwarten. Das klingt zunächst vielleicht zu schön um wahr zu sein, bei näherer Betrachtung ähnelt es aber den Strukturen in der Mafia. (In einem der „Babylon 5“-Podcasts, die ich regelmäßig höre, wird Mr. Morden dementsprechend auch als „space mob“ bezeichnet.)
Londo nimmt Mordens Angebot jedenfalls an, ohne genau zu wissen, wie ihm dieser eigentlich helfen will und wer seine mysteriösen Verbündeten sind. Nachdem der Narn-Außenposten in Quadrant 37 schließlich restlos zerstört worden ist, steigt Londos Ansehen bei seiner eigenen Regierung natürlich enorm. Londo selbst aber ist entgeistert darüber, dass Morden zehntausend Narn hat ermorden lassen. Allerspätestens an diesem Punkt müsste er einsehen, dass er sich auf einen Pakt mit dem Teufel eingelassen hat. Ob es davon noch ein Zurück gibt, werden die kommenden Staffeln zeigen.
Dass Mr. Morden absolut nichts Gutes im Schilde führt, unterstreicht jedenfalls seine letzte Szene in dieser Episode. Darin sieht man ihn in einem Quartier mit zwei unbekannten Wesen sprechen. Es wird klar, dass Morden mit einer fremden Macht zusammenarbeitet und dass er Londo Mollari für deren Zwecke manipuliert.

Commander Sinclair versucht unterdessen im Streit zwischen Londo und G’Kar zu vermitteln. Keiner der beiden will nachgeben und G’Kar ist immer noch von tiefem Hass auf die Centauri erfüllt, die seinen Planeten verwüstet und sein Volk versklavt haben. Nach der Zerstörung des Außenpostens ist G’Kar verständlicherweise am Boden zerstört, zieht aber eine richtige Schlussfolgerung: Keines der bekannten Völker kann dafür verantwortlich sein. Die Centauri mögen zwar die größten Feinde der Narn sein, doch auch sie haben nicht die militärische Stärke, um so einen Schlag durchzuführen. Es muss also noch eine unbekannte und äußerst mächtige Partei existieren.
Am Ende der Episode hat G’Kar die Station verlassen, um diesbezüglich weitere Nachforschungen anzustellen. Er stimmt Sinclair in seiner Einschätzung zu, dass sie alle an einer Weggabelung stünden und große Veränderungen auf sie zukommen.

Auch für Minbari-Botschafterin Delenn ist diese Episode der Beginn großer Veränderungen. Wohl nirgends ist dies so offensichtlich wie in ihrem Fall, denn sie befindet sich am Ende der Folge tatsächlich in einem Kokon, einer Chrysalis. Als wer oder was sie diese wieder verlassen wird, wissen wird noch nicht. Ich weiß noch, wie ich mir nach der deutschen Erstausstrahlung der Folge darüber den Kopf zerbrochen habe. 😉
Die ganze Staffel über haben wir Delenn immer wieder ein seltsames Gebilde zusammensetzen sehen (z.B. in „Signs and Portents“), bei dem nicht klar war, ob es sich um ein Geschicklichkeitsspiel, ein Kunstobjekt oder etwas ganz anderes handelt. Nun ist klar: Es handelt sich um die Vorrichtung, welche die Chrysalis erzeugt. Die Gründe für Delenns Handeln liegen allerdings noch vollkommen im Dunkeln. Lennier stellt in ihrem Auftrag Botschafter Kosh eine (uns unbekannte) Frage, die dieser mit „ja“ beantwortet. Daraufhin sucht Delenn Kosh selbst auf, der für sie seinen Schutzanzug öffnet und ihr seine wahre Gestalt zeigt (auch das bekommen wir nicht zu sehen). Dies scheint eine Vermutung Delenns zu bestätigen, was sie wiederum in ihrem Vorhaben bestärkt, sich in einen Kokon zu begeben und einer Transformation zu unterziehen. (Dass sie schon länger über diesen Schritt nachdenkt, zeigt die Tatsache, dass in der letzten Folge die junge Thelepatin Alisa in Delenns Gedanken zufällig auf das Wort „Chrysalis“ gestolpert war.)
Bevor sie das tut, besucht sie noch Sinclair, der aber gerade keine Zeit für sie hat. Sie zeigt ihm das dreieckige Triluminarium, welches bei der Befragung Sinclairs durch die Minbari während der Schlacht um die Erde zum Einsatz kam (davon haben wir bereits in „And the Sky Full of Stars“ erfahren). Mit dem Versprechen, ihm die ganze Wahrheit zu erzählen, bittet sie ihn, sie später in ihrem Quartier zu besuchen. Sinclair hat also endlich die Chance, zu erfahren was es mit der „Lücke in seinem Gedächtnis“ auf sich hat. Doch weil er in dieser Folge genug andere Dinge um die Ohren hat, vergisst er Delenn aufzusuchen. Als Kosh ihn schließlich daran erinnert, ist es zu spät: Delenn steckt bereits im Kokon. Das Triluminarium dient Delenn schließlich auch als letztes Bauteil ihrer Maschine, mit deren Hilfe sie sich verpuppt.
Delenns Geschichte enthält hier so viele Unbekannte, dass man als Zuschauer nur abwarten kann. Die kommenden Episoden werden zeigen, was aus ihr wird und was ihr Handeln zu bedeuten hat.

Commander Sinclair hat also im Verlauf dieser Episode alle Hände voll zu tun; an eine Silvesterfeier kann er nicht einmal einen Gedanken verschwenden. Delenn verspricht ihm verblüffende Enthüllungen, sein Sicherheitschef wird schwer verletzt, der Präsident getötet und Londo und G’Kar liegen wie gewohnt miteinander im Clinch. Doch immerhin eines verspricht Sinclairs Leben Stabilität zu verleihen: seine Beziehung zu Catherine Sakai (Julia Nickson). Die beiden kennen sich seit etwa 15 Jahren und haben es nun trotz ihrer zeitraubenden Jobs geschafft, so etwas wie eine funktionierende Beziehung aufzubauen. Also macht Sinclair seiner Catherine einen Heiratsantrag – dumm nur, dass die Chemie zwischen den Schauspielern so gar nicht stimmt. (Im Audiokommentar spricht JMS von der „feurigen“ Catherine Sakai, was ich beim besten Willen nicht erkennen kann.)
Garibaldi und Ivanova werden als Trauzeugen rekrutiert (Ivanova bekommt leider die ganze Folge über kaum mehr zu tun), ansonsten dürfte Sinclair aber in dieser Episode über ziemlich wenig Gedanken an seine Verlobung verschwenden. Am Ende liegt er erschöpft in Catherines Armen und stellt fest: „Nothing is the same anymore.“ Er hat ja keine Ahnung, wie recht er hat…

JMS hat „Chrysalis“ als eine Folge bezeichnet, die weniger ein Finale darstellt als vielmehr eben nur den Abschluss des ersten Kapitels der „Babylon 5“-Geschichte. Dementsprechend erhalten wir hier auch kaum Antworten und es wird nichts zum Abschluss gebracht. Stattdessen gibt es Andeutungen, Cliffhanger und viele offene Fragen. Die erste Staffel besteht zum Großteil aus in sich abgeschlossenen Episoden, aber das Finale weist wie wohl keine andere Episode der Staffel schon darauf hin, dass JMS in größeren Handlungsbogen denkt.
Dass die Folge um die Silvesternacht herum aufgebaut ist, ist übrigens kein Zufall: Jede der fünf Staffeln von „Babylon 5“ erzählt ein Jahr der Serienhandlung. Mit „Chrysalis“ ist das Jahr 2258 abgeschlossen, die Geschichte allerdings hat gerade erst so richtig begonnen. Wie formuliert es Kosh doch am Ende treffend: „And so it begins…“

 

Highlight der Episode: „Chrysalis“ ist nicht arm an Höhepunkten, aber beim ersten Anschauen war der größte WTF-Moment für mich Delenn in ihrem Kokon. Ich konnte mir damals beim besten Willen nicht vorstellen, wo das hinführen sollte…

Folgende (weitere) wichtige Informationen, die für den weiteren Verlauf der Serie wichtig sind, erhalten wir in dieser Episode:

Ich habe eigentlich alles Wichtige oben im Text schon erwähnt, aber ich fasse noch einmal zusammen:

  • Präsident Santiago ist tot, sein Vize Morgan Clark wurde zum Nachfolger ernannt und verfolgt eine gänzlich andere Politik als sein Vorgänger.
  • Michael Garibaldi liegt im Koma.
  • Delenn steckt in einem Kokon. Wir wissen nicht warum oder was aus ihr werden wird.
  • Commander Sinclair und Catherine Sakai haben sich verlobt.
  • Londo Mollari ist einen Pakt mit dem Teufel eingegangen: Ohne die wahren Motive (oder die Verbündeten) von Mr. Morden zu kennen, hat er diesen das Problem um Quadrant 37 „lösen“ lassen.
  • G’Kar hat erkannt, dass es in der Galaxis eine ungeheuer mächtige, unbekannte Macht geben muss und hat die Station verlassen, um Nachforschungen anzustellen.

(Weitere) Fragen:

  • Wer bzw. welche Gruppierung steckt hinter dem Anschlag auf die Earth Force One? War Vizepräsident Clark tatsächlich krank – oder hatte er etwas mit der Explosion der EarthForce One zu tun und hat das Schiff deshalb verlassen?
  • Welche Frage hat Lennier in Delenns Auftrag an Botschafter Kosh gestellt?Was sieht Delenn, als Kosh sich ihr zeigt? Warum fühlt sie sich dadurch in ihrer Entscheidung bestätigt, sich in den Kokon zu begeben? Warum konnte sie nicht noch ein wenig mit dem Beginn ihrer Transformation warten? Sie hätte mit Sinclair sprechen können, nachdem sich die Lage auf der Station beruhigt hat und sich dann erst in den Kokon begeben können.
  • Warum lässt die Frau, die Garibaldi im Lift liegen sieht, eigentlich sofort einen Schrei los? Während einer rauschenden Silvesterparty jemanden am Boden liegen zu sehen, sollte doch gar nicht so ungewöhnlich sein.
  • Wer oder was sind die Wesen, mit denen sich Morden in seinem Quartier unterhält? Arbeitet er für sie oder sie für ihn? Welche Ziele verfolgen sie und welche Rolle soll Londo Mollari dabei spielen?

Weitere interessante Punkte:

  • Dank der mehrmaligen Datumseinblendungen und der in der Episode gezeigten Silvesterfeier wissen wir, dass die gezeigten Ereignisse im Zeitraum vom 30.12.2258 bis zum 1.1.2259 spielen.
  • Einmal mehr werden wir in dieser Folge Zeuge von G’Kars Vorliebe für menschliche Frauen. Die Szene, in der drei Frauen sein Schlafzimmer verlassen, nachdem Na’Toth zuvor noch Sinclair mitgeteilt hatte, der Botschafter sei äußerst beschäftigt, ist herrlich.
  • Die Imperatoren der Centauri können nach ihrem Tod zu Göttern erhoben werden. Aktuell befinden sich um die 50 Götter im Centauri-Pantheon.

Interessante „Hinter den Kulissen“-Fakten:

  • Die Episode wurde bei ihrer Erstausstrahlung in den USA über zwei Monate nach der vorhergehenden Episode gesendet. Bereits eine Woche später ging es mit der zweiten Staffel weiter.
  • Auf dem Foto, welches Präsident Santiago zeigt, ist tatsächlich Douglas Netter zu sehen, einer der Produzenten der Serie.
  • Für Ed Wasser war diese Folge der erste Auftritt in seiner Rolle als Mr. Morden. Obwohl dieser zum ersten Mal in „Signs and Portents“ zu sehen ist, wurde das Staffelfinale vorher gefilmt (als zwölfte der 22 Episoden), damit man genug Zeit hatte, die aufwändigen Effekte fertig zu stellen.
  • Für die Szene, in der Präsident Clark an Bord der EarthForce Two eingeschworen wird, orientierte man sich an Fotos, auf denen zu sehen ist, wie Lyndon B. Johnson nach der Ermordung von John F. Kennedy an Bord der Air Force One seinen Amtseid ablegt. Zufälligerweise wurde die Szene sogar am Jahrestag dieses Ereignisses gefilmt.
  • Eigentlich hätte Laurel Takashima (Ivanovas Vorgängerin im Pilotfilm) diejenige Person sein sollen, die Garibaldi in den Rücken schießt. Doch nachdem die Schauspielerin Tamlyn Tomita für die Serie nicht zurückkehrte, teilte JMS die eigentlich für ihre Figur gedachte Verräter-Handlung auf mehrere andere Charaktere auf.
  • Für die Szene, in der G’Kar im Morgenmantel zu sehen ist, musste das Makeup von Schauspieler Andreas Katsulas auf dessen Brust und Unterarme ausgedehnt werden. Das war nicht nur äußerst zeitraubend, sondern die anschließende Entfernung auch besonders schmerzhaft.
  • Die Szene, in der Londo den Garten betritt, um dort Mr. Morden zu treffen, enthielt bei der Erstaustrahlung der Episode einen Fehler. Man hatte aus Versehen eine unfertige Version an den Fernsehsender geschickt, so dass statt des CGI-Hintergrundes ein Teil der Studiokulissen zu sehen war, inklusive eines „Exit“-Zeichens, an dem Londo vorbeigeht. Bei allen nachfolgenden Ausstrahlungen und auf den DVDs wurde der Fehler korrigiert. Mit der CGI-Ansicht des Gartens waren die Macher der Serie dennoch nicht zufrieden und er taucht in dieser Form in der Serie nie wieder auf.
  • Gleiches gilt für das Set des „Dark Star“-Nachtclubs. Der Platz wurde ab der zweiten Staffel für andere Kulissen verwendet.

Zitate:

Londo: „I think I’ll stick my head in the station’s fusion reactor. It would be quicker, and I suspect after a while I might even come to enjoy it.“
Vir: „Ambassador, why don’t you-“
Londo: „But this, this is like being nibbled to death by… What are those Earth creatures called? Feathers, long bill, webbed feet, go ‚quack‘?“
Vir:
„Cats.“
Londo:
„Cats. Like being nibbled to death by cats.“

Morden: „My associates believe that you’re a person of great potential, trapped in a position where your skills are unseen and unappreciated. They’d like to change that.“
Londo: „Yes, I’ve heard this before. And I have stopped listening. There comes a time when you look into the mirror and you realise that what you see is all that you will ever be. Then you accept it, or you kill yourself… or you stop looking into mirrors. No, nothing can be changed.“
Morden: „Then nothing’s lost by trying.“

Londo: „Is something wrong with your hearing?“
Vir: „No. Just for a moment I thought I’d entered an alternate universe.“

„If you let your anger cloud your judgment, it’ll destroy you.“ (Sinclair zu G’Kar)

„It is important that we move on to create the world that Luis Santiago would have wanted for his children, my children, and for posterity yet to come. We will begin by focusing more on the needs of our own people to sustain them through this difficult time and prepare them for the tasks ahead.“ (aus der Antrittsrede des soeben eingeschworenen Präsidenten Morgan Clark)

„And so it begins.“ (Kosh zu Sinclair)

„Nothing is the same anymore.“ (Sinclair zu Catherine Sakai)

 

Die nächste Folge in meinem „Babylon 5“ Rewatch wird der Auftakt zur zweiten Staffel sein, „Points of Departure“. Ich verspreche euch, dass ich mir nicht wieder elf Monate Zeit dafür lassen werde…


Übersicht über die Blogposts zu den Episoden der ersten Staffel

Nachdem ich meine Besprechungen der ersten Staffel nun endlich beendet habe, poste ich hier noch eine Übersicht all meiner bisherigen „Babylon 5“-Blogposts. Einfach auf die entsprechende Episode klicken und ihr kommt zum Blogpost. 🙂 Die Reihenfolge entspricht der von JMS empfohlenen Episodenreihenfolge und weicht gerade in der ersten Staffel deutlich von der Reihenfolge auf den DVDs ab. (Dort wo die Reihenfolge abweicht, habe ich die Episodentitel fett markiert.)

„Babylon 5“ – Die Science-Fiction-Kultserie (Einführung)
„Babylon 5“-Podcasts
(noch nicht erwähnt habe ich den einzigen deutschsprachigen B5-Podcast, „Der graue Rat“!)
The Gathering (Die Zusammenkunft – Pilotfilm)

1.01    Midnight on the Firing Line (Ragesh 3)                                

1.02    Soul Hunter (Der Seelenjäger)
1.03    Born to the Purple (Die Purpurdaten)
1.04    Infection (Ein unheimlicher Fund)
1.05    The Parliament of Dreams (Angriff auf G’Kar)                               
1.06    Mind War (Die Macht des Geistes)
1.07    The War Prayer (Angriff auf die Außerirdischen)
1.08    And The Sky Full Of Stars (Gefangen im Cybernetz)
1.09    Deathwalker (Die Todesbringerin)                                                    
1.10    Believers (Die Gläubigen)
1.11    Survivors (Ein Wiedersehen mit Folgen)
1.12    By Any Means Necessary (Mit allen Mitteln…)
1.13    Signs and Portents (Visionen des Schreckens)
1.15    Grail (Der Gral)
1.16    Eyes (Die Untersuchung)
1.18    A Voice in the Wilderness – Part 1 (Angriff der Aliens – Teil 1)
1.19    A Voice in the Wilderness – Part 2 (Angriff der Aliens – Teil 2)
1.20    Babylon Squared (Verloren in der Zeit)
1.21    The Quality of Mercy (Die Heilerin)
1.14    TKO (Im Ring des Blutes)
1.17     Legacies (Krieger wider Willen)  
                                                                    
1.22    Chrysalis (Chrysalis)

Babylon 5 – Episode 1.17: „Legacies“

Neuigkeiten von B5-Schöpfer J. Michael Straczynski

Bevor ich zur Besprechung der Episode komme, will ich hier kurz alle Neuigkeiten zusammenfassen, die es über „Babylon 5“ und alle anderen Projekte von JMS gibt. Seit meinem letzten Blogpost ist da einiges zusammengekommen.

JMS war im Juli auf der San Diego Comic Con zu Gast, wo er seine Fans in einem einstündigen Panel auf den neuesten Stand brachte. Eine Zusammenfassung könnt ihr euch hier durchlesen, ich greife mal die wichtigsten Punkte heraus:

  • JMS nannte den Grund dafür, warum er über die letzten Jahre immer weniger Comics geschrieben hatte – aufgrund einer Augenkrankheit verschlechterte sich seine Sehkraft dramatisch. Inzwischen hat er sich einer Operation unterzogen und sieht besser als je zuvor, aus dem Comicgeschäft will er sich aber trotzdem ganz zurückziehen, weil er sich auf andere Dinge konzentrieren will (u.a. das Schreiben von Romanen). Das Ganze könnt ihr ausführlicher und in den Worten von JMS auch hier lesen.
  • Seine Comicreihe „Rising Stars“ wird verfilmt. JMS arbeitet zurzeit am Drehbuch; bei entsprechendem Erfolg soll der Film natürlich ein ganzes Filmfranchise begründen.
  • Sein Comic „Midnight Nation“ wiederum soll als Vorlage für eine Fernsehserie dienen. JMS hat vor, die ganze erste Staffel selbst zu schreiben.
  • „Sense8“ wird kurz vor Weihnachten mit einem Christmas Special fortgesetzt; Anfang 2017 soll dann die „richtige“ zweite Staffel auf Netflix veröffentlicht werden. (Inzwischen gibt es Gerüchte, dass Netflix die Serie abgesetzt haben soll. Die zweite Staffel wurde so weit ich weiß bereits komplett gefilmt und wird damit wohl auf jeden Fall noch veröffentlicht. Ich hoffe auf jeden Fall, dass an diesen Gerüchten nichts dran ist!)
  • In Bezug auf den „Babylon 5“-Kinofilm, den JMS vor zwei Jahren angekündigt hatte, gab es keine konkreten Neuigkeiten. Darauf angesprochen sagte er, dass er zunächst noch weitere TV-Serien produzieren und mindestens einen weiteren Film schreiben will. Davon erhofft er sich, dass potentielle Investoren ihm schließlich ihr Vertrauen schenken, sodass er 100 Millionen Dollar für einen B5-Film zusammenbekommt (Warner Bros. ist ja bekanntlich und unverständlicherweise überhaupt nicht mehr an „Babylon 5“ interessiert…).

Ein Video des Panels könnt ihr euch hier anschauen:

Für „House of Speak Easy“ hat JMS auf die für ihn typische, humorvolle Weise einen Fragebogen ausgefüllt. Das Ergebnis ist lesenwert. 🙂 Der Anlass dafür ist eine Veranstaltung am 20.9. in New York, bei der JMS anscheinend einen Vortrag halten wird. (Falls ihr da gerade in New York sein solltet: Tickets gibt’s hier – ich erwarte danach selbstverständlich einen Bericht von euch!)

Zum Schluss noch eine äußerst traurige Nachricht, die ihr sicherlich schon mitbekommen habt: Jerry Doyle, der in „Babylon 5“ Michael Garibaldi gespielt hat, ist am 27.7. verstorben, elf Tage nach seinem 60. Geburtstag. Erneut ist damit einer der Hauptdarsteller der Serie viel zu früh von uns gegangen. Inzwischen ist bekannt geworden, dass die Todesursache chronischer Alkoholismus war. Angesichts der Tatsache, dass Doyles Figur in „Babylon 5“ ebenfalls ein Alkoholproblem hatte, ist dies besonders tragisch (Michael Garibaldis Alkoholismus wurde in der Serie bereits mehrmals thematisiert, vor allem in „Survivors“). Einen Nachruf von JMS könnt ihr hier lesen.

 


Nun aber weiter zur Besprechung der Episode. Ich halte mich an die von JMS empfohlene Reihenfolge (die ihr ganz am Ende des Blogpost zu „Signs and Portents“ einsehen könnt). Dementsprechend ist jetzt Episode 1.17 an der Reihe, die so die vorletzte Folge der ersten Staffel bildet.

