Normalerweise sehe ich von Posts ab, die lediglich auf einen neuen Filmtrailer oder so hinweisen. Doch dieses Mal mache ich eine Ausnahme, weil es sich erstens gar nicht um einen Trailer handelt und weil es zweitens um Darren Hayes geht, der zu meinen Lieblingskünstlern und wichtigsten Inspirationsquellen gehört (und weil ich drittens sonst einen viel zu langen Facebook-Post geschrieben hätte). Darren Hayes dürfte den meisten bekannt sein als Sänger des kurzlebigen, aber sehr, sehr erfolgreichen australischen Popduos Savage Garden, das Ende der Neunziger mehrere weltweite Hits wie „Truly Madly Deeply“ oder „I Knew I Loved You“ hatte.
Seit der Auflösung von Savage Garden hat Darren vier Soloalben veröffentlicht – von denen drei zu meinen absoluten Lieblingsalben gehören – und war mit seiner Musik vor allem in Großbritannien und Australien weiterhin recht erfolgreich. Über sein letztes Album, das 2011 erschienen ist, habe ich hier im Blog geschrieben. Für 2014 hat sich Darren vorgenommen, viel Neues auszuprobieren. Nachdem er zehn Jahre in London gelebt hat, ist er gerade mit seinem Mann nach Los Angeles gezogen, wo er nun Improvisations-Comedy-Kurse belegt, an einer Art autobiographischer One-Man-Show schreibt und seit gestern auch einen Live-Podcast namens „Talk Talk Talk with Darren Hayes“ moderiert („Talk Talk Talk“ ist der Titel eines Songs auf seinem letzten Album). Einmal pro Woche will er darin mit interessanten Gästen plaudern und Höreranrufe aus der ganzen Welt entgegen nehmen. Bereits in der ersten Folge gibt er so viele gute Lebensratschläge, dass er es mit diesem Podcast bestimmt in kürzester Zeit schafft, so etwas wie die männliche Oprah Winfrey zu werden. 😉 Aber im Ernst, ich finde Darren Hayes, seine Lieder und seine Persönlichkeit wirklich sehr inspirierend, ganz einfach weil er eine so positive und lebensbejahende Einstellung vertritt. Davon kann sich jeder eine Scheibe abschneiden; mir tut etwas positive Energie à la „Du kanns alles erreichen, wovon du träumst!“ jedenfalls hin und wieder ganz gut.
Zudem ist Darren – genau wie ich – großer Fan von Michael Jackson und von „Star Wars“. Als Gast hat er sich in seine erste Sendung die PR-Managerin Consetta Parker eingeladen, die ebenfalls schon fast ihr ganzes Leben lang für Star Wars schwärmt (und sie hat nicht nur schon einmal Harrison Ford getroffen, sondern auch einen echten Stormtrooper geheiratet, wie sie im Podcast erzählt). Sie hat ihr Hobby inzwischen zum Beruf gemacht, denn sie ist Media/Marketing Manager der Rancho Obi-Wan, der weltweit größten privaten „Star Wars“-Sammlung und außerdem Co-Host des „Star Wars“-Podcast „Full of Sith“ (bei dem wiederum Darren Hayes im Dezember zu Gast war). In Darrens neuem Podcast sprechen die beiden unter anderem darüber, was es für sie persönlich bedeutet, „Star Wars“-Fan zu sein und wie „Star Wars“ Menschen zusammen bringt.
Als treuer Fan von Darren Hayes bleibe ich natürlich dran und werde mir auch die zukünftigen Folgen von seines Podcasts nicht entgehen lassen. Doch jetzt genug der vielen Worte von mir, ich poste lieber noch ein paar von Darrens tollen Songs/Musikvideos:
Als großer Fan von Paul McCartney freue ich mich natürlich schon auf sein neues Studioalbum, das am 11. Oktober erscheint. „Macca“ war dafür mit vier verschiedenen Produzenten im Studio, die auch jeweils ein paar Songs auf dem Album unterbringen konnten: Mark Ronson (u.a. Amy Winehouse, Adele, Bruno Mars), Ethan Jones, Paul Epworth (Adele, John Legend,…) und Giles Martin (Sohn des legendären Beatles-Produzenten George Martin). Die erste Single (Produktion: Mark Ronson), die wie das Album schlicht und einfach „New“ heißt, macht schon mal Lust auf mehr und die Wartezeit bis zum Erscheinungstag des Albums kann man sich zum Beispiel verkürzen, indem man sich die aktuellen Auftritte McCartneys und seiner Band anschaut.
Am 21. September war McCartney beim iHeart Music Festival in Las Vegas zu Gast, wo er insgesamt acht Songs spielte, darunter drei Lieder aus dem neuen Album, die hier ihre Live-Premiere erlebten. Ich muss sagen, dass mir der Album-Opener „Save Us“ und „Everybody Out There“ (mit extra von Macca hineinkomponiertem Singalong-Part fürs Stadionpublikum) noch besser gefallen als „New“. Die beiden Songs klingen unerwartet frisch und energiegeladen, da scheinen die Produzenten einen guten Einfluss gehabt zu haben.
Neben den drei neuen Songs gab McCartney in Las Vegas noch zwei Beatles-Lieder und seine erste Solo-Single nach der Trennung der Beatles, „Another Day“, zum Besten. Anschließend beendete er den Auftritt mit einer wie immer spektakulären Performance des Wings-Klassikers „Live and Let Die“, bei der die Pyrotechnik so viel Rauch verursachte, dass Macca und seine Band zwischendurch kaum noch zu erkennen waren (die komplette Setlist des Auftritts gibt es hier).
