„The English version of a happy ending“: Downton Abbey – Series 6

Am 04. August ist in Deutschland die sechste Staffel von „Downton Abbey“ auf DVD und Bluray erschienen. Die Staffeln drei, vier und fünf habe ich bereits hier im Blog besprochen und weil mir zumindest in dieser Hinsicht Traditionen genauso wichtig sind wie einigen der Bewohner von Downton Abbey, widme ich nun auch der sechsten und letzten Staffel einen Blogpost.

"Downton Abbey" - Die 6. Staffel auf Bluray

Seit dem 04.08. auf DVD & Bluray erhätlich: Die 6. Staffel von „Downton Abbey“

Ich habe bereits in meinen Blogposts zu den anderen Staffeln einiges darüber geschrieben, dass „Downton Abbey“ im Grunde „nur“ eine Soap Opera ist – wenn auch eine mit außergewöhnlich guten Schauspielern, tollen Kulissen und aufwändigen Kostümen. Zu den wichtigsten Regeln einer Soap Opera gehört es, dass sie auf Endlosigkeit hin angelegt ist; Soaps können immer weiter erzählt werden, wozu ihnen jede noch so unwahrscheinlich erscheinende Wendung der Ereignisse und Häufung von Krisen und Problemen recht ist. Da von „Downton Abbey“ nicht vier oder fünf Episoden pro Woche, sondern nur neun pro Jahr produziert worden sind, fällt diese Häufung der Ereignisse nicht so stark ins Gewicht. Zudem erstrecken sich die von der Serie abgedeckten Ereignisse auf einen Zeitraum von 14 Jahren. Dennoch werden die Charaktere natürlich auch hier in weitaus größerem Maß zum Opfer von Intrigen, Krisen, Unfällen und anderen Widrigkeiten, als dies in der Realität der Fall ist. Oder täuscht dieser Eindruck? Sind es vielleicht einfach nur die Probleme, die erzählenswert erscheinen? Durchleben auch die Figuren in „Downton Abbey“ immer wieder lange Phasen des Glücks oder sogar der Langeweile, die in der Serie aber schlicht weggelassen werden, weil sie aus narrativer Sicht nicht interessant sind? Sicher ist jedenfalls (und das ist jetzt ein großer Spoiler fürs Serienfinale!), dass am Ende der Serie alle Figuren ihr Glück gefunden haben. Das ist zum einen verständlich: Aus narrativer Sicht ist die Serie am Ende nicht auf das Fortbestehen alter oder Auftauchen neuer Krisen angewiesen. Es muss schließlich nichts weitererzählt werden. Die Figuren können nun glücklich bis an ihr Lebensende leben. Die Fans der Serie sind beruhigt, weil sie wissen, dass sie sich um ihre Lieblinge nun nicht mehr zu sorgen brauchen. Ich persönlich fand die Entscheidung, alles gut ausgehen zu lassen, allerdings etwas langweilig und noch unglaubwürdiger als so manche der narrativen Wendungen zuvor. Ich hatte fest damit gerechnet, dass wenigstens eine Figur sterben würde, aber sogar Violet Crawley (Maggie Smith), die zu diesem Zeitpunkt wohl mindestens hundert Jahre alt ist, überlebt das Serienfinale. Womöglich konnte es Serienschöpfer Julian Fellowes (der übrigens alle 52 Episoden selbst geschrieben hat) nicht übers Herz bringen, eine oder oder mehrere seiner Figuren zu töten (er hat dies im Verlauf der Serie ja nur dann getan, wenn Schauspieler aussteigen wollten), vielleicht wollte er den Fans aber auch einfach ein rundum perfektes Happy End schenken.

Joanne Froggat & Brendan Coyle

Anna (Joanne Froggatt) und ihr Ehemann Mr. Bates (Brendan Coyle)

Bis es zum Happy End kommt, gibt es aber für fast alle Figuren noch genug zu leiden. Gelegentlich wirkt es dabei so, als kommentierten die Charaktere selbst ihr eigenes Dasein als Soap-Figuren. Als beispielsweise wieder einmal der örtliche Polizist Sergeant Willis sein Kommen ankündigt, kommentiert dies der Butler Mr. Carson (Jim Carter) trocken mit den Worten: „Do other butlers have to content with the police arriving every ten minutes?“ Man könnte ihm antworten: Nein, nur in einer Soap Opera muss sich der Butler ständig mit solchen Problemen herumschlagen. Der Grund des Besuchs von Sergeant Willis ist immer noch der Mord an Annas Vergewaltiger Mr. Green. Annas Ehemann, John Bates (Brendan Coyle), ist noch immer nicht von dem Verdacht befreit, der Schuldige in diesem Mordfall zu sein, worunter er und Anna leiden. „Do you ever think of a time when we’re told the whole Mr. Green business is over?“, fragt er Anna an einer Stelle. Diese Frage verweist auf das Soap-Gesetz, wonach die Protagonisten zwar von einer sorgenfreien Zukunft träumen, diese jedoch niemals erreichen dürfen, solange die Soap noch fortgesetzt wird. Eine Krise muss entweder immer wieder verlängert werden – wie im Fall des Zweifels an Mr. Bates Unschuld – oder durch eine neue Krise ersetzt werden. Zum Glück befindet sich das Ehepaar Bates hier aber in der letzten Staffel einer Serie; das Leiden darf also ein Ende nehmen. Die Zweifel an Mr. Bates Unschuld werden ausgeräumt und auch alle anderen Probleme, die Anna und John Bates haben, lösen sich im Verlauf der sechsten Staffel in Luft auf.

„I feel so completely, completely happy“

Laura Carmichael, Elizabeth McGovern & Michelle Dockery

Cora (Elizabeth McGovern) mit ihren beiden Töchtern, Lady Edith (Laura Carmichael) und Lady Mary (Michelle Dockery)

Auch für die beiden überlebenden Crawley-Töchter geht am Ende alles gut aus. Sowohl Lady Mary (Michelle Dockery) als auch Lady Edith (Laura Carmichael) finden die große Liebe und heiraten. Normalerweise hält das Glück, das Hochzeiten versprechen, in Soap Operas nie besonders lange an. Das hat sich auch bei „Downton Abbey“ im Verlauf der Serie mehrmals gezeigt: Marys erster Ehemann Matthew ist am Ende der dritten Staffel überraschend verstorben (daran war zugegeben der Wunsch des Darstellers nach einem Ausstieg aus der Serie schuld, doch man kann sich sicher sein, dass die Ehe unter anderen Problemen gelitten hätte, wenn Matthew überlebt hätte). Edith wiederum ist einmal der Bräutigam kurz vor der Trauung davongelaufen. Nun jedoch dürfen beide endlich glücklich sein, es besteht schließlich aus narrativer Sicht mehr kein Bedarf an Unglück, das noch Erzählstoff liefern müsste. Im Fall von Lady Edith ist das besonders erfreulich, schließlich musste die Arme über sechs Staffeln hinweg so einiges mitmachen und hatte immer wieder Pech mit ihren Männern. In einem Dialog zwischen ihrer Tante Rosamund (Samantha Bond) und ihrer Großmutter wird auch dies kommentiert:

Rosamund: „We didn’t always think there’d be a happy ending for Edith.“
Violet: „Well, there’s a lot at risk, but with any luck, they’ll be happy enough. Which is the English Version of a happy ending.“

Hier wird also immerhin keine vollkommen rosige Zukunft in Aussicht gestellt, sondern darauf Bezug genommen, dass Lady Edith und ihr „Bertie“ in ihrer Ehe noch so einige Probleme zu bewältigen haben werden. Das letzte Wort in dieser Angelegenheit hat jedoch Lady Edith selbst: „It’s so strange, I feel so completely, completely happy. I don’t think I’ve ever felt that before.“ Auch das wirkt wieder wie ein Meta-Kommentar der Figur auf ihren Status als Soap-Charakter. Doch nun gilt: Ende gut, alles gut.

„This life is over for us“

Noch stärker als in der vierten und fünften Staffel ist dieses Mal der Wandel der britischen Gesellschaft ein Thema. Das zeigt sich vor allem an der schon in der ersten Folge der Staffel angesprochenen Tatsache, dass die Zahl der Diener im Anwesen drastisch reduziert werden soll. Nicht nur gibt es immer weniger dieser großen Anwesen im Land, auf denen eine so große Dienerschaft tätig ist. Die Familie kann es sich auch einfach schlicht nicht mehr leisten, diesen Lebensstandard aufrecht zu erhalten. Selbst Robert (Hugh Bonneville) sieht das mittlerweile ein, wie in einem (von mir hier gekürzt wiedergegebenen) Dialog mit seiner auf Traditionen und die Aufrechterhaltung der Lebensweise der britischen Adelsklasse bedachten Mutter deutlich wird:

Robert: „To be honest, I am starting to ask myself how much longer we can go on with it all.“
Violet: „Well, go on with what?“
Robert: „The household, the servants.“
Violet: „You think it’s a bit too much in 1925.“
Robert: „Who lives as we used to now?“
Violet: „It seems hard that men and women should lose their livelihoods because it’s gone out of fashion.“

Maggie Smith

Violet Crawley, Dowager Countess of Grantham (Maggie Smith)

Violet sorgt sich hier nicht nur um ihren eigenen Lebensstandard, sondern auch um die Existenzgrundlage der Dienerschaft, was auf die enge Beziehung zwischen dem Adel und den Dienern hinweist. Den Crawleys ergeht es jedenfalls noch vergleichsweise gut. In der ersten Folge besuchen einige von ihnen eine Auktion, bei der die Besitztümer eines anderen Adelshaushalts versteigert werden. Dessen Besitzer konnte sich das Leben als Adeliger schlicht und einfach nicht mehr leisten. „This life is over for us. It won’t come back.“, stellt er fest. Lady Mary will überhaupt nicht einsehen, dass ihre Familie etwas an ihrer Lebensweise ändern soll. Doch auch sie kann die Veränderung nicht aufhalten. Ein bezeichnendes Beispiel ist die Öffnung des Anwesens für die Öffentlichkeit, die in der sechsten Staffel für einen einzigen Tag erfolgt. Bereits im Vorfeld hat jeder im Haus eine Meinung dazu (Mr. Carson: „The next thing you know, there’s a guillotine in Trafalgar Square!“) und nachdem wesentlich mehr Besucher kommen, als die Familie erwartet hatte, schlägt am Ende des Tages Tom (natürlich!) vor, das Haus regelmäßig für Besucher zu öffnen, um auf diese Weise Einnahmen zu erzielen. Robert ist von dieser Vorstellung empört, aber seine Frau Cora (Elizabeth McGovern) ist der Idee nicht abgeneigt und kann das Interesse der Öffentlichkeit nachvollziehen:

Cora: „People are curious about what it’s like to live here.“
Edith: „Which is sad, in a way.“
Cora: „Why?“
Edith: „Because it means our way of life is something strange. Something to cue up and buy a ticket to see, a museum exhibit, a fat lady in a circus.“

Die Crawleys können sich den sich ändernden Zeiten also nicht verschließen und werden sich sicher schon bald daran gewöhnen müssen, dass ihr Wohnsitz regelmäßig zum Anzugspunkt für Touristen wird. (Ich hätte ja zu gerne eine Nachfolgeserie, die in den 1950er Jahren spielt und das Leben der nächsten Generation der Crawleys erzählt.)
Auf die eine oder andere Weise müssen sich alle Figuren in der Serie mit dem sozialen Wandel auseinandersetzen. Manche passen sich dabei besser an als andere und manche haben auch einfach Glück. Unter der Dienerschaft gibt es einige, die bereits im Verlauf dieser Staffel neue Arbeit finden. Mr. Molesley entdeckt sein Talent als Grundschullehrer, Mrs. Patmore baut das von ihr geerbte Häuschen zu einer Pension um und der Butler von Violet, Mr. Spratt (Jeremy Swift), schreibt eine Modekolumne für die von Lady Edith geleitete Zeitschrift! Nur Thomas Barrow (Rob James-Collier), der sich weiterhin von allen anderen unverstanden und ungeliebt fühlt, scheint zunächst der Verlierer in diesem Rennen zu sein. Mr. Carson legt ihm bereits früh nahe, sich eine andere Stelle zu suchen. Doch Barrow muss zu seinem Unglück feststellen, dass der Arbeitsmarkt für (Under)Butler sehr viel kleiner geworden ist. Das führt ihn schließlich zu einem Selbstmordversuch; in der letzten Folge wendet sich jedoch auch für ihn alles zum Guten, als Robert ihm anbietet, Mr. Carsons Nachfolger als Butler des Hauses zu werden. Das war mir dann doch etwas zu unglaubwürdig, die Schauspielleistung von Rob James-Collier fand ich dagegen großartig.