Episode 1.17 „Legacies“ („Krieger wider Willen“)

Drehbuch: D.C. Fontana, Regie: Bruce Seth Green
Erstausstrahlung: 20.07.1994 (USA), 26.11.1995 (Deutschland)

„Legacies“ wurde genau wie „The War Prayer“ von Dorothy Catherine Fontana geschrieben, deren bekannteste Arbeiten die Drehbücher sind, die sie zur klassischen „Star Trek“-Serie beigesteuert hat. Bei den beiden Konflikten, die das Gerüst der Episode bilden, steht für die beteiligten Parteien jeweils vor allem emotional viel auf dem Spiel.
Beginnen wir mal mit dem unwichtigeren und auch weniger spannenden Konflikt. Die Telepathin Talia Winters (Andrea Thompson) und Susan Ivanova (Claudia Christian) entdecken auf dem Zocalo ein 14-jähriges Mädchen, das Talia zufolge gerade eine „Bewusstseinsexplsion“ (englisch: „mind burst“) erlitten hat. Sie bringen das Mädchen, das auf den Namen Alisa Beldon hört und dessen Eltern verstorben sind, zu Dr. Franklin ins Medlab. Dort erläutert Talia, dass Alisa (Grace Una) offenbar eine starke Telepathin ist, deren Kräfte sich erst vor kurzem manifestiert haben müssen. Weil Alisa im Umgang mit ihren telepathischen Fähikeiten noch völlig untrainiert ist, kann sie die ständig auf sie einprasselnden Gedankenfetzen anderer Lebewesen noch nicht ablocken – daher ihr Zusammenbruch auf dem Zocalo. Nach Talias Ansicht gibt es für dieses Problem jedoch eine ganz einfache Lösung: Alisa soll dem PsiCorps beitreten, was ihr nicht nur eine kostenlose Ausbildung und Wohnung einbringen wird, sondern eben auch das Training ihrer telepathischen Fähigkeiten und einen lebenslangen, sicheren Arbeitsplatz.
Dass Ivanova sofort gegen Talias Vorhaben ist, überrascht nicht. Seit der ersten Folge wissen wir, dass Susan für das PsiCorps sowie seine Mitglieder und Methoden nur Hass und Verachtung übrig hat. Ihre Beziehung zu Talia war bislang eine äußerst kühle, da Susan allen Mitgliedern des PsiCorps grundsätzlich misstraut. Wir erinnern uns: Susans Mutter war eine Telepathin, weigerte sich jedoch, dem Corps beizutreten. Daraufhin wurde sie zur Einnahme von Medikamenten gezwungen, um ihre telepathischen Fähigkeiten zu unterdrücken. Sie begann, unter starken Nebenwirkungen und Depressionen zu leiden und brachte sich schließlich im Alter von 45 Jahren um, als Susan noch ein Kind war.
Als Susan Commander Sinclair um Unterstützung im Konflikt um Alisas Zukunft bittet, signalisiert er ihr, dass er ihrer Entscheidung vertraut und vollkommen hinter ihr steht. Er befasst sich jedoch nicht näher mit der Angelegenheit, wahrscheinlich weil er gerade in viel größeren Schwierigkeiten steckt (dazu unten mehr). Während also Talia Alisa die Vorteile einer Mitgliedschaft im PsiCorps darlegt, erzählt Ivanova ihr von ihrer Mutter und davon, dass die Absichten des Corps nicht immer so edel sind, wie das Corps es gern darstellt. Vor die Wahl gestellt, entweder dem Corps beizutreten oder ihre Fähigkeit mit Medikamenten zu unterdrücken, erkundigt sich Alisa nach weiteren Optionen. Also lässt Ivanova sie mit Vertretern der anderen Spezies sprechen. Als einzige Spezies ohne Telepathen sind die Narn stets besonders interessiert an entsprechendem Genmaterial (dies wurde im Pilotfilm in einer Szene zwischen G’Kar und der damaligen Stationstelepathin Lyta Alexander verdeutlicht – Stichwort „Erregungsschwelle“ 😉 ). G’Kars Assistentin Na’Toth (Julie Caitlin Brown) macht Alisa zwar ein verlockendes Angebot, doch als das Mädchen in Na’Toths Gedanken blickt, reagiert sie auf den Kontakt mit einem so fremden, außerirdischen Bewusstsein verstört.
Als nächstes statten Alisa und Ivanova Botschafterin Delenn einen Besuch ab. Auch deren Angebot hört sich gut an, gilt es doch bei den Minbari als höchste Ehre, der Gesellschaft zu dienen, indem man seine Talente zur Verfügung stellt. Das Treffen wird jedoch abrupt abgekürzt, als Talia unabsichtlich in Delenns Gedanken blickt und dort zwei Entdeckungen macht (auch dazu gleich mehr). Am Ende der Episode entscheidet sich das Mädchen dennoch dafür, nach Minbar zu gehen, sehr zur Erleichterung Ivanovas. Auf Delenns Wunsch hin soll Alisa dort zur Annäherung zwischen Minbari und Menschen und zum besseren gegenseitigen Verständnis beider Völker beizutragen. Das ist auch dringend nötig, da zwischen den beiden Völkern auch über zehn Jahre nach dem Ende des Krieges noch Hass und Vorurteile an der Tagesordnung sind. Zumindest zwischen Talia Winters und Susan Ivanova hat Alisa aber schon ein wenig den Abbau von Vorurteilen und die gegenseitige Annäherung bewirkt. Die beiden gestehen sich nämlich am Ende des Handlungsstrangs, dass sie sich unhöflich verhalten und stur auf den jeweils eigenen Standpunkt beharrt haben. Talia lädt Susan sogar auf einen Drink ein, womit wir ein gutes Beispiel dafür hätten, dass Figuren und Beziehungen in „Babylon 5“ niemals statisch sind (wie es im Fernsehen in den Neunzigern noch meistens der Fall war). Wer weiß also, wohin sich die Beziehung der beiden noch entwickeln wird?
Im Großen und Ganzen gefällt mir dieser Handlungsstrang. Er entwickelt die Beziehung zwischen Talia und Susan weiter und verdeutlicht die Rolle, die Telepathen sowohl bei den Menschen als auch in verschiedenen außerirdischen Kulturen spielen. All das gelingt gut. Ganz und gar unglaubwürdig ist allerdings das Schauspiel der jungen Darstellerin, die Alisa Beldon spielt. Hätte man eine passendere Schauspielerin gefunden, dann hätte das diese Storyline (und damit die Episode an sich) um einiges aufgewertet. Konseqzenzen für die Zukunft hat sie – abgesehen von der Beziehung Talia-Ivanova – allerdings sowieso nicht. Dabei hätte ich gerne gesehen, wie Alisa auf Minbar arbeitet und welche Probleme sie dort löst. Da sie von Grace Una hier aber so schlecht gespielt wurde, ist es vielleicht besser so, dass man sie nie in die Serie zurückgeholt hat.

Kommen wir also zum anderen Handlungsstrang, der nicht nur den besseren Gaststar aufzuweisen hat, sondern auch weit mehr Bedeutung für zukünftige Entwicklungen in der Serie. Der Minbari-Krieger Neroon (John Vickery) besucht die Station und hat eine Leiche im Gepäck. Dabei handelt es sich um den Körper von Branmer, der im Krieg gegen die Menschen den Angriff auf die Erde angeführt hat. Nach seinem Tod soll seine Leiche nun einem alten Brauch folgend noch einmal möglichst vielen Minbari präsentiert werden, weswegen Neroon damit quasi auf Tour durch alle Minbari-Kolonien geht und auch auf Babylon 5 Station macht. Commander Sinclair, der einer der ganz wenigen Überlebenden der Schlacht um die Erde ist, hat seine Schwierigkeiten damit. Weil er als Diplomat aber von der Notwendigkeit von Annäherung und gegenseitigem Verständnis überzeugt ist, will er der Zeremonie beiwohnen, bei der Branmers Leiche gezeigt werden soll.
Wie wir bald erfahren, sind sich allerdings die Minbari selbst untereinander alles andere als einig, was den Umgang mit Branmers Leiche und sein Vermächtnis betrifft. Delenn erklärt, dass eine derartige Präsentation des Leichnams äußerst ungewöhnlich ist. Zwar handelt es sich dabei um eine große Ehre, aber auch um einen Brauch der Kriegerkaste, mit der Delenn als Angehörige der religiösen Kaste immer wieder in Auseinandersetzungen gerät. Später erzählt sie weiterhin, dass Branmer ursprünglich ebenfalls ein Mitglied der religiösen Kaste war und erst im „heiligen Krieg“ der Minbari gegen die Erde unfreiwillig in die Rolle des Anführers und Kriegshelds geriet. Vor diesem Hintergrund wird klar, warum Delenn so sehr gegen die Verehrung Branmers als Krieger ist. Mit dieser Uneinigkeit haben wir ein weiteres Beispiel dafür, dass auch die Alienrassen in „Babylon 5“ nicht homogen sind. Sie bestehen jeweils aus unterschiedlichen Glaubensrichtungen, Kasten usw. und sind damit genauso vielfältig wie die Menschheit.
Als sich kurz nach Beginn der Zeremonie herausstellt, dass Branmers Leichnam verschwunden ist, droht Neroon den Menschen mit einem erneuten Krieg. Doch Delenn erinnert ihn daran, dass nicht ein Clan allein die Politik der Minbari bestimmen sollte. Wie wir aber später erfahren, macht sich Delenn genau dieser Tat schuldig; sie ist für das Verschwinden von Branmers Leichnam verantwortlich! Statt den Dialog mit der Kriegerkaste zu suchen, um zu einem Kompromiss zu kommen, setzt sie sich über einfach über Neroon hinweg und lässt Branmers Leiche verschwinden und einäschern. Das zeigt, dass das Verhältnis zwischen den beiden Kasten äußerst angespannt ist. Aber auch zwischen Menschen und Minbari sind alte Feindbilder und Hass noch tief verwurzelt. Sinclair tut sich wie gesagt schwer damit, Neroon auf Babylon 5 zu empfangen. Doch es gelingt ihm, seine persönlichen Gefühle außen vor zu lassen und ganz im Sinne der Ziele von Babylon 5 offen für einen Dialog zu sein. Neroon stellt seine Verachtung für die Menschen offen zur Schau und äußert seine Wut darüber, dass die Kriegerkaste kurz vor dem Sieg zur Kapitulation gezwungen wurde. John Vickery macht in dieser Gastrolle eine hervorragende Figur und man kann sich jetzt schon auf alle zukünftigen Episoden freuen, in denen Neroon auftauchen wird.
Als wäre es nicht schon empörend genug, dass Delenn einen Leichnam hat stehlen lassen und ihre persönlichen Wünsche über die einer ganzen Kaste gestellt hat, geht sie sogar noch weiter und lenkt den Verdacht auf ein vollkommen unbeteiligtes und unschuldiges Volk: die Pak’ma’ra. Als Aasfresser haben sie naturgemäß ein Interesse an totem Fleisch. Als vor einem Pak’ma’ra-Quartier ein Fetzen von Branmers Kleidung gefunden wird, wirkt das verdächtig. Dass aber Garibaldi anschließend die Mägen aller Pak’ma’ra auf der Station auspumpen lässt und damit die Mitglieder einer gesamten Spezies unter Generalverdacht stellt, sollte für den Botschafter der Pak’ma’ra ein Anlass zu einer ordentlichen Beschwerde bei Sinclair sein.
Aber auch Neroon verhält sich alles andere als vorbildlich. Er durchwühlt Sinclairs Quartier und greift den Commander an. In diesem Fall hat sich Garibaldi allerdings mal kompetent verhalten und das Quartier bereits zuvor durchsuchen lassen. Kurz danach werden er und Sinclair ohnehin von Alisa auf die richtige Spur gebracht und können Delenn dabei ertappen, wie sie eine Urne mit Branmers Asche nach Minbar schicken will. Die Gründe für ihr Handeln wurden oben schon angedeutet: Als eine von drei Minbari, die die religiöse Kaste im grauen Rat repräsentieren, ist Delenn dagegen, dass Branmer als Krieger verehrt wird. Sie war eng mit ihm befreundet und ist sich sicher, dass er dies nicht gewollt hätte. Dass Delenns Tat nun aufgeflogen ist, kann angesichts der ohnehin schon bestehenden Spannungen zwischen den Kasten nichts Gutes bedeuten. Widerwillig gesteht sie Neroon ihre Tat. Als Rechtfertigung wirft sie ihm vor, er hätte nur im eigenen Interesse und gegen Branmers Willen gehandelt, was angesichts ihrer mit niemandem außerhalb ihrer Kaste abgesprochenen Tat ziemlich scheinheilig wirkt. Noch dazu muss sich der stolze Krieger Neroon nun wieder einmal dem Befehl des grauen Rates (und dem Wunsch Delenns) beugen und sich öffentlich hinter die Aussage stellen, dass Branmers sterbliche Überreste „transformiert“ wurden. Das Verschwinden des Leichnams soll also als religiöses Wunder verkauft werden. Um die Kluft zwischen den beiden Kasten nicht noch weiter zu vergrößern, stimmt Neroon zu. Zusätzlich muss er sich bei Sinclair entschuldigen, was zu einer wirklich schönen Szene führt, in der sie sich gegenseitig ihres Respekts für den anderen versichern. Das lässt hoffen, dass sich die einst verfeindeten Völker tatsächlich auf einem stetigen Weg der gegenseitigen Annäherung befinden.

Nachdem alles geregelt ist, fliegen sowohl Neroon als auch Alisa wieder ab. Für beide geht es nach Minbar. Neroon ist immer noch voller Hass und Vorurteile für die Menschen, hat aber zumindest schon einmal Respekt für Sinclair gewonnen. Alisa ist noch jung und offen für neue Einflüsse und Erfahrungen. Womöglich werden es erst Angehörige ihrer Generation – die keine bzw. kaum Erinnerungen an den Krieg haben – sein, die den Hass hinter sich lassen und offen auf den früheren Feind zugehen können.
Je mehr ich so über diese Episode nachdenke und darüber schreibe, umso mehr gefällt sie mir. Die Beziehung zwischen Menschen und Minbari ist von zentraler Bedeutung für die Serie. Beim ersten Anschauen mag die Episode belanglos erscheinen, doch tatsächlich werden hier entscheidende Weichen für zukünftige Ereignisse gestellt und es findet auch etwas „foreshadowing“ statt. Nicht zuletzt hat Neroon hier seinen ersten Auftritt, der zu den interessantesten Nebenfiguren in „Babylon 5“ gehört. Hätte man nur eine bessere Schauspielerin für die junge Alisa gefunden, dann hätte aus dieser soliden Folge eine sehr gute werden können.

 

Highlight der Episode: Die letzte gemeinsame Szene von Sinclair und Neroon. Nicht nur, weil sie beispielhaft für die Annäherung zweier bislang verfeindeter Völker steht, sondern auch, weil sie ein wegweisendes, legendäres Zitat von Neroon enthält. Das jetzt schon genau zu erklären, käme allerdings einem riesigen Spoiler gleich!

Londo/G’Kar-Moment: Beide kommen in dieser Episode leider nicht vor.

Folgende (weitere) wichtige Informationen, die für den weiteren Verlauf der Serie wichtig sind, erhalten wir in dieser Episode:

  • In der Kultur der Minbari gilt es als ein Zeichen von Respekt, dem Gegner mit aktivierten Waffen (in diesem Fall „open gunports“) gegenüber zu treten. Das sollte man definitiv wissen, sonst kann das für so manches Missverständnis sorgen…
  • Talia und Ivanova sind sich etwas näher gekommen und haben festgestellt, dass sie trotz einiger Differenzen eigentlich ganz gut miteinander auskommen.
  • Die überraschende Kapitulation der Minbari kurz vor ihrem Sieg über die Streitkräfte der Erde wurde von der religiösen Kaste befohlen. Die Kriegerkaste hatte diesem Befehl zu gehorchen. Doch was war der Grund dafür?

Sonstige Fragen:

  • Wie heißt der Saal, in dem Branmers Leiche aufgebahrt werden und wo dann die Zeremonie stattfinden sollte? Sehen wir diesen Raum im Lauf der Serie noch einmal wieder? Ich kann mich gerade ehrlich nicht erinnern.
  • Als Delenn Sinclair in ihrem Quartier empfängt, setzt sie ihre Arbeit an einem scheinbar aus bunten Glasscheiben bestehenden Gebilde fort. Wir haben sie bereits mehrmals beim Bau dieses Gebildes beobachten können (z.B. in „Signs and Portents“). Worum handelt es sich dabei? Ist es nur ein Geschicklichkeitsspiel?
  • Woher weiß Talia, dass Alisa eine P-10 ist? Hat sie irgendwie Alisas telepathische Fähigkeiten getestet? (Die Skala geht übrigens bis P-12, Alisa ist also eine sehr starke Telepathin.)
  • Delenn erzählt Sinclair am Ende der Folge, sie habe in Alisa eine gewisse Unsicherheit gespürt, als diese kurzzeitig telepathischen Kontakt mit ihr aufnahm. Soweit wir wissen, verfügt Delenn selbst nicht über telepathische Fähigkeiten. Wie kam es also dazu, dass nicht nur Alisa in Delenns Gedanken blicken konnte, sondern auch Delenn in Alisas? Liegt der Grund dafür in Alisas Unerfahrenheit, ist sie also schlicht ungeübt darin, bei einem telepathischen Kontakt ihre eigenen Gedanken abzublocken? Oder liegt die Ursache in speziellen Fähigkeiten der Minbari begründet?
  • Die Fremdartikeit des Geistes der Narn schreckt Alisa ab (wozu man anmerken muss, dass sie genaugenommen ja nur mit Na’Toths Geist Kontakt hatte). Als sie Delenns Gedanken scannt, scheint Alisa jedoch kein Unwohlsein zu verspüren. Sind Narn-Gehirne/Gedanken für Menschen also wesentlich fremder als die der Minbari? Oder anders ausgedrückt: Sind Minbari und Menschen sich vielleicht ähnlicher als es den Anschein hat?
  • Wie ist Neroon eigentlich in Sinclairs Quartier gekommen?
  • Wo hat Delenn denn bitteschön Branmers Leichnam einäschern lassen? Gibt es irgendwo in Downbelow jemanden, der einen Verbrennungsofen vermietet und keine Fragen stellt!?
  • Neben der Lüge über Branmers Leiche entdeckt Alisa in Delenns Gedanken noch etwas – ein einziges Wort: „Chrysalis“. Wie das angesichts der Sprachbarriere möglich ist, darüber sollte man wohl nicht zuviel nachdenken (Delenn wird dieses Wort wohl kaum auf englisch gedacht haben). Wie Sinclair am Ende anmerkt, handelt es sich dabei jedenfalls um eine Insektenpuppe bzw. einen Kokon. Genau wie der Zuschauer fragt sich Sinclair, warum dieses Wort für Delenn so wichtig ist und warum sie den Gedanken sofort wieder versteckt hat. Wenn er doch nur wüsste, dass „Chrysalis“ der Titel der nächsten Folge ist… 😉

Weitere interessante Punkte:

  • Neroon trägt den Titel „Alit“; Branmer, der über ihm stand, trug den Titel „Shai Alit“. Beide gehör(t)en dem Clan der Star Riders an.
  • Garibaldi betreibt nicht nur bei den Narn und den Pak’ma’ra Nachforschungen, sondern auch bei den Llort. Dabei handelt es sich anscheinend um eine Spezies, deren Angehörige dafür bekannt sind, alles mögliche zu sammeln. Ich glaube nicht, dass sie später in der Serie noch einmal erwähnt werden.
  • Wenn ich mich richtig erinnere, sehen wir in dieser Folge zum einzigen Mal das Quartier eines Pak’ma’ra.
  • Wie auch schon im Pilotfilm sehen wir Sinclair und Delenn gemeinsam im Garten sitzen.

Interessante „Hinter den Kulissen“-Fakten (aus Jane Killicks Episodenführer zur ersten Staffel):

  • Als einzige von einem Freelancer geschriebene Episode der ersten Staffel beruhte diese Episode nicht auf einem dem Drehbuchautor von JMS zugeteilten Handlungskonzept. Die Idee für die Handlung kam also allein von D.C. Fontana, die durch ein Buch über Abraham Lincolns Beerdigung auf den Gedanken kam (sein Leichnam wurde auf Paraden in Philadelphia und New York präsentiert). Weil JMS die Idee so gut gefiel, wurde dafür sogar eine andere Handlungsidee aus der Staffel gestrichen.
  • Statt Na’Toth sollte eigentlich G’Kar in der Episode vorkommen. Weil Andreas Katsulas aber nicht zur Verfügung stand, bekam Na’Toth G’Kar’s Szenen und Dialogzeilen zugeteilt. Deren Darstellerin Julie Caitlin Brown war davon nicht begeistert, weil man ihrer Meinung nach merkte, dass die Zeilen nicht für Na’Toth geschrieben worden waren.

Zitate:

„It’s been my experience that discussions of old battles only interest historians.“ (Delenn zu Neroon und Sinclair)

„There’s nothing more annoying than Mr. Garibaldi when he’s right.“ (Ivanova)

„We will see… what we will see.“ (Delenn)

„You talk like a Minbari, Commander. Perhaps there was some small wisdom in letting your species survive.“ (Neroon zu Sinclair)

Die nächste Folge in meinem „Babylon 5“ Rewatch ist das Finale der ersten Staffel, Episode 1.22 („Chrysalis“).