Stimmlich scheint Paul McCartney inzwischen wieder deutlich besser in Form zu sein als im letzten Jahr, wo er „Hey Jude“ bei der Olympia-Eröffnungsfeier ja mehr krächzte als sang (von den schlimmen Live-Aufnahmen seiner Swing-Songs in den Capitol Studios will ich gar nicht erst anfangen). Trotzdem hört man ihm seine mittlerweile 71 Jahre natürlich an, gleichzeitig merkt man aber auch, wie viel Freude ihm das Singen, Spielen und Auftreten vor Publikum aber immer noch machen. Ich persönlich finde es zwar schade, dass er seine Band nicht um ein paar Bläser und Streicher erweitert, sondern diese Instrumente bei jedem McCartney-Konzert aus dem Keyboard kommen. Aber er hält seine Band eben lieber klein, wie er selbst gesagt hat und mittlerweile spielen sie in dieser Formation ja auch schon seit etwa zwölf Jahren zusammen (länger als die Beatles Bestand hatten!) und sind ein perfekt eingespieltes Team.
Drei Tage nach dem Auftritt in Las Vegas gab Macca ein einstündiges Konzert in den Straßen von Hollywood, das anscheinend exklusiv auf MySpace übertragen wurde (ich wusste gar nicht, dass es das noch gibt…); zwei Songs wurden zudem bei Jimmy Kimmel im Fernsehen gezeigt. Die Setlist zum Auftritt gibt’s hier zu lesen und das hier ist der Auftritt in voller Länge (ich weiß allerdings nicht, wie lange er noch auf YouTube zu sehen sein wird, denn wie gesagt sollte das Konzert „MySpace-exklusiv“ sein; ach ja: die anfänglichen Tonprobleme dauern nur ein paar Sekunden):
McCartney und seine Band touren seit 2002 fast ständig um die Welt. Auch dieses Jahr startete wieder eine neue Tour mit dem Namen „Out There! Tour“. Bis jetzt gab es vor allem Termine in den USA und Südamerika, nur drei Europakonzerte spielte McCartney im Juni (Warschau, Verona und Wien). Im November geht es für fünf Konzerte nach Japan (das gönne ich den Japanern, denn dort hat McCartney seit elf Jahren kein Konzert gegeben). Ich hoffe natürlich dass er spätestens im nächsten Jahr wieder in Deutschland zu Gast sein wird, denn ich würde ihn wirklich gerne noch einmal live sehen (zuletzt habe ich ihn vor knapp vier Jahren in Berlin gesehen).
Und da ich oben schon davon geschrieben habe, dass ich „echte“ Bläser usw. auf McCartney-Konzerten vermisse, gibt’s hier noch den Trailer zum 1976er Konzertfilm „Rockshow“, der vor kurzem auf DVD und Blu-ray erschienen ist. Wenn Macca doch auch heute nur Songs wie „Live and Let Die“, „Jet“ oder auch „Got to Get You Into My Life“ mit so einer großen Band spielen würde… Der Film fängt die Live-Atmosphäre und den Spaß, den Paul mit seinen „Wings“ damals hatte, jedenfalls sehr schön ein (ich habe übrigens vorhin sogar den kompletten Film auf YouTube gefunden).
Ich habe leider noch nie ein Madonna-Konzert besucht, aber ihre letzten Tourneen habe ich mir immer auf DVD oder Blu-Ray angeschaut. So auch ihre 2012er Tour, die „MDNA World Tour“. Die Aufzeichnung der Konzerte aus Miami ist gerade erschienen und landete am Donnerstag in meinem Blu-Ray-Player. Und was soll ich sagen, die Show, die Madonna zusammen mit ihren Tänzern usw. hier aufführt, ist erwartungsgemäß bombastisch. Es geht schon nicht unerwartet mit allerlei religiöser Symbolik los, bevor Madonna überhaupt die Bühne betritt. Leider verstehe ich davon fast nichts, aber ich bin mir sicher, Robert Langdon hätte seine helle Freude an all den christlichen und sonstigen religiösen Symbolen, die Madonna hier im Lauf der Show zusammen mixt. Darauf, am Kreuz hängend „Live To Tell“ zu singen, verzichtet sie dieses Mal zwar, aber das hat sie ja sowieso schon mal gemacht. Und Madonna macht eigentlich nie irgendetwas, das sie vorher schon einmal genauso gemacht hat
Die Show ist in vier Akte unterteilt, die Wikipedia zufolge den Themen „Transgression, Prophecy, Masculine/Feminine and Redemption“ zugeordnet sind, was wohl relevant wäre, wenn man das Konzert und seine ganze Symbolik wirklich tiefgehend analysieren wollte. Pragmatisch gedacht geben die Pausen zwischen den Akten Madonna die Gelegenheit, zwischendurch auch mal durchzuschnaufen, wohl eine Flasche Gatorade runterzukippen und natürlich jeweils in ein neues Kostüm zu schlüpfen. Nachdem jedenfalls zu Beginn ein überdimensionales Weihrauchfass über der Bühne hin- und herschwingt während einige Sänger wie in einem Choral immer wieder Madonnas Namen singen, erscheint die Besungene schließlich in einem gläsernen Beichtstuhl, aus dem sie sich erst einmal mit einem Maschinengewehr den Weg frei schießt. Passend dazu heißt der erste Song, zu dem sie dann ansetzt, auch „Girl Gone Wild“. Noch mehr Knarren gibt es anschließend bei „Revolver“ – hier dürfen auch die Backgroundtänzerinnen damit herumfuchteln. Den ersten Höhepunkt erreicht die Show für mich dann mit den folgenden beiden Stücken: Zu „Gang Bang“, einem unter anderem von William Orbit produziertem Stück, das mir mit seinem treibenden Bass schon auf dem MDNA-Album am besten gefallen hatte, singt Madonna im Setting eines Motel-Rooms (in dem natürlich auch ein großes Kreuz hängt) mit einer Pistole in der Hand. Einer nach dem anderen tauchen ihre Tänzer in dem Zimmer auf (sie sollen hier wohl ihre Ex-Lover darstellen) – und einer nach dem anderen werden sie von Madonna niedergeschossen, Blutspritzer inklusive. Nach dem Ende des Songs kriecht sie auf dem ins Publikum führenden Laufsteg herum, und bittet für ihre begangenen Verbrechen um Vergebung, indem sie die erste Strophe und einmal den Refrain von „Papa Don’t Preach“ singt, womit sie dem Song eine andere als die ursprünglich darin angelegte Bedeutung verleiht.