Sozialer Wandel & soziale Regeln

Die Dienerschaft beim Essen

Die Dienerschaft beim Essen

Die ganze Staffel ist von Nostalgie und dem Nachtrauern nach einer zu Ende gegangenen Ära durchzuogen, insofern ist es richtig, die Serie genau zu diesem Zeitpunkt zu beenden. Denn obwohl die britische Gesellschaft natürlich auch heute noch stark vom Klassengedanken geprägt ist, so zeigt „Downton Abbey“ dennoch den Niedergang des britischen Adels. Besonders interessant fand ich im Verlauf der Serie stets jene Momente, an denen es zu unerwarteten Verbindungen zwischen verschiedenen Gruppen (also z.B. zwischen Adeligen und ihren Dienern) kam. Auch in der sechsten Staffel gab es diesbezüglich noch ein paar interessante Szenen, zum Beispiel als Mr. Spratt, der wie erwähnt neben seiner Tätigkeit als Butler inzwischen auch für Lady Ediths Zeitschrift arbeitet, sich weigert, sich in Ediths Gegenwart zu setzen, als die beiden in Violets Haus aufeinandertreffen. Seine Tätigkeiten als Butler und Redakteur stürzen ihn hier in einen Rollenkonflikt; gleichzeitig kann man dies als ein Anzeichen dafür sehen, dass die Trennlinien zwischen den Klassen zumindest an manchen Stellen aufgeweicht werden.
Nach wie vor bekommen die Diener auch in dieser Staffel einen Großteil des Privatlebens ihrer Vorgesetzten mit. Sie stehen daneben, wenn diese sich beim Essen unterhalten und halten sich in deren Schlafzimmern auf, um sie anzukleiden oder zu frisieren. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass sie sich über die ihnen zugewiesenen Aufgaben hinaus in den Alltag ihrer Vorgesetzten einmischen dürfen. Als Violets Dienstmädchen Denker (Sue Johnston) Dr. Clarkson ihre Meinung sagt, weil dieser ihrer Ansicht nach Violet in einer wichtigen Angelegenheit in den Rücken gefallen ist, muss sie sich später eine Standpauke von Violet anhören. Sie dürfe als Dienstmädchen keine private Meinung zu den Angelegenheiten ihrer Vorgesetzten haben und diese schon gar nicht ausdrücken, weist Violet sie zurecht. Der Alltag der Adeligen und der Dienerschaft ist eng miteinander verbunden, doch es bestehen trotzdem ganz klare Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen. Wie sehr diese beiden Sphären trotz ihrer Verzahnung voneinander abgegrenzt sind, wird deutlich, als die „upstairs“-Gesellschaft sich in einer Folge nach „unten“ begibt, um die von ihrer Hochzeitsreise zurückgekehrten Diener Mr. Carson und Mrs. Hughes zu begrüßen. Da macht Violet nämlich die Bemerkung „I haven’t been into the kitchens for at least 20 years“.

Michelle Dockery & Matthew Goode

Lady Mary (Michelle Dockery) & Henry Talbot (Matthew Goode)

Aber nicht nur für den Umgang zwischen den Klassen gibt es strenge Regeln, sondern auch für den Umgang der Adeligen untereinander. Dies fällt wahrscheinlich niemandem so sehr auf wie Tom (Allen Leech), der einst als Chauffeur auf Downton Abbey begonnen hat, bis er schließlich eine der Crawley-Töchter heiratete. Seine Frau ist inzwischen verstorben, aber Tom ist weiterhin ein Mitglied der Familie und damit nun selbst Angehöriger des Adels. Dennoch wird er immer wieder daran erinnert, dass er eben sein Leben als Angehöriger der Arbeiterklasse begonnen hat und so niemals ein vollwertiges Mitglied der Adelsgesellschaft werden kann, ganz egal wie oft ihm die anderen Familienmitglieder auch das Gegenteil versichern.
Dass Tom in gewisser Weise
für immer ein Fremder bleiben wird, der zwar am Leben der Adeligen um ihn herum teilnimmt, sie aber zugleich auch mit einer gewissen Distanz betrachet, wird in einer Szene deutlich, in der er gemeinsam mit Mary und ihrem zukünftigen Ehemann Henry Talbot (Matthew Goode) in einem Pub sitzt. Als Henry im Gespräch mit Mary nach Gründen sucht, um sich wieder einmal mit Evelyn Napier zu treffen, kann Tom nicht anders, als seine Verwunderung zum Ausdruck zu bringen:

Tom: „You are funny.“
Mary: „What do you mean?“
Tom: „The way you have to keep making reasons for why you’ll meet. You to watch him drive cars, you to have dinner with a friend. Why can’t you just say ‚I’d love to spend more time with you. When can we do it?'“
Mary (zu den anderen): „You see? He may have assimilated in some ways, but he still fights playing by the rules.“

Diese Beobachtung Toms und der sich daraus entspinnende, kurze Dialog weist auf die zahlreichen ungeschriebenen Regeln hin, die den sozialen Umgang der Mitglieder der britischen Oberklasse untereinander bestimmen. Als „Quereinsteiger“ in diese Klasse wird Tom auf ewig zugleich Mitglied und doch ein Fremder bleiben, der diese Regeln noch nicht alle beherrscht, dem sie viel deutlicher bewusst werden und der sie deshalb auch leichter in Frage stellen kann. (Seine Figur hat in dieser Hinsicht viele Gemeinsamkeiten mit der von Scarlett Johansson in „Under The Skin“ gespielten Außerirdischen in Menschengestalt. Auch dort braucht es erst den Blick des Fremden, um das typisch Menschliche auszumachen.)

Ende gut, alles gut

Es ist gut, dass „Downton Abbey“ nun zu Ende gebracht worden ist. Denn so sehr ich die Serie auch liebe, im Verlauf dieser letzten Staffel habe ich mir des Öfteren gedacht, dass hier nichts Neues mehr kommt und alles irgendwie dasselbe ist wie in den vorhergehenden Staffeln. Dass das Finale in einem hundertprozentigen Happy End gipfelte finde ich wie gesagt äußerst langweilig, aber was Dialogwitz und Schauspielleistungen betrifft, habe ich mich doch auch von dieser Staffel meist gut unterhalten gefühlt. Lediglich die Oneliner, die Julian Fellowes regelmäßig Maggie Smiths Figur in den Mund legt, wollten hier nicht mehr so richtig zünden. Dafür haben sich in der fünften und sechsten Staffel Violets Diener – Mr. Spratt und Mrs. Denker – zu zweien meiner Lieblingsfiguren entwickelt (ich will eine „Denker & Spratt“-Spinoff-Serie!). Andere Figuren wiederum wurden im Verlauf der Serie immer langweiliger und uninteressanter – ich denke da vor allem an Mr. Bates, der zu Beginn der Serie eine interessante und tiefgründige Figur war, aber nach und nach immer mehr in den Hintergrund getreten ist, bis Fellowes anscheinend nicht mehr so richtig wusste, was er mit der Figur anfangen sollte. Dennoch bleibt am Ende von sechs Jahren „Downton Abbey“ festzustellen, dass Julian Fellowes hier eine herausragende Serie mit Kultpotential geschaffen hat. Trotz der in bester Soap-Manier gehäuft auftretenden Wendungen, Unglücksfälle und Liebesverwicklungen ist die Serie weit mehr als nur oberflächliche Unterhaltung. Das ist vor allem der Tatsache zu verdanken, dass Fellowes sich mit der Materie auskennt und dem Zuschauer einen Einblick in die Geschichte der britischen Klassengesellschaft gibt. So habe ich nach sechs Staffeln tatsächlich den Eindruck, etwas gelernt zu haben – und soziologisch interessant ist die Serie sowieso, wie in meinen Blogposts immer wieder deutlich geworden sein dürfte. 😉

Downton AbbeyBilder: Copyright Universal Pictures Germany

„Nobody has to know everything“: Downton Abbey – Series 5

Downton Abbey ist eine dieser Fernsehserien, die man nicht anschaut, weil man so darauf gespannt ist, was als nächstes passieren wird, sondern einfach nur, weil man zu lieb gewonnenen Figuren zurück kehren möchte. Irgendetwas passiert sowieso immer, es ist völlig egal was.
In der fünften – aus acht Folgen und einem 90-minütigem „Christmas Special“ bestehenden – Staffel sind wir inzwischen im Jahr 1924 angekommen, auch wenn die Charaktere kaum älter aussehen als noch in der ersten Folge, die 1912 spielte. Ein großes Thema in Staffel vier war die Vergewaltigung von Anna (Joanne Froggatt) und der spätere Tod ihres Peinigers Mr. Green, der – man weiß es nicht genau – möglicherweise durch Annas Ehemann Mr. Bates (Brendan Coyle) herbei geführt worden ist. Im Verlauf der fünften Staffel kommt es nun zu polizeilichen Ermittlungen; die ganze Staffel über schaut immer wieder ein Polizist auf dem Anwesen vorbei, um Anna, ihren Mann und weitere Zeugen zu befragen. Diese sich über fast alle Folgen und somit mehrere Monate hin ziehende Prozedur wirkt arg in die Länge gezogen, aber so ist das nun mal in einer Soap Opera. Auf diese Weise werden beim Zuschauer Zweifel geschürt, ob Mr. Bates nicht vielleicht doch einen Mord begangen hat. In der dritten Folge fragt Anna ihn, ob er sich vorstellen könnte, irgendwo anders hin zu ziehen und ein neues Leben zu beginnen. Das scheint in ihrer Situation ein verständlicher Wunsch zu sein, doch als Zuschauer weiß man: wenn das Ehepaar Bates dies tatsächlich täte, dann würde dies entweder sein Ausscheiden aus der Serie bedeuten oder aber das Unglück würde sie verfolgen. Denn nichts ist langweiliger als Leben in Glückseligkeit, jedenfalls vom narrativen Standpunkt einer Soap aus betrachtet. Nachdem in der achten Folge – Überraschung! – Anna verhaftet wird, weil ein Zeuge sie kurz vor Mr. Greens Tod in dessen Nähe gesehen haben will, kommt es zu einer Szene zwischen Mrs. Hughes (Phyllis Logan) und Mr. Carson (Jim Carter), die fast so wirkt, als gäben die beiden einen Kommentar dazu ab, dass sie alle sich in einer Soap Opera befinden: „Sorrow seems to shadow them both. And in their wake, it shadows us.“, fasst nämlich Mrs. Hughes die Situation des Ehepaar Bates und deren Auswirkungen auf alle anderen Bewohner des Anwesens zusammen. Im Gegensatz zu Glück und Freude sind Sorgen und Probleme für die Charaktere in einer Soap ein Dauerzustand.

„Nobody has to know everything.“

Ebenfalls zu den Grundzutaten des Genres gehören Geheimnisse. In dieser Staffel ist da vor allem das Geheimnis zu nennen, das Lady Edith (Laura Carmichael) mit sich herum schleppt: Ihre mit Mr. Gregson gezeugte Tochter Marigold, von der die Familie nichts weiß und die nun von einem Bauernehepaar am Ort groß gezogen wird. Irgendwann gelingt es Edith, das Kind zu sich nach Downton Abbey zu holen und ihrer Familie weis zu machen, sie habe die Kleine ganz einfach lieb gewonnen und wolle sie in einer Art Patentantenfunktion groß ziehen. Doch nach und nach durchschauen alle dieses Spiel. Als im Edith im Christmas Special ihrer Tochter „Come to Mama!“ zu rufen will, kann sie sich gerade noch rechtzeitig stoppen und der Satz wird zu einem resignierten „Come to … me.“ Als Ediths Vater (Hugh Bonneville) seine Frau (Elizabeth McGovern) fragt, ob er Edith nicht endlich darauf ansprechen soll, erwidert sie „It’s not our secret to tell“. Aber irgendwann wird ihm das Spiel dann doch zu blöd und er eröffnet seiner Tochter, dass er um die Identität ihres Kindes bescheid weiß. Ediths Schwager Tom (Allen Leech) tut es ihm gleich und nimmt Edith damit ebenfalls die Aufgabe ab, das Geheimnis selbst zu lüften. Alle anderen Bewohner des Anwesens dürften zu diesem Zeitpunkt auch schon bescheid wissen und wie das meistens bei solchen Handlungselementen der Fall ist fragt man sich hinterher, warum denn um dieses Geheimnis so viel Wirbel gemacht worden ist. Wie die meisten Probleme in Soap Operas wäre auch dieses gar keines, wenn die Beteiligten von Anfang an offen miteinander geredet hätten (was umso bemerkenswerter ist, weil die Figuren in einer Soap ja eigentlich nichts anderes tun als reden). Aber wie sagt Mr. Carson doch zu Mrs. Hughes: „Nobody has to know everything.“

Ein Beispiel dafür, wie hier künstlich zwischenmenschliche Probleme geschaffen werden, weil Leute eben nicht miteinander reden und Dinge geheim halten, ist eine Szene aus der achten Folge. Die Köchin Mrs. Patmore (Lesley Nicol) sitzt weinend in der Küche, weil sie traurig darüber ist, dass Daisy (Sophie McShera) beschlossen hat, Downton Abbey zu verlassen und sich einen neuen Beruf zu suchen. Mrs. Hughes kommt herein, bemerkt die weinende Mrs. Patmore und fragt: „Has something happened?“ „No, not yet.“, antwortet Daisy. Es folgt ein ein besorgter Blick von Mrs. Hughes, aber niemand sagt noch etwas. Die Szene ist damit zu Ende. Im realen Leben würde man doch nach so einer kryptischen Antwort fragen, was damit gemeint ist. In einer Soap Opera dagegen folgt eben nur ein viel sagender Blick und die Auflösung des Problems wird auf eine spätere Szene ausgelagert (in der es dann wahrscheinlich auch noch nicht aus der Welt geschafft wird, schließlich soll ja jedes Problem möglichst lange für Konflikt- und Erzählstoff sorgen).