Babylon 5 – Episode 1.21 „The Quality of Mercy“

Aktuelles aus dem „Babylon 5“-Universum

Wirklich aktuelle Neuigkeiten über „Babylon 5“ gibt es zwar nicht, aber „Babylon 5“-Schöpfer JMS hat Creative Screenwriting ein interessantes Interview gegeben, dessen zwei Teile ihr hier und hier lesen könnt. Darin spricht er unter anderem über „Babylon 5“, „Sense8“, das Drehbuchschreiben und seine Arbeit als Comicautor. Die interessanteste Info ist meiner Meinung nach allerdings, dass JMS vor ein paar Jahren ein Filmdrehbuch für Steven Spielberg geschrieben hat, welches JMS zufolge entweder von Spielberg selbst oder von Martin Scorcese verfilmt werden wird. Ich kann nur hoffen, dass es wirklich dazu kommt und würde mich riesig freuen, wenn es auf diese Weise zur Zusammenarbeit zweier meiner Idole kommen würde (Spielberg & JMS, wobei natürlich auch die Kombination Scorcese & JMS eine große Ehre und einen großen Erfolg für JMS bedeuten würden).
Zudem wird JMS auch dieses Jahr wieder auf der San Diego Comic Con zu Gast sein. Sein Panel findet am 22.7. um 17:30 Uhr (Ortszeit) statt. Zusätzlich wird er auf der Con auch eine Autogrammstunde und einen Schreibworkshop abhalten. Sein Panel wird sich wohl vor allem um seine aktuelle Serie „Sense8“ drehen, allerdings wird er bestimmt auch auf andere Projekte eingehen, an denen er zurzeit arbeitet. Darunter befinden sich die Verfilmung seiner Comicserie „Rising Stars“ und die auf der „Red Mars“-Trilogie basierende Fernsehserie, an deren Entwicklung er beteiligt war. Ob es auch „Babylon 5“-Neuigkeiten geben wird, ist nicht bekannt. Die Beschreibung des Panels kündig aber vollmundig an: „[T]he announcements this time are especially big. Be there for news that’s going to blow up the Internet.“ Ob das bedeutet, dass wir endlich konkrete Neuigkeiten zu einem „Babylon 5“-Kinofilm erfahren werden, den JMS 2014 angekündigt hat, oder ob es sich doch um etwas ganz anderes dreht, kann man zum jetztigen Zeitpunkt unmöglich wissen. Ich erwarte mal lieber nicht zuviel. Zwar bin ich kein Comicfan, aber ich freue mich auf jeden Fall auf alle Film- und Fernsehprojekte, an denen JMS beteiligt ist.
Und nun weiter zur „Babylon 5“-Episode, die ich in diesem Blogpost bespreche:

Episode 1.21 „The Quality of Mercy“ („Die Heilerin“)

Drehbuch: J. Michael Straczynski, Regie: Lorraine Senna Ferrara
Erstausstrahlung: 17.08.1994 (USA), 10.12.1995 (Deutschland)

Wie so oft in der ersten Staffel haben wir es hier mit einer Episode zu tun, die zwar eine in sich abgeschlossene Geschichte erzählt, aber doch ein paar Dinge und Figuren in die Geschichte einführt, die später – zum Teil viel später – noch einmal eine Rolle in der Serie spielen werden. So einen Fall haben wir gleich in der ersten Szene, in der Londo mit einem Senator seiner Heimatwelt spricht. Bei diesem handelt es sich um Senator Virini (gespielt von Damian London; den Namen der Figur erfahren wir hier noch nicht), den wir später noch öfter sehen werden.
Und wo ich schon bei Londo bin, bleibe ich mal bei diesem Handlungsstrang, denn er hat mit Rest der Folge nichts zu tun. Londo, der von Virini ja den Auftrag bekommen hat, seine Beziehungen zu den anderen Völkern zu pflegen, verbindet das Nützliche mit dem Angenehmen und tut das, was er sonst auch gerne tut: er besucht einen Nachtclub, nur eben dieses Mal mit Lennier. Dieser darf als Minbari, wie sich herausstellt, leider keinen Alkohol trinken und langweilt Londo mit Details seiner langen Ausbildung. Als er jedoch erwähnt, dass er sich u.a. intensiv mit Wahrscheinlichkeitsrechnung beschäftigt hat, schleppt Londo ihn sofort an einen Pokertisch. Während Lennier feststellen muss, dass er auch beim Pokern noch viel praktisches Wissen zu erwerben hat, hat Londo dieses längst verinnerlicht und setzt sogar eines seiner Körperteile zum Schummeln ein. Wie wir später erfahren, handelt es sich dabei um einen der sechs Penisse, über die männliche Centauri verfügen (und die den Podcastern vom „Grauen Rat“ ihr Bewertungssystem beschert haben). Soweit ich weiß ist „Babylon 5“ damit die einzige Mainstream-Science-Fiction-Serie, in der jemals ein männliches Geschlechtsorgan gezeigt worden ist… Jedenfalls kommt es daraufhin zur einer Massenschlägerei im Club, aus der Londo und Lennier ganz schön lädiert hervorgehen. Anschließend sitzen sie wie zwei beschämte Schüler vor Sinclair, der nach einer Erklärung verlangt. Um Londos Gesicht zu wahren, nimmt Lennier die Schuld auf sich und behauptet, er habe ein Missverständnis verschuldet, das zum Streit und zur Schlägerei geführt habe. Zwar erwähnt er auch, dass Delenn aus Respekt nicht weiter nachfragen wird (schließlich wird sie ebenfalls Lenniers Gesicht wahren wollen), trotzdem würde ich zu gerne Delenns Gesichtsausdruck in dem Moment sehen, wo sie erfährt, dass ihr Attaché in eine Schlägerei verwickelt war, deren Auslöser Londos Penis gewesen war! 😉
Diese Nebenhandlung ist nicht besonders wichtig und manche werden sie aufgrund der Einführung (no pun intended!) von Londos Geschlechtsorganen für völlig blödsinnig halten. Trotzdem hat auch dieser Handlungsstrang seinen Wert. Zum einen bringt er mit Londo und Lennier zwei Figuren zusammen, die in der Serie bisher kaum interagiert haben. Zum anderen erfahren wir vor allem über Lennier eine ganze Menge Neues. Die Handlung um Londo und Lennier ist damit inhaltlich für zukünftige Ereignisse kaum relevant, dient aber dazu, Lenniers Charakter weiter auszubauen und uns ein wenig mehr über die Kultur der Minbari und Centauri zu vermitteln (s. unten).

Viel interessanter sind allerdings die beiden anderen Handlungsstränge, die auch den größten Teil der Episode einnehmen. In einem davon haben wir es mit einem brutalen, geistesgestörten Massenmörder zu tun, der zahlreiche Menschenleben auf dem Gewissen hat. Im anderen geht es um eine Ärztin, die zahlreiche Menschen von zum Teil tödlichen Krankheiten geheilt hat. Dem Mörder wiederum sollen mit Hilfe von technischen Geräten all seine Erinnerungen genommen und seine Persönlichkeit komplett ausgelöscht werden. Auch die Heilerin verfügt über eine Maschine, mit der sie aber nichts auslöscht, sondern Lebewesen heilt (wobei das nicht die einzige Funktion der Maschine ist).
Der Handlungsstrang um den Massenmörder Karl Mueller (Mark Rolston) wirft viele wichtige Fragen auf: Wie soll man einen offenbar kranken Menschen bestrafen, der zahlreiche Menschen ermordert hat und es weiter tun würde, wenn man nicht einschreitet? Darf man so jemanden umbringen? Und falls nicht, ist die Auslöschung seiner Persönlichkeit nicht ebenfalls eine Art Todesstrafe? Schließlich bleibt danach außer seinem Körper nichts zurück, was diesen Menschen ausgemacht hat? Ist das nicht vielleicht sogar schlimmer als die Todesstrafe? Oder gibt es dem Täter tatsächlich die Gelegenheit, ganz von vorne anzufangen, der Gesellschaft zu dienen und so gewissermaßen Buße zu tun? (Man könnte dies sogar als eine Form der Wiedergeburt interpretieren.)
Auch auf Babylon 5 gibt es dazu natürlich verschiedene Ansichten. Sicherheitschef Michael Garibaldi würde Mueller am liebsten selbst aus der nächsten Luftschleuse schubsen. Seiner Meinung nach ist die Todesstrafe für Mörder nur gerecht (ein Charakterzug, den JMS von Garibaldi-Darsteller Jerry Doyle auf die Figur übertragen hat). Dr. Franklin wiederum hält dagegen nicht nur die Todesstrafe, sondern auch die Löschung der Persönlichkeit für moralisch bedenklich. Die Ansichten von Commander Sinclair erfahren wir nicht, da er in dieser Folge nur zwei Szenen hat. Als Commander wird er wahrscheinlich neutral bleiben wollen, solange die beteiligten Parteien auch ohne ihn eine Einigung erzielen können (was in „Believers“ nicht der Fall war). Auch der den Fall betreuende Richter Wellington (Jim Norton) muss natürlich objektiv urteilen. Die Person, deren Meinung man am besten nachvollziehen kann, ist Talia Winters. Die Telepathin hat die Aufgabe, Mueller vor der Vollstreckung des Urteils zu scannen und geht extrem verstört, wenn nicht sogar traumatisiert aus dieser Erfahrung hervor. Es bestätigen sich sowohl die Vermutung, dass Mueller noch wesentlich mehr Personen umgebracht hat, als bekannt ist, als auch seine offenkundige Geistesgestörtheit.

Eine ausführliche Zusammenfassung der Geschichte um Dr. Franklin, die scheinbare Scharlatanin Dr. Rosen und ihre Tochter, sowie Mueller – dessen Handlungsstrang mit dem um Dr. Rosen zusammengeführt wird – spare ich mir an dieser Stelle. Insgesamt ist „The Quality of Mercy“ eine solide, leicht überdurschnittliche Episode und sicherlich eine der besseren Folgen der ersten Staffel. Die Darsteller von Mutter und Tochter Rosen fand ich zwar nicht besonders beeindruckend, dafür hat mich Jim Norton als Richter begeistert, der leider aber viel weniger Szenen hatte. Auch Mark Rolston war als geistesgestörter und furchterregender Massenmörder überzeugend. Am Ende der Folge verabreden sich Dr. Franklin und Janice Rosen zwar zum Essen, doch wir werden weder Janice noch ihre Mutter jemals wieder sehen. Trotzdem beinhaltet die Folge wie gesagt einige Elemente, die man sich merken sollte. Dazu gehört zum einen die außerirdische Maschine, mit der sich Lebensenergie von einer Person auf eine andere übertragen lässt und die nun in Dr. Franklins Obhut verbleibt, aber auch das Konzept der Persönlichkeitslöschung (und die anschließende Etablierung einer völlig neuen Persönlichkeit mit neuen Erinnerungen im gleichen Gehirn). Weitere Dinge, die später in der Serie wieder angesprochen werden, findet ihr unten.
Was die Figuren betrifft, so erfahren wir zumindest ein bisschen mehr über Talia, die hier nicht zum ersten Mal einen Serienmörder scannt (in „Deathwalker“ wurde – wenn ich mich richtig erinnere – erwähnt, dass sie einmal auf dem Mars das Gehirn eines Serienmörders scannen musste). Auch Franklins Figur wird weiter ausgebaut, allerdings erscheint er mir etwas widersprüchlich. Einerseits interessiert er sich sehr für nichtmenschliche Biologie und Medizin, andererseits tut er die fremde Maschine sofort als wirkungslos oder sogar schädlich ab. Immerhin hat er aber zum Schluss der Episode akzeptiert, dass Dr. Rosen damit wirklich anderen Wesen helfen konnte.

Highlight der Episode – und zugleich der beste Londo-Moment: Na was wohl? Natürlich die Szene, in der Londo beim Poker schummelt. Ich zitiere hierzu mal seinen Darsteller Peter Jurasik: „To actually have you genitalia as part of the script is really a wonderful thing.“ (Aus Jane Killicks Episodenführer zur ersten Staffel.) Ich meine mich auch zu erinnern, dass JMS mal ganz stolz davon berichtet hat, dass er hier tatsächlich Geschlechtsorgane in einer Folge zeigen konnte, ohne dass es die Verantwortlichen beim Sender und der Produktionsfirma besonders zur Kenntnis nahmen.

Folgende (weitere) wichtige Informationen, die für den weiteren Verlauf der Serie wichtig sind, erhalten wir in dieser Episode:

  • Wir erfahren eine Menge über Lennier, der hier eine große Rolle hat. Seit seiner Geburt wurde er auf Minbar in einem Tempel großgezogen und in der Lebensweise und den Ansichten der religiösen Kaste unterrichtet. Von dort kam er vor sechs Monaten (in „The Parliament of Dreams“) direkt nach Babylon 5. Er ist also zwar äußerst gebildet, verfügt aber über wenig praktische Lebenserfahrung, ganz besonders im Umgang mit anderen Kulturen. Allerdings scheint seine Ausbildung auch Kampffähigkeiten enthalten zu haben, denn wie wir sehen weiß er sich körperlich durchaus erfolgreich zur Wehr zu setzen.
  • Dr. Franklin betreibt auf der untersten Ebene eine nicht angemeldete Praxis, in der er mittellose Patienten umsonst behandelt.
  • In der Kultur der Minbari ist es eine große Ehre, jemand anderem zu helfen, das Gesicht zu wahren. Dazu ist es sogar erlaubt, zu lügen. Das tun die Minbari sonst nämlich nicht. Meistens jedenfalls. 😉
  • Männliche Centauri verfügen über sechs Penistentakel. Wer mehr darüber wissen will, wie diese Penisse funktionieren und wie die komplementären weiblichen Geschlechtsorgane aussehen, male sich das bitte selbst aus (oder durchsuche das Internet nach entsprechender Fan Fiction, die es bestimmt gibt). Ich habe diesen Fakt hier unter „für den weiteren Verlauf der Serie noch wichtige Informationen aufgenommen“, weil darauf tatsächlich später noch einmal eingegangen wird. Aber keine Angst: Besonders wichtig ist dieses Detail für die Handlung nicht. Und wir werden auch keine expliziten Centauri-Sexszenen sehen. Wenn euch die Vorstellung von sechs Centauri-Penissen trotzdem verstört, könnt ihr es ja wie Lennier machen, der am Ende der Folge gelobt, darüber zu schweigen. Allen anderen kann ich noch folgende Beschreibung einer Badewanne im Zimmer eines Centauri-Hotels anbieten, die ich vor ein paar Tagen im „Babylon 5“-Roman „The Shadow Within“ von Jeanne Cavelos entdeckt habe: „The bathroom had some odd appliances, for the styling of the male Centauri’s hair […] and a huge golden bathtub that seemed to be in the shape of a six-tentacled octopus-type creature.“
  • Die Funktionsweise der Heilmaschine hat JMS online genauer erklärt: „[I]t’s not so much alien HEALING device as an alien LIFE TRANSFERRAL device. If someone is actually dying, or close to it, the only way to save that person is to take the life from someone else.“ Je nachdem, wie schwer krank oder verletzt eine Person ist, ist also auch mehr Lebensenergie nötig, um diese Person zu heilen. Das kann dazu führen, dass jemand seine gesamte Lebensenergie geben muss, um eine andere Person zu retten…

Sonstige Fragen:

  • Warum ist eigentlich ein telepathischer Scan bei einer Person vorgeschrieben, bei der eine Löschung der Persönlichkeit vorgenommen werden soll?

Weitere interessante Punkte:

  • Nachdem Londo in der ersten Szene das Gespräch mit Virini beendet hat, äfft er ihn nach: „I’ll be in touch. Touch this!“ Dabei zeigt er mit seinen Händen scheinbar auf seinen Bauch. Erst im Nachhinein realisiert man, auf welche seiner Körperteile er tatsächlich gezeigt hat…
  • Minbari vertragen keinen Alkohol. Selbst kleine Mengen davon lösen bei ihnen psychotische Impulse und einen brutalen Mordrausch aus. (Bin ich der Einzige, der das gerne mal in einer Folge gesehen hätte?)
  • „Spacing“, also der Tod durch das Hinausstoßen ins Vakuum des Weltalls, ist im Jahr 2258 nach Erdrecht eine Form der Todesstrafe. Wie Richter Wellington erwähnt, kann es bei Meuterei und Verrat angewendet werden.
  • Ivanova gibt Franklin gegenüber zu, dass sie sich die Vorschriften auch selbst hin und wieder ein wenig zurechtbiegt. Ein Beispiel dafür ist der Kaffee, den sie auf der Station für sich anbaut (siehe „The War Prayer“).
  • Wenn Londo (in der Originalfassung) Lenniers Namen ausspricht, klingt das in dieser Folge oft wie „Lannier“? Liegt das an Londos Akzent? Ist das noch jemandem aufgefallen?
  • Mehrmals wird in dieser Folge wieder erwähnt, dass der Raumstation nur ein äußerst knappes Budget zur Verfügung steht. Das kommt zunächst im Gespräch zwischen Franklin und Ivanova zur Sprache, als Ivanova sagt, sie könnten es sich nicht leisten, kostenlose Medikamente und medizinische Leistungen an Stationsbewohner zu verteilen. Später wird der Personalmangel auf Babylon 5 als Grund dafür genannt, warum Mueller nicht auf der Station inhaftiert werden kann. Zudem scheint die Station auf der Prioritätenliste der Erdregierung ziemlich weit unten zu stehen; es wird erwähnt, dass die Erde kein Geld ausgeben will, um Mueller zu transportieren.

Interessante „Hinter den Kulissen“-Fakten:

  • JMS schrieb das Drehbuch zu dieser Folge, als er unter einer schweren Grippe litt. Wenn er unter diesem Zustand schreibe, so zitiert ihn Jane Killick in ihrem Episodenführer zur ersten Staffel, dann könne er sich später nicht mehr daran erinnern, was er geschrieben habe. Zudem würden seine Drehbücher dann stets besonders seltsam – so rechtfertigt er den Centauri-Penis in dieser Folge.
  • Mueller-Darsteller Mark Rolston hat eine lange Liste an Auftritten in Filmen und Fernsehserien, nicht selten im Science Fiction-Bereich. Sein zumindest für mich aber beeindruckendster IMDB-Credit ist seine Rolle als Private Drake in James Camerons „Aliens“.
  • Jim Norton hat in „Babylon 5“ nicht nur die Rolle von Richter Wellington gespielt (wir kennen ihn bereits aus „Grail“). Im weiteren Verlauf der Serie werden wir ihn auch in anderen Rollen sehen. Norton hat eine lange Karriere auf der Bühne, im Fernsehen und in Filmen hinter sich; Science Fiction-Fans kennen ihn unter anderem als Albert Einstein aus „Star Trek: The Next Generation“.
  • Der Name des Dark Star Nachtclubs, den wir bereits aus „Born to the Purple“ kennen, ist natürlich eine Anspielung auf den Film „Dark Star“ (1974).
  • Beim Originaltitel der Episode handelt es sich um ein Zitat aus Shakespears „Der Kaufmann von Venedig“.
  • June Lockhart, die Dr. Rosen spielt, war in der Serie „Lost in Space“ (1965-1968) als Dr. Maureen Robinson zu sehen. Lennier-Darsteller Bill Mumy spielte damals ihren Sohn, Will Robinson. Obwohl Mumy JMS darum bat, doch eine gemeinsame Szene für ihn und Lockhart ins Drehbuch zu schreiben, widerstand JMS dieser Versuchung, weil die Handlungsstränge von Lennier und Dr. Rosen nichts miteinander zu tun hatten und eine solche Szene keinerlei Funktion für die Handlung gehabt hätte.

Zitate:

Franklin (im Behandlungsraum, nicht von seinem Tablet hochschauend): „You can start by removing your clothes…“
Ivanova: „Not without dinner and flowers.“

Londo (zu Lennier, mit Blick auf die Stripperin im Dark Star): „Here you will see the heart and soul of Babylon 5. Also its spleen, its kidneys, a veritable parade of internal organs.“

Londo (zu Lennier): „Right now, I want to introduce you to the ultimate means of interstellar understanding. The Earthers call it ‚poker‘.“

„I did the necessary thing. That is not always the same as the right thing.“ (Laura Rosen)

Sinclair: „I’m still waiting for an explanation, gentlemen.“
Londo (sichtlich lädiert nach der Schlägerei im Dark Star): „Yes, and I am prepared to give you one, Commander. As soon as the room stops spinning.“
Sinclair: „This station creates gravity by rotation, it never stops spinning.“
Londo: „Well, I begin to see my problem.“

 

Die nächste Folge in meinem „Babylon 5“ Rewatch:
1.14 „TKO“
(Die Reihenfolge, in der man die Episoden idealerweise anschauen sollte, weicht hier von der Reihenfolge auf den DVDs ab. Ganz am Ende dieses Blogposts könnt ihr die Reihenfolge einsehen, in der ich die erste Staffel bespreche.)

Babylon 5 – Episode 1.20 “Babylon Squared“

Aktuelles aus dem „Babylon 5“-Universum

Auf Den of Geek wurde kürzlich eine Liste der besten „Babylon 5“-Episoden veröffentlicht. Natürlich ist so eine Auflistung rein subjektiv; mir persönlich fehlt die eine oder andere großartige Episode, aber im Großen und Ganzen wurden die Höhepunkte der Serie dort ganz gut getroffen. Natürlich beinhaltet der Artikel zahlreiche große Spoiler für die gesamte Serie!
Außerdem möchte ich noch einmal auf den besten, größten und einzigen deutschsprachigen „Babylon 5“-Podcast aufmerksam machen. „Der graue Rat“ geht seit einigen Monaten die Serie Folge für Folge durch und hat vor kurzem auch ein Special veröffentlicht, bei dem Michael Erdmann zu Gast war, der für die deutsche Synchronisation der Serie verantwortlich war. Herr Erdmann erweist sich als äußerst sympathischer Gesprächspartner. Er hat selbst eine Vorliebe für Science Fiction und erinnert sich noch recht gut an „Babylon 5“ und seine Arbeit an der Serie, so dass er ein paar Anekdoten zum Besten geben kann. Ein tolles Interview, das wie alle Episoden von „Der graue Rat“ für B5-Fans sehr hörenswert ist!
Und noch etwas habe ich entdeckt: Die Website von Babylon 5 Books wurde neu gestaltet (und demnächst wird es die Waren aus dem Shop dort wohl auch bei Amazon zu kaufen geben). Teil der Umgestaltung ist eine neue Kolumne, die regelmäßig erscheinen soll und sich in ihrer ersten Ausgabe mit den Schwerkraft-Ringen von Delenn beschäftigt, die wir im Pilotfilm zu sehen bekamen, danach aber nie wieder.

Kommen wir nun aber zur nächsten Episode von „Babylon 5“ – und die hat es dieses Mal in sich.

Episode 1.20 „Babylon Squared“ („Verloren in der Zeit“)

Drehbuch: J. Michael Straczynski, Regie: Jim Johnston
Erstausstrahlung: 10.08.1994 (USA), 03.12.1995 (Deutschland)

Die Folge beginnt damit, dass Sinclair und Garibaldi ihrer müden Kollegin Susan Ivanova beim Frühstück einen Streich spielen. Die beiden haben es anscheinend faustdick hinter den Ohren und müssen diesen Streich vorher geplant haben. Oder wozu hatten sie sonst auf den Stühlen neben sich leere Teller versteckt? Bevor Ivanova einnickt, erfahren wir im Gespräch zwischen den dreien noch die wichtigsten Fakten zur Ausgangslage der Handlung: Nicht allzu weit entfernt von Babylon 5 wurden im Weltraum erhöhte Tachyon-Emissionen gemessen und Ivanova hat einen einzelnen Piloten losgeschickt, um mehr herauszufinden. Bevor die Serie zur Titelsequenz übergeht, sehen wir diesen Piloten in seinem Starfury am Ziel ankommen. Er kann gerade noch „Noooo!“ schreien und die Arme vors Gesicht reißen, als ihn ein Blitz aus Tachyon-Emissionen trifft und die Serie zur Titelsequenz übergeht.

Nach der Titelsequenz erfahren wir etwas mehr. Der Pilot ist nach Babylon 5 zurückgekehrt, allerdings nur weil es ihm gelang, rechtzeitig den Autopiloten einzuschalten. Er ist nämlich unerklärlicherweise an Altersschwäche gestorben und konnte gerade noch die Zeichen „B4“ in seinen Anschnallgurt ritzen, woraus Sinclair, Garibaldi und Ivanova messerscharf auf Babylon 4 schließen. Wir erinnern uns (und werden in dieser Folge auch extra daran erinnert): Nachdem die ersten drei Babylon-Stationen noch während ihrer Konstruktion Sabotageakten zum Opfer fielen, verschwand Babylon 4 spurlos nur kurz nachdem die Station im Jahr 2254 ihren Betrieb aufnahm. Niemand kennt den Grund dafür oder weiß, wohin die Station verschwunden ist. Ein (sehr kleiner) Teil dieses Rätsels wird in dieser Folge gelöst, denn wie sich herausstellt taucht Babylon 4 nun im Jahr 2258 wieder auf. Sinclair beantwortet den Notruf von Major Krantz (Kent Broadhurst) und macht sich zusammen mit Garibaldi und ein paar Shuttles sogleich auf den Weg, um möglichst viele der Personen auf Babylon 4 zu evakuieren. Die Station ist nämlich äußerst instabil und droht, jeden Moment wieder zu verschwinden – „verloren in der Zeit“, wie es der deutsche Episodentitel so schön sagt.
Auf dem Flug nach Babylon 4 kommt sich auch Garibaldi ziemlich verloren in der Zeit vor – sprich: er langweilt sich. Also stellt er Sinclair die „fasten / zip“-Frage (also ob er seine Hose zuerst zuknöpft oder zuerst den Reisverschluss zumacht). Im Deutschen wurde daraus die Frage, ob Sinclair seinen Reißverschluss mit der linken oder rechten Hand zumacht. (Diese Frage ergibt nicht so viel Sinn, schließlich dürfte der Fall bei Rechts- und Linkshändern jeweils ziemlich klar sein.)

