Vor ein paar Tagen habe ich einen weiteren Film nachgeholt, den ich 2012 eigentlich im Kino sehen wollte, dann aber doch verpasst habe: „The Bourne Legacy“, den Bourne-Film ohne Bourne…
Ich mag die ersten drei Filme mit Matt Damon sehr gerne (Teil 2+3 habe ich 2007 im Rahmen eines Triple Features zum ersten Mal gesehen). Sie verbinden „handgemachte“ Action, die nicht auf große Effekte setzt mit einer spannenden, sich plausibel durch drei Filme ziehenden Geschichte. Noch dazu wurde die Reihe über drei Filme hinweg von Film zu Film besser, was man ja von den allerwenigsten Fortsetzungen behaupten kann. Nicht nur wurde die Geschichte in den beiden Fortsetzungen konsequent und sinnvoll erweitert und zu Ende erzählt, Paul Greengrass, der ab Teil 2 die Regie übernahm, verlieh der Reihe mit seiner Vorliebe für schnelle Schnitte und die berüchtigten, wackeligen Handkamerabilder auch noch ihren ganz eigenen Stil, der oft kopiert worden ist.
Nachdem Matt Damon nach dem dritten Film („Das Bourne-Ultimatum“) seinen Ausstieg aus der Reihe verkündete, schien diese damit beendet zu sein. Als schließlich mit „Das Bourn-Vermächtnis“ dann doch ein vierter Teil angekündigt wurde, der aber ohne Matt Damons zentrale und namensgebende Figur auskommen sollte, fragten sich viele (mich eingeschlossen), wie das denn bitteschön funktionieren sollte. Da das „Vermächtnis“-Drehbuch aber erneut aus der Feder von Tony Gilroy stammte, der bereits an den ersten drei Teilen als Autor mitgewirkt hatte, durfte man zumindest hoffen, dass die Macher hier wissen, was sie tun und vielleicht wirklich eine Möglichkeit gefunden haben, die Geschichte plausibel fortzusetzen. Trotzdem klang der Gedanke, einen „Bourne“-Film ohne Bourne drehen zu wollen, erst einmal paradox. Tony Gilroy übernahm dann neben der Aufgabe des Co-Autors auch gleich noch die Regie. Handkamerabilder und Stakkatoschnitte gehören damit der Vergangenheit an, aber da die hier erzählte Geschichte so langweilig ist und – ebenfalls ganz im Widerspruch zu den bisherigen Filmen – weitestgehend ohne Action auskommt, ist das auch schon egal.
Nachdem im dritten Film all die geheimen CIA-Programme – „Treadstone“, „Blackbriar“, usw. – aufgeflogen sind und die Verantwortlichen nun zur Rechenschaft gezogen werden, versucht dieses Mal nun ein von Edward Norton gespielter CIA-Agent namens Eric Byer, das Schlimmste zu verhindern, indem er alle noch lebenden Mitglieder dieser Programme töten lässt. Zu Beginn des Films verbringen wir einen Großteil damit, dem neuen Hauptprotagonisten Aaron Cross (Jeremy Renner) dabei zuzusehen, wie er irgendwo am anderen Ende der Welt zu Trainingszwecken durchs verschneite Gebirge klettert und sich gegen die Flugdrohenn zur Wehr setzt, die Byers Leute geschickt haben, um ihn zu liquidieren. Nachdem es Cross gelungen ist, seinen eigenen Tod vorzutäuschen, sucht er die Ärzting Marta Shearing auf, die an der Entwicklung all der Viren und Medikamente beteiligt war, mit denen Cross und die restlichen Teilnehmer des Projekts „Outcome“ zu superstarken und superintelligenten Kampfmaschinenen herangezüchtet wurden.