Madonna hat mal in einem Interview gesagt, dass sie ihre eigenen Lieder eigentlich schon wieder langweilig findet, sobald sie sie fertiggestellt und veröffentlicht hat. Auf ihren Tourneen singt sie deshalb überwiegend die Songs des jeweils aktuellen Albums und streut nur relativ wenige ihrer großen Hits ein. Und vor allem diese älteren Songs verändert sie dann meistens, indem sie sie als Remixe oder Mashups performt (bei ihrem Konzert im Pariser Olympia performte sie beispielsweise den Song „Beautiful Killer“ zum Soundgerüst von „Die Another Day“ – wobei allerdings „Beautiful Killer“ gar kein älteres Stück ist). Dieses Verfremden von Liedern muss man natürlich nicht immer mögen und die Ergebnisse klingen manchmal gewöhnungsbedürftig und sind nicht immer gelungen. (In dieser Hinsicht unterscheiden sich die künstlerischen Philosophien von Madonna und Michael Jackson übrigens vollkommen. Für Jackson wäre nämlich der Gedanke, einen seiner großen Hits – oder überhaupt irgendeinen seiner Songs – als geremixte Fassung aufzuführen, völlig abwegig gewesen. Nachdem er teilweise jahrelang an seinen Songs gefeilt hatte, bevor er sie veröffentlichte, wollte er auch, dass sie bei Konzerten fürs Publikum genauso klingen, wie er sie geschrieben und produziert hatte. An einer Stelle sagt er dies auch im „This Is It“-Film, als er gerade „The Way You Make Me Feel“ probt: „I want it the way I wrote it.“)
Ihre besten Momente erreicht eine Madonna-Show immer dann, wenn es gelingt, durch dieses Remixen, Ineinandermischen und Aneinanderreihen von Songs diesen in Verbindung mit der Performance eine ganz neue Bedeutung zu verleihen oder zumindest neue Facetten zu entdecken, auf die man beim Anhören der CDs so noch nicht gekommen ist. Die „Gang Bang / Papa Don’t Preach“-Performance im ersten Akt der MDNA-Show ist für mich eine solche Stelle. Sich ein Madonna-Konzert auf CD anzuhören ist genau aus dem Grund ziemlich langweilig, weil die Bühnen-Performances eben ein so wichtiger Teil der Show sind, ja eigentlich wichtiger als die Musik und der Gesang. (Auf CD hat ein Madonna-Konzert auch deswegen einen schalen Beigeschmack, weil man sich nicht immer sicher sein kann, ob sie wirklich live singt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie das eben nicht durchgehend tut, aber immerhin wird das Ein- und Aussetzen des Playback ziemlich geschickt verschleiert, was übrigens einen weiteren Unterschied zu Michael Jackson darstellt.)
Nach ihrer „Papa Don’t Preach“-Beichte lässt sich Madonna von ihren Tänzern fesseln und quer über die Bühne schleifen. Anscheinend will sie den Titel des Songs, den sie dazu singt, wörtlich verstanden wissen – der lautet nämlich „Hung Up“. Im zweiten Teil verabschiedet sich die Show von allem Düsteren und Gewalttäigem, dafür wird es jetzt zwanghaft überfröhlich. Los geht es mit „Express Yourself“, dem Madonna auch Neues abgewinnt, indem sie zum Ende hin einfach Lady Gagas „Born This Way“ hineinsingt, was ich zuerst gar nicht bemerkt hatte. Ich hatte die ganze Zeit fröhlich mit dem Fuß mitgewippt, bis mir plötzlich ein Licht aufging: Das ist ja gar nicht Madonnas Song! Natürlich kann sich die Queen of Pop es dann auch nicht verkneifen, ein paar Mal die Titelzeile ihres 2008er Songs „She’s Not Me“ hineinzurufen; auf die eigentlich folgende Zeile „And she never will be“ verzichtet sie aber und den Song hat sie damals wohl sowieso noch nicht in Bezug auf Lady Gaga geschrieben. In Verbindung mit Gagas „Born This Way“ bekommt jedenfalls auch die Zeile „She’s Not Me“ eine neue Bedeutung.