Nach der Ankunft auf Babylon 4 zeigt sich wieder einmal, dass „Babyon 5“ oft mit geringen finanziellen Mitteln, aber viel Kreativität eine große Wirkung erzielte. Die Sets, auf denen die Szenen auf Babylon 4 gedreht wurde, sind nämlich natürlich dieselben, die sonst als Babylon 5 herhalten musste. Dank ein paar grüner Panele an den Wänden, bunter Scheinwerfer und vieler herumstehender Kisten wirkt die Umgebung aber tatsächlich anders und noch viel unfertiger als auf Babylon 5. Etwas unfertig und verkrampft wirkt hier auch das Schauspiel von Kent Broadhurst als Major Krantz, aber die Reaktion auf die Mitteilung, man sei soeben vier Jahre in die Zukunft gereist ist zugegeben wohl auch nicht leicht zu spielen.
Kurz nach dem Zusammentreffen mit Major Krantz kommt es zum ersten Flash, der für Sinclair ein Flashforward ist. Er sieht sich für kurze Zeit in eine unbestimmte Zukunft versetzt, in der Babylon 5 kurz davor steht, von unbekannten Angreifern überrannt zu werden. Ein heldenhafter Garibaldi schickt Sinclair fort und will sich opfern, um möglichst vielen Leuten die Flucht zu ermöglichen (Garibaldi erwähnt, dass er den Fusionsreaktor der Station manipuliert hat, so dass sie kurz vor der Explosion steht). Dabei soll wohl der Eindruck vermittelt werden, als werde Sinclair zum Schluss von der Masse an Flüchtenden mitgerissen; tatsächlich drängen ihn aber nur eine handvoll Statisten vor sich her und das Ergebnis sieht etwas lächerlich und unglaubwürdig aus.
Major Krantz klärt Sinclair und Garibaldi anschließend über die Zeitsprünge auf: Sie traten 24 Stunden nach der Inbetriebnahme der Station zum ersten Mal auf. Weiterhin erfahren wir, dass jede Person während dieser Zeitsprünge etwas anderes wahrnimmt. Da Garibaldi aber in Sinclairs Vision vorkam, gehe ich davon aus, dass es auch seine (mögliche?) Zukunft ist, die wir hier gesehen haben.

Als nächstes wird der Zuschauer zusammen mit Sinclair und Garibaldi von Major Krantz zu einem ungebetenen Besucher geführt: Zathras. Woher er kommt, warum er hier ist oder welcher Rasse er angehört, kann auch Krantz nicht sagen. Er weiß nur, dass Zathras plötzlich auf der Station erschienen ist. Und was für eine tolle Figur das ist! Zathras ist wieder einmal einer dieser Glücksfälle, bei denen ein Schauspieler einer Figur Leben einhaucht, wie wirklich nur er es kann. Vom Makeup her sieht Zathras gar nicht besonders außerirdisch aus, aber Tim Choate – der leider 2004 viel zu früh verstorben ist – verleiht ihm mit seiner Sprechweise und einigen kleinen Ticks (wie den seltsamen Klicklauten) vom ersten Auftreten an eine Charaktertiefe, die ihn viel fremder und seltsamer wirken lässt, als es die Maske je könnte.
Aus Zathras‘ Erklärungen werden Krantz, Sinclair und Garibaldi allerdings kaum schlau. Sie können sich immerhin zusammenreimen, dass Zathras einer Gruppe von Personen angehört, die Babylon 4 durch die Zeit schicken wollen, um die Raumstation als Operationsbasis in einem großen Krieg zu verwenden, der „große Dunkelheit“ und „das Ende aller Dinge“ über die Galaxis bringen kann. Aber welcher Krieg ist damit gemeint? Wohin in der Zeit wird Babylon 4 geschickt? Und mit wem arbeitet Zathras eigentlich zusammen? Zumindest die letzte Frage wird am Ende der Episode ansatzweise beantwortet, als wir einen sichtlich älteren Sinclair zu sehen bekommen. So lässt sich wohl auch erklären, dass Zathras Sinclair sofort zu erkennen scheint, als dieser ihm mit Garibaldi und Krantz gegenübertritt. Aber was will Zathras uns damit sagen, dass Sinclair „nicht der Eine“ („not The One“) sei? Auch das kann man sich nach dem Ende dieser Episode zusammenreimen, schließlich taucht kurze Zeit später eine mysteriöse Person in einem Raumanzug auf. Dabei handelt es sich Zathras zufolge um „den Einen“ und die Person wird schließlich als der gealterte Sinclair enthüllt (der sich mit einer nicht im Bild zu sehenden Delenn unterhält). Dank eines Zeitstabilisators, der ihm von Zathras überreicht wird, scheint dessen unkontrolliertes Treiben durch die Zeit aufgehalten werden zu können.

Plötzlich kommt es wieder zu einem Flash; dieses Mal sehen wir, was Garibaldi dabei erlebt. Er wird in der Zeit zurück versetzt und muss noch einmal den Streit mit seiner damaligen Freundin Lise (Denise Gentile) durchleben, als er ihr mitteilt, dass er die Stelle als Sicherheitschef auf Babylon 5 angenommen hat. Lise ist davon alles andere als begeistert und will nicht mit ihm nach Babylon 5 gehen. Dank ihres Auftritts in der letzten Folge wissen wir bereits, dass sie Garibaldi bald nach diesem Gespräch durch einen gewissen Franz ersetzen wird…

Sinclair und Garibaldi machen sich anschließend mit Krantz und Zathras auf den Weg, um die Station zu verlassen. Dabei wird Zathras unter einem umstürzenden Pfeiler eingezwängt. Sinclair versucht ihn zu befreien, doch Zathras sieht ihm ernst in die Augen und fleht ihn an, lieber sich selbst zu retten, da er (Sinclair) ein anderes Schicksal habe, als hier auf Babylon 4 zu sterben. Also lässt Sinclair Zathras zurück und rennt Garibaldi durch die immer instabiler werdende Station hinterher – durch eine Menge weißen Nebel, herunter fallende Alufolienschnipsel und mit perfektem Timing von eifrigen Mitgliedern der Filmcrew an unseren Helden vorbeigworfenen Kisten. 😉
Als sie fort sind, taucht „der Eine“ neben Zathras auf, nimmt seinen Helm ab und wir bekommen den gealterten Sinclair zu sehen. Neben ihm – obwohl sie nicht im Bild zu sehen ist – steht Delenn, die im kurzen Gespräch mit Sinclair an ihrer Stimme zu erkennen ist (zumindest in der Originalversion – ich weiß nicht ob im Deutschen auch hier Delenns Synchronstimme verwendet wurde).
Nachdem Sinclair, Garibaldi und die meisten anderen Personen, die sich an Bord der Station befunden haben, entkommen konnten, verschwindet Babylon 4 schließlich ganz. Wohin (bzw. „wannhin“), das erfahren wir hier nicht. So viel sei aber an dieser Stelle verraten: wir werden Babylon 4 wiedersehen. Das hofft am Ende der Episode auch Ivanova, die sich darüber ärgert, auf Babylon 5 zurückgeblieben zu sein und alles verpasst zu haben. Für den Fall, dass Babylon 4 wieder auftaucht, lässt sie Sinclair schon mal wissen: „Dann will ich mitkommen und Garibaldi bleibt hier.“
Ob Babylon 4 aber tatsächlich mit dem Fliegenden Holländer vergleichbar ist, wie in der letzten Szene anklingt, darüber können wir nur spekulieren. Treibt die Raumstation ziellos durch Raum und Zeit oder befindet sie sich auf einer zielgerichteten Reise? Wir werden es erfahren, aber bis dahin dauert es noch eine ganze Weile.

Kommen wir zum zweiten Handlungsstrang der Episode, den man bei all den Fragen, die die Babylon 4-Handlung aufwirft, leicht vergessen kann. Doch auch dieser Teil der Folge hat es in sich, denn hier wird Delenn nichts Geringeres angeboten als die Anführerin ihres Volkes zu werden!
Aber von vorne: Delenn verlässt Babylon 5 und fliegt allein los, weil sie vom Grauen Rat gerufen wurde. Dessen Sitz befindet sich interessanterweise nicht auf Minbar, sondern auf einem Raumschiff. Darin kann man ein Symbol für die Entfremdung der herrschenden Klasse vom gemeinen Volk der Minbari sehen. Delenns Mitgliedschaft im Grauen Rat wurde bereits in „Soul Hunter“ und „The Parliament of Dreams“ thematisiert. Als sie vor den Rat tritt, erwähnt sie Valen, den legendären spirituellen Anführer der Minbari, der den Grauen Rat vor etwa 1000 Jahren gegründet hat. (Ich bin mir nicht sicher, aber das hier könnte das erste Mal in der Serie sein, dass Valens Name fällt. Korrigiert mich, wenn ich falsch liege – was sehr gut möglich ist.)
Während der Sitzung des Grauen Rates – die eigentlich gar keine solche ist, schließlich bleiben seine Mitglieder dabei stehen – erfahren wir, dass die Minbari seit dem Tod ihres Anführers Dukhat vor zehn Jahren keinen Nachfolger gewählt haben. (Wir erinnern uns: In „Soul Hunter“ haben wir erfahren, dass Dukhats Tod den Erd-Minbari-Krieg ausgelöst hat.) Nun sei die Zeit des Trauern vorbei und ein neuer Anführer müsse bestimmt werden, teilen die anderen Ratsmitglieder Delenn mit. Ohne Delenn mit einzubeziehen, haben sie sie für diese ehrenvolle Position ausgewählt. Weil sie von allen Ratsmitgliedern am weitesten gereist sei und die größte Erfahrung im Umgang mit fremden Spezies habe, sei sie die geeignetste Kandidation für den Posten. Delenn fühlt sich zwar geehrt, ist aber vor allem sehr überrascht und will den Posten nicht übernehmen. „My calling is to serve, not to lead“, erklärt sie. Als die anderen Ratsmitglieder sie auf eine Prophezeihung ansprechen, erwidert sie, die werde sich auch so erfüllen.

Ein paar Worte dazu, wie der Graue Rat hier zum Leben erweckt wurde: Hier wird wieder einmal aus den begrenzten Mitteln das Maximum herausgeholt. Die Graue Rat tagt nicht nur fernab von Minbar, sondern auch in einem vollkommen leeren, dunklen Raum (auch das unterstreicht die Entfremdung des Rats von der Lebenswirklichkeit der Minbari). Die einzelnen Ratsmitglieder werden durch helle Spots erleuchtet und der Effekt, wie sie jeweils ihre Gesichter enthüllen, bevor sie zu sprechen beginnen, ist äußerst wirkungsvoll.
In der nächsten Szene erfahren wir, dass Delenn ihre Position als Botschafterin auf Babylon 5 sofort aufgeben müsste, falls sie sich entschließen sollte, Anführerin ihres Volkes zu werden. Wenn ich das richtig verstanden habe, würde sie in diesem Fall das Raumschiff, auf dem sie sich nun befindet, nie wieder verlassen dürfen – eine äußerst seltsame Regelung für die Anführerin eines Volkes und schon wieder ein Beispiel dafür, dass die herrschenden Köpfe der Minbari vollkommen den Kontakt zum Volk verloren haben. Da Delenn wie erwähnt ihrem Volk dienen will, statt es von oben zu führen, hört sie schließlich auf ihr Herz und widersetzt sich der Entscheidung des Rats. Als sie erneut vor den Rat tritt, spricht sie wieder die Prophezeihung an. Ihr zufolge käme den Menschen ein besonderes Schicksal zu, weswegen Delenn ihre Aufgabe, die Menschen zu studieren und die Korrektheit der Prophezeihung zu überprüfen, fortführen wolle. Im Gegensatz zu den anderen Ratsmitgliedern sieht Delenn in den Menschen kein primitives Volk; statt Schwächen wie Streit, Kampf und die Leitung durch Ängste und Leidenschaften spricht Delenn den Menschen vor allem Stärken zu, die in ihrer Beharrlichkeit und ihrer Vielfalt lägen.
Dies legt Delenn dem Grauen Rat in einem eindrucksvollen Monolog dar (s. das lange Zitat unten), der ein gutes Beispiel für das Weltbild von „Babylon 5“-Schöpfer J. Michael Straczynski ist: Wir Menschen seien besser als wir denken und edler als wir wissen. Zwar hätten wir Schwächen, seien aber zu großen Taten fähig und hätten noch eine große Zukunft vor uns. Ja, wir sind sogar die Zukunft, wie Delenn dem Grauen Rat mitteilt. Kein Wunder, dass ein Regierungsgremium, das sich wohl die meiste Zeit über auf einem fernab der Heimat durchs All fliegenden Raumschiff aufhält, nicht nur den Kontakt zu den Bedürfnissen und Nöten des eigenen Volkes verloren hat, sondern sich auch gegenüber fremden Einflussen äußerst kritisch und abschottend zeigt. Hier ist es die weltoffene, weit gereiste Delenn, die mit der Tradition bricht und die Einstellungen der anderen Ratsmitglieder hinterfragt – nicht zum letzten Mal in der Serie. Dass ihre Entscheidung den Verlust ihrer Mitgliedschaft im Rat mit sich bringt, nimmt sie in Kauf. In einer schnellen Abstimmung (bei der wieder die Lichter effektvoll eingesetzt werden) sprechen sich die übrigen Ratsmitglieder dafür aus, Delenns Entscheidung zu akzeptieren und einen anderen Anführer zu bestimmen.

Bei ihrem Abschied wird Delenn von einem der Ratsmitglieder ein Gegenstand überreicht, der als Triluminarium (triluminary) identifiziert wird (es wird auch erwähnt, dass davon noch zwei weitere Exemplare existieren). Nebenbei erfahren wir auch, dass Delenn wohl doch nicht die Einzige im Grauen Rat ist (bzw. war), die das Nahen großer Veränderungen spürt. Der Minbari, der sie verabschiedet gibt zu, dass auch er große gesellschaftliche Umwürfe kommen sieht (s. letztes Zitat ganz unten). Leider ist die Gesellschaft der Minbari im allgemeinen und der Graue Rat im besonderen aber wohl zu festgefahren in alten Denkweisen und Traditionen, um sich der Veränderung zu öffnen.

„Babylon Squared“ ist eine großartige Folge – eine der besten und ganz sicher eine der wichtigsten der ersten Staffel. Alle Neulinge kann ich übrigens beruhigen: So gut wie alle hier aufgeworfenen Fragen werden von der Serie früher oder später beantwortet. Zwar konnte JMS die Geschichte aufgrund äußerer Umstände, auf die er keinen Einfluss hatte, nicht genau so weitererzählen, wie er es ursprünglich geplant hatte. Aber er war sehr gut darin, die Handlung an die sich ändernden Umstände anzupassen.

Highlight der Episode: Zathras. Aus den bereits genannten Gründen, aber auch weil seine Antwort auf die Frage, aus welchem Jahr er denn komme, so herrlich nichtssagend und frustrierend ist: „By my world time, it is year 4993.“

Londo/G’Kar-Moment: Die beiden kommen in dieser Folge leider nicht vor.

Folgende (weitere) wichtige Informationen, die für den weiteren Verlauf der Serie wichtig sind, erhalten wir in dieser Episode:

Ich fasse noch einmal kurz die wichtigsten Dinge zusammen, die wir zu diesem Zeitpunkt über Babylon 4 wissen: Die Station verschwand spurlos, kurz nachdem sie ihren Betrieb aufgenommen hatte. Vier Jahre später taucht sie im Jahr 2258 wieder auf. Sinclair und Garibaldi fliegen hin und können den größten Teil der Besatzung evakuieren. Von Zathras erfahren wird, dass Babylon 4 auf eine Zeitreise geschickt wird, um als Operationsbasis in einem großen Krieg zu dienen, der den Frieden in der Galaxis sichern soll. Zathras gibt an „dem Einen“ zu dienen. Dabei handelt es sich möglicherweise um einen älteren Sinclair, der anscheinden etwas mit dem Verschwinden von Babylon 4 zu tun hat, ebenso wie Delenn.
Im anderen Handlungsstrang der Folge lehnt Delenn das Angebot ab, zur Anführerin der Minbari ernannt zu werden. Ihre Entscheidung hat etwas mit einer alten Prophezeihung zu tun, derzufolge den Menschen ein besonderes Schicksal zukommt.

Sonstige Fragen:

  • Vielleicht habe ich nicht richtig aufgepasst, aber sagte Garibaldi nicht, es sei im Rahmen der zur Verfügung stehenden Zeit nur möglich, etwa 250 Personen von Babylon 4 zu evakuieren? Major Krantz spricht glaube ich später davon, dass sich etwa 1300 Personen auf der Station befinden und zum Schluss heißt es, dass fast alle gerettet worden sind. Wie war das denn möglich? Stand doch mehr Zeit zur Verfügung als man zunächst gedacht hatte, so dass die Shuttles öfter zwischen B5 und B4 hin- und herfliegen konnten?
  • Wo ich gerade bei der Evakuierung bin: Aus dem Schicksal der evakuierten Personen könnte man eine eigene Fernsehserie machen! Die haben im Jahr 2254 auf Babylon 4 zu arbeiten begonnen, nur um sich plötzlich vier Jahre in der Zukunft wiederzufinden, ohne eine Möglichkeit der Rückkehr in „ihre“ Zeit. Darauf wird in der Serie mit keinem Wort eingegangen, aber ich kann mir vorstellen, dass das für so einige Komplikationen sorgen wird. (Auf die Personen, die sich noch auf der Station befinden, will ich gar nicht eingehen. Wohin in der Zeit sie reisen, wissen wir ja noch nicht. Soviel sei aber bereits verraten: Auch daraus könnte man eine eigene Serie machen.)
  • Was bedeutet der kurze Dialog zwischen dem gealterten Sinclair und Delenn? (Sinclair: „I tried to warn them. But it all happened, just the way I remembered.“ – Delenn: „I know. It’s time. We have to go. They’re waiting for us.“) Zum jetztigen Zeitpunkt haben wir keinerlei Anhaltspunkte dafür, worauf sich die beiden hier beziehen. Wovor wollte Sinclair sein jüngeres Ich und Garibaldi warnen? Von wem werden er und Delenn erwartet? Und warum ist Delenn eigentlich nicht zu sehen?
  • Von wem wird Babylon 5 (in Sinclairs Flashforward) angegriffen? Wird diese Zukunftsvision überhaupt so auch eintreffen?
  • Was ist Sinclairs Schicksal, von dem Zathras spricht? Steht es in Verbindung zu dem besonderen Schicksal der Menschen, von dem Delenn spricht? (In der letzten Folge hatte ja auch Delenn erwähnt, dass Sinclair ein bestimmtes Schicksal habe.)
  • Von welcher Prophezeihung spricht Delenn und welche Rolle kommt darin den Menschen zu? Kam die Prophezeihung direkt von Valen? Was genau ist das besondere Schicksal, das den Menschen (bzw. einigen von ihnen – s. Zitat von Delenn unten) zukommt? Und wieso wurde aufgrund der Prophezeihung der so gut wie gewonnene Krieg gegen die Menschen gestoppt? (Diese wichtige Information wird in der Episode nebenbei fallengelassen.)
  • Was wäre eigentlich passiert, wenn sich der Rat nicht dafür ausgesprochen hätte, Delenns Entscheidung zu akzeptieren?
  • Was ist das Triluminarium und wozu dient es? Hat es eine Bedeutung, dass noch zwei weitere Exemplare existieren?
  • Es gibt bestimmt noch eine Reihe weiterer Fragen zu dieser Episode. Manche davon würden hier spoilern, aber da die Geschichte um Babylon 4 später in der Serie wieder aufgegriffen und zu Ende erzählt wird, werde ich sowieso noch einmal darauf eingehen.

Weitere interessante Punkte:

  • Lise erwähnt im Gespräch mit Garibaldi, dass dieser Sinclair bisher nur zweimal getroffen habe. Dabei kann es sich natürlich um eine Untertreibung handeln, trotzdem hat mich dieser Satz überrascht. Ich war immer davon ausgegangen, dass Sinclair und Garibaldi schon lange vor ihrem gemeinsamen Dienst auf Babylon 5 alte Freunde waren.
  • Babylon 4 verfügte noch nicht über eine permanente Kommandocrew. Major Krantz war an Bord, um die letzte Phase der Konstruktion zu überwachen, doch ein kommandierender Offizier für die Station war noch gar nicht ausgewählt worden, als sie verschwand.

Interessante „Hinter den Kulissen“-Fakten:

  • JMS hat erklärt, dass es zum Schreiben dieser Episode nötig war, gleich zwei Drehbücher zumindest grob zu konzipieren. Schließlich wusste er bereits, dass er die Babylon 4-Geschichte in einer späteren Episode fortführen wollte.
  • Der Raumanzug, den der gealterte Sinclair trägt, wurde bereits in „2010“ verwendet, der Fortsetzung des Stanley Kubrick-Klassikers „2001“.
  • Mark Hendrickson, der hier ein Mitglied des Grauen Rates spielt, war in der gleichen Rolle auch schon in „And The Sky Full of Stars“ zu sehen. (Dort sah man den Grauen Rat ja in Rückblenden.)

Zitate:

Zathras: „Zathras die. But Zathras die for cause. Maybe stop Great War. Maybe Zathras great hero. Maybe build statues to Zathras, and others come remember Zathras.“
Krantz: „What if we take you with us, put you on trial?“
Zathras: „Zathras not of this time. You take, Zathras die. You leave, Zathras die. Either way, it is bad for Zathras.“

„You have a destiny.“ (Zathras zu Sinclair)

„The station [Babylon 4] was built to create peace. Maybe now it’ll do so in a way nobody ever expected.“ (Sinclair)

„This council stopped the war against the humans because of prophecy. Because Valen said that the humans, some among them, had a destiny which we could not interfere with.“ (Delenn zum Grauen Rat)

„They do not seek conformity. They do not surrender. Out of their differences comes symmetry, their unique capacity to fight against impossible odds. Hurt them, they only come back stronger. The passions we deplore have taken them to their place in the stars and will propel them to a great destiny. Their only weakness is that they do not recognize their own greatness. They forget that they have come to this place through two million years of evolution, struggle, and blood. They are better than they think, and nobler than they know. They carry within them the capacity to walk among the stars like giants. They are the future, and we have much to learn from them.“ (Delenn zum Grauen Rat über die Menschen)

„These are curious times, Delenn. I feel a great change in my bones. A new beginning, an end, I cannot say. We are surrounded by signs and portents and I feel a darkness pressing at our backs.“ (Mitglied des Grauen Rates zu Delenn) (Hier wird übrigens der Titel der ersten Staffel wörtlich zitiert.)