Im Christmas Special gibt es einen weiteren Fall, bei dem ein Geheimnis unnötig gestreckt wird, um Spannung zu erzeugen: Cora spricht zu Beginn der Folge ihren Mann darauf an, dass er vor kurzem in York war und sie gerne den Grund dafür erfahren würde. Doch Robert gibt nur eine ausweichende Antwort. Im Lauf der Episode stellt Cora ihm noch mehrmals die gleiche Frage und im Kopf des Zuschauers spielen sich inzwischen eine ganze Reihe von Szenarien ab: Hat Robert eine heimliche Geliebte? Ist er in krumme Geschäfte verwickelt? Wird er epresst? Zugegeben, für keine dieser Annahmen gibt es – abgesehen von Roberts unerklärter Abwesenheit – einen Grund. Aber darum geht es ja nicht, sondern darum, Zweifel zu säen. Als man dann erfährt, dass der Grund für Roberts Fahrt nach York ein Arztbesuch war, ist das weit weniger spannend, als die Szenarien, die man sich ausgemalt hat. (Doch gleichzeitig sorgt man sich um ihn: Ist er wirklich so gesund, wie er zu sein behauptet?)

Es gibt noch zahlreiche weitere Beispiele für solche Geheimnisse in der fünften Staffel, darunter die Vergangenheit von Coras Kammerzofe Baxter oder auch die von Lady Mary (Michelle Dockery) und Lord Gillingham (Tom Cullen) gemeinsam verbrachten Tage in London. Offiziell halten sich die beiden wegen einer Konferenz in London auf, tatsächlich bewohnen sie aber zwei miteinander verbundene Hotelzimmer, lassen es sich gut gehen und verbringen als Paar einen Kurzurlaub in London, um einander besser kennen zu lernen (was hier quasi als Euphemismus für „Sex vor der Ehe haben“ steht, auch wenn das in der Serie niemals jemand so aussprechen würde). Da Lord Gillingham Mary immer noch heiraten möchte, entscheidet sie ganz pragmatisch, dass ein solches Kennenlernen nötig sei, um bezüglich der Hochzeit eine Entscheidung treffen zu können. Nachdem Marys Großmutter (Maggie Smith) davon erfährt, kommentiert sie es mit den Worten: „Don’t let us hide behind the changing times. This is shocking to most people in 1924.“ Schließlich hatte Sex damals nur in der Ehe statt zu finden. Letztendlich entscheidet sich Mary übrigens dafür, Gillingham nicht zu heiraten – und auch nicht Charles Blake, der ja auch noch hinter ihr her ist. Mir war auch dieses ewige Überlegen und Zögern Marys und das damit verbundene Hin und Her zwischen ihren beiden Verehrern zu sehr in die Länge gezogen. Damit sollten einfach nur Probleme geschaffen werden, wo eigentlich gar keine so großen Probleme sind. Aber genau darum geht es ja in Soap Operas. Im Christmas Special lernt Mary dann einen neuen Mann kennen, man darf sich also auf weiteres Zögern und Zweifeln in der sechsten Staffel freuen.

„Without them, we would be like the wild men of Borneo.“

In meiner Besprechung der vierten Staffel habe ich bereits die gesellschaftlichen Veränderungen angesprochen, die sich in Downton Abbey immer mehr abzeichnen. Die starre englische Klassengesellschaft beginnt zumindest ein wenig aufzubrechen. In der ersten Folge erfahren wir, dass das Land nun eine neue Regierung hat und erstmals die Labour Party an der Macht ist. Zudem ist der neue Premierminister Ramsay MacDonald kein Adeliger. Dem sich um den Status Quo sorgenden Mr. Carson macht dies zu schaffen, wie der folgende Dialog zwischen ihm und Mrs. Hughes zum Ausdruck bringt:

Carson: „I feel a shaking of the ground I stand on, that everything I believe in will be tested and held up for ridicule over the next few years.“
Hughes: „Mr. Carson, they’ve been testing the system since the Romans left.“
Carson: „The nature of life is not permanence, but flux.“
Hughes: „Just so, even if it does sound faintly disgusting.“

Mr. Carson bringt hier seine Unsicherheit angesichts der sich ändernden Verhältnisse zum Ausdruck und seine Feststellung „The nature of life is not permanence, but flux.“ klingt aus seinem Mund tatsächlich „faintly disgusting“, wie Mrs. Hughes sagt.

Als Lord Gillingham nach Downton Abbey kommt, bedeutet das für die Dienerschat unerwartete zusätzliche Arbeit, denn er bringt keinen eigenen Diener mit, was noch höchst ungewöhnlich für einen Mann seines Standes ist. Unter der Dienerschaft wiederum sind einige Personen, die sich mit ihrem Status als Menschen zweiter Klasse nicht mehr abfinden wollen. Vor allem Daisy entdeckt plötzlich, dass auch ihr als einfaches Küchenmädchen trotzdem der Zugang zu Bildung offen steht. Wissenshungrig verschlingt sie die ganze Staffel über Bücher und nimmt Mathematikunterricht, bis sie schließlich die Entscheidung trifft, ihre Stellung aufzugeben und sich in London einen anderen Job zu suchen. Dieser Handlungsstrang macht besonders deutlich, dass die strikte Klassentrennung nur eine künstlich gezogene Grenze ist. Angehörige der Arbeiterklasse sind selbstverständlich nicht dümmer als andere Menschen; ihnen fehlt nur meist die Möglichkeit, ihr Potential zu entdecken und auszuschöpfen. Doch sobald ihnen – wie hier Daisy – diese Möglichkeit gegeben wird, zeigt sich, dass sie sich mit den sozial gesetzten Grenzen nicht zufrieden geben wollen.

Das Brechen mit Traditionen und das Verändern von seit Generationen bewährten Verhaltensmustern wird in dieser Staffel immer wieder thematisiert. Als Mr. Carson der Vorsitz des örtlichen Veteranenvereins angeboten wird, bemerkt Robert, der eigentlich damit gerechnet hatte, diese Position zu übernehmen, dass es zu Zeiten seines Großvaters undenkbar gewesen wäre, den Vorsitz dem Butler anzubieten. Auch der konservative Mr. Carson fühlt sich unwohl: „Traditionally, it should have been you“, sagt er zu seinem Herrn. Robert erwidert zwar, „Maybe this will start a new tradition“, doch recht ist ihm die Situation deshalb noch lange nicht. (Carson lehnt den Vorsitz schließlich ab.)

Auch an anderen Dingen zeigt sich Roberts Zögern, wenn es um die Akkzeptanz von Neuerungen geht: Ihm kommt kein Radio ins Haus, macht er in der zweiten Folge klar. „I find the whole idea a kind of thief of life“, führt er seine Bedenken aus. „That people should waste hours huddled around a wooden box listening to someone talking at them, burbling inanities from somewhere else.“ Hier zeigt sich ganz klar, dass er Verändernungen so lange wie möglich ignorieren möchte, in der Hoffnung, ihnen auf diese Weise vielleicht doch nicht ausgesetzt zu werden. „It’s a fad, it won’t last“, bringt er seine Verdrängungsstrategie auf den Punkt. Rose (Lily James) dagegen, die einer jungen, aufgeschlossenen Generation angehört, ist von der Vorstellung, ein Radio im Haus zu haben, ganz begeistert und bearbeitet Robert so lange, bis dieser schließlich nachgibt und eines anschafft. Für Rose spielen auch Klassen- und Religionsunterschiede eine viel geringere Rolle als für die Vertreter der älteren Generation. Dies zeigte sich schon bei ihrer kurzen Affäre mit einem schwarzen Jazzmusiker in Staffel vier und wird auch in dieser Staffel wieder deutlich, als sie auf die Neuigkeit, dass ihr Auserwählter Atticus (Matt Barber) Jude ist, mit der Bemerkung reagiert, das sei doch egal, schließlich sei er ja englisch – wie sie und ihre Familie auch. (Auch unter den jüngeren Leuten gibt es allerdings traditionelle, konservative Hardliner, wie etwa den Sohn von Lord Merton, der seiner Verachtung über die bevorstehende Ehe seines Vaters mit der bürgerlichen Isobel Crawley mit harten Worten Ausdruck verleiht.)

Als eines Abends beim Essen wieder einmal Diskussionen über gesellschaftliche Sitten und Gebräuche und deren Veränderung geführt werden, bringen sowohl Robert als auch Violet ihre Standpunkte zum Ausdruck:

Robert: „I accecpt change, but I want to navigate it gently. I don’t want to dig into it and put everyone’s back up.“
Tom: „But why do the rituals, the clothes, and the costumes matter so much?“
Violet: „Because without them, we would be like the wild men of Borneo.“

Dass es Tom ist, der hier die Frage stellt, warum Rituale und Kleidung eine so große Rolle spielen, ist natürlich kein Zufall. Schließlich ist er zwar inzwischen Teil der upstairs-Gesellschaft und der Familie Crawley, doch seine Herkunft spielt trotzdem noch eine Rolle. Im Christmas Special merkt Mrs. Hughes im Gespräch mit Mr. Carson an, dass sie Tom, der eins als Chauffeur für die Familie gearbeitet hat und so Teil der Dienerschaft war, immer noch als Brücke zwischen diesen beiden Welten empfindet. In der Tat wird Tom im Lauf der fünften Staffel klar, dass er tatsächlich zwischen den Welten steht; so sehr die Familienmitglieder ihm auch immer wieder beteuern, ihn als einen der ihren akzeptiert zu haben, so sind es vielleicht gerade derartige Aussagen, die ihm deutlich machen, dass er eben doch nicht richtig dazugehört – denn dann wäre es ja nicht nötig, dies immer wieder zu betonen. Dementsprechend fühlt sich Tom in seiner Position mehr und mehr unwohl. „He’s turning back into who he really is“, bemerkt Lady Mary in der zweiten Episode und Daisy appeliert einige Folgen später an Tom: „You’re not Crawley, you belong with us. We’re the future, they’re the past.“ Für Unterhaltung sorgt Toms Sonderstellung noch einmal im Christmas Special am Ende der Staffel, als die Familie auf dem Anwesen von Roses Schwiegereltern zu Gast ist. Der dortige Butler Mr. Stowell (Alun Armstrong) – der nicht nur so konservativ und auf die korrekte Einhaltung von Traditionen und Gebräuchen bedacht ist wie Mr. Carson, sondern zusätzlich auch noch unhöflich und ständig schlecht gelaunt – weigert sich, den ehemaligen Chauffeur Tom zu bedienen und ignoriert ihn zunächst vollständig. (Auf den Wunsch Lady Marys hin spinnt Thomas Barrow schließlich eine kleine Intrige gegen Stowell und zwingt ihn dazu, sein Verhalten zu ändern.) Im Lauf der Staffel reift in Tom der Entschluss, England zu verlassen und mit seiner kleinen Tochter nach Boston zu gehen.

Erheblichen Einfluss auf Toms Entscheidung dürfte seine Bekanntschaft mit der Lehrerin Mrs. Bunting (Daisy Lewis) haben. Während sie downstairs Daisy Mathematikunterricht erteilt, ist sie upstairs auf Downton Abbey gar nicht gerne gesehen. Dies liegt vor allem daran, dass sie dort immer wieder ihre politischen Ansichten kund tut, die denen des Hausherren und der meisten Familienmitglieder widersprechen. In der ersten Folge der Staffel ist sie zum ersten Mal als Gast der Familie geladen; Robert ermutigt nämlich seine Töchter und Rose, zur Feier von seinem und Coras Hochzeitstag auch ein paar junge Leute einzuladen. Ihre bloße Anwesenheit sorgt bereits für Irritationen, doch als sie sich schließlich für die Politik des neuen Premierministers und gegen des geplante Kriegsdenkmal am Ort ausspricht, macht Robert ihr ganz deutlich, dass ihre Meinung hier nicht erwünscht ist. (Als die liberalere Isobel anmerkt, sie finde es gut, wenn junge Leute Prinzipien haben, veranlasst dies Violet zu der Bemerkung „Principles are like prayers – noble, of course, but awkward at a party.“)

Als es in der nächsten Folge darum geht, Mrs. Bunting erneut einzuladen, spricht sich Robert vehement dagegen aus, doch seine Frau stellt fest „She’s the first friend Tom has made that has nothing to do with us and we must respect that.“ Mrs. Bunting lehnt die Einladung dieses Mal dankend ab, nicht ohne jedoch Tom darauf hinzuweisen, dass er durchaus eine Zukunft habe, aber eben nicht hier, als Teil der Familie Crawley.  („What a relief!“, entfährt es Robert, als er erfährt, dass Mrs. Bunting die Einladung abgelehnt hat.) Im Lauf der Staffel schafft sie es noch mehrmals, wirklich jedesmal wenn sie zu Gast ist, ihre Gastgeber zu beleidigen. Dabei sagt sie nichts anderes als ihre Meinung, zum Beispiel als sie Robert offen darauf hinweist, dass er es wohl am liebsten hätte, wenn alles bliebe wie es ist und Angehörigen der Dienerschaft nie die Möglichkeit gegeben würde, sich hoch zu arbeiten. Damit ist für Robert das Fass endgültig voll und er schreit ihr ins Gesicht, dass er sie nie wieder in seinem Haus sehen möchte.

In der nächsten Folge entscheidet sich Tom schließlich überraschend dafür, den Kontakt zu Mrs. Bunting abzubrechen. Die Familie Crawley ist ihm wichtiger und er will sein gutes Verhältnis zu Robert und den anderen nicht aufs Spiel setzen. Gleichzeitig teilt er Robert aber mit, dass er sich bei Mrs. Bunting wohler fühlt als auf Downton Abbey und ihre politischen Ansichten teilt. Kein Wunder, dass er sich später dazu entschließt, die Familie zu verlassen.