Weiter geht es im zweiten Akt dann mit „Give Me All Your Luvin'“, zu dem eine ganze Marschkapelle an Seilen hängend einschwebt. Bei „Open Your Heart“ singt Madonna dann wie bei einigen anderen Liedern auch in Begleitung des französischen Kalakan Trios, das sie, wie sie selbst sagt, bei einem Urlaub im Baskenland entdeckt hat. Der dritte Akt des Konzerts beginnt mit „Vogue“, wofür Jean-Paul Gaultier extra eine neue Version seines legendären Kegel-BHs designte. Mit einem Medley aus „Candy Shop“ und „Erotica“ geht es erotisch weiter, während sich Madonn dann zu „Human Nature“ auszieht und schließlich halbnackt auf dem ins Publikum führenden Laufsteg liegt. Dort singt sie dann – sich auf dem Boden und einem Klavier räkelnd – eine seltsame, zum Waltzer umfunktionierte Piano-Version von „Like A Virgin“. In diesem Fall kann man die veränderte Fassung des Songs nicht wirklich als gelungen betrachten, Madonnas deutlich näher am Original liegende Performance des Songs auf der Confessions-Tour 2006 fand ich jedenfalls viel gelungener. Nach dem Ende des Songs wird Madonna von einem ihrer Tänzer in ein Korsett geschnürt und räkelt sich noch einmal halbnackt auf dem Boden, während sie „Love Spent“ singt und die ihr aus dem Publikum zugeworfenen Dollarnoten einsammelt. Was diese Nacktheit anderes bewirken soll, als Madonnas durchtrainierten Körper vorzuführen, bleibt aber rätselhaft. Aber vielleicht muss man die Szene nach dem Ende des Songs, als sie mit verzweifeltem Blick die Geldscheine in den Händen zusammenkrallt, im Kontext dessen sehen, was sie zuvor während der Show gesagt hat – dass sie nämlich die Liebe und Unterstützung ihrer Fans keineswegs für selbstverständlich erachtet und dankbar dafür ist, diesen Job nun schon dreißig Jahre lang machen zu dürfen, in einer Zeit, in der viele Leute gar keine Arbeit haben. Gelungen finde ich die „Like A Virgin“- und „Love Spent“-Performance trotzdem nicht. Ich hätte auf all das theatralische, halbnackte am-Boden-Räkeln verzichten können und hätte es lieber gesehen, wenn sich Madonna einfach mal auf einen Hocker gesetzt hätte, und ein kurzes Acoustic-Set mitten im Konzert zum Besten gegeben hätte, bei dem mal die Musik und der Gesang (also wirklich die Lieder!) im Mittelpunkt stehen. Aber gut, bei Madonna geht halt nichts ohne Show drumherum und die eigenen Lieder findet sie ja wie gesagt eh zu langweilig, um sie einfach so dahin zu singen…
Im vierten und letzten Akt wird die Show dann bei „I’m Addicted“ und „I’m A Sinner“ zur großen Party, bevor mit „Like A Prayer“ wieder die Religiosität Einzug hält, mit den Sängern als großem Gospelchor im Hintergrund. Beim letzten Stück wird dann aber doch wieder klar gemacht, dass es Madonna eigentlich nur ums Partymachen geht, das Konzert endet nämlich in einer ganz unverfänglichen „Celebration“ (das Stück geht schließlich in das wesentlich schwungvollere „Give It 2 Me“ über). Im Großen und Ganzen muss ich also sagen, dass mich die Show selbst auf Blu-Ray ganz schön mitgerissen hat. Was Madonna mit ihren Tänzern, Sängern, Choreographen und allen anderen kreativ Beteiligten hier auf die Bühne gestellt haben, ist so ziemlich das Größte und Bombastischste, was man heutzutage in einem Popkonzert bieten kann. Auch die Bühnentechnik mit den auf- und abfahrenden Bodenteilen, deren Wände gleichzeitig als Bildschirme dienen, wird hervorragend eingesetzt. Dass man nicht mit jeder neu gemixten Fassung älterer Lieder einverstanden ist, versteht sich von selbst. Auch dass sich Madonna hier, wie bei ihren letzten Tourneen auch, bei einigen Stücken zur E-Gitarre greift, wirkt ein wenig unglaubwürdig, zumindest aber überflüssig, so als ob sie uns beweisen will, dass es eigentlich nichts gibt, das sie nicht kann. Wie erwähnt kann ein Madonna-Konzert aber auch wirklich brillante Momente hervorbringen, wenn sich aus dem Zusammenspiel verschiedener Songs und den dazugehörigen Performances ganz neue Bedeutungen ergeben – wenn auch keine weltbewegenden. Aber vorrangig geht es ja doch nur darum, Spaß zu haben, und den hatte ich defintiv, auch wenn ich gar nicht live dabei war.
Übrigens beschweren sich bei Amazon zahlreiche Käufer der Blu-Ray über deren angeblich schlechte Bildqualität. Ich kann das nicht nachvollziehen. Das Bild weist zwar oft eine deutlich sichtbare Körnung auf, wie man sie von modernen Digitalaufnahmen nicht mehr gewohnt ist, das ist aber wohl gewollt. Allerdings ist das Menü der Disc sehr unvorteilhaft gestaltet. Mir war zu Beginn jedenfalls nicht klar, wie ich die einzelnen Menüpunkte anwähle. Durch Drücken des Enter/OK-Knopfs konnte ich zwar das Konzert starten, aber nicht die Auswahl der einzelnen Songs, die Tonauswahl oder die Bonusdokumentation anwählen. Es hat ein bisschen gedauert, bis ich darauf gekommen bin, dass ich einfach nach links drücken muss, um vom Menüpunkt „World Tour“, der gar nicht klar als solcher ersichtlich war, zu den anderen vier Menüpunkten zu kommen. Das hätte man besser gestalten müssen!
Hier ist noch der oben erwähnte, 45-minütige Auftritt von Madonna im Pariser Olympia in voller Länge. Auf die aufwändige Bühnentechnik der anderen Shows musste dabei natürlich verzichtet werden, „Vogue“ ist aber trotzdem toll und außerdem gibt Madonna hier zwei exklusive Songs zum Besten, die sie noch nirgends sonst gesungen hat („Beautiful Killer“ und „Je t’aime“). Schade, dass man diesen Auftritt nicht auch noch auf die Blu-Ray gepackt hat.
Eigentlich soll es hier ja – zumindest dem momentanen Untertitel des Blogs zufolge – in erster Linie um alles gehen, was mit Film und Kino zu tun hat. Eine weitere meiner großen Leidenschaften ist jedoch Michael Jackson, und weil 2011 ein wirklich großartiges Buch über Michael Jacksons Musik erschienen ist, widme ich diesem Buch nun einen Blogpost.