Die Notizen, die ich mir während des Films gemacht habe, sehen in etwa so aus: „Noch keine Action nach 30 Minuten! … Nach 50 Minuten immer noch keine richtige Actionsequenz. … nach einer knappen Stunde: endlich die erste Actionszene!!“ Tatsächlich kommt „Das Bourne-Vermächtnis“ mit nur zwei Sequenzen aus, die man als vollwertige Action-Szenen bezeichnen kann – einem Kampf in Marta Shearings Haus und einer langen Verfolgungsjagd am Ende des Films. Bis zur ersten dieser beiden Szenen vergeht dabei eine knappe Stunde, während der man sich schon fragen kann, ob man hier wirklich im richtigen Film sitzt. Während es in den letzten „Bourn“-Filmen kaum Gelegenheit, zur Ruhe zu kommen und der Spannungsbogen konstant hoch gehalten wurde, so lässt sich dieser Film quälend lange Zeit, bis er überhaupt mal zum ersten wirklich wichtigen Plotpoint kommt. Auf äußerst langwierige und komplizierte Weise ist man nach etwa 50 Minuten nämlich bei genau derselben Ausgangssituation angekommen, wie sie auch schon für die anderen Filme typisch war: Ein einsamer Agent ist auf der Flucht vor seinen einstigen Auftraggebern und muss sich im Kampf einer gegen alle zur Wehr setzen.
Cross‘ äußerst langgezogener Aufenthalt im verschneiten Gebirge hat meine Geduld jedenfalls sehr strapaziert. Was hat sich Gilroy wohl dabei gedacht, als er den Auftakt des Films über eine ganze Stunde gestreckt hat? Wirklich sinnvoll war diese Entscheidung nicht und ich muss es noch einmal sagen, weil ich es selbst kaum fassen kann, aber erst nach dieser „Episode“, als Aaron Cross im Haus der Ärztin Marta Shearing (Rachel Weisz) angekommen ist, gibt es eine erste Actionsequenz zu sehen (sein vorheriges Davonlaufen vor einem Wolf und Austricksten der Drohne kann man nicht wirklich als solche zählen). Die zweite Hälfte des Films besteht dann darin, dass Cross und Shearing in Manila in eine Medikamentenfabrik einbrechen, um Cross die rettende Pille oder Spritze zu besorgen, die ihn davor bewahren soll, weiterhin auf kleine blaue oder grüne Pillen angewiesen zu sein. Irgendwie so jedenfalls, so wirklich hat mich das nämlich nicht mehr interessiert. Mal ehrlich: das hier soll die tolle, den Bourne-Mythos erweiternde Geschichte sein, die euch eingefallen ist? Also wirklich…
Jeremy Renner, der dank seinen Auftritten im vierten „Mission: Impossible“-Film und bei den „Avengers“ durchaus schon actionerprobt ist, kann man am wenigsten die Schuld dafür geben, dass dieser Film schlicht und einfach langweilig ist. Hier wurde nämlich eine sehr dünne Storyidee auf 135 Minuten gestreckt, was für einen Actionfilm dieser Länge schlicht und einfach nicht ausreichend ist. Gilroy hat sich zwar sehr bemüht, die Verbindungen zu den anderen Filmen und zur Figur des Jason Bourne herzustellen, viel interessanter wird das „Vermächtnis“ dadurch aber leider auch nicht. Teile des Films spielen gleichzeitig mit dem dritten Teil, die von Joan Allen, David Straithairn und Albert Finney gespielten Figuren tauchen kurz auf und Matt Damons Foto ist immer wieder auf irgendwelchen Displays zu sehen, aber die eigentliche Handlung des Films ist ganz einfach viel zu dünn und wie gesagt sehr actionarm, was ich immer noch nicht fassen kann. (Stammt Straithairns Szene hier eigentlich aus dem dritten Teil? Es würde jedenfalls keinen Unterschied machen.)
Fazit: Zunächt braucht „Das Bourne-Vermächtnis“ quälend lange, bis der Film endlich mal in Fahrt kommt, anschließend stellt sich aber heraus, dass die hier erzählte Geschichte nicht wirklich neu oder auch nur besonders interessant ist. Noch dazu kommt dieser Action-Thriller über weite Strecken ohne Action aus und wirkt damit zumindest während seiner ersten Hälfte eher wie ein Fernsehfilm mit knappem Budget. Sorry, lieber Jeremy, aber dieser Film ist nicht gerade der Renner!