„You’re never safe till the ring is on your finger.“

Soap-Charaktere haben es nicht leicht. Sie träumen von einem besseren Leben, von der großen Liebe – auf jeden Fall immer von irgendetwas, denn langfristig glücklich sein dürfen sie nicht. Während Liebesfilme oft mit Hochzeiten enden und damit alles gut ist, können Soap Operas nach der Heirat zweier Figuren nicht einfach zum „happily ever after“ übergehen. Das hat man in „Downton Abbey“ nun schon mehrmals gesehen, es hält die Figuren aber trotzdem nicht davon ab, trotzdem von der großen Liebe und einer auf ewig glücklichen Ehe zu träumen. Rose, die in der achten Folge ihren Verlobten Atticus heiratet, bekommt kurz vor der Hochzeit einige Fotos zugeschickt, die diesen in scheinbar eindeutigen Posen mit einer anderen Frau zeigen. Zwar vermutet sie eine Intrige und hält Atticus für unschuldig, doch sie zweifelt zumindest an seiner Treue. Es kommt zu einer Auseinandersetzung zwischen den beiden, die von drei Angehörigen der Dienerschaft – Daisy, Mr. Molesley und Mrs. Baxter – beobachtet wird. „You’re never safe till the ring is on your finger“, kommentiert Mrs. Baxter (Raquel Cassidy). (Dabei gehen doch wie gesagt nach der Hochzeit die Probleme erst so richtig los.)

Dieses ständige Zweifeln – in Verbindung mit den bereits erwähnten Geheimnissen – gehört zu den Grundzutaten von Soaps (und führt oft zu einem weiteren essentiellen Element, dem Streit). In der fünften Staffel zweifelt wie erwähnt Tom lange, ob er denn wirklich zur Familie gehört und bei ihr bleiben soll. Mary hat weiterhin Zweifel, ob sie nicht vielleicht doch Lord Gillingham (oder vielleicht doch Charles Blake) heiraten soll. Und am Ende der Staffel zweifelt Daisy schon wieder an ihrer Entscheidung, ihre Position als Küchenmädchen aufzugeben.

Beim Anschauen dieser Staffel ist mir aber auch wieder einmal deutlich geworden, wie viel Soap Operas ihren Zuschauern abverlangen. „Downton Abbey“ verfügt über ein so großes Figurenensemble und so viele gleichzeitig ablaufende Handlungsstränge, dass man ununterbrochen aufpassen muss. Man muss nicht nur die Namen und Funktionen aller Figuren im Kopf haben, sondern auch den Status ihrer Beziehungen. Nicht ohne Grund habe ich mir vor dem Anschauen der fünften Staffel noch einmal eine Zusammenfassung aller Folgen der vorhergehenden Staffel durchgelesen. Es stimmt zwar, dass man der Handlung von Downton Abbey wie bei den meisten Soap Operas auch folgen könnte, ohne ständig zuzuschauen. Man kann also nur zuhören, muss das dann aber ganz genau tun, da Julian Fellowes‘ Drehbücher sehr dicht geschrieben und die meisten Dialoge voll von für das Verständnis der Handlung wichtigen Informationen sind. Ohne Umschweife oder Zusammenfassungen der bisherigen Ereignisse erfolgt in jeder Episode sofort der Einstieg in die laufende Handlung und auch beim Wechsel zwischen den Szenen gibt es kaum Verschnaufpausen. Bei der großen Zahl an Figuren und abzuarbeitenden Handlungssträngen können sich die Drehbücher lange Ein- und Überleitungen auch gar nicht leisten. Ein gutes Beispiel sind oft die Essensszenen, in denen eine große Zahl von Charakteren am Tisch sitzt. Während man zunächst Zeuge eines Gesprächs zwischen zwei Personen über eine Angelegenheit wird, wechselt die Szene nach einigen Sätzen meist zu einem anderen Gespräch, das sich um eine andere Angelegenheit dreht. Dabei erfolgt keine Erklärung, worum es jeweils geht; man muss die Vorgeschichten und die Beziehungen der Figuren im Kopf haben, um der Handlung folgen zu können.

Es gäbe noch zahlreiche weitere Entwicklungen, Handlungsstränge, Figurenkonstellationen und Zitate aus der fünften Staffel zu erwähnen. Um diesen Post aber nicht noch wesentlich länger zu machen, will ich mich abschließend auf folgende Beobachtungen beschränken: Zum ersten Mal fand ich Thomas Barrow in der achten Folge nicht unsympathisch, weil er hier tatsächlich jemandem hilft, ohne eine Gegenleistung zu erwarten oder eigene Ziele zu verfolgen. Maggie Smiths Handlungstrang in dieser Staffel hat mir gut gefallen; man konnte ja trotz der herrlichen Sprüche, die ihr die Drehbücher immer wieder in den Mund legen, mitunter vergessen, was für eine fantastische Schauspielerin sie ist, weil sie immer wieder ähnliche Szenen zu spielen bekam. Dies hat sich in dieser Staffel geändert, weil ihre Begegnung mit dem russischen Prinzen Kuragin eine bis dahin kaum beleuchtete, gefühlvolle Seite ihre Figur gezeigt hat. Mr. Molesley bleibt weiterhin eine meiner Lieblingsfiguren, weil Kevin Doyle ihn so fantastisch spielt, dass manchmal ein Gesichtsausdruck von ihm genügt, um mich laut lachen zu lassen. Und die wohl einzige Beziehung der Serie, die nicht den Gesetzen einer Soap Opera gehorcht, weil sie einfach unglaublich langsam voranschreitet (dafür aber sehr glaubwürdig), ist auch endlich einen entscheidenden Schritt weiter gekommen: Mr. Carson hat Mrs. Hughes einen Heiratsantrag gemacht. „I thought you’d never ask“, antwortet sie (nennt ihn aber weiterhin „Mr. Carson“). Schließlich zeigt die Tatsache, dass für die fünfte Staffel unter anderem in der Londoner National Gallery (!) und an der Peter Pan-Statue in den Kensington Gardens gedreht wurde, was für einen Status sich diese Serie inwzischen erarbeitet hat. „Downton Abbey“ mag inhaltlich nichts weiter als eine Soap Opera sein, doch produktionstechnisch wird für die Serie ein Aufwand betrieben, der für Soap Operas – die ja normalerweise möglichst billig in den immer gleichen Kulissen gedreht werden – alles andere als charakteristisch ist.

Ich habe mich jedenfalls an der Serie noch nicht satt gesehen und freue mich schon darauf, in einer weiteren Staffel zu den lieb gewonnenen Figuren zurück zu kehren.

„Nothing’s over yet“: Downton Abbey – Series 4

Eigentlich sollte ich zurzeit die dritte Staffel von „Buffy“ anschauen, aber ich kann nicht anders, als immer wieder fremd zu gehen. Neben der achten Staffel von „Dexter“ habe ich in den letzten Wochen auch die vierte Staffel von „Downton Abbey“ zwischen ein paar „Buffy“-Folgen geschoben. Ich habe erst gegen Ende der Staffel angefangen, mir Notizen zu machen, aber da es mir hier sowieso nicht um eine inhaltliche Nacherzählung der Handlung geht, ist das nicht weiter schlimm.

Die Handlung der vierten Staffel beginnt sechs Monate nach dem Ende von Staffel drei (bzw. des 2012er Christmas Specials). Lady Mary (Michelle Dockery) ist immer noch in Trauer über den plötzlichen Tod ihres Ehemannes Matthew. Ein ähnliches Schicksal bleibt der Kammerzofe von Marys Mutter, Sarah O’Brien, zum Glück erspart. Deren Darstellerin Siobhan Finneran wollte die Serie nämlich ebenso verlassen wie Matthew-Darsteller Dan Stevens, weswegen beide aus der Handlung geschrieben werden mussten. Nachdem bereits Lady Sybil aus demselben Grund in der dritten Staffel der Serientod ereilte und man Matthew am Schluss des 2012er Christmas Specials sterben ließ, wäre ein weiterer Todesfall nach so kurzer Zeit dann vielleicht doch etwas zu viel gewesen. O’Brien musste also nicht sterben; stattdessen beginnt die vierte Staffel damit, dass die übrige Dienerschaft in Downton Abbey feststellen muss, dass O’Brien ganz plötzlich abgehauen ist, um Lady Flintshire nach Indien zu begleiten (wer Lady Flintshire ist, weiß ich zwar nicht mehr, aber darum geht es ja nicht).

Zumindest in den ersten Episoden fand ich die vierte Staffel weniger spannend und unterhaltsam als die ersten drei. Allerspätestens jetzt wird nämlich klar, dass „Downton Abbey“ „nur“ eine Soap Opera ist, in der kein noch so unwahrscheinlich erscheinendes Ereignis ausgelassen wird, um Probleme zu erzeugen und die Handlung fortbestehen zu lassen. In der vierten Staffel gehören dazu unter anderem eine Vergewaltigung, die anschließend geheim gehalten werden muss, eine ebenfalls zu verheimlichende Schwangerschaft oder des Diebstahls verdächtigte Bedienstete. Der Vorteil des Soap-Schemas ist allerdings, dass Figuren meist ohne negative Folgen aus der Handlung geschrieben werden können, wie ja in „Downton Abbey“ bereits mehrfach geschehen. Was die Serie aber trotzdem noch sehenswert macht, sind die fast ausnahmslos fantastischen Schauspieler. Zusammen mit den hohen Produktionskosten, den aufwändig ausgestatteten Sets und Kostümen und der Tatsache, dass hier eben nicht wie am Fließband produziert wird, sondern nur etwa neun Stunden pro Jahr, heben die Schauspielerleistungen die Serie über den Status einer bloßen Soap hinaus.

In den ersten drei Staffeln waren für mich meistens die herrlichen One-Liner von Maggie Smith die Höhepunkte. Leider fallen diese in der vierten Staffel nicht mehr so gelungen aus. Lachen musste ich aber, als Smiths Figur, die Dowager Countess of Grantham, einen der Verehrer Lady Marys, Lord Gillingham, als „the most unconvincing fiancé I’ve ever met“ bezeichnete (weil dieser nämlich immer wieder hinter Mary her ist, obwohl er mit einer anderen Frau verlobt ist). Schmunzeln musste ich zudem bei ihrer Bemerkung „I feel as if I spent the whole evening trapped in a whodunnit“ im 2013er Christmas Special, weil ich dies als Anspielung auf „Gosford Park“ (2001) verstanden habe, also jenen Film, der wie „Downton Abbey“ von Julian Fellowes geschrieben wurde. Man könnte ihn als inoffiziellen Pilotfilm zu „Downton Abbey“ betrachten, weil er ebenfalls auf einem aristokratischen Anwesen spielt, wo sich Adelige und ihre Diener im Jahr 1932 zu einem Jagdwochenende einfinden. Maggie Smith spielt darin quasi die gleiche Rolle wie in „Downton Abbey“, nämlich die einer alternden Gräfin, die die gesellschaftlichen Veränderungen um sie herum äußerst kritisch betrachtet. Vordergründig handelt es sich bei „Gosford Park“ um einen Whodunnit, weil etwa in der Mitte des Films der Hausherr ermordet wird und der Mord anschließend aufgeklärt werden muss. Tatsächlich geht es in dem Film aber kaum um diesen Mord, sondern um die Verwicklungen zwischen den zahlreichen Anwesenden auf Gosford Park – above stairs und below stairs. Die Idee zu „Downton Abbey“ ging aus dem Konzept zu „Gosford Park“ hervor und die Serie war ursprünglich sogar als Spin-off des Films gedacht.

Eine weitere Gemeinsamkeit zwischen Film und Serie liegt im Auftauchen realer Personen: In „Gosford Park“ zählte der Schauspieler und Sänger Ivor Novello (gespielt von Jeremy Northam) zu den Gästen, während in einer Folge von „Downton Abbey“ die australische Opernsängerin Nellie Melba (dargestellt von der Sopranistin Kiri Te Kanawa) zu Gast ist. Aber um noch einmal zu Maggie Smiths Figur zurück zu kommen: Ihr bester Moment der vierten Staffel war wohl ihre fassungslose Äußerung, als ihr Sohn nach seiner Rücker aus den USA erklärt, wie sehr er sich freue, endlich wieder Alkohol trinken zu dürfen: „You can’t mean you never had a drink all the time you were there!“

„I’m not unhappy. I’m just not quite ready to be happy.“

Mit diesen Worten beschreibt Lady Mary in der sechsten Folge ihren Gemütszustand. Nach dem unerwarteten Tod ihres Mannes hat sie viele Monate in Trauer verbracht. Diese Zeit ist nun zwar vorbei, doch wie sie sagt ist sie eben immer noch nicht ganz bereit dafür, wieder glücklich zu sein. Damit bringt sie das Soap-Prinzip auf den Punkt, wonach eigentlich keine Figur jemals langfristig glücklich sein darf. Insofern war der Ausstieg von Matthew-Darsteller Dan Stevens überhaupt nicht die Katastrophe für die Serie, die er zunächst zu sein schien. In einer „Making of“-Doku auf der Blu-ray erzählt Gareth Neame, ausführender Produzent der Serie, dass der Ausstieg erst eine sehr schlechte Nachricht zu sein schien („the worst thing that could happen“), doch dann wurde den Serienmachern folgendes klar: „The moment you look at it a different way and you spin it around and you say ‚Okay, so Mary can’t be with Matthew anymore‘. If you look at it another way, suddenly you have the best piece of sort of storytelling rocket fuel that you could have.“ Hier hat jemand offensichtlich seine Soap-Lektion gelernt, denn Soaps leben eben von Problemen, Krisen, Drama – und was könnte es da besseres geben, als hin und wieder einene Todesfall?