„Man in the Music“ stammt von dem US-Journalisten Joseph Vogel, der unter anderem für die Huffington Post und den Atlantic schreibt und für dieses Buch bereits 2005 mit den Recherchen begonnen hat. Es handelt sich also keinesfalls um eines jener Werke, mit denen nun nach dem Tod Jacksons abkassiert werden soll. Vogel hat in den letzten Jahren auf seiner Website und in zahlreichen anderen Veröffentlichungen immer wieder sein fundiertes Wissen rund um Michael Jackson im Speziellen und um die Popmusik und -kultur im Allgemeinen unter Beweis gestellt.
Copyright Bild: Sterling Publishing
Das Besondere an „Man in the Music“ ist, dass es das bislang einzige Werk ist, welches sich ausschließlich und ausführlich mit Michael Jacksons Kunst auseinandersetzt. Es stellt also keine Biographie im Sinne einer Nacherzählung von Jacksons Leben dar, sondern konzentriert sich voll und ganz auf seine Musik, seine Auftritte und seine Musikvideos. Im Zentrum stehen dabei die Soloalben, die Jackson als Erwachsener zwischen 1979 und 2001 veröffentlich hat und denen Vogel jeweils einen eigenen Essay widmet. Dazu kommt noch eine ausführliche Einleitung, eine Betrachtung Jacksons letzter Lebensjahre (ebenfalls unter dem Gesichtspunkt seines kreativen Schaffens während dieser Zeit) sowie eine Besprechung des 2010 erschienen Albums „Michael“. Am Anfang des Buches merkt Vogel an, dass er beim Beginn seiner Recherchen sehr verwundert war, wie wenig Literatur damals über Michael Jackson als Künstler vorhanden war. Seine Motivation war also, einen detaillierten Überblick über Michael Jacksons Werk zu geben und dieses in den zeitgeschichtlichen und kulturellen Kontext einzuordnen. Vogel hatte sogar vor, Jackson 2009 in London während seines dortigen Aufenthalts für die „This is it“-Konzertreihe zu interviewen. Man kann sich nur vorstellen, um wie viel detailreicher das Buch mit solchen Informationen aus erster Hand noch geworden wäre, schließlich wurde Jackson niemals detailliert zu seiner Kunst befragt. Darüber kann man heute nur verständnislos den Kopf schütteln, doch zu seinen Lebzeiten waren die Medien allgemein, aber auch die wenigen Journalisten, denen er längere Interviews gab, eben mehr an anderen Aspekten seiner Person interessiert, von denen die meisten im Rückblick weit weniger bedeutend sind, als sie es damals zu sein schienen. Doch auch ohne direkte Beteiligung Jacksons ist aus „Man in the Music“ ein tiefgehendes Werk geworden, das zahlreiche neue Einsichten liefert (zumal Vogel ausführliche Interviews mit mehreren Produzenten, Musikern und Studiotechnikern geführt hat, die mit Jackson zusammengearbeitet haben).
Im der Einführung geht Vogel auf Jacksons Reifung zum Tänzer, Sänger, Entertainer und Songwriter ein; er nennt Jacksons Einflüsse und Vorbilder (James Brown, Stevie Wonder,…) und legt Jacksons Sichtweise dar, wonach gute Songs weder „schwarz“ noch „weiß“ sind, sondern jede Person erreichen können sollen, unabhängig von ihrer Herkunft, Hautfarbe oder was auch immer. Interessant ist unter anderem die Darstellung von Jacksons Gesang als „jenseits von Sprache“: durch verschiedene Laute (Schluchzen, Stöhnen, Schreien,…) erzeugte der Sänger in seinen Liedern immer wieder Emotionen und Stimmungen, die zum Teil mit Worten gar nicht erreichbar gewesen wären. Auch dass Michael Jackson wesentlich mehr war als nur einfach ein Sänger und Tänzer, beton Vogel immer wieder. So beschreibt er zum Beispiel, welch genaue Vorstellungen Jackson hatte, sobald er die Melodie für einen neuen Song im Kopf hatte und wie detailversessen er während der gesamten Produktionsphase dann in allen Aspekten – Arrangements, Background-Gesang, Instrumentalsoli,… – seine eigenen Vorstellungen umgesetzt sehen wollte.
Besonders gefällt mir an Vogels Buch, dass auch Jacksons spätere Alben (also alles nach „Thriller“, ganz besonders „HIStory“, die fünf neuen Songs auf „Blood On The Dance Floor“ und „Invincible“) eine ernsthafte Würdigung und Einordnung erfahren. Zu Jacksons Lebzeiten gelang es ja leider fast keinem Autoren, an der Person und Mediengestalt Michael Jackson vorbei auf das Werk zu blicken. Vogel tut dies und er macht unmissverständlich klar, dass auch unter Jacksons späteren Liedern einige Meisterwerke sind, die sich durchaus mit den Songs der Thriller-Ära messen lassen können, ja dass Jackson sich sogar als Songschreiber und Künstler im Laufe seiner Karriere weiterentwickelt und zahlreiche neue musikalische Einflüsse (z.B. HipHop) aufgenommen und in seinem Werk verarbeitet hat. Zugleich arbeitet Vogel sehr schön die Themen heraus, die sich wie ein roter Faden durch Jacksons Gesamtwerk ziehen. Darunter befindet sich zum Beispiel die Sorge um die Zukunft unseres Planeten und die Hoffnung, Veränderungen in Gang setzen zu können. Weitere solcher Themen sind die „femme fatale“ (Frauen sowohl als Faszination wie auch als gefährliche Versuchung) in Liedern wie „Billie Jean“, „Dirty Diana“, „Blood On The Dance Floor“ oder „Dangerous“ oder Jacksons Vorliebe für Gothic-Elemente und Horror (Jackson war ein großer Verehrer von Edgar Allen Poe), die natürlich in „Thriller“ zum Ausdruck kommt, aber auch in späteren Liedern wie „Ghosts“, „Is It Scary“ oder „Threatened“. Als übergreifendes Thema im Werk Jacksons macht Vogel eine grundlegende Unzufriedenheit mit dem Ist-Zustand der Welt aus, sowie den daraus folgenden Versuch, mit Hilfe der Musik eine Fluchtmöglichkeit zu bieten, einen Ausweg, eine Befreiung – aber natürlich auch Hoffnung zu geben und die Menschen zum Nachdenken und Handeln anzuregen.