 

Die nächste Folge in meinem „Babylon 5“ Rewatch:
1.21 „The Quality of Mercy“ (folgt demnächst)

Babylon 5 – Episode 1.19 “A Voice in the Wilderness (Part 2)”

Bevor ich zur Episodenbesprechung komme, will ich noch kurz das neueste Produkt aus dem Shop von „Babylon 5 Books“ besprechen. Dabei handelt es sich dieses Mal nicht um ein Buch, sondern um ein DVD-Set: „CNN Documents Babylon 5“. Auf drei DVDs findet sich Material, das CNN während der Produktion der Serie hinter den Kulissen gefilmt hat. Die erste Disc enthält sieben relativ kurze Interviews mit Darstellern. Auf Disc 2 sind Hinter-den-Kulissen-Aufnahmen zu sehen, die bei den Dreharbeiten zu vier verschiedenen Episoden angefertigt worden sind. Sie werden im Shop als „unzensiert“ beschrieben, man könnte aber auch sagen: ziemlich langweilig. Etwas interessanter wird es immerhin, wenn man den Audiokommentar zuschaltet, bei dem jemand aus dem B5 Books-Team erklärt, was man gerade sieht. Auf Disc 3 kann man schließlich den Darstellern Claudia Christian (Ivanova) und Jerry Doyle (Garibaldi) dabei zuschauen, wie sie sich das Material von Disc 2 anschauen und ihre Kommentare dazu abgeben – wer’s braucht… Eine eigene DVD ist das Material auf Disc 3 eigentlich nicht wert, denn es hätte auch gereicht, die Kommentare von Christian und Doyle als Audiokommentare auf Disc 2 zu packen.
Insgesamt ist das DVD-Set wirklich nur für solche Fans interessant, die wirklich jeden Interview-Schnipsel und jede Hinter-den-Kulissen-Aufnahme haben müssen. Das Material würde sich wunderbar als Bonusmaterial für eine zukünftige Neuveröffentlichung der Serie auf DVD eignen. 79 (!) Dollar plus Versandkosten ist es aber auf keinen Fall wert (ich habe früh genug bestellt und das Set noch zu einem günstigeren Preis bekommen).
Nun aber weiter zur aktuellen Episode, dem Abschluss des Zweiteilers „A Voice in the Wilderness“:

Episode 1.19 „A Voice in the Wilderness (Part2)“ („Angriff der Aliens (Teil 2)“)

Drehbuch: J. Michael Straczynski, Regie: Janet Greek
Erstausstrahlung: 03.08.1994 (USA), 01.12.1995 (Deutschland)

Die meisten Folgen der ersten Staffel von „Babylon 5“ bieten eine in sich abgeschlossene Handlung. Zwar bilden die Episoden inhaltlich den Grundstein für die folgenden Staffeln, doch so richtig episodenübergreifend erzählt wird hier noch nicht. Insofern ist der Zweiteiler „A Voice in the Wilderness“ eine Ausnahme – und eine sehr gelungene noch dazu. Im letzten Blogpost habe ich mich dem ersten Teil gewidmet, nun folgt Teil zwei.

Bereits in den ersten Minuten der Episode ist positiv zu erkennen, dass es sich hier um die Fortsetzung einer bereits begonnenen Geschichte handelt. Die Folge steigt direkt dort ein, wo in der Vorwoche aufgehört wurde (in Deutschland wurden die beiden Folgen an einem Abend ausgestrahlt) und legt von Anfang an ein hohes Tempo vor. Lange Erklärungen der Lage und Einführungen neuer Charaktere bleiben dem Zuschauer größtenteils erspart und weil diese Doppelfolge als spannender, abendfüllender Film konzipiert wurde, kommt man in dieser zweiten Hälfte voll auf seine Kosten und wird bestens unterhalten.
Mit der Ankunft der Hyperion unter dem Kommando von Captain Pierce (Ron Canada) und später dem Raumschiff der unbekannten Aliens melden plötzlich zwei weitere Parteien Ansprüche auf die Technologie an, die sich auf Epsilon 3 verbirgt. Sinclair ist alles andere als begeistert, dass die Erde (genauer: das Office of Planetary Security) ihm dazwischenfunkt, schließlich hatte ihm Präsident Santiago persönlich versichert, er habe als Kommandant von Babylon 5 die oberste Autorität über diesen Weltraumsektor. Sinclairs Wutausbruch gegenüber Pierce ist ein erster Höhepunkt der Folge und auch eine für den von Problemen geplagten Michael O’Hare ungewöhnlich gute schauspielerische Leistung. Als Senator Hidoshi später Sinclair erklärt, dass das Kommando der Erdstreitkräfte seit dem Krieg gegen die Minbari davon besessen ist, neue Technologien in seine Hände zu bekommen, musste ich an die „Alien“-Filme denken. Auch dort ist es ja die ständige Gier des Weyland/Yutani-Konzerns nach neuen Technologien, die sich militärisch einsetzen lassen, die die Helden der Filme in Bedrängnis bringt. (Im „Babylon 5“-Universum ist die Suche der Erde nach außerirdischen Waffentechnologien ebenfalls nicht neu; sie wurde bereits am Ende von „Infection“ angedeutet.) Dass die Erdregierung sofort ein Schiff vorbeischickt, sobald sie von dem Fund auf Epsilon 3 erfährt, widerspricht zudem völlig den Zielen und Prinzipien des Babylon-Projekts. Von friedlichem Miteinander und diplomatischen Lösungen ist auf einmal keine Rede mehr, sobald die Aussicht darauf besteht, sich einen eigenen Vorteil zu verschaffen. Schade.

Sinclair gelingt es mit einem Bluff, Pierce zunächst davon abzuhalten, ein Shuttle nach Epsilon 3 zu schicken. Allerdings hat die Ankunft des Erdkreuzers zusätzliche Aufmerksamkeit auf die Situation gelenkt und so will nun auch Londo Mollari wissen, was genau vor sich geht und erhebt im Namen seiner Regierung schon mal Anspruch auf was immer auf dem Planeten gefunden werden wird. Dass der Planet unterdessen bald zu explodieren droht, verleiht dem zweiten Teil der Episode zusätzlich Spannung, ebenso wie die schon erwähnte Ankunft der Aliens.
Der aufmerksame Zuschauer kann sich allerdings recht schnell zusammenreimen, dass die Maschine auf Epsilon 3 eine neue Person benötigt, um sie zu steuern und kontrollieren. Ebenso wird relativ schnell klar, dass es sich dabei natürlich nicht um eine der Hauptfiguren der Serie handelt, sondern um eine in dieser Doppelfolge eingeführte Nebenfigur: Draal. Abgesehen davon, dass er am Ende in die Maschine steigen darf, bekommt Draal in dieser Folge allerdings nicht mehr besonders viel zu tun; das ist aber nicht so schlimm, schließlich ist hier einfach eine ganze Menge los. „A Voice in the Wilderness“ steigert sich in dieser zweiten Hälfte zu einem spaßigen Abenteuer, wie man es in „Babylon 5“ bis dahin noch gar nicht gesehen hatte. Die Doppelfolge gehört zwar nicht zu den besten Episoden  der Serie, aber gerade diese zweite Folge stellt ein erstes Beispiel für das dar, was in den kommenden Staffeln folgen wird: Episoden, die direkt dort weitermachen, wo die letzte Folge aufgehört hat und die große, dramatische Weltraum-Action bieten, in denen aber auch die Charaktere nicht zu kurz kommen.

Zu ein paar Charakteren möchte ich dementsprechend auch noch ein paar Wörter verlieren: Sinclair erweist sich hier als kompetente Führungspersönlichkeit und wird seiner Verantwortung als Stationskommandant gerecht. Das demonstriert er zunächst im bereits erwähnten Gespräch mit Captain Pierce und später, als er Garibaldi aufsucht. Als Freund wie als Vorgesetzter sorgt er sich um seinen Sicherheitschef und möchte sicherstellen, dass er sich in dieser Krisensituation auf Garibaldi verlassen kann. Sinclair behält also die Lage im Blick, verteidigt seinen Führungsanspruch und sorgt sich um sein Personal. Garibaldi wiederum sorgt sich aufgrund der angespannten Lage auf dem Mars um seine frührere Freundin Lise (Denise Gentile). Ich schreibe bewusst nicht „Ex-Freundin“, denn obwohl er mit Lise nicht mehr zusammen ist, haben sie die Beziehung nie offiziell beendet. Wie wir hier erfahren, ist Garibaldi einfach nach Babylon 5 abgehauen, als er von Sinclair den Posten als Sicherheitschef angeboten bekommen hat. Lise wollte ihm nicht folgen, aber geklärt hat Garibaldi die Dinge mit ihr auch nie. Obwohl er nun schon schon über zwei Jahre auf der Raumstation ist, hat er in dieser Zeit nie mehr mit Lise gesprochen – aus Angst davor, das zu hören, was er eigentlich schon weiß: dass es aus ist zwischen ihnen beiden. Insofern ist sein Gespräch mit Lise am Ende der Folge ein wichtiger Schritt für Garibaldi, weil er diese bittere Wahrheit nun endlich einsehen und verarbeiten muss. Lise ist nun endgültig zur Ex-Freundin geworden.
Wesentlich heiterer präsentiert sich in dieser Folge Londo: Er fühlt sich bei den waghalsigen Manövern, mit denen er das Shuttle zum Planeten steuert, an seine Jugend erinnert. Damals kämpfte er als junger Centauri für seine geliebte Republik, heute sieht er sich zum Auslaufmodell degradiert und auf eine unbedeutende Raumstation abgeschoben. In dieser Episode bekommt er endlich einmal wieder die Chance, einen sinnvollen Beitrag zu leisten und etwas zu tun, ihn mit Bedeutung erfüllt. Delenn formuliert es so: „I think he enjoyed it. He discovered something inside him that he thought was buried long ago.“

Besonders wenn man beide Folgen am Stück anschaut, macht „A Voice in the Wilderness“ also richtig viel Spaß. Die Doppelfolge kann als in sich abgeschlossene Geschichte bestens unterhalten, etabliert jedoch Elemente, die für in Zukunft von großer Bedeutung sind – so viel kann ich hier schon verraten.

Highlight der Episode: Ivanovas Antowort auf Londos hartnäckiges Nachfragen, was auf Epsilon 3 vor sich geht: „Boom. Boom, boom, boom…..“ (vgl. ihre ähnliche Aussage in „Grail“)

Londo/G’Kar-Moment: Londos Spaß beim Fliegen des Shuttles zum Planeten. Es ist kein allzu großer Spoiler, wenn ich verrate, dass wir einen solchen gelösten Londo in Zukunft kaum noch sehen werden.

Folgende (weitere) wichtige Informationen, die für den weiteren Verlauf der Serie wichtig sind, erhalten wir in dieser Episode:

  • Die „große Maschine“ auf Epsilon 3 wird eingeführt und Draal als ihr neuer Wächter etabliert. Davon abgesehen sorgt die Maschine aber erst einmal vor allem für große Fragen (s. unten).

Sonstige Fragen:

  • Was meint Delenn, als sie sagt, Sinclairs Schicksal sei ein anderes (als als Wächter der großen Maschine zu dienen)?
  • Die wohl größte offene Frage lautet: Was ist der Zweck der großen Maschine auf dem Planeten? Draal macht am Ende der Episode unmissverständlich klar, dass der Planet und seine Geheimnisse vorerst gewahrt bleiben müssen und niemandem in die Hände fallen dürfen (genau wie für die Unsterblichkeit scheinen die meisten Spezies der Galaxis noch nicht reif dafür zu sein). Aber was genau meint er mit „…until the time is right“? (siehe auch „Hinter den Kulissen“)
  • Am Ende der Folge schuldet Delenn Londo einen Gefallen. Wann und warum wird Londo deshalb auf sie zukommen, um diesen Gefallen einzulösen?

Weitere interessante Punkte:

  • Von Londo erfahren wir, dass die Centauri eine beträchtliche Geldsumme zum Bau von Babylon 5 beigetragen haben.
  • Aus dem kurz zu sehenden Nachrichtenbeitrag auf ISN erfahren wir, dass Präsident Santiago sich dem Druck des Senats gebeugt hat, dem Mars-Aufstand mit stärkerer Gewalt zu begegnen.
  • Garibaldi isst in seinem Quartier eine Pizza, als Sinclair ihn besucht. Auf der Pizzaschachtel steht „Three Z Pizzza“ (ja, mit drei Z – darunter steht noch mehr, das ich aber nicht erkennen konnte). Lustigerweise bietet er Sinclair die gekaufte, fast aufgegessene Pizza mit den Worten „I made some dinner“ an.
  • Beim Abtippen des Zitats von Londo (s. ganz unten) bin ich gerade ins Grübeln gekommen. Londo spricht davon, dass er sich als junger Mann geschworen hat, einst zu sterben, indem er etwas edles, mutiges und sinnloses tut. Wie wir aber nun aus „Midnight on the Firing Line“ wissen, weiß Londo inzwischen aus einem prophetischen Traum, wie er sterben wird. Obwohl er die genauen Umstände nicht kennt, sieht es nicht danach aus, als ob sein Tod durch G’Kars Hand besonders edel oder mutig sein wird. Trotzdem kann man davon ausgehen, dass dieses Wissen einen erheblichen Einfluss auf Londo hat. Wenn man weiß, wie das eigene Leben enden wird, führt das dann dazu, dass man das Gefühl bekommt, dem Schicksal hilflos ausgeliefert zu sein? Daraus lassen sich hochinteressante philosophische Fragen spinnen. Londo sagt in „Midnight…“, dass solche Träume unter den Centauri weit verbreitet sind, es müsste also vielen von ihnen so gehen. Vielleicht ist Londos draufgängerisches Verhalten hier tatsächlich der Versuch, seinem Schicksal zu entkommen – vielleicht legt er es darauf an, zu sterben und damit zwar wesentlich früher abzutreten, aber immerhin selbstbestimmt und auf seine Weise. Das sind zwar nur Spekulationen, aber sehr interessante, wie ich finde.

Interessante „Hinter den Kulissen“-Fakten:

  • Dass die große Maschine auf Epsilon 3 später in der Serie noch eine wichtige Rolle spielen wird, ist kein Geheimnis. Zu diesem Zweck ist sie schließlich hier eingeführt worden. Allerdings ist sie auch wirklich nur zu einem konkreten Zweck eingeführt worden, der eben klar wird, wenn die Zeit gekommen ist (um mal die kryptischen Worte Draals zu verwenden). Davon abgesehen spielt sie nur selten eine Rolle. Der Grund dafür, dass die mächtige Maschine hier mit viel Trara eingeführt wird, nur um am Ende der Episode dann von Draal zur verbotenen Zone erklärt zu werden, ist ein ganz einfacher: Straczynski war sich bewusst, dass eine quasi allmächtige Maschine für die Helden der Serie ein Ausweg aus vielen Problemsituationen gewesen wäre. Die Maschine wäre buchstäblich zum „deus ex machina“ geworden, mit dem Sinclair jeden Feind hätte besiegen können. Das wäre dramaturgisch auf Dauer äußerst langweilig, was der Grund dafür ist, dass die Maschine in Zukunft nur äußerst sparsam eingesetzt wird.

Zitate:

„So if we go down there, it blows. If we don’t, it blows anyway, just a little later. It’s a good thing I’m Russian. We’re used to hopeless situations.“ (Ivanova)

„As a young and foolish Centauri, I swore that I would die on my feet, doing something noble and brave and futile. Perhaps it was not so wild a dream as I thought. Or as foolish. It is better than waiting for the inevitable.“ (Londo)

„He’s looking for a purpose. But his destiny lies elsewhere“ (Delenn über Sinclair)

 

Die nächste Folge in meinem „Babylon 5“ Rewatch:
1.20 „Babylon Squared“

Babylon 5 – Episode 1.18 “A Voice in the Wilderness (Part 1)”

Wie auch schon zu Beginn des letzten Blogposts weise ich hier darauf hin, dass ich mich bei der Besprechung von „Babylon 5“ an die von Serienschöpfer J. Michael Straczynski (JMS) vorgeschlagene Episodenreihenfolge halte. Deshalb ging es letztes Mal um Episode 1.16 und nun um 1.18. Die erwähnte Reihenfolge könnt ihr ganz am Ende dieses Blogposts einsehen.

Episode 1.18 „A Voice in the Wilderness (Part1)“ („Angriff der Aliens (Teil 1)“)

Drehbuch: J. Michael Straczynski, Regie: Janet Greek
Erstausstrahlung: 27.07.1994 (USA), 01.12.1995 (Deutschland)

Der „Babylon 5“-Pilotfilm wurde bereits kurz nach seiner Ausstrahlung im Fernsehen in vielen Regionen auch als Videokassette und/oder auf Laserdisc veröffentlicht. In den USA liefen die Verkäufe eher schleppend, aber in einigen anderen Ländern – darunter Japan, Deutschland und England – entpuppte sich der Pilotfilm als Verkaufs- und Verleihschlager. Deshalb wurde Straczynski von Warner Bros. darum gebeten, für die erste Staffel eine Doppelfolge zu produzieren, die man ebenfalls als Videokassette in den Handel bringen konnte. Das Ergebnis ist also „A Voice in the Wilderness“ (mit dem schrecklichen deutschen Titel „Angriff der Aliens“), eine sehr unterhaltsame Geschichte voller Abenteuergeist, Humor und vielen schönen Charaktermomenten. In diesem Blogpost wird es allerdings nur um Teil 1 dieser Doppelfolge gehen.

Die Episode enthält mehrere Handlungsstränge, die ich nacheinander der Reihe nach durchgehen werde. Der Haupthandlungsstrang um den Planeten Epsilon 3 wird eigentlich erst zum Ende der Episode richitg spannend. Denn zunächst besteht diese Handlung einfach darin, dass ein Team von Geologen unter der Leitung von Dr. Tasaki (Jim Ishida) den Planeten mehrmals anfliegt, ohne dabei aber konkret Neues zutage zu fördern. Nur dass irgendetwas dort unten sein muss, das ist klar und weckt sogleich den Abenteuergeist von Sinclair und Ivanova. Weil auf dem Planeten möglicherweise bisher unentdecktes intelligentes Leben existiert und somit die Möglichkeit des ersten Kontakts zu einer neuen Spezies besteht, fliegen die beiden selbst nach unten. Sie entdecken riesige technische Anlagen, die offenbar von einer unbekannten und sehr fortschrittlichen Spezies gebaut worden sein müssen – und ein Alien (Curt Lowens), das offenbar in einer Art Interface in Verbindung zu dieser riesigen Maschine steht. Das Wesen – das zuvor bereits Sinclair und Londo auf der Station erschienen ist – fleht um Hilfe, sodass Sinclair und Ivanova es befreien und mit dem Shuttle nach Babylon 5 bringen. Als sie auf dem Weg zurück zur Station sind, öffnet sich das Hyperraumsprungtor und ein großes Raumschiff erscheint, das wir jedoch noch nicht sehen. Stattdessen endet die Episode mit einem „What the hell…!?“ von Garibaldi und der Einblendung „to be continued“.

Jetzt wo ich die Quintessenz dieses Handlungsstrangs zusammengefasst habe, fällt mir auf, dass ich die anderen Handlungselemente der Folge eigentlich viel interessanter fand. Zugegeben, wenn man die Episode zum ersten Mal sieht, ist die Erkundungstour von Sinclair und Ivanova auf Epsilon 3 durchaus spannend. Aber bis zum Ende passiert hier genau genommen nicht viel und selbst dann wissen wir noch kaum etwas über den Planeten, seinen mysteriösen Bewohner und die großen Maschinen oder Computeranlagen dort. Besonders viel gibt es hier also noch gar nicht zu besprechen und auch all die momentan noch offenen Fragen werde ich in diesem Blogpost nicht noch einmal auflisten, da viele davon in der zweiten Hälfte der Geschichte beantwortet werden. Diesem Teil der Geschichte werde ich mich also im nächsten Blogpost ausführlicher widmen.

In einer Nebenhandlung wird wieder aufgegriffen, was in der letzten Folge erwähnt worden ist: die Unabhängigkeitsbewegung auf dem Mars ist inzwischen zu einer offenen Revolte ausgewachsen. ISN berichtet von gewalttätigen Aufständen, was nicht nur Sinclair und Ivanova Sorgen macht, sondern ganz besonders Garibaldi. Dieser hat nämlich, wie wir in dieser Folge erfahren, seine Freundin Lise Hampton auf dem Mars zurückgelassen, als er Sinlcairs Angebot angenommen hat, Sicherheitschef auf Babylon 5 zu werden. Weil nun aber sämtliche Kommunikationskanäle zum Mars unterbrochen sind, bittet er Talia Winters (Andrea Thompson) um Hilfe. Die soll über einen (eigentlich geheimen) Posten des PsiCorps auf dem Mars eine Verbindung zu Lise herstellen. Dies gelingt ihr zwar nicht, aber sie erfährt zweierlei: Zum einen, dass die gute Organisation und Bewaffnung der „Free Mars“-Bewegung viele überrascht hat und zum anderen, dass Lise nicht auf der Liste der Überlebenden des Aufstands steht. Das verstärkt Garibaldis Sorge natürlich nur noch, aber auch hier müssen wir die nächste Episode abwarten, um Gewissheit zu erlangen. Dieser Handlungsstrang verbindet jedenfalls geschickt das persönliche Schicksal einer der Hauptfiguren mit dem größeren Universum, in dem „Babylon 5“ spielt.