Aus solchen Ereignissen ergibt sich erst die Handlung, wobei es nie um die Ereignisse selbst geht, sondern stets um deren Konsequenzen und um die Reaktionen der Figuren. Daraus, wie Lady Mary mit dem Tod ihres Mannes umgeht, ergibt sich die Handlung (zum Beispiel wie sie Folge für Folge alle Männer, die um sie werben, abweist, weil sie noch in Trauer ist). Nachdem Mr. Bates von der Vergewaltigung seiner Frau Anna erfahren hat, ist Mrs. Hughes erleichtert, dass das Problem zwischen ihm und Anna nun ausgesprochen und damit aus der Welt geschafft ist. Aber: „Nothing’s over yet“, erwidert Mr. Bates. Es kann auch noch gar nichts vorbei oder das Problem beseitigt sein, denn das widerspräche dem Soap-Prinzip, Ereignisse möglichst lange nachhallen zu lassen. So schlimm eine reale Vergewaltigung auch ist, aus Soap-Sicht ist sie genau wie ein plötzlicher Todesfall ein freudiges Ereignis, da sie Erzähsoff für viele Episoden bietet. Auch in diesem Fall geht es wieder weniger um die Vergewaltigung an sich, sondern darum, wie die Figuren damit umgehen. Anna beschließt, ihre Vergewaltigung vor ihrem Mann geheim zu halten, aus Angst, er könnte sonst ihren Peiniger umbringen. Ihr Mann, Mr. Bates, wiederum fragt sich, warum seine Frau auf einmal so kalt und abweisend zu ihm ist und versucht heraus zu finden, was geschehen ist. Und Mrs. Hughes versucht so gut sie kann, zwischen den beiden zu vermitteln, ohne Annas Geheimnis zu verraten. Dass Anna vergewaltigt wurde ist – aus erzählerischer Sicht, wohlgemerkt – zu diesem Zeitpunkt schon fast irrelevant. Die Vergewaltigung dient bloß als ein eine Krise auslösendes Ereignis, das die Figuren dann für möglichst viele Episoden leiden, Geheimnisse haben, intrigieren, spionieren und trösten lässt.

Immer wieder sind es auch die Blicke der Figuren, die uns zeigen, dass eine Sache noch längst nicht vorbei ist. Misstrauische, verdächtigende, sehnsuchtsvolle, verspottende oder verachtende Blicke sind es, die sich die Figuren zu werfen oder mit denen sie sich heimlich umschauen. Einer der Bediensteten, der unsympathise Thomas Barrow (Robert James-Collier) hat sich das Sammeln von Geheimnissen und deren Benutzen für eigene Zwecke geradezu zum Geschäft gemacht. In der vierten Staffel instruiert er Mrs. Baxter, in seiner Abwesenheit auf die Geschehnisse im Haus zu achten und ihm bei seiner Rückkehr genau Bericht zu erstatten. Manchmal habe ich den Eindruck, Thomas weiß als einzige Figur in „Downton Abbey“, dass er sich in Wahrheit nur in einer Soap Opera befindet, so offensichtlich versucht er stets, andere auszuspionieren und gegen sie zu intrigieren.

„How curious these phrases are!“

Ich habe schon geschrieben, dass ich die vierte Staffel nicht mehr ganz so interessant fand, wie die vorhergehenden. Mit zunehmender Dauer wird leider immer klarer, dass hier eben immer nach demselben Prinzip erzählt wird. Wo die Staffel aber doch interessant wurde und wirklichen Witz entwickelt hat, war immer dann, wenn Grenzen überschritten oder sonstwie relevant wurden – Grenzen zwischen geselschafftlichen Schichten oder unterschiedlichen Kulturen. Die Einteilung in Adlige above stairs und deren Bedienstete below stairs ist ja offensichtlich; manchmal aber wird deutlich, dass auch innerhalb dieser beiden Schichten Abgrenzungen vorgenommen werden, zum Beispiel als ein schwarzer Sänger in den Dienstbotenquartieren zu Gast ist und von Mr. Carson doch tatsächlich gefragt wird, ob er je daran gedacht habe, nach Afrika zu gehen!

Mehrmals in der Staffel wird auch die Differenz zwischen Adeligen und Dienern zum Thema der Handlung, und zwar indem es zu Verwechslungen oder Täuschungen kommt. Rose gibt sich etwa auf einem Tanz in York als Bedienstete aus, während einige Folgen später Anna und ihr Mann in einem Restaurant aufgrund eines Missverständisses als Adelige behandelt werden. Eine Figur, für die diese Differenz ständig für Anspannung sorgt, ist der ehemalige Chaffeur Tom, der in die Familie Crawley eingheiratet hat. Formell gehört er nun zwar zur Familie, doch immer wieder wird ihm bewusst, dass er keineswegs einer von ihnen ist. Als eine Party auf dem Anwesen stattfindet, hat ihn Violet (ich nenne Maggie Smiths Figur der Einfachheit halber nun beim Vornamen, möge sie mir verzeiehen) darüber aufzuklären, mit welchen Titeln er die verschiedenen Gäste anzusprechen hat. Als er bemerkt, dass diese Regelungen unlogisch seien, entgegnet Violet: „If I were to search for logic, I should not look for it among the English upper class.“ 😀 Auch seinen ehemaligen Kollegen Thomas hat er nun, da er als Herr zum Diener spricht, mit dem Nachnamen anzureden, während er selbst nun als Teil der Familie von den anderen Familienmitgliedern nicht mehr mit seinem Nachnamen, sondern lediglich als „Tom“ anzusprechen ist, was wiederum bei Violet für Irritation sorgt.

Molesley (Kevin Doyle), der frühere Butler von Lady Isobel und ihrem Sohn Matthew, kehrt in der vierten Staffel als einfacher Hausdiener (footman) nach Downton Abbey zurück. Er nimmt die Stellung nur nach langem Zögern an, da sie einen Rückschritt für ihn bedeutet. Als er in seiner neuen Stellung das Essen serviert, spricht ihn Violet weiter mit seinem Nachnamen an, obwohl einfache Hausdiener im Gegensatz zum Butler eigentlich beim Vornamen genannt werden. Dem Butler Mr. Carson (Jim Carter) passt das gar nicht, doch er drückt seinen Ärger lediglich mit einem bösen Blick aus.

Im an die vierte Staffel anschließenden Christmas Special „Downton Abbey: The London Season“ kommt einmal mehr Besuch aus Amerika. Martha Levinson (Shirley MacLaine), die Mutter von Cora sowie Coras Bruder Harold (Paul Giamatti) sind aus New York angereist; auch sie haben natürlich ihre Bediensteten dabei. Das Aufeinandertreffen von Briten und Amerikanern sorgt für den Großteil der Lacher in dieser 90-minütigen Episode. So ist es etwa die britische Dienerschaft gewohnt, auswärtige Diener, die sich auf Downton Abbey aufhalten, der Einfachheit halber mit dem Namen ihrer jeweiligen Vorgesetzten anzureden (in „Gosford Park“ sorgt diese Praxis beim Zuschauer für reichlich Verwirrung). Als Ethan, Harold Levinsons Kammerdiener, von Mr. Carson als „Mr. Levinson“ angesprochen wird, ist er irritiert und weist Mr. Carson zurecht: „My employer is called Levinson, not me.“, woraufhin Mr. Carson entgegnet: „In this house, you both are.“

Als Ethan später auf Wunsch von Mr. Carson für einige Zeit die Aufgabe eines Hausdieners übernimmt und bei einem Empfang die Häppchen auf seinem Tablett den Gästen gegenüber aktiv anpreist („Would you care for one of these? I think they’re quite nice.“), muss ihn Mr. Carson erneut scharf zurecht weisen: „You’re a footman, not a travelling salesman. Please keep your opinions on the catering to yourself.“ 😀 Selten war ein culture clash unterhaltsamer. Einige Zeit später erfahren wir, dass die Dienerschaft Probleme hat, all das Eis aufzutreiben, das der Amerikaner Harold Levinson offenbar „in everything he drinks“ haben möchte…

Aber nicht nur unter der Dienerschaft sorgt die Anwesenheit der Gäste für Irritationen, auch die von Maggie Smith und Shirley MacLaine gespielten Figuren geraten erneut aneinander. Als Martha (MacLaine) und Harold das Zimmer betreten, in dem sich Violet (Smith) und der Rest der Familie gerade aufhalten, begrüßt Martha die Anwesenden mit einem „Oh, well, the gang’s all here, I see.“, was Violet trocken mit „Is that American for ‚Hello‘?“ kommentiert, nur um kurze Zeit später die Bemerkung „How curious these phrases are!“ nach zu schieben.

In all diesen Fällen gilt: die Irritation ergibt sich stets aus einer Differenz zwischen Angehörigen verschiedener Schichten oder unterschiedlicher Kulturen. Solche Unterschiede werden immer dann relevant, wenn sie in irgendeiner Form stören. Denn „da“ sind sie ja immer, sorgen im Normalfall aber nicht für Störungen, sondern tragen im Gegenteil dazu bei, eine bestimmte gesellschaftliche Ordnung aufrecht zu erhalten, so kompliziert und umständlich sie zum Teil auch erscheinen mögen. Nur wenn sich jemand nicht in Übereinstimmung mit den ungeschriebenen Gesetzen des gesellschaftlichen Zusammenlebens verhält, gerät die Kommunikation ins Stocken und es kommt zum Beispiel zu peinlichen Situationen wie der, in der der ehemalige Chauffeur die Damen der feinen Gesellschaft mit den falschen Titeln anspricht. (In diesem Fall ist ihm das zwar selbst nicht peinlich, weil er seinen Fehler gar nicht bemerkt, doch seine Gesprächspartnerinnen werden sich schon ihren Teil dabei denken.)

Meine Lieblingsszene aus dem 2013er Christmas Special ist in dieser Hinsicht das Aufeinandertreffen des Amerikaners Harold Levinson und des Prince of Wales, Eward VIII. (Oliver Dimsdale) auf einem Empfang im Buckingham Palace. Harold, der schon im Vorfeld seine Begeisterung über ein mögliches Treffen mit dem Prinzen zum Ausdruck gebracht hat, nutzt die Gelegenheit, als er diesen gerade ohne Gesprächspartner stehen sieht und geht entschlossen auf ihn zu. „How do you do? Harold Levinson.“, stellt er sich vor und streckt dem Briten seine Hand entgegen. Dies sorgt jedoch leider bereits für eine Störung und schließlich den kompletten Abbruch der Kommunikation, da die Sitte, sich jemandem vorzustellen, indem man einfach den eigenen Namen sagt, dem britischen Prinzen vollkommen unbekannt zu sein scheint. „You are mistaken, sir. I am not Harold Levinson, whoever he may be.“, erwidert der Prinz. Der Amerikaner Harold hat wahrscheintlich in dieser Situation gleich mehrere Regelen gebrochen, da er weder Ahnung von den britischen Gepflogenheiten im Allgemeinen zu haben scheint, noch davon, wie man sich einem Mitglied des Königshauses zu nähern hat. Es bleibt der herrliche, zunächst irritierte und schließlich belustigte Ausdruck auf Harolds Gesicht, nachdem ihn der ebenfalls irritierte Prinz einfach hat stehen lassen.

Aber nicht nur die Unterschiede zwischen Briten und Amerikanern, zwischen Adeligen und ihren Dienern spielen in „Downton Abbey“ eine Rolle. Je weiter die Handlung fortschreitet, um so öfter ist auch die Rede von einem gesellschaftlichen Wandel, in dem sich das starre  Klassensystem zumindest ein wenig aufzulösen beginnt. Martha Levinson sieht sich als eine der Vorreiterinnen dieser Entwicklung (was zugegeben wohl mit ihrer Identität als Amerikanerin zu tun hat). Sie bezeichnet sich als modern und legt keinen Wert darauf, einen Mann nur seines Titels wegen zu heiraten. Dass ihre eigene Tochter einen höheren gesellschaftlichen Rang innehat als sie selbst, stört sie nicht. Ganz am Ende der Staffel erklärt sie in einem Aufeinandertreffen mit Violet, der wohl stärksten Verfechterin der alten Ordnung: „I have no wish to be a great lady.“ Kurz darauf fügt sie hinzu: „I don’t mind looking in the mirror, because what I see is a woman who’s not afraid of the future. My world is coming nearer, and your world? It’s slipping further and further away.“

Hoffentlich werden diese gesellschaftlichen Umbrüche in der kommenden fünften Staffel der Serie noch näher beleuchtet. Sie bieten definitiv eine Menge an neuem, interessantem Erzählstoff.

Das war 2013 – Mein persönlicher Film- und Serienrückblick

Weihnachten steht vor der Tür, das Jahr ist so gut wie vorbei, da wird es Zeit für einen Jahresrückblick. Das dachte ich mir jedenfalls vor ein paar Tagen, schließlich habe ich schon lange nichts mehr gepostet und zwar einige neue Blogposts in Arbeit, die aber aus verschiedenen Gründen (welche sich alle unter dem Überbegriff Prokrastination zusammenfassen lassen) alle noch nicht fertig sind. Also beuge auch ich mich dem momentanen Trend und schreibe meinen persönlichen Film- und Serienjahresrückblick 2013.