Im Anschluss an jeden der Essays zu den verschiedenen Alben bespricht Vogel die einzelnen Songs im Detail und fördert dabei zum Teil wirklich neue Bedeutungen und Einsichten zutage, auf die man vorher noch gar nicht gekommen ist (z.B. findet er auch in einigen von Jacksons vermeintlich seichteren Dancetracks eine erstaunliche thematische und textliche Tiefe). Bei all seinen Analysen bezieht er immer wieder auch die Sicht der Medien und der Öffentlichkeit auf Jackson vor dessen Tod mit ein, als Rezensionen seiner Alben sich oftmals in Adjektiven wie „oberflächlich“ oder „größenwahnsinnig“ erschöpften. Gerade dieser Vergleich zwischen der damaligen Sicht der meisten Autoren und der heutigen Perspektive ist es, der einem bewusst macht, wie wenig Wertschätzung Jacksons „spätere“ Lieder und Videos zu seinen Lebzeiten erfahren haben. Ob sein Buch zu einer ebenso großen Huldigung geworden wäre, wenn Jackson noch am Leben wäre, kann natürlich nicht beantwortet werden. Doch Vogel trägt seine Ansichten mit einer solchen Überzeugung vor, dass ich mir durchaus vorstellen kann, dass er beispielsweise „They Don’t Care About Us“ auch dann einen der wichtigsten Protestsongs der Neunziger nennen würde, wenn alle anderen sich weiterhin nur für Jacksons operierte Nase interessieren würden. Dass er zudem im Zusammenhang mit Michael Jacksons Talent als SongTEXTschreiber einen Vergleich zu Rilke zieht und die Ballade „Stranger In Moscow“ in eine Reihe mit dem Beatles-Stück „A Day In The Life“ stellt, zeigt noch mehr, welchen hohen kulturellen Stellenwert er Jacksons Werk beimisst (nicht zu Unrecht, wie ich finde).
„Man in the Music“ ist wirklich nicht nur für eingefleischte Jackson-Fans interessant (obwohl es auch für die noch haufenweise Neues bietet, was so noch nie geschrieben wurde). Jeder, der sich für Popmusik, für Popkultur im 20. Jahrhundert interessiert, kommt an diesem Buch nicht vorbei. Zwar gibt es inzwischen mehrere Bücher, die sich mit Michael Jacksons Kunst auseinandersetzen (und dabei unterschiedliche Ansätze wählen), doch kein anderes Werk stellt Jacksons Musik so sehr in den Mittelpunkt und beschäftigt sich gleichzeitig so detailliert und vor dem Hintergrund ausführlicher Recherchen damit. Einige kleine Fehler haben sich leider in das Buch eingeschlichen, fallen aber zum Glück kaum ins Gewicht (so behauptet Vogel beispielsweise an einer Stelle, Jackson, der 1958 geboren wurde, habe 1999 seinen 40. Geburtstag gefeiert). Ich hätte mir allerdings an einigen Stellen tatsächlich noch mehr Tiefgang gewünscht. Vogel bezieht nämlich bei der Interpretation der einzelnen Lieder manchmal deren Videos und Performances mit ein, manchmal aber auch nicht bzw. kaum. Aber ich warte mal zuversichtlich auf die nächste Auflage des Buches.
Leider ist das Buch bislang nur auf Englisch erschienen; ich hoffe aber, dass es sich im Laufe der Jahre als eines der Standardwerke zu Michael Jackson etablieren wird und auch in anderen Sprachen erscheint. Neben „Man In The Music“ sind von Joseph Vogel zwei weitere Bücher über Michael Jackson erschienen: In „Earth Song – Inside Michael Jackson’s Magnum Opus“ erzählt er auf gut 100 Seiten die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte des vielleicht besten und wichtigsten Jackson-Songs (die zweite, aktualisierte Auflage des Buches ist Ende 2012 erschienen; allerdings ist sie nicht ganz fehlerfrei und unterschlägt die „Wetten, dass…?“-Performance des Songs völlig, worauf ich Joseph Vogel aber schon aufmerksam gemacht habe). „Featuring Michael Jackson“ fasst mehrere von Vogels zahlreichen Zeitungsartikeln und weiteren Veröffentlichungen über Michael Jackson in einem Band zusammen – beispielsweise seine persönliche Liste der zehn besten Jackson-Songs. Einige Texte finden sich auch auf Vogels Website (zusammen mit einer ständig wachsenden Liste an weiterer Literatur zum Thema). Wer also einen Einblick in Vogels Beiträge zu den „Michael Jackson Studies“ bekommen möchte, kann dort mit dem Lesen beginnen. Viel Spaß!