Zu einem dritten Handlungsstrang fasse ich nun die Geschehnisse um Delenn (Mira Furlan), ihren Besucher Draal (Louis Turenne) und Londo (Peter Jurasik) zusammen. Noch ziemlich zu Beginn der Episode gibt es eine Szene, in der Commander Sinclair als Mediator bei Verhandlungen zwischen Londo und Delenn fungiert. Nachdem man zu einer erfolgreichen Einigung gekommen ist, findet folgender Dialog statt, den ich hier komplett zitieren möchte:

Londo: „What a pleasure it is to deal with someone reasonable. Negotiations are so much more enjoyable when certain individuals are not here to interfere.“
Delenn: „I would suggest that there is a difference between being unreasonable and being angry. Ambassador G’Kar is angry much of the time, but even the greatest anger fades with time.“
Londo: „My dear Ambassador Delenn, I am sure that for you this is true. But for G’Kar and his people, they will do all that they can to destroy us, until the universe itself decays and collapses. If the Narns all stood together in one place and hated, all at the same time, that hatred could fly across dozens of light years and reduce Centauri Prime to a ball of ash. That’s how much they hate us.“
Sinclair: „You don’t have to respond in kind.“
Londo: „Of course we do. It is a natural law. Physics tell us that for every action there mus be an equal and opposite reaction. They hat us, we hate them, they hate us back… And so, here we are, victims of mathematics. (Er steht auf; zu Delenn) Ambassador.“ (Londo verlässt den Raum)
Sinclair (seufzt): „He never listens.“
Delenn: „He will. Sooner or later.“
Sinclair: „How can you be sure?“
Delenn: „Because the alternative is too terrible to consider. Without the hope that things will get better, that our inheritors will kow a world that is fuller and richer than our own, life is pointless and evolution is vastly overrated. Good day, Commander.“

Diese Szene stellt nicht nur eines von mehreren Beispielen für die typischen, bedeutungsschwangeren Mono- und Dialoge von JMS dar, sie erzählt uns auch so einiges über die Figuren – nicht nur über die drei anwesenden. Delenn bezeichnet G’Kar, der in dieser Folge gar nicht vorkommt, als wütend – eine Charakterisierung, der ich zustimmen würde. Der Zorn auf die Centauri wegen der Gräueltaten, die sie seinem Volk angetan haben, macht einen Großteil von G’Kars Charakter aus und bildet die zentrale Motivation für seine Taten in der ersten Staffel. Das wird sich ändern – so viel kann man verraten, ohne zu spoilern -, doch bis jetzt wird G’Kar noch als ziemlich eindimensionaler Bösewicht gezeichnet, der um jeden Preis Rache an den Centauri nehmen will. Erste Ausnahmen waren höchstens „Mind War“ und „By Any Means Necessary“, wo man überraschend eine weise, spirituelle Seite G’Kars zu sehen bekam.

Londo zeigt sich hier einmal mehr von einer äußerst starrköpfigen und uneinsichtigen Weise. Er ist nicht nur davon überzeugt, dass das gesamte Volk der Narn alle Centauri abgrundtief hasst, sondern auch davon, dass die einzige mögliche Reaktion darauf ebenso großer Hass von Seiten der Centauri sein kann. Seine Argumentation, dies sei ein „Naturgesetz“ und sie alle seien ganz einfach „Opfer der Mathematik“, scheint alles andere als einleuchtend zu sein und verstärkt nur noch den Eindruck, der Centauri-Botschafter wolle seine in einfache Gegensätze aufgeteilte Weltsicht gar nicht hinterfragen. Denn natürlich hat Sinclair recht, die Centauri sind keineswegs gezwungen, auf den Hass der Narn ebenso mit Hass zu antworten. Zwar erscheint Londo durch seine Aussage in dieser Szene ganz besonders dämlich, aber man muss bedenken, dass er – genau wie G’Kar – vor dem Hintergrund einer Jahrhunderte alten Geschichte des Hasses zwischen diesen beiden Völkern aufgewachsen ist. So etwas lässt sich nicht von heute auf morgen abschalten.

Delenn wiederum, die als Minbari nicht direkt an diesem Konflikt beteiligt ist, hat ein idealistisches – viele würden auch sagen: naives – Weltbild. Sinclair gegenüber äußert sie ihre Überzeugung, Londo werde früher oder später schon noch ein Einsehen haben und auf die Narn zugehen. Von Sinclair nach dem Grund für ihren Optimismus gefragt, erwidert sie die Alternative sei ganz einfach zu schrecklich. Ohne den Glauben daran, dass sich die Dinge zum Guten wenden und nachfolgende Generationen eine bessere  Welt erleben werden, sei das eigene Leben sinnlos. Damit hat sie meiner Meinung nach recht, allerdings vereinfacht ihre Sicht die Dinge fast ebenso sehr wie Londos. Dass es immer wieder Rückschläge gibt, dass viel zu viele Personen ganz anders denken, das zieht sie hier nicht in Betracht. Während Londo hier mit seinem blanken Hass für das eine und Delenn mit ihrem naiven Idealismus für das andere Extrem steht, scheint Sinclairs Rolle die des zweifelnden (und an der Realität verzweifelnden) Realisten zu sein. Es wird jedenfalls spannend sein, die Figuren und die von ihnen vertretenen Positionen weiter zu verfolgen.

Als Delenn zu ihrem Quartier zurückkehrt, erhält sie Besuch von ihrem alten Freund und Mentor Draal. Die Wiedersehensfreude ist groß, doch später berichtet Draal von Entwicklungen auf Minbar, die ihm große Sorgen bereiten: „There is a sense that we are lost, drifting. In the streets, in the temples, you can hear it in their voices, their manner. An anger just beneath the surface, a growing dissatisfaction, a self-involvement above the needs of others. It is not the same world in which I was born, Delenn. Not the same world at all.“ Zwar erwähnt er noch die zunehmende Entfremdung zwischen der Kriegerkaste und der religiösen Kaste, doch konkreter werden seine Befürchtungen nicht. Man sollte diese Worte aber im Hinterkopf behalten, auch wenn es zugegeben ein ganz schönes Stück dauern wird, bis sie in der Serie wieder aufgegriffen werden.

Als Delenn Draal nach dem Grund seines Besuchs fragt, wird er erneut ernst und kündigt an „I am going to the sea.“ Delenn ist entsetzt, während der Zuschauer hier nicht so recht weiß, was er mit diesen Worten anfagen soll – will Draal nun Seefahrer werden? Doch er fährt fort: „I hear the call of the stars, Delenn. I must answer.“ Er fügt hinzu, dass er und Delenn sich nicht wiedersehen werden. Was also bedeutet seine Aussage? JMS hat für „Babylon 5“ immer wieder Anleihen bei Tolkiens „Der Herr der Ringe“ genommen; in diesem Zusammenhang könnte man Draals Aussage, er wolle zur See fahren und werde Delenn nicht wiedersehen, hier als Ankündigung seines Todes interpretieren, so wie man auch die Reise der Elben mit Frodo am Ende von „Die Rückkehr des Königs“ als Reise ins Jenseits interpretieren kann.

Bevor es so weit ist, statten Draal und Delenn aber noch Londo einen Besuch ab, der inzwischen ganz andere Sorgen hat als den Kreislauf des Hasses zwischen Narn und Centauri. Während es in der letzten Folge Lennier war, der sich von einem bestimmten Aspekt der menschlichen Kultur fasziniert zeigte, erweist sich nun auch Londo als Hobby-Ethnologe. Seine Entrüstung darüber, dass ein altes menschliches Kinderlied keinen Sinn ergibt, ist köstlich und zeigt zweierlei: Zum einen, dass Londo hier die falsche Frage stellt und zwanghaft an der falschen Stelle nach Sinn sucht. Diesen wird er nämlich nicht im Text eines so simplen Liedes finden, sondern in der Funktion die das Lied innerhalb der Kultur erfüllt. Zum anderen wird hier deutlich, dass das Erzählen von Geschichten im Science Fiction-Genre ein hervorragendes Mittel darstellt, um das Eigene, Menschliche aus einer anderen Perspektive zu betrachen, so wie Londo es hier tut, für den menschliche Verhaltensweisen ebenso fremd wie faszinierend sind. Darauf angesprochen, wie er auf die Idee kam, Londo „Hokey Pokey“ analysieren zu lassen, antwortete JMS, er habe sich dazu ganz einfach selbst in die Situation eines Außerirdischen versetzt, der versucht, uns Meschen zu verstehen. Wenn man einen Schritt zurück trete, werde schnell klar, dass wir eine Menge seltsames Zeug tun. Was Londo über das Lied und dessen inhaltliche Bedeutung sage, treffe vollkommen zu.

Überhaupt ist es vielleicht Londo, über den wir in dieser Episode am meisten erfahren. Neben den beiden angesprochenen Szenen, in denen er sich von zwei höchst unterschiedlichen Seiten zeigt, heitert er auch noch den deprimierten Garibaldi an der Bar auf. Einmal mehr wird damit die Freundschaft zwischen den beiden etabliert. Insgesamt hat die Episode sowohl einige sehr ernste als auch sehr lustige Szenen zu bieten – und obendrein noch den spanneden Plot um Epsilon 3. Hier zeigt sich „Babylon 5“ als Space Opera im besten Sinne und JMS‘ Plan, einen unterhaltsamen Zweiteiler zu schreiben, der sowohl die Handlung der Serie voranbringt als auch für sich allein stehend genossen werden kann, scheint aufgegangen zu sein. Ein endgültiges Urteil darüber werde ich mir aber für die Besprechung des zweiten Teils aufheben.

Highlight der Episode: Londos Monolog über das „Hokey Pokey“-Kinderlied, das ihn so sehr beschäftigt:

„6000 years of recorded history. A history that includes remarkable composers, astonishing symphonies, but what is the one song that half of them sing to their children, generation after generation? (er singt) ‚You put your right hand in, you put your right hand out, you put your whole self in, and you turn yourself about. You do the hokey pokey, you give a little shout, that’s what it’s all about.‘ It doesn’t mean anything. I’ve been studying it for seven days. I had the computer analyze it. I swear to you, it does not mean a thing!“

Londo/G’Kar-Moment: Es ist beeindruckend, dass G’Kar in dieser Folge charakterisiert wird, obwohl er gar nicht zu sehen ist. Die oben erwähnte Szene, in der Delenn und Londo über ihn reden, dient dazu, die Beziehung zwischen Londo und G’Kar sowie zwischen ihren beiden Völkern weiter auszubauen.

Folgende (weitere) wichtige Informationen, die für den weiteren Verlauf der Serie wichtig sind, erhalten wir in dieser Episode:

  • Das PsiCorps scheint nicht nur einfach eine Organisation zur Ausbildung und Kontrolle von Telepathen zu sein, sondern so etwas wie ein eigener Geheimdienst. Jedenfalls unterhält es geheime Operationen wie die auf dem Mars, wo Aufklärungsarbeit betrieben wird.

Sonstige Fragen: Die Fragen, die sich nach dieser Episode stellen, werden zu einem großen Teil in der nächsten Folge beantwortet. Ich liste sie deshalb hier nicht alle auf.

Weitere interessante Punkte:

  • Wir erfahren mehr über Garibaldi. Dass er ein alles andere als leichtes Leben hatte, wurde schon mehrmals angedeutet. Hier erzählt er, dass er von vier verschiedenen Jobs gefeuert wurde, bevor er Arbeit auf dem Mars fand.
  • Der Gag, bei dem sich Talia zu Beginn der Episode beschwert, in jeder Transportröhre, in die sie steigen wolle, warte Garibaldi auf sie, wurde über mehrere Folgen hinweg vorbereitet. Unter anderem sieht man Garibaldi und Talia in „Mind War“ gemeinsam in einer Transportröhre fahren, als Talia Garibaldis Gedanken wahrnimmt und ihm vor dem Aussteigen ihren Ellbogen in die Rippen haut.
  • Ein weiteres Mal werden wir darauf hingewiesen, dass Garibaldi als trockener Alkoholiker stets Wasser trinkt, als Londo an der Bar Garibaldis Glas nimmt, an dessen Inhalt riecht und sagt: „Water. Fascinating. I never touch the stuff myself.“
  • Im Gespräch zwischen Delenn und Draal werden erneut die Krieger- und die religiöse Kaste der Minbari erwähnt. Die Arbeiterkaste wird – genau wie in „Grail“ – komplett ignoriert.

Interessante „Hinter den Kulissen“-Fakten:

  • Diese erste Episode sollte ursprünglich übrigens enden, nachdem Sinclair und Ivanova von dem Alien in der Maschine mit den Worten „Help me! Or your people, all your people will die!“ gewarnt worden sind. Weil die Episode aber etwas zu kurz war, fügte man unter anderem noch die Szene am Ende hinzu, sodass wir nun mit Garbiladis „What the….!?“ beim Anblick eines riesigen Raumschiffs entlassen werden.

Zitate:

Ivanova: „This doesn’t worry you in the slightest?“
Dr. Tasaki: „On the contrary. It scares the hell out of me. But what better way to go out than in the cause of advancing scientific knowledge?“
Ivanova: „Is this a multiple choice question? Because I have some ideas.“

„On your trip back, I’d like you to take the time to learn the Babylon 5 mantra: Ivanova is always right. I will listen to Ivanova. I will not ignore Ivanova’s recommendations. Ivanova is God. And if this ever happens again, Ivanova will personally rip your lungs out.“ (Ivanova zu Dr. Takasaki)

„Now I go to spread happiness to the rest of the station. It’s a terrible responsibility, but I have learned to live with it.“ (Londo zu Garibaldi)

„It’s a Russian thing. When we’re about to to something stupid, we like to catalog the full extent of our stupidity for future reference.“ (Ivanova)

 

Die nächste Folge in meinem „Babylon 5“ Rewatch:
1.19 „A Voice in the Wilderness (Part 2)“

Babylon 5 – Episode 1.15 “Grail”

Langsam aber sicher schaue und schreibe ich mich durch die erste Staffel von „Babylon 5“ und bin nun bei der 14. Folge angekommen. Ja, richtig gelesen: Obwohl es sich bei „Grail“ auf den DVDs (und bei der TV-Ausstrahlung) um Episode 1.15 handelt, schaue ich die Serie wie beim letzten Mal erwähnt in der von Serienschöpfer J. Michael Straczynski (JMS) empfohlenen Reihenfolge an, die vor allem in der ersten Staffel eine deutlich andere ist. Die genaue Reihenfolge könnt ihr ganz am Ende meines letzten Blogposts nachlesen. Die nächste Folge, die ich im Blog besprechen werde, wird dann Episode 1.16 sein.

Bevor ich nun zur aktuellen Episode komme, habe ich aber noch einen äußerst erfreulichen Hinweis: Es gibt ihn endlich, den ersten deutschsprachigen „Babylon 5“-Podcast. Er heißt „Der graue Rat“ und wurde von den langjährigen B5-Fans Raphael und Sascha ins Leben gerufen. Eine Einführungsepisode ist bereits online und demnächst gibt’s die Besprechung des Pilotfilms. Es kann gut sein, dass ich auch mal als Gast im Podcast zu hören sein werde. (Eine Übersicht über englischsprachige Podcasts zur Serie findet ihr übrigens hier.) Und nun ab durchs Hyperraumsprungtor zur Besprechung der Episode…

Episode 1.15 „Grail“ („Der Gral“)

Drehbuch: Christy Marx, Regie: Richard Compton
Erstausstrahlung: 06.07.1994 (USA), 12.11.1995 (Deutschland)

Die Ausgangssituation dieser Episode ist im Grunde dieselbe wie bei der letzten Folge – ein Besucher kommt an Bord der Station, um die Botschafter der außerirdischen Regierungen zu befragen. Im Gegensatz zu „Signs and Portents“ ist „Grail“ aber in erster Linie eine in sich abgeschlossene Geschichte, die nur wenig Relevanz für den großen story arc aufweist, auch wenn sich natürlich ein paar Verweise und Anspielungen auf Vergangenes (und Zukünftiges) finden lassen.
Mit Aldous Gajic (David Warner) kommt ein „wahrer Suchender“ an Bord der Station, so drückt es jedenfalls Delenn aus. Garibaldi dagegen rollt mit den Augen, als Aldous unmittelbar nach seiner Ankunft mitteilt, er sei auf der Suche nach dem heiligen Gral. Gajic ist der letzte Anghörige eines Ordens, dessen Mitglieder seit tausenden von Jahren nach dem Gral suchen. Da dieser auf der Erde bislang nicht gefunden wurde, ist die Suche inzwischen auf andere Planeten ausgeweitet worden. Auch Sinclair ist zunächst skeptisch, sehr zur Überraschung von Delenn. Es spiele keine Rolle, ob der heilige Gral tatsächlich existiere, erklärt sie Sinclair. Allein die Tatsache, dass Aldous Gajic sein ganzes Leben der Suche nach dem Gral verschrieben habe, mache ihn zu einer Person, der man hohen Respekt erweisen müsse. Sein unerschütterlicher Glaube und seine fortwährende Suche seien äußerst bewundernswert (siehe Zitate). Sinclair erwidert, er wünsche Gajic Glück bei seiner Suche, schließlich sei er wahrscheinlich der einzige „wahre Suchende“ unter den Menschen. Delenn antwortet darauf kryptisch: „Then perhaps you do not know yourself as well as you think.“ Das sollte man im Hinterkopf behalten…
Aldous Gajic wird von dem britischen Charakterdarsteller David Warner gespielt, der vor allem für seine Darstellung von Bösewichten bekannt ist und in zahlreichen Filmen, Serien, Videospielen und Theaterstücken zu sehen und/oder hören war. Hier darf er als sanfter und in sich ruhender Suchender so etwas wie würdevolle Autorität ausstrahlen, aber besonders viel kommt davon bei mir nicht an. Der Rest der Episode macht das nicht besser: Die banale Handlung um Thomas „Jinxo“ Jordan (Tom Booker), der dem fiesen Deuce (William Sanderson) Geld schuldet, ist ziemlich uninteressant. Zum Zeitpunkt der Erstausstrahlung mag das von Deuce eingesetzte Monster in seiner ganzen CGI-Pracht noch beeindruckt haben (siehe „Hinter den Kulissen“), heute sieht es einfach nur lächerlich aus.

Ihr merkt schon, ich habe keine Lust mehr, die Episode hier weiter nach zu erzählen (das würde sich wahrscheinlich sowieso nicht besonders spannend lesen). Ich konzentriere mich also auf ein paar Punkte, die mir erwähnenswert scheinen: Tom Booker leistet als Jinxo meiner Meinung nach schauspielerisch keine besonders gute Arbeit, dafür habe ich mich aber gefreut, William Sanderson hier zu sehen. Der Mann hatte schon damals eine lange Karriere in Film und Fernsehen; ich kenne ihn unter anderem aus „Blade Runner“ und „True Blood“.
Für alle, die den Pilotfilm verpasst haben, wiederholt Jinxo in dieser Folge noch einmal, was mit den ersten vier Babylon-Stationen passiert ist. Die ersten drei wurden durch Sabotageakte noch vor der Fertigstellung zersört, während Station Nummer vier kurz nach ihrer Inbetriebnahme einfach verschwand und seitdem nie wieder gesehen wurde. Auch das sollte man im Hinterkopf behalten…
Delenn versichert Aldous, sie werde Informationen über den Gral sofort an ihn weiterleiten. Auch Londo stattet der Suchende einen Besuch ab, doch der Centauri-Botschafter erweist sich als weniger entgegenkommend und sieht in Adlous‘ Gesuch vor allem eine Möglichkeit, Profit zu schlagen. Doch seinem Assistenten Vir ist Profitsucht fast vollkommen fremd; naiv und „effizient“, wie er es bezeichnet, händigt er Aldous alle Informationen aus, die er in den Datenbanken der Centauri zum Gral finden konnte. Die Darstller von Londo und Vir – Peter Jurasik und Stephen Furst – sind im Zusammenspiel wunderbar und zusammen mit der passenden Musik ergibt sich hier eine herrliche Comedy-Szene (allerdings sehen Virs Haare in dieser Episode schrecklich aus).
Auch wenn wie gesagt von der Würde und Autorität von Aldous Gajic bei mir nicht besonders viel ankommt, so ist diese Figur doch typisch für „Babylon 5“. Aldous ist nicht nur ein Suchender, sondern auch ein Idealist, der nicht aufgibt. Seine Suche nach dem Gral steht für die Suche nach dem Sinn im Leben auf der wir alle sind. Auch fast alle Charaktere in „Babylon 5“ sind auf dieser Suche. Londo beispielsweise glaubt, Erfüllung nur darin finden zu können, seiner Heimatwelt ihre alte Bedeutung wiederzugeben oder es zumindest zu versuchen. Sinclair dagegen scheint sich noch gar nicht bewusst zu sein, was seine Bestimmung ist und auf welchen Weg er sich begeben soll. Doch wie oben schon erwähnt hält Delenn auch ihn für einen wahren Suchenden, der nur noch nicht weiß, auf welcher Reise er sich befindet. In der Szene mit Delenn-Darstellerin Mira Furlan am Ende der Episode kann Michael O’Hare als nachdenklicher, zweifelnder und Hilfe suchender Sinclair jedenfalls voll und ganz überzeugen und es wird nachvollziehbar, warum gerade er als Sinclair gecastet wurde.

Highlight der Episode: Die Gerichtsverhandlung am Anfang, bei der ein Mensch ein Alien verklagt, weil dessen Großvater einst seinen Großvater entführt haben soll. Diese Szene wurde von JMS in die Folge eingefügt, da das Drehbuch von Christy Marx etwas zu kurz geraten war. JMS zufolge gewann übrigens der Mensch den Fall, aber die Entschädigung, die ihm zugesprochen wurde, war nur minimal.

Londo/G’Kar-Moment: G’Kar kommt in der Episode leider nicht vor, dafür spielt Garibaldi Londo aber einen bösen Streich und macht ihm Angst vor dem Na’ka’leen Feeder.

Folgende (weitere) wichtige Informationen, die für den weiteren Verlauf der Serie wichtig sind, erhalten wir in dieser Episode:

  • Aldous fragt Delenn, ob die zwei Seiten ihrer Kultur (gemeint sind die zwei Kasten, siehe „weitere interessante Punkte“) sich jemals auf eine Sache einigen können. „Yes“, antwortet Delenn. „And when they do, it is a terrible thing. A terrible power, as recent events have shown us.“ Damit spielt sie auf den Krieg zwischen den Minbari und den Menschen an, in dem die Minbari die Menschheit fast vernichtet hätten.
  • Sinclair informiert Kosh darüber über die Täuschung von Deuce. Als er Kosh sagt, einige Leute seien nervös, weil niemand genau wisse, wie Kosh aussehe, antwortet dieser einfach: „Gut.“

Sonstige Fragen:

  • Wir erleben die Reaktionen von Londo, Delenn und Sinclair auf Aldous Gajic und seine Mission, aber wie hätte G’Kar darauf reagiert? Hätte er in der Suche nach dem Gral einen noblen Akt oder lächerliche Zeitverschwendung gesehen?
  • Woher hatte Deuce eigentlich den täuschend echten Nachbau von Koshs Anzug? Kosh wird dafür ja wohl kaum Modell gestanden haben…

Weitere interessante Punkte:

  • Lennier erklärt Thomas und Aldous, dass es zwei Minbari-Kasten gibt. Tatsächlich erfahren wir später in der Serie, dass es drei Kasten gibt (religiöse, Krieger- und Arbeiterkaste). Warum spricht Lennier hier also nur von der religiösen und der Kriegerkaste? JMS hat sich wohl erst im Verlauf der Serie dazu entschlossen, die Kultur und Weltanschauung der Minbari um die Zahl Drei herum aufzubauen. Wir werden in den späteren Staffeln jedenfalls Angehörige aller drei Kasten zu sehen bekommen.
  • Als Thomas am Ende der Episode Aldous‘ Nachfolge als Suchender antritt, verlässt er die Station auf einem Raumschiff namens Mary Celeste. JMS bezeichnet diese Tatsache als ein Beispiel „wirklich perversen Humors“, denn bei der Mary Celeste handelt es sich um ein berühmtes Geisterschiff. Es wurde 1872 im Atlantik treibend aufgefunden, ohne Hinweise auf den Verbleib der Crew. Da kann man nur hoffen, dass die Mary Celeste mit „Jinxo“ an Bord heil an ihr Ziel kommen wird…
  • Zum ersten Mal haben wir hier einen Fall von „mind wiping“, also kompletter Gedächtnislöschung. Dr. Franklin berichtet, man werde der Frau, die Opfer des Feeders geworden ist, all ihre Fähigkeiten neu beibringen müssen wie einem kleinen Kind.