Die besten Filme des Jahres

Zum ersten Mal habe ich 2013 eine Liste über alle Filme geführt, die ich mir in diesem Jahr angeschaut habe, ganz egal ob im Kino oder zuhause, ganz egal ob brandneuer Blockbuster oder jahrzehnte alter Klassiker. Die Anzahl verrate ich nicht, aber es waren definitiv zu wenige. Noch weniger als in den letzten Jahren habe ich es 2013 geschafft, alle neuen Filme, die ich mir anzuschauen vorgenommen habe, auch zu sehen. Das lag vor allem daran, dass ich in den letzten Wochen kaum Zeit hatte, wie wild in die Videothek und ins Kino zu rennen, um auch wirklich alle wichtigen Filme des Jahres nachzuholen. Am produktivsten war ich in dieser Hinsicht wie in jedem Jahr während des „Filmfest München“ – 23 Filme habe ich dort innerhalb von acht Tagen gesehen (und hier darüber geschrieben). Darunter war mit „Blau ist eine warme Farbe“ („La vie d’Adèle“, seit Donnerstag deutschlandweit im Kino) einer der besten Filme des Jahres. Abdellatif Kechiches Beziehungsdrama mit Adèle Exarchopoulos und Léa Seydoux erzählt so direkt, ungekünstelt und ehrlich von den Höhen und Tiefen einer Liebesbeziehung und wartet mit zwei so guten und faszinierenden Hauptdarstellerinnen auf, dass ich auch nach knapp drei Stunden noch nicht genug davon kriegen konnte. Eine weitere Filmfestentdeckung war die Dokumentation „Jodorowsky’s Dune“, die vom letztendlich gescheiterten Versuch des chilenischen Kultregisseurs Alejandro Jodorowsky erzählt, Frank Herberts SciFi-Saga „Dune“ zu verfilmen. Für Fans des Buches, aber auch für Filminteressierte lohnt sich ein Blick auf diesen Film auf jeden Fall, denn die Version von „Dune“, die Jodorowsky vorschwebte, war eine in jeder Hinsicht große und in mancher Hinsicht vielleicht auch größenwahnsinnige. Hoffentlich findet dieser Film zumindest auf DVD auch seinen Weg nach Deutschland.

Wenn man unter einem perfekten Kinoerlebnis die Erfahrung versteht, für die Dauer eines Filmes die Realität um sich herum vollkommen zu vergessen und in eine andere Welt transportiert zu werden, dann ist Alfonso Cuaróns „Gravity“ für mich das perfekte Filmerlebnis schlechthin. Selten zuvor hat ein Filmemacher die handwerklichen Werkzeuge des Films – in diesem Fall unter anderem den 3D-Effekt – so geschickt und stimmig in den Dienst einer dazu passenden Geschichte gestellt. Die phänomenale Kamera- und Schnittarbeit des Films vermittelt dem auf dem Erdboden verhafteten Zuschauer auf die bestmögliche Weise den Eindruck, mit Sandra Bullock und George Clooney im Weltraum zu schweben. Das Erlebnis, das dieser Film bietet ist wirklich schwer in Worte zu fassen. Als ich aus dem Kino kam, hatte ich noch minutenlang einen federnden, leichten Gang, weil ich tatsächlich zu einem gewissen Grad das Gefühl hatte, aus der Schwerelosigkeit zurück auf die Erde zu kommen. Praktisch den ganzen Film über ging mein Mund vor Staunen gar nicht mehr zu – „Gravity“ ist für mich ganz klar der beste Film des Jahres. Dieses Filmerlebnis hätte nur dann noch besser sein können, wenn Cuarón den Film in HFR, also mit mindestens 48 Bildern pro Sekunde gedreht hätte (so wie Peter Jackson seine beiden „Hobbit“-Filme). Dann wäre bei Kameraschwenks nämlich kein Verwischungs-Effekt aufgetreten und wirklich überhaupt nichts hätte mich noch daran erinnert, dass ich da „nur einen Film“ sehe.

Von ganz anderer Art und vollkommen dem Erdboden verhafet, ja wie mitten aus dem Leben gegriffen, sind die „Before…“-Filme von Richard Linklater, über die ich im April gebloggt habe. „Before Midnight“ war einer meiner meisterwarteten Filme des Jahres und hat mich nicht enttäuscht. Auf gewohnt hohem Niveau führen Linklater, Julie Delpy und Ethan Hawke fort, was sie 1995 begonnen haben. Konsequent wird die Geschichte von Jesse und Céline, die sich einst im Zug kennen gelernt haben, hier weitererzählt. Delpy und Hawke dabei zuzusehen, wie sie in scheinbarer Verschmelzung mit ihren Figuren die grandiosen Dialoge zum Leben erwecken, gehörte zu den Höhepunkten meines Filmjahres. Und dann wieder dieses Ende…!

Ganz klar ein weiterer Höhepunkt für mich war „Star Trek Into Darkness“. In meinem Fall ist J.J. Abrams Plan voll aufgegangen: Je weniger die Zuschauer vor dem Kinobesuch über einen Film wissen, umso mehr kann man sie überraschen. Da ich vollkommen ungespoilert in das neue Trek-Abenteuer ging, konnte mich die zentrale Enthüllung des Films auch tatsächlich überraschen und schockieren! Auch den Rest des Films habe ich ausnahmslos genossen; „Star Trek Into Darkness“ ist für mich ein fast perfektes SciFi-Abenteuer (jetzt werden wieder einige maulen, dass es in „Star Trek“ ja eigentlich um mehr gehen soll, als nur um Abenteuer, aber dazu habe ich ja bereits in meinem Post zum Film etwas geschrieben).

Wo ich gerade bei großen Abenteurn bin: Auch Peter Jacksons zweiter „Hobbit“-Film gehört für mich zu den besten des Jahres, auch wenn ich mir nach der zweiten Sichtung des Films nicht mehr ganz sicher bin, ob ich ihn wirklich in meine Top Ten einordnen würde. Mit der Szene, in der Bilbo und die Zwerge verfolgt von Orks und Elben in Fässern den Fluss hinuntertreiben, liefert er auf jeden Fall eine der kreativsten und unterhaltsamsten Actionszenen seit Jahren ab und wartet zudem mit einem Showdown auf, der mir ein breites Grinsen der Bewunderung und des Staunens ins Gesicht zauberte. Ich gebe ja zu, dass ich eine Schwäche für Jacksons Actionsszenen habe, die oft überlang und „over the top“ sind, aber mit den genannten zwei Sequenzen hat er sich tatsächlich noch einmal selbst übertroffen (was für all diejenigen, die den Film nicht mochten, natürlich als Argument gegen ihn angeführt werden kann). „The Desolation of Smaug“ hat definitiv seine Schwächen, aber zumindest beim ersten Mal hatte ich so viel Spaß im Kino, wie schon lange nicht mehr und habe sogar spontan applaudiert.

Ebenfalls zum Lachen und Staunen gebracht hat mich zu Beginn des Jahres Tim Burtons „Frankenweenie“. Endlich mal wieder ein Tim Burton-Film, bei dem der Regisseur ohne Rücksicht auf den Massengeschmack seine Vision auf die Leinwand bringen konnte! Hier konnte Burton seine Kreativität voll ausleben und hat nach dem von ihm erdachten „Nightmare Before Christmas“ und „Corpse Bride“ erneut einen Stop Motion-Animationsfilm voller herrlich verrückter, aber emotional authentischer Figuren geschaffen. Zusätzlich ist „Frankenweenie“ eine Hommage an alte Horrorstreifen und zitiert zahlreiche Klassiker des Genres, was das Vergnügen für Filmfans noch größer macht. Auch Steven Spielbergs „Lincoln“ kam in Deutschland zu Beginn des Jahres in die Kinos und zählt wahrscheinlich zu den besten Filmen des Regiegroßmeisters. Ich schreibe „wahrscheinlich“, weil ich den Film nur einmal gesehen habe und ihn mir noch einmal anschauen muss, um mir ein klareres Bild zu verschaffen. Das herrvoragende Drehbuch, das detaillierte und überzeugende Set- und Kostümdesign und in erster Linie Daniel Day Lewis‘ wirklich phänomenales Schauspiel machen diesen Film aber auf jeden Fall zu einem der besten des Kinojahres.

Quentin Tarantino nahm sich mit seinem „Django Unchained“ ebenfalls dem Thema Sklaverei in den USA an und gewann für das Drehbuch verdientermaßen einen Oscar. Ob man auch Christoph Waltz nach seiner Auszeichnung für „Inglorious Basterds“ erneut einen Goldjungen überreichen musste, darüber kann man streiten. Fest steht, dass es extrem unterhaltsam war, Waltz und auch dem hervorragend fiesen Leonardo DiCaprio hier zuzusehen. Der Film hatte hier und da ein paar Längen und komischerweise ist mir Jamie Foxx‘ Django viel weniger in Erinnerung geblieben als die Figuren von Waltz, DiCaprio, Samuel L. Jackson oder Don Johnson, aber insgesamt handelt es sich trotzdem um einen der besten Filme des Jahres.

Großartiges Schauspielkino der ganz anderen Art bot der dänische Film „Die Jagd“ von Thomas Vinterberg, der hier erstmals mit Mads Mikkelsen („Casino Royale“) zusammen arbeitete. Mikkelsen spielt einen Kinderpfleger, der eines Tages zu Unrecht verdächtigt wird, sich sexuell an einem kleinen Mädchen vergangen zu haben. Die ruhige Inszenierung, das intelligente Drehbuch und das sehr gute Schauspiel Mikkelsens und der Nebendarsteller (inklusive des kleinen Mädchens) machen diesen Film zu einem sehr sehenswerten Stück Kino, das zum Nachdenken anregt. Ähnliches gilt für „Flight“, Robert Zemeckis‘ lang erwartete Rückkehr zum Realfilm. Nach „Cast Away“ (2000) und „What Lies Beneath“ („Schatten der Wahrheit“, 2001) hatte es sich der Regisseur zur Aufgabe gemacht, die Motion Capture-Technologie zu erforschen. Seine Filme „Der Polarexpress“, „Die Legende von Beowulf“ und seine Version von Dickens‘ „Weihnachtsgeschichte“ waren allerdings weder besonders gut, noch konnten sie eine klare Antwort auf die Frage geben, warum man nun unbedingt Tom Hanks in einem Film fünf verschiedene Rollen spielen lassen muss, bloß weil es technisch möglich ist. (Sinnvoll eingesetzt und weiterentwickelt wurde Motion Capture schließlich von anderen, allen voran Peter Jackson mit Gollum im „Herrn der Ringe“, James Cameron bei „Avatar“ und auch Spielberg und Jackson bei „Tim & Struppi“). In Flight hat sich Zemeckis jedenfalls wieder auf seine alten Stärken zurück besonnen und ein Stück Kino abgeliefert, das zwar technisch und handwerklich brilliant ist, dies jedoch nicht zum Mittelpunkt und Selbstzweck macht. Auch Denzel Washingtons zu recht oscarnominiertes Schauspiel setzt eher auf Zurückhaltung statt Übertreibung und ist gerade deshalb so effektiv.

Was gab es sonst noch so für tolle, erwähnenswerte Filme? Da wäre Paul Thomas Andersons „The Master“, der sicherlich keine leicht zugängliche Kost darstellt, aber schon allein wegen der Schauspielleistungen seiner Hauptdarsteller sehenswert ist. Das gleiche kann man von „Prisoners“ behaupten, einem Film, dessen Düsternis meine Stimmung ganz schon in den Keller gezogen hat, in dem Hugh Jackman und Jake Gyllenhaal aber voll überzeugen konnten. Äußerst begeistert war ich auch nach dem Anschauen von „Die fantastische Welt von Oz“, allerdings habe ich den starken Verdacht, dass sich das ändern würde, sollte ich den Film irgendwann ein zweites Mal sehen. Woody Allens „Blue Jasmine“ ist definitiv einer der stärkeren Filme des Regisseurs, wenn auch wie die meisten seiner Werke von zahlreichen Klischees durchzogen. Doch schon allein Cate Blanchetts Darstellung der titelgebenden Jasmine war den Kauf der Eintrittskarte wert und ich tippe mal darauf, dass sie für diese Rolle ihren zweiten Oscar erhalten wird. Tolles Schauspielkino gab es auch in „Saiten des Lebens“ („A Late Quartet“) zu sehen, in dem Christopher Walken, Philipp Seymour Hoffman, Catherine Keener und Mark Ivanir die Mitglieder eines Streichquartetts spielen, die sich unter anderem damit auseinandersetzen müssen, dass einer von ihnen an Parkinson erkrankt ist. Ach ja, und dann war doch noch „World War Z“, der von allen bisher genannten Filmen zwar der am wenigsten beeindruckende ist, den ich hier aber dennoch aufführen möchte, weil er ganz einfach so viel besser war als man erwartet hatte. Vielleicht steckte ja eine besondere Marketingstrategie des Studios dahinter – erst monatelang Informationshäppchen darüber in die Welt setzen, wie chaotisch die Dreharbeiten verlaufen und wie uneinig sich die Beteiligten über die Richtung sind, die der Film einschlagen soll, um dann am Ende mit einem zwar bei weitem nicht perfekten, aber eben doch ordentlichem und unterhaltsamen Zombie-Actionfilm zu überraschen.

Die bewegendste Schauspiellelistung des Jahres kam dieses Mal von Anne Hathaway in „Les Misérables“. Während ich den Film als ganzen nur mittelmäßig fand, hat mich ihre Darbietung von „I Dreamed A Dream“ selbst dann noch zu Tränen gerührt, wenn ich das Lied nur gehört habe. Ihre gesanglich nicht perfekte, aber gerade deswegen emotional so berührende Darbietung dieser Szene hat ihr vollkommen zu Recht den Oscar für die beste weibliche Nebenrolle eingebracht. Und das schreibe ich nicht nur, weil ich Anne Hathaway neben Rebecca Hall für die schönste Schauspielerin der Welt halte und einen Anne Hathaway-Adventskalender an der Wand hängen habe! 😉

Weitere persönliche Filmhöhepunkte

Schließlich möchte ich noch ein paar Filme nennen, die zwar zum Teil schon älter sind, die ich aber 2013 zum ersten Mal gesehen habe und die ebenfalls zu meinen filmischen Höhepunkten zählten: Da wäre zunächst Hitchcocks „Psycho“, das ich tatsächlich erst dieses Jahr nachgeholt habe (als Vorbereitung auf „Hitchcock“, der von der Entstehung von „Psycho“ erzählt, aber leider eher durchwachsen ausgefallen ist). Auch „Der Zauberer von Oz“ habe ich erst 2013 zum ersten Mal gesehen (und zwar einige Tage nach dem Kinobesuch von „Die fantastische Welt von Oz“) und mich nicht nur sofort in den Film verliebt, sondern beim Anschauen auch endlich die zahlreichen Anspielungen auf den Film, die in vielen anderen Filmen und Liedern vorkommen, verstanden. Nach dem extrem enttäuschenden fünften „Stirb Langsam“-Film (siehe unten) habe ich auch endlich die mir noch fehlenden ersten beiden Teile der Reihe angeschaut und war überrascht davon, dass Teil 1 ja noch gar nicht so ein Actionfeuerwerk ablieferte, wie es vor allem die letzten beiden Filme taten. Die Stärken des Films liegen anderswo und gerade deswegen ist er so verdammt gut (Teil 2 dagegen konnte ich schon sehr viel weniger abgewinnen). Besser spät als nie habe ich 2013 auch endlich erkannt, was für ein erzählerisches Genie Joss Whedon ist. Mit seinem Werk war ich bisher kaum vertraut, nachdem ich aber den von Whedon geschriebenen und wirklich genialen „The Cabin In The Woods“ gesehen habe, verneige ich mich vor seiner Fähigkeit, uns mit der Dekonstruktion eines ganzen Genres zu unterhalten.

Auf dem Fantasy Filmfest habe ich in diesem Jahr drei Filme gesehen, von denen „The Philosophers“ der beste war. James D’Arcy spielt darin als Lehrer mit seiner Philosophieklasse ein Gedankenexperiment duch, das grausam endet. Nebenbei erfahren wir auch noch, auf welche weiterführende Schule Ginny Weasly aus den „Harry Potter“-Filmen nach ihrem Hogwarts-Besuch gegangen ist, deren Darstellerin Bonnie Wright spielt hier nämlich eine Schülerin. Ein Film, über den ich vorher so gut wie nichts wusste und der mich dann sehr beeindruckt hat, war Anton Corbijns Musikbiographie „Control“ (2007) über die Band Joy Divison und das tragisch kurze Leben ihres Leadsängers Ian Curtis. Sehr sehenswert! Auch einige Filme der Vorjahre habe ich 2013 noch nachgeholt: Darunter enttäuschende wie „Das Bourne Vermächtnis“, aber auch sehr gute wie „Ruby Sparks“, „Cloud Atlas“, „Chronicle“  oder Andreas Dresens „Halt auf freier Strecke“ (2011). Letzterer hat mich emotional so sehr mit genommen, wie es nur ganz, ganz wenige Filme schaffen. Auf schonungslos offene Weise und ohne irgendetwas zu verbergen oder zu beschönigen erzählt Dresen darin die Geschichte einer deutschen Mittelstandsfamilie, deren Familienvater an einem Gehirntumor leidet. Von der Diagnose bis zum Tod begleitet Dresen diese Familie, und wenn das hier so klingt als handele es sich um einen Dokumentarfilm, dann deswegen, weil dieser Film fast so wirkt. So nah ist man dabei den Figuren, dass es wirklich fast schon körperlich weh tut. Ganz intimes, aber gleichzeitig ganz großes Kino und von seiner Intensität und emotionalen Wucht her einer der besten Filme, die ich je gesehen habe.

Die schlechtesten und enttäuschendsten Filme des Jahres

Ich habe es oben schon angedeutet: „Stirb langsam – Ein guter Tag zum Sterben“ ist für mich die Filmgurke des Jahres. Ein über weite Strecken einfach nur peinlicher und höchstens unfreiwillig komischer Film. Warum, habe ich ja in meinem Post zum Film schon geschrieben. Auch „Hänsel und Gretel: Hexenjäger“ konnte ich fast nichts Positives abgewinnen. Kaum zündende Gags, eine wirklich schwache Inszenierung und teils lustlos wirkende Darsteller – mehr will ich dazu nicht mehr sagen. Warum ich mir „The Last Stand“ mit Arnold Schwarzenegger angeschaut habe, weiß ich selbst nicht so genau. Ich weiß nur, dass ich drei Abende dafür gebraucht habe, weil ich mir den Film einfach nicht an einem Stück antun konnte. Leider auch ziemlich daneben fand ich Sofia Coppolas „The Bling Ring“, der eigentlich nur aus einer Aneinanderreihung der immer gleichen Szenen und Bilder bestand. Dass diese dann zum Teil recht ästhetisch anzuschauen waren, hat dem Ganzen auch wenig geholfen. Die Hände über dem Kopf zusammenschlagen möche ich wegen „Man of Steel“. Dieses Superman-Reboot hat einen (optisch) wahnsinnig schönen Anfang, versucht aber leider, sich im weiteren Verlauf nur dadurch zu steigern, dass immer größere Häuser kaputt gemacht werden. Kann bitteschön mal irgendjemand Zack Snyder dazu zwingen, eine mit minimalem Budget ausgestattete Verfilmung eines Theaterstücks zu drehen, damit der Mann lernt, dass es auch im Kino auf interessante, emotional authentische Figuren und deren Beziehungen und Konflikte ankommt und nicht nur darauf, alles möglichst bunt und laut zu machen?

Dann waren da noch die beiden Filme über Terroristen, die das weiße Haus angreifen, von denen ich bis jetzt nur einen gesehen habe („Olympus Has Fallen“). Der war so belanglos und uninteressant, dass ich ihn größtenteils schon wieder vergessen habe. Baz Luhrmanns „Der große Gatsby“ dagegen war zwar nicht wirklich schlecht, kam aber auch nicht über die Mittelmäßigkeit hinaus. Und von den großen Comicverfilmungen des Jahres habe ich zwar noch gar nicht alle gesehen, „Iron Man 3“ fand ich aber wesentlich weniger gut als die meisten anderen ihn fanden und „The Wolverine“ hatte zwar interessante Ansätze, scheiterte aber leider daran, diese auch zu einer interessanten und schlüssigen Geschichte zusammen zu packen.


Mein Serienjahr 2013

Alle Filme, die ich in diesem Jahr gesehen habe, habe ich wie erwähnt in einer Liste festgehalten. Bei den Serien habe ich das noch nicht gemacht, deswegen fällt es mir schwer, mich überhaupt noch an alle Serie zu erinnern, die ich in diesem Jahr gesehen habe. In den letzten zwei oder drei Monaten habe ich wenig Serien (und auch Filme) angeschaut, im Frühjahr und Sommer dagegen mehr. Eine Serie, mit der ich in diesem Jahr neu begonnen habe, war J.J. Abrams‘ „Alias“ (ich habe auch mehrmals darüber gebloggt, zuletzt hier). Die größten Pluspunkte der Serie sind ganz klar Jennifer Garners charismatische und energiegeladene Darstellung von Sidney Bristow und das hohe Erzähltempo, das den Zuschauer gar nicht zur Ruhe kommen lässt (und so auch den ein oder anderen Logikfehler verschleiert). Wirklich süchtig gemacht, so wie „Lost“, hat mich „Alias“ allerdins nicht, so dass ich nach der zweiten Staffel erst einmal abgebrochen habe. Ich möchte zwar irgendwann weiter schauen, aber es gibt halt noch viele andere tolle Serien. „True Blood“ gehört dazu nur bedingt. Während die erste Staffel aufgrund ihrer erfrischend ungekünstelten Darstellung des Fantastischen (das ist ein Euphemismus für „die Serie ist ziemlich erwachsen und brutal“ 😉 ) und der sozialkritischen Elemente überzeugen konnte, wanderten in den folgenden Staffeln leider die Soap-Elemente immer mehr in den Vordergrund, bis es irgendwann egal war, was in der Serie passierte, solange irgendetwas passierte. Die fünfte Staffel, die ich mir dieses Jahr angesehen habe, war zwar wieder besser als die vierte, aber ich bin und bleibe skeptisch. Die sechste und finale siebte Season werde ich mir wohl trotzdem noch ansehen.

Auch bei „Dexter“ handelt es sich um eine Serie, die wahnsinnig toll angefangen hat und irgendwann zwar nicht schlecht, aber doch recht belanglos wurde. Für mich kam dieser Punkt zwar später als für viele andere Zuschauer, nachdem ich dieses Jahr die vorletzte siebte Staffel gesehen habe, muss ich aber definitiv sagen, dass es besser gewesen wäre, die Serie schon nach fünf oder sechs Staffeln zu beenden und einige Entwicklungen, die erst in den späteren Staffeln stattfinden, etwas vorzuziehen. Immer noch faszinierend finde ich „Downton Abbey“. Die meisten der vielen hochgelobten Serien der letzten Jahre haben sich ja einige entscheidende Merkmale des Genres der Soap Opera zu eigen gemacht, „Downton Abbey“ dagegen erhebt diese von der Kritik eigentlich verachtete Form zum Hauptprinzip und feiert trotzdem bei Publikum, Preisverleihungen und Kritikern große Erfolge. Das liegt zum einen daran, dass hier anders als in vielen Daily Soaps erstklassige Schauspieler am Werk sind und natürlich auch daran, dass von „Downton Abbey“ nur sieben oder acht Folgen im Jahr produziert werden. Nachdem ich dieses Jahr die dritte Staffel und das daran anschließende Christmas Special gesehen habe, finde ich es schade, dass so viele Charaktere aus der Serie herausgeschrieben werden mussten, weil deren Darsteller aussteigen wollten. Die große Anzahl an tragischen Toden von Hauptfiguren tut der Serie nicht gut, aber schon allein wegen der großen Maggie Smith, die in jeder Folge einen großartigen Onliner bekommt, lohnt es sich, die Serie weiter anzuschauen. Auch der TV-Mehrteiler „Political Animals“ über eine an die Clintons angelehnte US-Politikerfamilie entpuppte sich in seiner schnellen Folge von Ereignisse wie Drogenmissbrauch, Seitensprüngen und Selbstmordversuchen leider als ziemlich Soap-lastig; genau wie bei „Downton Abbey“ fand ich das aber nicht schlimm, weil auch hier die Schauspieler (Cirián Hinds, Sigourney Weaver) großartig sind und das Ganze eben nur sechs Folgen lang dauerte. Aaron Sorkins „The Newsroom“ hat ähnliche Schwächen, wenn sie auch nicht so stark ausgeprägt sind. Erwartungsgemäß punktet die Serie mit ihren bisweilen messerscharfen Dialogen, die die Darsteller immer wieder zu Höchstleistungen antreiben.

Zu Beginn des Jahres habe ich mir eine zeitlang die Science Fiction-Kultserie “V – Die außerirdischen Besucher kommen” angeschaut, aber nach etwa zwei Dritteln abgebrochen. Vom Remake der Serie, das vor vor drei Jahren unter dem Titel „V – Die Besucher Premiere feierte und es nur (oder immerhin, je nach Sichtweise) auf zwei Staffeln brachte, habe ich mir die erste Staffel besorgt und komplett angesehen. Unbedings weiter schauen muss ich hier aber auch nicht. Viel besser gefallen hat mir als großem „Star Wars“-Fan natürlich die vierte Staffel von „Star Wars: The Clone Wars“. Gerade dass die Serie über ein so breites Spektrum an Charakteren verfügt und die unterschiedlichsten Geschichten erzählen kann, macht den Reiz dieser Serie aus, die zwar insgesamt auf ein jüngeres Publikum zugschnitten ist, aber auch sehr erwachsene Elemente beinhaltet. Momentan schaue ich mir die fünfte Staffel an und werde vielleicht auch dazu etwas schreiben.

Eine Serie, die ich von der ersten bis zur letzten Folge gesehen habe, war „Fringe“. Das Konzept der Science Fiction-/Mystery-Serie stammt mal wieder aus der Feder von J.J. Abrams. Mit der fünften Staffel bekamen die Macher der Serie die Gelegenheit, den sich durch alle Folgen ziehenden Handlungsbogen abzuschließen und ihrer Serie ein würdiges Ende zu verpassen. „Fringe“ zählt zwar nicht zu meinen All Time-Favoriten, weist aber definitiv einige erinnerungswürdige Momente und mit dem im Verlauf der Serie eingeführten Paralleluniversum auch ein interessantes Erzählkonzept auf. Nicht zuletzt John Nobles Darstellung des leicht verrückten, aber liebenswerten Professors Walter Bishop wird mir immer in schöner Erinnerung bleiben.