Bevor der erste „offizielle“ Blog-Post erscheint – was hoffentlich nicht allzu lange dauert – hier erst einmal ein Text über das neueste Album von Darren Hayes, das im Herbst 2011 erschienen ist. Ich hatte den Text kurz danach geschrieben, aber bislang noch nicht veröffentlicht. Nun dient er hier als mein Testballon:
Copyright Bild: Powdered Sugar Productions / EMI
Darren Hayes ist der größte lebende, männliche Popstar. So traurig es ist, dies angesichts des Todes des von mir verehrten Michael Jackson sagen zu müssen – der Sänger des australischen Pop-Duos Savage Garden, das Ende der Neunziger zwei erfolgreiche Alben veröffentlichte und dessen Welthit „Truly Madly Deeply“ auch heute noch Stammgast in den Playlists der Popradiostationen ist, hat sich diesen Status hart erarbeitet und redlich verdient. Dabei ist der Wahl-Londoner, der 2002 sein erstes von inzwischen vier Soloalben veröffentlichte, in weiten Teilen der Welt nahezu unbekannt. Dies zumindest ein Stück weit zu ändern und auch außerhalb Australiens und Großbritanniens, wo er im Laufe seiner Solokarriere die größten Erfolge feierte, einem größeren Publikum bekannt zu werden, könnte ihm mit seinem neuesten Album „Secret Codes and Battleships“ gelingen.
Man muss zugeben, dass er sich mit den beiden Vorgängeralben nicht leicht gemacht hatte. Fanden sich 2002 auf „Spin“, seinem Debütalbum als Solokünstler, noch Balladen und Uptempo-Nummern im Stil der Savage Garden-Stücke („Insatiable“ war auch hierzulande noch ein respektabler Hit), so vollzog Hayes 2004 mit „The Tension and the Spark“ eine Kehrtwende und legte allerdings zugleich sein bislang bestes Album vor. Waren seine Texte immer schon weit mehr als nur die in der Popmusik eben notwendige Ausgestaltung eingängiger Melodien, so wurden sie auf seinem zweiten Album nun richtig düster. In Liedern wie „Unloveable“ oder „Darkness“ besang er (zwischen)menschliche Abgründe, Depressionen und Selbstzweifel. Gleichzeitig klang hier auch fast kein Song mehr nach Savage Garden; zusammen mit seinem neuen Produktionspartner Robert Conley wandte sich Hayes einem elektronischeren Sound zu, der viele alte Fans abschreckte. 2007 folgte dann mit „This Delicate Thing We’ve Made“ ein 25 Songs umfassendes Doppelalbum, mit dem sich Hayes inhaltlich zwar nicht mehr so düster, aber musikalisch noch experimentierfreudiger und erneut textlich komplex zeigte. Viele Stücke behandelten das Thema Zeitreisen und ihre Konsequenzen für unsere Beziehungen zu unseren Mitmenschen (wenn sie denn möglich wären…), so dass man hier schon fast von einem Konzeptalbum sprechen kann. Kaum ein Song taugte hier zum schellen Radiohit, was zusammen mit der Tatsache, dass Hayes das Album ohne große Plattenfirma auf seinem eigens gegründeten Independent-Label Powdered Sugar veröffentlichte, der Grund dafür sein dürfte, dass Hayes’ alte Fans, denen der stilistische Wechsel 2004 gefallen hatte, ihm nun zwar noch treuer ergeben waren, jedoch leider nur wenige neue hinzukamen.
„Step Into The Light“ (aus dem Album „This Delicate Thing We’ve Made“, 2007):
Auf seinem neuen, am 28.10.2011 auch in Deutschland erschienen Album, setzt der Sänger den Experimenten der letzten beiden Platten nun ein Ende. Das erste Stück, „Taken by the Sea“ beginnt mit sanften Spieluhrklängen, wandelt sich dann aber schnell zur kraftvollen Ballade, die den Ton des Albums vorgibt. Textlich, weil hier bereits die Meeresthematik anklingt, die in mehreren Stücken und im Albumtitel eine Rolle spielt („I am an island / And you are the ocean / And all of my sadness taken by the sea“); musikalisch, weil das Stück – wie all die anderen auch – einen äußerst poppigen ersten Eindruck macht und man leicht in Gefahr gerät, zu glauben, das sei alles nur oberflächliches Gedudel, irgendwie schön, aber ohne tieferen Inhalt. Dass dem nicht so ist, zeigt ein Blick auf die Songtexte der zwölf Stücke, in denen Hayes einmal mehr einen Blick auf seine verwundete Seele gewährt und von großen Glücksgefühlen ebenso singt wie von Melancholie und Verzweiflung, vor allem aber immer wieder (und das ist eines seiner Lieblingsthemen) von der Notwendigkeit zwischenmenschlicher Kommunikation auch in scheinbar aussichtslosen Lagen. Doch auch musikalisch sind die zwölf Stücke äußerst komplex und mit viel Liebe zum Detail gestaltet.
Zum Teil erschließt sich die Tiefe der Lieder erst nach mehrmaligem Hören und nicht jeder der potentiellen Ohrwürmer geht sofort ins Ohr, doch es gibt eine Menge von ihnen und es dauert nicht allzu lange, bis man sie dann doch nicht mehr aus dem Kopf kriegt. Neben Robert Conley und Justin Shave, die auch schon an Hayes’ letztem Album als Produzenten mitgewirkt haben, hat er sich für „Secret Codes…“ Steve Robson (Take That) und Carl Falk (u.a. Westlife, Nicole Scherzinger) mit ins Boot (man beachte die Meeres-Metapher! 😉 ) geholt und zudem bei einem Song erneut mit Walter Afanasieff zusammengearbeitet, der zu Savage Garden-Zeiten sowie bei Hayes‘ erstem Soloalbum mit im Produktionsteam gewesen war. Den Produzenten gelingt es hier gemeinsam mit Hayes, die Lieder allesamt opulent, aber nie überproduziert klingen zu lassen. Trotz vieler Effekte und üppig aufeinander getürmter Klangschichten steht Darren Hayes Stimme stets im Vordergrund und trägt jedes einzelne Lied. So finden sich beispielsweise während des Refrains von „God Walking Into The Room“ ein paar extrem nach billigem 80er Jahre-Elektropop klingende Sounds, mit denen heute wohl nur noch die wenigsten durchkommen würden; Darren Hayes und Justin Shave setzen sie hier allerdings nicht als pures Gimmick ein und verbinden alle musikalischen Elementen mit einem zwar kitschigen, aber ehrlichen Text über die Kraft der Liebe zu einem schlüssigen Ganzen.