Interessante „Hinter den Kulissen“-Fakten:

  • Aldous Gajic trägt denselben Nachnamen wie der Ehemann von Delenn-Darstellerin Mira Furlan, Goran Gajić.
  • Mr. Flinn, der in der Gerichtsszene das Alien verklagt (siehe „Highlight der Episode“), wird vom Kameramann der Serie gespielt, John C. Flinn III. Dieser war bereits früher immer wieder als Schauspieler tätig gewesen, war zu diesem Zeitpunkt jedoch lange nicht mehr vor der Kamera gestanden. Da JMS die Figur im Drehbuch jedoch Flinn genannt und bereits allen Crewmitgliedern mitgeteilt hatte, dass John Flinn die Rolle übernehemen werde, konnte er sich nicht mehr aus der Affäre ziehen und musste die kleine Rolle übernehmen.
  • „Grail“ ist die letzte Episode, bei der Richard Compton Regie geführt hat. Compton war als Regisseur für den Pilotfilm und insgesamt fünf Folgen der ersten Staffel verantwortlich.
  • Wenn auch der „Na’ka’leen Feeder“ wie gesagt heute einfach nur noch billig aussieht, so war eine solche computergenerierte Figur damals fürs Fernsehen geradezu revolutionär. Je nachdem, welcher Quelle man glaubt, brauchten die Computer von Foundation Imaging damals ein bis zwei Wochen, um die Kreatur zu rendern.
  • Am Anfang der Episode setzt Deuce Thomas ein Zeitlimit von „300 cycles“. Diese „Umdrehungen“ sollten anfangs als Zeiteinheit auf Babylon 5 verwendet werden, doch JMS entschied sich schnell wieder um, da die Zuschauer mit dieser Zeitangabe nicht viel anfangen können. In zukünftigen Episoden werden Umdrehungen der Station nicht mehr als Zeiteinheit verwendet.

Zitate:

Delenn: „Among my people, a true seeker is treated with the utmost reverence and respect. It doesn’t matter that this Grail may or may not exist. What matters is that he strives for the perfection of his soul and the salvation of his race. That he has never wavered or lost faith.“

Sinclair: „One person’s lunatic is another person’s true seeker.“
Garibaldi: „You’ve been hanging around with Delenn too much.“

Londo: „Fools to the left of me, feeders to the right. I need to find a real job!“

Ivanova: „No boom today. Boom tomorrow. There’s always a boom tomorrow.“

 

Die nächste Folge in meinem „Babylon 5“ Rewatch:
1.16 „Eyes“

Babylon 5 – Episode 1.13 „Signs and Portents“

Nach einigen Monaten Pause geht mein Rewatch von „Babylon 5“ nun endlich weiter. Ich hatte die lange Pause nicht geplant, sie hat sich einfach so ergeben. Aber es eilt ja nicht.
Einen organisatorischen Hinweis habe ich an dieser Stelle noch: Ich werde die Serie im Verlauf des Rewatch nicht in der auf den DVDs vorgegebenen Reihenfolge anschauen, sondern in der von J. Michael Straczynski (JMS) empfohlenen Reihenfolge. Diese entspricht im Großen und Ganzen der hier aufgelisteten Episodenabfolge, allerdings mit dem Unterschied, dass ich einige der „Babylon 5“-Fernsehfilme erst nach dem Ende der Serie anschauen und besprechen werde, auch wenn sie chronologisch zum Teil während der Serienhandlung einzuordnen sind. So macht des dramaturgisch und spannungstechnisch mehr Sinn – zumindest wenn man die Serie zum ersten Mal anschaut (und ich werde mich bemühen, die Blogposts weiterhin frei von größeren Spoilern zu halten). Ganz besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass ich natürlich nicht mit dem Film „In The Beginning“ begonnen habe, wie es die Liste vorschlägt. Zwar ist der Film ein Prequel, spielt also vor der Serienhandlung, doch spoilert er entscheidende Elemente der Serie und sollte frühestens in der Mitte der vierten Staffel angeschaut werden.

Die Reihenfolge der Serienepisoden auf den DVDs (und bei der Fernsehausstrahlung) entspricht in einigen Fällen nicht der von den Serienmachern beabsichtigten Reihenfolge. Die meisten Veränderungen in der Reihenfolge finden sich in der zweiten Hälfte der ersten Staffel. Im nächsten Blogpost werde ich deshalb nicht Episode 1.14 beprechen, sondern 1.15 („Grail“ / „Der Gral“). Ganz am Ende dieses Blogposts findet ihr die Reihenfolge, in der ich die erste Staffel anschauen werde. Alle Änderungen gegenüber den DVDs sind dort hervorgehoben.
Jetzt aber genug der langen Vorrede und weiter mit der aktuellen Episode:

Episode 1.13 „Signs and Portents“ („Visionen des Schreckens“)

Drehbuch: J. Michael Straczynski, Regie: Janet Greek
Erstausstrahlung: 18.05.1994 (USA), 29.10.1995 (Deutschland)

„Signs and Portents“ ist eine der wichtigsten Episoden und eine meiner Lieblingsfolgen aus der ersten Staffel. Die zentrale Bedeutung der Episode für die Serienhandlung lässt sich schon daran ablesen, dass ihr Titel zugleich auch der Titel der gesamten ersten Staffel ist. (Im Deutschen hat man der Staffel den Titel „Zeichen und Wunder“ gegeben, was näher am Original und auch auf jeden Fall passender ist als „Visionen des Schreckens“. Bei den kommenden Staffeln hat man da leider nicht mehr mitgedacht, so dass die Staffeln 3 und (ganz besonders) 4 leider Titel tragen, die nicht zu den episodenübergreifenden Inhalten und Themen der Staffeln passen.)
Mit dem charismatischen, aber unheimlichen Mr. Morden (Ed Wasser) betritt in dieser Folge erstmals eine wichtige Figur die Station, die wir im Verlauf der Serie noch öfter sehen werden. Von Anfang an umgibt ihn eine Aura des Mysteriösen und Bedrohlichen. Als er bei der Passkontrolle gefragt wird, ob er bei seiner mehrere Jahre dauernden Forschungsreise am äußeren Rand der Galaxis etwas Interessantes gefunden habe, antwortet er schlicht mit „Ja“. Nicht nur Mordens Hintergrund, sondern auch der Zweck seines Aufenthaltes auf Babylon 5 sind dem Zuschauer auch nach dem Ende der Episode noch ein Rätsel: Nacheinander sucht er die Botschafter der außerirdischen Regierungen auf, um ihnen eine einfache, aber absurd wirkende Frage zu stellen: „What do you want?“
Narn-Botschafter G’Kar (Andreas Katsulas) ist der Erste, den Morden aufsucht. Nachdem er von Mordens sinnlos wirkender Frage zunächst genervt ist und antwortet, er wolle ganz einfach von ihm in Ruhe gelassen werden, öffnet er ihm sich schließlich doch und gibt eine ausführlichere und ehrliche Antwort: Er will Rache an den Centauri für die Verwüstung seiner Heimatwelt, er will es ihnen gleichtun und auch ihren Planeten verwüsten und sie komplett auslöschen. „And then what?“, fragt Morden. „I don’t know“, antwortet G’Kar. „As long as my homeworld’s safety is guaranteed, I don’t know that it matters.“ Damit hat Morden genug gehört und lässt G’Kar wieder allein. Dessen Antwort sagt eine Menge über ihn aus: G’Kar ist getrieben vom Gedanken der Rache an den Centauri. Zwar bekleidet er eine diplomatische Position auf Babylon 5, doch sein Handeln wird vor allem von Hass getrieben – dem Hass auf die Centauri. Um sich an ihnen zu rächen, ist ihm jedes Mittel recht. Darüber hinaus scheint er aber zu diesem Zeitpunkt keine weiteren Ambitionen zu haben – und ohne zu viel zu verraten: genau das ist es wohl, was ihn für Morden letztlich nicht interessant macht.
Weitaus mysteriöser und rätselhafter für den Zuschauer gestaltet sich Mordens Termin bei der Minbari-Botschafterin Delenn (Mira Furlan). Während sie mit ihm spricht, arbeitet sie an einem seltsamen Gebilde, das aussieht, als sei es aus bunten Glasscheiben zusammengesteckt. Von Anfang an wirkt sie Morden gegenüber misstrauisch, wird dann plötzlich offen feindselig und wirft ihn energisch aus ihrem Quartier. Während auf einmal ein dunkler Schatten über Morden fällt, leuchtet auf Delenns Stirn ein dreieckiges Symbol auf, welches sie rasch mit ihrer Hand verdeckt. Nachdem Morden gegangen ist, murmelt sie entsetzt „They’re here.“ Doch wen meint sie damit und was bedeutet das alles?

Die Hauptperson der Episode ist zweifellos Londo Mollari (Peter Jurasik). Schon im Pilotfilm wurde etabliert, wie sehr der Centauri-Botschafter den glorreichen alten Zeiten der Republik nachtrauert. Nun ist es ihm gelungen, das „Auge“ in seinen Besitz zu bringen, einen lange verschollenen Kunstgegenstand, der sich bereits im Besitz des ersten Imperators befand. Das Auge soll dabei helfen, die Autorität des politisch geschwächten Imperators zu stärken und so der Centauri-Republik etwas von ihrer alten Stärke zurückzugeben.
Londo empfängt Lord Kiro (Gerrit Graham) und dessen Tante Lady Ladira (Fredi Olster) auf Babylon 5. Kiro soll das Auge zurück nach Centauri Prime bringen und dem Imperator übergeben. Gleich nach ihrer Ankunft auf der Station hat Lady Ladira, die über hellseherische Fähigkeiten verfügt, eine Vision von „Tod, Zerstörung und Feuer“. „Babylon will fall, this place will be destroyed“, teilt sie Londo und Kiro mit. Damit bezieht sie sich allerdings nicht auf den Angriff der Raiders auf die Station, der in dieser Folge stattfindet. Am Ende der Episode lässt sie Sinclair (Michael O’Hare) – und mit ihm den Zuschauer – durch eine telepathische Verbindung an ihrer Vision teilhaben: Wir sehen, wie Babylon 5 explodiert, während ein einzelnes Raumschiff die Station noch rechtzeitig verlässt. JMS wurde nach der Ausstrahlung der Episode gefragt, ob das hier gezeigte Ende der Raumstation nicht viel zu viel verrate. Doch JMS war der Ansicht, dass es eines der Hauptelemente jedes Dramas sei, dem Zuschauer (bzw. Leser) Informationen zu geben, über die die Figuren in der Geschichte noch nicht verfügen. Die Spannung ergebe sich dann daraus, dass man zwar wisse, was passieren wird, jedoch noch unklar sei, auf welche Weise dies geschehen würde (vgl. Asked & Answered Part 4, S. 1559). Ohne an dieser Stelle zu viel zu verraten (ich will ja nicht spoilern): Lady Ladiras Vision enthält tatsächlich viel Wahres. Gleichzeitig sollte man aber auch ihre Bemerkung, die Zunkunft verändere sich ständig, im Hinterkopf behalten. Denn dies lässt sich auch auf die Produktionsgeschichte von „Babylon 5“ beziehen. Verschiedene äußere Umstände zwangen JMS im Verlauf der Produktion nämlich dazu, die Handlung der Serie und damit auch ihr Ende mehrmals umzuschreiben und an die äußeren Umstände (z.B. den Ausstieg von Darstellern) anzupassen. Lady Ladiras Vision entsprach tatsächlich dem von JMS damals geplantem Ende für die Serie – ein einzelnes Shuttle, das die exlodierende Station verlässt. Die Spannung ergab sich daraus, dass man als Zuschauer natürlich nicht wusste, wodurch Babylon 5 zerstört wird und wer sich an Bord des Shuttles befindet. Das tatsächliche Ende der Serie entsprach 1998 dann nicht mehr ganz Lady Ladiras Vision… Aber mehr will ich hier nicht verraten.
Lord Kiro nimmt die Visionen seiner Tante jedenfalls nicht ernst, schließlich habe sie an seinem ersten Geburtstag vorhergesagt, er würde eines Tages von Schatten getötet werden. Genau wie Londo will er die Republik zu ihrer alten Größe zurückführen. Er verspricht Londo, das Auge sicher nach Centauri Prime zu bringen und der Versuchung zu widerstehen, es bloß zum eigenen Vorteil einzusetzen. Wie wir am Ende der Episode herausfinden, war das gelogen.
Als Londo sich auf den Weg macht, Lord Kiro das Auge zu übergeben und ihn zu verabschieden, wird er von Mr. Morden abgefangen. Dieser stellt ihm die gleiche Frage, die er auch schon G’Kar und Delenn gestellt hat: „What do you want?“ Zunächst ist auch Londo genervt von Mordens Fragerei, doch als dieser nicht locker lässt, gibt auch Londo ihm eine ehrliche und ziemlich ausführliche Antwort. Wie sich am Ende der Episode herausstellt, scheint es genau die Antowrt gewesen zu sein, nach der Morden gesucht hat, anders als die Reaktionen von G’Kar und Delenn. Der Grund dafür, liegt – ohne zuviel zu verraten – darin, dass Londos Antwort genau die richtige Mischung an „resentment, nostalgia, ambition, frustration and a sense of displaced destiny“ zum Ausdruck kommen lässt, wie JMS angemerkt hat (vgl. Asked & Answered Part 4, S. 1560).

Die B-Story der Episode dreht sich mal wieder um Angriffe der schon aus „Believers“ oder „Midnight on the Firing Line“ bekannten Raiders. Sinclair, Garibaldi und Ivanova sind ratlos, wie die Raiders immer wieder so schnell zuschlagen und sofort wieder verschwinden können, schließlich können ihre kleinen Schiffe keine eigenen Hyperraumsprungtore öffnen. Als erneut ein Transportschiff von den Raiders angegriffen wird und um Hilfe ruft, schickt Sinclair das Delta-Geschwader unter dem Kommando von Ivanova los. Er kommt jedoch darauf, dass dieser Angriff nur ein Ablenkungsmanöver ist und beordert Ivanova zurück zur Station. Auf Babylon 5 fängt Sinclair Londo, Lord Kira und Lady Ladira ab, die sich in der Gewalt der Raiders befinden. Lord Kiro wird jedoch als Geisel genommen und die Raiders können mit ihm – und dem Auge – an Bord von Kiros Schiffes von der Station fliehen.
Kurz darauf wird das Rätsel um die Raiders gelöst: Ein großes „Mutterschiff“ taucht vor der Station auf, das all die kleineren Jäger in sich aufnehmen und ein eigenes Sprungtor schaffen kann. Es kommt zum Feuergefecht zwischen Babylon 5 und den Raiders. Zwar werden die meisten Jäger der Raiders vernichtet, doch das Mutterschiff nimmt das gekaperte Centauri-Schiff auf und springt in den Hyperraum. Lord Kiro und das Auge befinden sich nun endgültig in den Händen der Raiders, so scheint es jedenfalls.
Wir erfahren in einer der nächsten Szenen jedoch, dass Lord Kiro von Anfang an mit den Raiders zusammen gearbeitet hat. Diese halten sich nun aber nicht mehr an die zuvor getroffene Abmachung und wollen von der Centauri-Regierung Lösegeld für Lord Kiro und das Auge erpressen. Plötzlich taucht neben dem Raiders-Mutterschiff ein großes, schwarzes Schiff (wenn es denn ein Schiff ist!) auf. Es zerschneidet das Raiders-Schiff geradezu mit einem hellen Strahl. Die Raiders, Lord Kiro und das Auge scheinen nun Geschichte zu sein.

Doch in einer weiteren Wendung der Geschichte taucht Mr. Morden plötzlich wieder bei Londo auf. Offenbar hat er sich zu einer „Zusammenarbeit“ mit Londo entschlossen, der sein Glück gar nicht fassen kann, als Morden ihm das verloren geglaubte Auge zurück bringt. Warum Morden ihm überhaupt diesen Gefallen tut und wie er das Auge in seinen Besitz bringen konnte, fragt sich Londo in seiner Euphorie erst einmal nicht. Beim Zuschauer bleibt allerdings der dringende Verdacht, dass Morden früher oder später eine Gegenleistung von Londo einfordern wird. Dementsprechend bedrohlich klingt auch das körperlose „We will find you, ambassador“, mit dem er sich von Londo verabschiedet.

In einem dritten Handlungsstrang wird Garibaldi von Sinclair beauftragt, mehr über die Lücke in Sinclairs Gedächtnis heraus zu finden. Diese 24 Stunden während der letzten Schlacht der Menschen im Krieg gegen die Minbari war zuletzt in „And the Sky Full of Stars“ ein wichtiges Thema. Sinclair ist sich zwar sicher, damals Delenns Gesicht vor sich gesehen zu haben, doch darüber hinaus kann er sich an nichts erinnern und vermutet, dass die Minbari die Erinnerung aus seinem Gedächtnis gelöscht haben. Aber die Erinnerung an was genau? Das erfahren wir hier auch nicht. Garibaldi findet immerhin heraus, dass Sinclair auf der Wunschliste der Kandidaten für den Kommandoposten von Babylon 5 ziemlich weit unten stand, den Posten bekanntlich aber trotzdem bekommen hat. Der Grund dafür: Die Minbari hatten alle anderen Kandidaten abgelehnt. Aber warum? Was haben sie mit Sinclair angestellt (oder über ihn herausgefunden), das der Grund dafür sein könnte?

„Signs and Portents“ ist eine Episode, die das „Babylon 5“-Universum ein ganzes Stück weit öffnet. Hier werden entscheidende Weichen für künftige Entwicklungen gestellt. Es liegt in der Natur einer solchen Folge, dass dabei mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet werden. Aber wir befinden uns ja auch erst in der Mitte der ersten Staffel. Schaut man die Episode zum ersten Mal an, bleiben ein paar große Fragen zurück (siehe unten) und man realisiert das Ausmaß der Entwicklungen, die hier ihren Anfang nehmen, noch gar nicht. Hat man jedoch bereits die ganze Serie gesehen, dann wird die Bedeutung dieser Episode sofort klar. Mr. Morden etwa wird noch eine wichtige Rolle spielen, um nur ein Beispiel zu nennen und nicht zuviel zu verraten. Seine Herkunft wird im weiteren Verlauf der Serie ebenso geklärt werden wie die des seltsamen, schwarzen Schiffs. Nach den meistens in sich abgeschlossenen Episoden, die die erste Staffel bisher zu bieten hatte, ist „Signs and Portents“ ein erstes Anzeichen des großen Handlungsbogens, der im Lauf der Serie immer deutlicher zutage tritt. Das Abenteuer hat gerade erst begonnen.

Highlight der Episode: Das Auftauchen des völlig unbekannten, spinnartigen, schwarzen Raumschiffs und all die Fragen, die dadurch aufgeworfen werden: Zu wem gehört dieses Schiff? Handelt es sich hier um eine noch nicht bekannte Spezies? Warum zerstören sie das Raiders-Schiff? Und in welcher Beziehung steht dieses schwarze Schiff zu Mr. Morden?

Londo/G’Kar-Moment: Die herrliche Szene, in der sich die beiden streiten, während sie auf den Lift warten. Die Spielfreuede der beiden Darsteller ist hier deutlich spürbar und die Szene stellt ein frühes Beispiel für die vielen großartigen Momente zwischen den beiden Figuren dar. Es hat übrigens symbolhaften Charakter, dass hier ein Mensch gewissermaßen zwischen dem Narn und dem Centauri eingekeilt ist. Genau wie bei dem Bild der explodierenden Raumstation haben wir es auch hier mit „Foreshadowing“ zu tun, wenn auch auf etwas subtilerem Weg.

Folgende (weitere) wichtige Informationen, die für den weiteren Verlauf der Serie wichtig sind, erhalten wir in dieser Episode:

  • Mr. Morden und seine Frage „What do you want?“ werden eingeführt. Lady Ladira erwähnt mehrmals, die „Schatten“ seien gekommen, um Lord Kiro zu holen („The shadows have come for Lord Kiro“). Bei seinem Treffen mit Delenn fällt plötzlich ein Schatten über Mr. Morden. Was das alles genau bedeutet und wie es zusammenhängt, darf ich freilich noch nicht verraten.

Sonstige Fragen:

  • Warum hat Morden keinem Vertreter der Menschen seine Frage gestellt? Wen repräsentiert er überhaupt?
  • Warum stellt er Kosh seine Frage nicht? Zunächst scheint er Kosh bewusst aus dem Weg zu gehen. Als er später doch auf ihn trifft, warnt Kosh ihn: „Leave this place. They are not for you. Go. Leave! Now.“ Was meint Kosh damit?
  • Wodurch wurde Koshs Schutzanzug beschädigt? (Garibaldi erwähnt das am Ende der Folge im Gespräch mit Sinclair.) Hat das etwas mit seiner Begegnung mit Mr. Morden zu tun?
  • Was baut Delenn da in ihrem Quartier zusammen? Handelt es sich dabei um ein Geschicklichkeitsspiel, eine Meditationstechnik oder etwas völlig anderes?
  • Was bedeutet das Symbol auf Delenns Stirn und warum erscheint es, als ihr Morden gegenübertritt?

Weitere interessante Punkte: 

  • „What do you want?“ ist eine der zwei zentralen Fragen, um die die Serie aufgebaut ist. Die zweite Frage – und das an sich ist kein großer Spoiler – lautet „Who are you?“. JMS zufolge können die Antworten auf diese Fragen einen positiven oder zerstörerischen Einfluss auf einen haben, je nachdem in welcher Reihenfolge man die Fragen für sich beantwortet. Weiß man, wer man ist, bevor man gefragt wird, was man will, wird die Antwort wahrscheinlich eine konstruktive sein. Wenn man sich aber noch nicht so weit mit sich selbst auseinander gesetzt hat, dass man die „Who are you?“-Frage für sich beantwortet hat und dann aber gefragt wird „What do you want?“, kann einen die Antwort auf einen zerstörerischen Pfad führen. (Nach Jane Killick: Babylon 5 – Season by Season. Signs and Portents. S. 115.)
  • Am Ende der Episode sehen wir Sinclair und Garibaldi tatsächlich auf der Toilette. Ein nettes Detail, das dazu beiträgt, Babylon 5 zu einer glaubhaften Umgebung zu machen.
  • Das „Babylon 5“-Thema während des Abspanns wird hier erstmals in einer Moll-Tonart gespielt.
  • In der Szene mit Morden und Kosh erlischt plötzlich eine der Lampen. Mir ist das ehrlich gesagt gar nicht selbst aufgefallen, aber ist schon beabsichtigt und führt natürlich zu der Frage, wer oder was dafür verantwortlich ist…
  • G’Kar beleidigt Londo mit dem Ausdruck „And you can kiss my pouch“. Ich weiß nicht, ob ich das im Blog schon einmal erwähnt habe, aber diese Redewendung kommt natürlich daher, dass Narn ihren Nachwuchs wie Kängurus in Beuteln austragen.

Interessante „Hinter den Kulissen“-Fakten:

  • Mordens Technik, einfach immer wieder so lange die gleiche Frage zu stellen, bis sein Gegenüber sich ihm öffnet und er eine befriedigende Antwort erhält, hat JMS sich von einer Praktik der Syanon-Selbsthilfeorganisation abgeschaut.
  • Folgende von JMS überlieferte Geschichte ist zu gut, um sie nicht auch hier wiederzugeben:
    Morden-Darsteller Ed Wasser wollte nach der ersten Ausstrahlung der Episode für einen kranken Freund Blumen kaufen. Im Geschäft fragte ihn der Florist „What do you want?“ und Wasser murmelte etwas von Blumen. Der Florist fragte erneut „What do you want?“ und Wasser, der die Anspielung immer noch nicht kapierte, antwortete er wolle einem kranken Freund ein nettes Geschenk machen. „Yes, but what do you want?“, fragte der Florist nochmals und Wasser verstand endlich, was vor sich ging. Er fühlte sich durch die Vorgehensweise des Floristen in die Enge getrieben – und genau das wollte JMS in „Babylon 5“ mit dieser Fragetechnik auch erreichen. (Der Florist fügte übrigens noch hinzu, dass er glaubte, die Szene in einer Folge von „Deep Space Nine“ gesehen zu haben…)

Zitate:

Ivaova (direkt nach dem Aufwachen zu sich selbst): „Why does my mouth always taste like old carpet in the morning?“
Computer: „Unknown. Checking medical logs.“

Londos Antwort auf Mordens Frage: „I want my people to reclaim their rightful place in the galaxy. I want to see the Centauri stretch forth their hand again and command the stars. I want a rebirth of glory, a renessaince of power. I want to stop running through my life like a man late for an appointment, afraid to look back or to look forward. I want us to be what we used to be. I want… I want it all back the way that it was.“

Lady Ladira: „The future is always changing. We create the future, with our words, our deeds, and with our beliefs. This is a possible future, Commander. And it is my hope that you may yet avoid it.“

 

Die nächste Folge in meinem „Babylon 5“ Rewatch:
1.15 „Grail“

 


Die Reihenfolge, in der ich die Episoden der ersten Staffel hier im Blog besprechen werde, entspricht wie oben erwähnt der von JMS empfohlenen Reihenfolge (Änderungen gegenüber der Reihenfolge auf den DVDs sind markiert; klickt die Titel an, um zum entsprechenden Blogpost zu gelangen):

1.01    Midnight on the Firing Line                                           
1.02    Soul Hunter
1.03    Born to the Purple
1.04    Infection
1.05    The Parliament of Dreams                                                 
1.06    Mind War
1.07    The War Prayer
1.08    And The Sky Full Of Stars
1.09    Deathwalker                                                                         
1.10    Believers
1.11    Survivors
1.12    By Any Means Necessary
1.13    Signs and Portents     
1.15    Grail
1.16    Eyes
1.18    A Voice in the Wilderness – Part 1
1.19    A Voice in the Wilderness – Part 2

1.20    Babylon Squared
1.21    The Quality of Mercy
1.14    TKO
1.17     Legacies                                                                              

1.22    Chrysalis                 

Babylon 5 – Episode 1.10 “Believers”

Eigentlich ist heute Star Wars Day („May the 4th“), aber einen „Star Wars“-Post gab es hier erst vor kurzem. Dafür habe ich es endlich mal wieder geschafft, eine „Babylon 5“-Folge zu besprechen. Das würde ich gerne öfter machen, aber es kostet jedes Mal ziemlich viel Zeit. Ich werde mit meinem „Babylon 5“-Rewatch aber nicht aufhören, selbst wenn ich nur eine Folge im Monat schaffe…
Ich warte immer noch gespannt auf „Sense8“, die neue Serie von J. Michael Strazynski, die er zusammen mit den Wachowski-Geschwistern geschrieben und produziert hat. Ab dem 5. Juni wird die erste Staffel auf Netflix zu sehen sein. Aus dem „Babylon 5“-Universum selbst gibt es nichts Neues. Es würde mich allerdings sehr interessieren, ob Straczynski zurzeit tatsächlich ein Drehbuch für einen B5-Kinofilm schreibt – so hatte er es ja letztes Jahr angekündigt. Vor kurzem habe ich diese Seite entdeckt, auf der es ein paar schöne Video-Reviews zu einigen B5-Folgen gibt. Die sind aber voller Spoiler; wer die Serie noch nicht komplett gesehen hat, sollte also lieber die Finger davon lassen und stattdessen einen der „Babylon 5“-Podcasts anhören, die ich in einem Blogpost zusammen getragen habe (nicht alle davon sind spoilerfrei, aber das habe ich jeweils dazu geschrieben – und für weitere Fragen stehe ich gerne zur Verfügung 🙂 ). Nun aber zu einer weiteren Folge von „Babylon 5″…

Episode 1.10 “Believers” (“Die Gläubigen”)

Drehbuch: David Gerrold, Regie: Richard Compton
Erstausstrahlung: 27.04.1994 (USA), 08.10.1995 (Deutschland)

„Am I going to die?“ lauten die ersten Worte, die in dieser Folge gesprochen werden. Die Frage kommt aus dem Mund von Shon (Jonathan Charles Kaplan), einem Jungen, der einer außerirdischen Spezies angehört, die wir noch nie zuvor gesehen haben (im Lurker’s Guide wird der Name der Spezies als „The Children of Time“ angegeben). Bei der Beantwortung dieser Frage durch den Stationsarzt Dr. Franklin und durch Shons Eltern prallen sofort zwei gegensätzliche Ansichten aufeinander: Franklin ist ein Mann der Wissenschaft, der nicht nur optimistisch ist, für jedes medizinische Problem auch eine medizinische, wissenschaftliche Lösung finden zu können, sondern dessen ganzes Weltbild um diese Überzeugung herum aufgebaut ist. Für Shons Eltern allerdings stellt die zur Rettung ihres Sohnes nötige Operation einen unzulässigen Eingriff dar, den ihnen ihre religiösen Überzeugungen nicht erlauben. Obwohl Shon durch eine relativ einfache Operation das Leben gerettet werden könnte, gestatten seine Eltern Dr. Franklin nicht, diese durchzuführen. „Food animals are cut open. They don’t have a soul, so it’s all right. But the chosen of God may not be punctured.“, erklärt Shons Mutter (Tricia O’Neil).

Als Franklin klar wird, dass die Eltern Shon lieber sterben lassen, als ihn einer Operation zu unterziehen, versucht er auf Zeit zu spielen. Er behauptet, es gebe noch einen anderen, schwierigeren und unsichereren Weg, Shon zu heilen und hofft, dass die Eltern ihre Meinung doch noch ändern werden, wenn sie ihren Sohn nur lange genug leiden sehen und ihre Verzweiflung noch weiter wächst. Seiner Kollegin Dr. Hernandez legt Franklin seine Sicht der Dinge dar: „Sometimes you have to heal the family before you can heal the patient.“ Seiner Meinung nach ist also die Einstellung der Eltern falsch und bedarf der Korrektur. Dass es möglicherweise seine Sicht auf die Dinge es, die falsch ist oder dass zumindest daneben noch andere, gleichberechtigte Sichtweisen existieren, kommt ihm gar nicht in den Sinn.

Auch ich kann die Einstellung von Shons Eltern nicht nachvollziehen. Aber genau darum geht es in dieser Episode – um unversöhnbar einander gegenüberstehende Standpunkte, von denen keiner falsch ist bzw. die beide jeweils aus der Sicht des anderen falsch sind. Als Franklin dem Jungen ein leuchtendes Plastikei in die Hand gibt und ihn bittet, gut auf dieses „Gloppitei“ aufzupassen, weil darin ein Lebewesen heran wachse, kritisiert ihn Hernandez. Die Überzeugungen anderer tue er als Aberglaube ab, sagt sie, doch seine eigenen Überzeugungen seien stets die richtigen. Shons Eltern beten das „große Ei“ an, Franklin den „Gott Medizin“. Wo liegt der Unterschied?
Franklin gibt jedoch keinen Millimeter nach und bekräftigt noch einmal, dass er den Eltern mit seiner Hinhaltetaktik nur die Zeit geben will, um zur richtigen Einsicht zu gelangen. Er hat längst den Entschluss gefasst, Shon auf jeden Fall zu operieren, wie er Hernandez erklärt. Franklin ist so sehr von sich und von der Wissenschaft überzeugt, dass er sich gar nicht vorstellen kann, dass sein Plan – warum auch immer – nicht funktioniert. Ebenso wenig passen in diesem Fall Personen in sein Weltbild, die die Lage anderes sehen als er und die seinen „Glauben“ an die Wissenschaft ablehnen.

Als Franklin sich an Sinclair wendet, zögert dieser, ihm den Befehl zu erteilen, sich über den Wunsch der Eltern hinweg zu setzen. Sinclair möchte keinen Präzedenzfall schaffen, doch Franklin argumentiert, das habe er schon längst getan, als er Franklins Vorgänger Dr. Kyle gegen die Anweisung der Vorlonenregierung die Untersuchung von Botschafter Kosh erlaubte. Sinclair beharrt jedoch darauf, gerade als Commander von Babylon 5 neutral bleiben zu müssen. Auch Franklin lässt sich aber nicht beirren und ist weiterhin überzeugt, dass er etwas tun muss.
Bei Shons Eltern wächst inzwischen die Verzweiflung. Ihrem Sohn geht es immer schlechter, so dass sie sich fragen, ob es richtig war, ihn in Franlkins Obhut zu lassen statt sich auf die Suche nach anderen Möglichkeiten der Heilung zu machen. „Because we trusted you our son will die“, wirft die Mutter Franklin vor, doch der erwidert „No. He will die because you won’t trust me.“ Weil sich Shons Eltern aus Franklins Sicht so stur und uneinsichtig verhalten, will er sie durch Sinclair entmündigen lassen, um sich über ihre Wünsche hinweg setzen zu können. Sinclair verspricht, innerhalb von 24 Stunden eine endgültige Entscheidung zu treffen. Shons Vater, der bis dahin relativ ruhig und gefasst gewirkt hat, spricht plötzlich einen Satz aus, den der Zuschauer und auch Sinclair als Drohung interpretieren: „If he [Franklin] harms my child, if he touches Shon, I will kill him.“ Erst wenn man die Episode zum zweiten Mal sieht, fällt einem auf, dass sich das „him“ am Ende des Satzes wahrscheinlich gar nicht auf Franklin bezieht.

Da Sinclair ihnen nicht helfen will und sie keinen eigenen Botschafter auf der Station haben, wenden sich die Eltern in ihrer Verzweiflung an die anderen Botschafter. G’Kar und Londo weisen ihr Gesuch aus ähnlichen Gründen zurück: Die Eltern sind zu arm und ihre Heimatwelt zu unbedeutend; sie können sich keine Gerechtigkeit leisten. Immerhin schaffen sie es aber, ein paar Worte mit Kosh wechseln, was ja an sich schon keine leichte Aufgabe ist. Nicht ahnend, dass sie genau ins Schwarze trifft, appelliert die Mutter an Kosh: „If it were your child or even yourself, how would you feel if the doctor of Babylon 5 wanted to perform an unwelcome procedure on you?“ Vielleicht sind es ja gerade diese Worte, die Kosh dazu bewegen nicht einzuschreiten. Schließlich wurde er durch einen solchen nicht erwünschten medizinischen Eingriff auf Babylon 5 gerettet. Wahrscheinlich hätte er sich aber sowieso aus der Sache heraus gehalten – wie die Vorlonen das eben meistens tun (die Geschehnisse der letzten Folge stellen eine der wenigen Ausnahmen dar). Kosh redet sich jedenfalls mit einigen mal wieder ziemlich kryptischen Sätzen heraus (s. Zitate).
Delenn zeigt zwar mehr Mitgefühl und Verständnis als die anderen Botschafter, doch der Glaube und die Überzeugungen der Minbari verbieten es ihr, hier ein zu greifen. Darauf bezug nehmend, dass sowohl die Eltern als auch Dr. Franklin Shons Leben retten wollen, sagt sie: „Whose belief is correct? And how do we prove it?“

Um zu einer Entscheidung zu kommen (oder damit ihm die Entscheidung abgenommen wird), fragt Sinclair die Erdregierung um Rat. Doch auch die will sich aus der Sache heraus halten und schiebt die Verantwortung zu Sinclair zurück. Also beschließt er, endlich einmal das zu tun, was bisher noch niemand getan hat: Shon selbst zu fragen. Der Junge erklärt, er wolle auf jeden Fall weiter leben, allerdings glaubt er genau wie seine Eltern, dass er durch eine Operation seine Seele verlieren würde. Sinclair nimmt sich die Zeit, sich von Shon von dessen Sicht und seinen Überzeugungen, seiner Weltanschauung und seiner Religion berichten zu lassen.
Als Sinclair anschließend wieder mit Franklin spricht, kann dieser es nicht fassen, dass Sinclair immer noch auf die Wünsche der Eltern Rücksicht nehmen will. „What makes a religion false?“, fragt Sinclair Franklin, als dieser ihn zu überzeugen versucht, dass Shons Eltern vollkommen irrational und unverantwortlich handeln. Als Sinclair schließlich zu einer Entscheidung kommt und es Franklin verbietet, gegen den Wunsch der Eltern zu operieren, ist Franklin fassungslos. Doch Sinclair kann sich nicht einfach über den Glauben und die Überzeugungen anderer hinweg setzen, nur weil sie seinen eigenen widersprechen.

Aber Franklin bleibt stur, seine Entscheidung ist längst gefällt. Er will sich von niemandem stoppen lassen – auch nicht von „those poor, deluted parents“, wie er Shons Eltern bezeichnet. Er operiert Shon also und rettet ihm so das Leben. In den meisten anderen Fernsehserien wäre die Episode damit wohl zu einem Happy End gekommen. Shons Eltern hätten sich über die Genesung ihres Sohnes gefreut, Franklin verziehen und sich für ihre Sturheit entschuldigt. Auch Sinclair hätte gesagt, „Schwamm drüber“ und damit wäre die Sache zur Zufriedenheit aller Beteiligten beendet gewesen. Nicht so in dieser „Babylon 5“-Episode. Als ein gesunder und fröhlicher Shon seine Eltern begrüßt, reagieren die ganz und gar nicht so, wie Franklin sich das vorgestellt hat. Shon ist für sie nun nur noch eine seelenlose Hülle, mit der sie nichts mehr zu tun haben wollen. Auch Sinclair ist wütend, dass Franklin sich seinem Befehl widersetzt hat.
Anschließend geschieht etwas, das mich selbst wütend macht: Erst jetzt, nachdem er seinen eigenen Willen durchgesetzt hat, setzt sich Franklin näher mit der Kultur der Children of Time auseinander. Hätte ein guter Arzt das nicht schon längst getan? Statt unbeirrbar auf dem eigenen Standpunkt zu verharren, müsste ein Arzt – und noch dazu ein Xenobiologe wie Franklin, der sich täglich mit fremden Kulturen auseinander setzen muss – doch versuchen, den Standpunkt seiner Patienten (und in diesem Fall auch von deren Angehörigen) ein zu beziehen. Man sollte meinen, dass es in einem schwierigen Fall wie hier zu seinen ersten Handlungen gehört, sich zumindest ein wenig in die Kultur der fremden Spezies einzulesen. Aber daran scheint Franklin nicht einmal gedacht zu haben. Es war Dr. Hernandez, die auf den Gedanken kam, dies zu tun. Leider bekommt Franklin die Daten aber erst zu sehen, als er Shon schon operiert hat. Doch da ist es längst zu spät und Franklins Fehler nicht mehr rückgängig zu machen. Die Eltern haben die aus ihrer Sicht einzige mögliche Konsequenz gezogen und ihren Sohn getötet.

Franklin sieht am Ende ein, dass er falsch gehandelt hat. Er war arrogant, hat stur auf seinem Standpunkt beharrt und damit jenes verantwortungsvolle Handeln vermissen lassen, dass ein Mediziner doch an den Tag legen sollte. Sinclair behauptet, Franklin habe unmöglich wissen können, dass die Eltern ihren Sohn umbringen würden. Doch das stimmt nicht! Wäre Franklin nicht von Anfang an so stur gewesen und hätte nicht sofort seine Sicht auf die Dinge zur einzig richtigen erklärt, dann wäre er vielleicht einmal auf den Gedanken gekommen, sich mit der „Gegenseite“ zu beschäftigen. Zwar stand die Datei mit den Daten über Shons Volk erst nach der Operation zur Einsicht bereit, doch Franklin hätte mit der Entscheidung ganz einfach noch ein paar Stunden warten können.

„Believers“ ist jedenfalls eine höchst interessante Folge, die sich mit einem brisanten Thema beschäftigt und sich nicht damit begnügt, einfache Antworten zu geben. Die kann es hier auch gar nicht geben, weswegen man als Zuschauer gezwungen ist, sich selbst mit der Thematik auseinander zu setzen. Unter „Babylon 5“-Fans ist die Episode trotzdem umstritten und hat bei vielen Fans keinen guten Ruf. Ich finde sie jedoch sehr gut. Klar, so richitg zu Hochform ist die Serie in ihrer zehnten Folge noch nicht aufgelaufen und „Believers“ erzählt eben – wie die meisten Folgen der ersten Staffel – eine in sich abgeschlossene Geschichte. Aber diese funktioniert als solche sehr gut, und dass in der B5-Saga die Geschichte Folge für Folge weiter erzählt wird (statt jedes Mal danach den Reset-Knopf zu drücken, wie das in den Neunzigern noch meist der Fall war), merkt man hier daran, dass mehrmals auf Ereignisse aus dem Pilotfilm Bezug genommen wird.

Da war doch noch was? Ach richtig, die Folge hat ja auch noch einen B-Plot! Wenn „Believers“ einen großen Schwachpunkt hat, dann ist es dieser äußerst knappe Handlungsstrang um Susan Ivanova, die mit einem Geschwader Starfurys der Asimov zu Hilfe kommt. Dass sie dabei von Raider-Schiffen angegriffen werden, bekommen wir nicht einmal zu sehen (statt dessen erfahren wir es bloß aus dem Gespräch zwischen Ivanova und Garibaldi am Ende der Episode). Mehr dazu bei den „Hinter den Kulissen-Fakten“.

Highlight der Episode: Das Ende. Mit der Entscheidung, die Folge mit dem Tod des Jungen enden zu lassen, verstieß die Serie 1994 gegen die gängigen Konventionen und unterlief die Erwartungen des Publikums. Nicht nur in den „Star Trek“-Serien, sondern ganz allgemein ging es in Fernsehserien damals meist darum, den Zuschauern zu Beginn einer Episode ein Problem zu präsentieren, das am Ende dann gelöst wurde. Nicht so in dieser Folge von „Babylon 5“. „Believers“ versetzt dem Zuschauer hier nicht nur einen Schlag in die Magengrube, sondern zwingt ihn auch zum Nachdenken. Ich kann mich noch erinnern, wie sehr mich diese Folge mit dem Ausgang der Geschichte damals beeindruckt hat und dass ich noch lange darüber nachgedacht habe.

Weitere interessante Punkte: 

  • Die Spezies, der Shon und seine Eltern angehören, leben anscheinend in einer matriarchisch organisierten Gesellschaft. Dies lässt sich zum einen aus der Tatsache schließen, dass es hier meistens die Mutter ist, die die Argumente vorträgt und einmal im Gespräch mit Franklin auch explizit sagt, ihr Mann (der neben ihr steht) habe sie gebeten, ihm etwas auszurichten. Zum anderen erwidert sie auf Sinclairs Anmerkung, dass ihr Volk leider keinen Botschafter auf der Station hat ganz selbstverständlich „She would tell you the same thing“.
  • Steaks gehören zu den Lebensmitteln, die nur mit großem Aufwand nach Babylon 5 importiert werden können. Das erfahren wir aus einem Gespräch zwischen Franklin und seiner Kollegin, Dr. Hernandez. (Kurz darauf fragt Sinclair Franklin, warum er ein Steak importieren wolle. Franklins Antwort: zu Forschungszwecken. Tatsächlich hat er mit Hernandez um ein Steak gewettet.)
  • Franklin hat als Arzt offenbar eine Karte, mit der er sich Zutritt zu allen Quartieren verschaffen kann.

Interessante “Hinter den Kulissen”-Fakten: 

  • Das Drehbuch für diese Folge war einer der Gründe, warum Richard Biggs die Rolle des Dr. Franklin angenommen hat. Es war bereits geschrieben, bevor die Serie in Produktion ging und gefiel Biggs so gut, dass er die Rolle unbedingt übernehmen wollte. (Quelle: „Babylon 5: Signs and Portents“ von Jane Killick, S. 96)
  • Drehbuchautor David Gerrold hat unter anderem auch die berühmte Episode „The Trouble with Tribbles“ aus der Original-„Star Trek“-Serie geschrieben. Er wurde von Straczynski ausgesucht, das Drehbuch zu „Believers“ nach einer Idee von Straczynski zu schreiben, weil Gerrold damals kurz zuvor einen Sohn adoptiert hatte und sich so sehr gut in das Dilemma der Episode hinein versetzen konnte. Den Namen Shon wählte Gerrold in Anlehnung an den Namen seines eigenen Sohnes, Sean.
  • Die B-Handlung um Susan Ivanova und die Raiders wurde dem Drehbuch nachträglich von J. Michael Straczynski hinzugefügt, weil die Geschichte sonst zu kurz gewesen wäre. Ich persönlich finde ja, man hätte lieber die Haupthandlung an einigen Stellen noch etwas ausführlicher gestalten sollen, statt einen verstümmelten B-Plot hinzu zu fügen, der so inhaltsleer ist, dass ich jedes Mal aufs Neue von ihm überrascht bin, wenn ich die Episode anschaue.
  • Eine von Straczynskis Regeln beim Schreiben von Geschichten für „Babylon 5“, die er von Beginn an immer wieder in Online-Diskussionen mit den Fans wiederholte, war „no kids or cute robots“. Dementsprechend kommen Roboter in „Babylon 5“ überhaupt nicht und Kinder nur höchst selten vor. Nur wenn es für die Handlung auch wirklich Sinn machte – so wie hier – machte JMS eine Ausnahme von dieser Regel.

Zitate:

Sinclair: „Why do you wanna import a steak?“
Franklin:
„Research.“

Kosh: „The avalanche has already started. It is too late for the pebbles to vote.“

Sinclair: „[W]hat makes us human is that we care. And because we care, we never stop trying.“
Franklin: „No. What makes us human is that we have so many different ways to hurt.“

 

Die nächste Folge in meinem „Babylon 5“ Rewatch:
1.11 „Survivors“