Bestimmt zwei Monate habe ich gebraucht, um mich durch die dritte Staffel von „Boardwalk Empire“ zu quälen. Die Serie ist eigentlich alles andere als schlecht, aber mit ihrem großen Figurenensemble und der nicht immer geradlinigen Erzählweise auch alles andere als übersichtlich und leicht konsumierbar. Steve Buscemi und auch einige andere Darsteller sind natürlich fantastisch, trotzdem ist die Serie nicht so mein Fall, so dass ich mir die vierte Staffel wohl nicht mehr anschauen werde. Definitiv weiter schauen werde ich aber bei „Hannibal“. Ich habe ja in meinem Post im Oktober schon geschrieben, wie begeistert ich von dieser Neuinterpretation der Themen und Figuren aus Thomas Harris‘ Roman „Roter Drache“ bin und ich hoffe, dass die Serie auch weiterhin großen Erfolg haben wird, damit Showrunner Bryan Fuller seinen Plan umsetzten und in den folgenden Staffeln auch noch die anderen Hannibal Lecter-Romane von Thomas Harris ins Fernsehen bringen kann.

Da war doch noch was…? Ach ja, „Breaking Bad“ natürlich! Auch wenn ich nicht über alle der im vergangenen Sommer gesendeten letzten acht Folgen gebloggt habe, waren diese letzten Folgen natürlich das Serienhighlight des Jahres! Und was für ein Finale das war, das ja eigentlich schon mit der Konfrontation zwischen Walter White und seinem Schwager Hank losging und sich dann über acht Wochen erstreckte. Nie zuvor hat eine Fernsehserie meinen Puls so in die Höhe getrieben! Die Macher von „Breaking Bad“ haben über fünf Staffeln in allen Bereichen – Schauspiel, Regie, Kamera, usw. – herausragende Leistungen abgeliefert, die herausragendste Leistung dürfte es aber gewesen sein, diese Qualität die ganze Serie lang durchzuhalten und einen großen Handlungsbogen mit glaubhaften und nachvollziehbaren Charakterentwicklungen abzuliefern, der wirklich keinen Durchhänger hatte und schließlich zu einem zufrieden stellenden Ende kam. Ganz bestimmt werde ich mir „Breaking Bad“ irgendwann noch einmal komplett ansehen.

Mein nächstes großes Serienprojekt wird wahrscheinlich „Buffy – The Vampire Slayer“. Wie erwähnt hat mich „The Cabin In The Woods“ endgültig zum Joss Whedon-Fan gemacht, so dass ich mich nun seinem opus magnum nicht länger verschließen kann. Eigentlich hatte ich geplant, schon 2013 mit „Buffy“ anzufangen und habe deswegen auch die aktuellen Staffeln einiger Serien erst einmal aufgeschoben (z.B. „Mad Men“, „Dexter“, „Game of Thrones“, „Downton Abbey“). Auch meine Lieblingsserie „Babylon 5“ werde ich wieder einmal von der ersten bis zur letzten Folge anschauen und hier darüber bloggen. Trotzdem hoffe ich natürlich, zwischendurch auch noch ein paar andere Serien einschieben zu können. Neben den genannten Serien, die ich weiter anschauen will, möchte ich endlich auch in „House of Cards“ reinschauen, mir die zweite Staffel von „The Newsroom“ gönnen und die erste Staffel von „Bates Motel komplett ansehen (die erste Folge hat mir definitiv Lust auf mehr gemacht).

Weiter geht’s 2014!

Eigentlich hatte ich noch geplant, hier auch noch die musikalischen Höhepunkte meines Jahres aufzulisten, aber der Post ist auch so schon lang genug. [Bowie!!!!!!!!! McCartney!!! Die neuen Alben von Elton John, Sting und Justin Timberlake!! Und Britney war auch wieder da, wenn auch nicht sooo gut. Dafür kam das sehr gute zweite Album von Foy Vance, den ich vor einer Woche auf einem fantastischen Konzert erleben durfte. So, das muss reichen. 😉 ]
Mit welchen TV-Serien ich ins neue Jahr starten will, habe ich ja gerade schon geschrieben. Auf welche Filme ich mich besonders freue, fällt mir spontan gar nicht ein. Das liegt wahrscheinlich daran, dass es noch so viele Filme aus diesem Jahr gibt, die ich noch sehen will. Am meisten freue ich mich zurzeit auf jeden Fall auf die drei neuen Folgen von „Sherlock“, die ich schon vorbestellt habe und wirklich kaum noch erwarten kann, schließlich gehören die ersten beiden Staffeln zum Besten, was das Fernsehen je hervorgebracht hat.

Ich wünsche jedenfalls nicht nur mir, sondern auch euch ein tolles neues Jahr, gespickt mit zahlreichen Kino- und Fernsehhöhepunkten! 🙂

„Downton Abbey“ als Soap Opera

Vor ein paar Tagen habe ich die dritte Staffel von „Downton Abbey“ zu Ende angeschaut. Wie auch schon nach der ersten und zweiten Staffel bin ich von dieser Serie weiterhin sehr fasziniert. Ich war vorher schon ein großer Fan von  Robert Altmans Film „Gosford Park“, der ebenso wie „Downton Abbey“ von Julian Fellowes geschrieben wurde und eigentlich genau die gleiche Thematik behandelt. Zwar spielt der Film im November 1932, also zwei Jahrhrzehnte später als die erste Folge von „Downton Abbey“, doch zeigt auch er anhand der auf einem Landhaus versammelten Gesellschaft aus Adeligen und ihren Dienern ein Abbild des britischen Klassensystems.

Während „Gosford Park“ zumindest vordergründig als Murder Mystery daherkommt, ist „Downton Abbey“ ganz klar von den klassischen Elementen einer Soap Opera geprägt. Zu diesen gehört beispielsweise, dass die Handlung fast ausschließlich über Gespräche vorrangetrieben wird; Actionszenen oder aufwändige Außenaufnahmen gibt es nicht zu sehen, dafür aber Menschen, die miteinander reden. Dafür eignet sich ein zentraler Schauplatz, an dem sich die Serie abspielt und an dem alle Hauptfiguren immer wieder versammelt sind, natürlich hervorragend,  sei dieser nun ein Krankenhaus, eine Wohngemeinschaft oder wie im Fall von „Downton Abbey“ ein aristokratischer Landsitz, auf dem etwa zwei Dutzend Menschen wohnen, zum Teil auch arbeiten oder jedenfalls regelmäßig dort zu Gast sind. Die Unterhaltungen der Protagonisten drehen sich dabei fast immer um deren persönliche Probleme. Soaps erzählen nicht von großen Kriegen und außergewöhnlichen, weltpolitischen Ereignissen, jedenfalls erzählen sie nicht direkt von ihnen. Denn all das kann in ihnen schon zum Thema werden, jedoch nur insoweit es für die Figuren der Soap von Bedeutung ist. So erzählt „Downton Abbey“ etwas über den ersten Weltkrieg, nimmt seine Zuschauer aber nicht mit ins Kampfgeschehen. Stattdessen wird der Krieg sozusagen nach Downton geholt und es werden seine Konsequenzen für die Zuhausegebliebenen zum Thema gemacht.

Ein weiteres wichtiges Merkmal von Soaps ist ihre prinzipielle Endlosigkeit. In der heutigen Serienwelt, in der sich Genres und Erzählformen immer mehr vermischen, ist dies vielleicht gar nicht mehr so klar erkennbar (auch „Downton Abbey“ widerspricht in einigen seiner Merkmale dem klassischen Soap-Schema), doch im Kern sind Soap Operas Geschichten, die sich endlos fortsetzen lassen. Für Daily Soaps, die in manchen Fällen jahrzehntelang vier oder fünf neue Folgen pro Woche hervorbringen müssen, ist dieses Charakteristikum geradezu überlebensnotwendig. Diese Endlosigkeit wird über eben jene kleinen und größeren Probleme hergestellt, über die die Figuren Episode für Episode reden. Während (Kino-)Filme, die in zwei Stunden eine abgeschlossene Geschichte erzählen, klar auf die Lösung der zu Beginn ihrer Handlung eingeführten Problemstellungen hinarbeiten und sie zum Schluss auch erreichen können, nehmen Soap Operas die Lösung von Problemen immer wieder zum Anlass für neue Probleme. In diesem Sinne ist hier eine Lösung niemals eine Lösung, sondern stets nur ein vorrübergehendes Ende. Zwar träumen die Charaktere (und mit ihnen die Zuschauer) davon, dass sich all die Krisen irgendwann auflösen und sie frei von Sorgen leben können, doch genau dieser Zustand wäre in diesem Fall das Ende der Erzählung. Dann bliebe nur noch ein „Und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende“. Verbrechen, Ehekrisen, krumme Geschäfte, drohender Bankrott usw. werden in Soap Operas immer nur so zu einem Schluss gebracht, dass sich daran direkt die nächste Krise anschließen lässt. Auflösungen werden nur auf Zeit geboten, Stillstand gibt es nicht.

Sehr schön lässt sich dies an Hochzeiten verdeutlichen: In Liebesfilmen wird meist auf die Hochzeit hin erzählt und die Zuschauer sind glücklich, wenn sich das Liebespaar am Ende des Films endlich „gekriegt hat“ und die Glückseligkeit dann mit der Heirat ihren höchsten, finalen Punkt erreicht. Für Soap Operas wäre eine solche Funktion der Hochzeit dagegen fatal, da damit ein wirklicher Schlusspunkt erreicht wäre. Das Paar darf nach der Hochzeit eben nicht glücklich bis an sein Lebensende zusammen leben, diesen Luxus können sich nur Filme leisten, die aber den unfairen Vorteil haben, einfach zum Abspann übergehen zu können und nicht weiter erzählen müssen. In Soap Operas hält das frische Eheglück nie lange an. Sehr bald entdeckt die eben noch so glückliche Braut, dass ihr Mann ihr untreu ist. Oder dass er Drogen nimmt. Oder ein Kind aus einer früheren Beziehung vor ihr geheim hält. Oder der Mann hegt plötzlich große Zweifel and dem geschlossenen Bund fürs Leben, weil er eigentlich in eine andere verliebt ist. Die Möglichkeiten sind vielfältig und was Hochzeiten angeht, macht auch „Downton Abbey“ in der dritten Staffel mehrmals von ihnen Gebrauch.

Es ließen sich noch weitere Merkmale aufzählen, aber ich will hier keine medienwissenschaftliche Arbeit schreiben. Tatsache ist, dass „Downton Abbey“ in vielen Punkten genau dem klassischen Soap-Schema enstpricht. Die beiden genannten – die Fokussierung auf das Persönliche und auf persönliche Gespräche, sowie die Krise als Normalzustand und als Motor der Erzählung – gehören dazu. Interessanterweise verbindet „Downton Abbey“ diese Soap-Merkmale aber mit einigen anderen Merkmalen, die ganz und gar nicht zu einer Soap Opera passen wollen und schafft so eine (neue?) Mischform. Vor allem die Tatsache, dass nicht Tag für Tag oder Woche für Woche neue Episoden produziert werden, sticht dabei ins Auge (dennoch steht in der Serie nie etwas still, anders als andere aktuelle Serien wie etwa „Mad Men“ leistet sich „Downton Abbey“ zu keinem Zeitpunkt den Luxus eines langsames Erzähltempos). Dazu kommt, dass die schauspielerischen Leistungen weit über das Niveau hinausgehen, wie man es zumindest von einer konventionellen Daily Soap erwartet. Sicherlich ist auch dies ein Teil des weltweiten Erfolges der Serie. Die One-Liner, die Julian Fellowes Maggie Smiths Figur mindestens einmal pro Folge in den Mund legt, wären aus dem Mund einer anderen Schauspielerin etwa bestimmt nicht so zum Brüllen komisch (für mich zählen sie zu den Höhepunkten der Serie!).

Shirley MacLaine, die in der dritten Staffel eine Gastrolle spielt, äußert in einer der Dokumentationen auf den DVDs die Vermutung, der Erfolg der Serie läge auch in ihrem Erzähltempo begründet, das den Gewohnheiten der heutigen Internetgeneration entspricht. Tatsächlich ist mir – gerade im Vergleich zu anderen aktuellen Serien – der schnelle Wechsel an Szenen auch schon aufgefallen. Die Serie erzählt in jeder Folge mehrere parallele Handlungsstränge und schneidet dabei im gefühlten Minutentakt von einer Gesprächsszene zur nächsten, wobei meist direkt und ohne Erklärung mitten ins Thema eingestiegen wird. Ich bin mir aber nicht sicher, ob das etwas Neues ist; vielmehr scheint es mir ein generelles Soap-Merkmal zu sein, dass man von modernen Serien vielleicht nur kaum noch gewohnt ist; hier wäre eine tiefergehende Analyse sicherlich interessant.

„Downton Abbey“ scheint also eine höchst interessante Verbindung neuer und alter Formen zu sein (und nicht nur neuer und alter, schließlich verbindet es auch die als kulturell wenig wertvoll angesehen Soap Operas mit den modernen, „sophisticated“ Serien, wo Schauspiel, Ausstattung usw. nur vom Feinsten sind). Ich bin schon gespannt auf das letztjährige 90minütige Christmas Special der Serie, das die Handlung nach der dritten Staffel weiterführt und das ich mir demnächst ansehen werde. Leider habe ich von entscheidenden Entwicklungen der Handlung schon gelesen und bin in diesem Sinne massiv gespoilert, doch vor dem Hintergrund meiner obigen Ausführunge muss es eigentlich klar sein, dass die Crawleys Weihnachten nicht in Glück und Frieden verbringen können, sondern dass die Handlung für alle Figuren erneut ein Wechselbad der Gefühle bereithält.