Der Albumtitel „Secret Codes and Battleships“ ist einer Textzeile des zweiten Titels „Don’t Give Up“ entnommen und kann vor dem Hintergrund der oben erwähnten Thematik zwischenmenschlicher Kommunikation, die das ganze bisherige Schaffen von Hayes durchzieht, interpretiert werden: Die „Secret Codes“ weisen auf die Schwierigkeiten des gegenseitigen Verstehens in allen Arten von Beziehungen hin; die „battleships“ erklären sich in diesem Kontext fast von selbst – immer wieder kommt es dabei zu Streitigkeiten, zu Gefechten zwischen schwer bewaffneten Kampfschiffen auf hoher See, um in der Sprache des Albums zu bleiben. Schon im Savage Garden-Song „Crash and Burn“ und dem dazugehörigen Video ging es 1999 um die unbedingte Notwendigkeit, sich einem anderen Menschen anzuvertrauen, um nicht in Einsamtkeit, Verzweiflung und Anomie zu verfallen. Auch die erste Single des neuen Albums, „Talk Talk Talk“, geht in diese Richtung und beschreibt den Versuch, eine schon fast von Streit (oder noch schlimmer: Schweigen) auf den Grund gezogene Beziehung doch noch zu retten, indem man den anderen bittet, einem doch wenigstens zuzuhören: „Please hear me out / All I want to do is just talk talk talk to you“.
Einer der Höhepunkte des Albums ist „Black Out The Sun“, bei dem sich Darren Hayes einmal mehr als Meister in der Disziplin beweist, melancholische, ja fast schon depressive, lebensverneinende Inhalte („There’s a hole where my soul used to grow / So just black out the sun“) mit eingängigen Melodien und raffinierten Arrangements zu einem Kunstwerk zu verbinden, bei dem man äußerst gerne mit dem klagenden Künstler mit leidet. Aufgenommen wurde das Stück übrigens exakt an dem Tag, an dem Michael Jackson verstarb, was sich zusätzlich im Gesang des Jackson-Fans Hayes niederschlug. Die limitierte Sonderausgabe des Album enthält auf einer zusätzlichen CD sogar einen Titel („Glorious“), den Hayes nach Jacksons Tod eigens über sein (und mein) Idol geschrieben hat.
Das Musikvideo zur zweiten Single „Black Out The Sun“:
Weitere Beispiele für all die im Zusammenhang mit zwischenmenschlichen Beziehungen (und Trennungen) immer wieder aufkommenden Zweifel oder für mangelndes Selbstbewusstsein finden sich in den Liedern auf „Secret Codes…“ zuhauf: „I’m the kind of person who can barely be loved“, singt Hayes in „Hurt“, überzeugt davon, einem geliebten Menschen doch immer wieder nur weh zu tun. Auch in „Nearly Love“ kommt die Sehnsucht nach Nähe zum Ausdruck, und auch hier führt dies nicht einfach zum Happy End, bei dem man sich liebend in den Armen liegt: „In your touch / Well your body can move in close / But my heart is a lonesome ghost / I’d never feel you anyway“. Und wenn dann schließlich ein Stück namens „Cruel Cruel World“ mit den Worten „I don’t know how I’m supposed to feel / Without my tiny little pills“ beginnt, dann wird endgültig klar, dass dieses Album nicht einfach als Feelgood-Popplatte abstempeln darf. Paradoxerweise wird es aber auch dieser Funktion gerecht; anders als in vielen Stücken auf „The Tension and The Spark“ kriegt Hayes hier immer die Kurve und bleibt nicht nur in Niedergeschlagenheit und Einsamkeit hängen. Wenn er dem Hörer in „Stupid Mistake“ ein trotziges „I don’t want to love / And I don’t want anybody else to either“ hinwirft, dann muss man das vielleicht mit einem Augenzwinkern sehen. Hier hat jemand seine Depressionen längst überwunden und blickt manchmal ironisch, aber immer ehrlich auf das zurück, was er durchgemacht hat.
Was Hayes aus seinen Erfahrungen gelernt hat, beschreibt das Stück „Roses“ am besten: „You can’t smell the roses when you’re gone / So live every moment like it’s the last night on earth“. Inhaltlich wie gesanglich hätte man sich den Titel auch als Michael Jackson-Song vorstellen können…
Der Höhepunkt des Albums ist jedoch „Bloodstained Heart“, ein Lied, das zart beginnt, sich aber schnell zu großen Gefühlen aufschwingt – bis hin zu einer Coldplay-artigen Stadionrocksequenz und einem ziemlich abrupten Ende, das den Zuhörer emotional erschöpft zurücklässt. „You hit me like a subway train / And I’ll never be the same“, singt Hayes und ganz ähnlich könnte man auch das ganze Album beschreiben: Hayes hält hier wieder einmal nichts zurück, fährt in Form von großen Gefühlen, aber auch intimen Momenten die ganze Bandbreite des emotionalen Spektrums auf und verpackt das Ganze in zumeist zeitlos klingenden Popsound mit wunderbaren, eingängigen Melodien. Großartige Popsongs müssen nicht übermäßig kompliziert sein, dürfen in ihrer Einfachheit musikalisch wie textlich aber auch niemals plump wirken. Diesen Spagat meistert Hayes in bewundernswerter Weise, so dass die Platte kaum Wünsche offen lässt. Nur einen habe ich noch: Bitte, bitte lieber Darren, komm endlich mal wieder für ein paar Konzerte nach Deutschland!
„Bloodstained Heart“ live bei der australischen Ausgabe von „X-Factor“: