Dieser Text enthält einige wenige Spoiler, aber keine wirklich großen. 🙂
Erinnert ihr euch noch an „Heroes“? Das war eine tolle Science Fiction/Mystery-Serie, die vor zehn Jahren erschien und quasi so etwas wie „X-Men“ fürs Fernsehen war (und tatsächlich auch viele Comic-Elemente ins Fernsehen übertrug). Es ging um Menschen mit Superkräften (Selbstheilung, Gedankenlesen, Fliegen,…), eine geheime Organisation, die Jagd auf sie machte und nicht zuletzt um die Rettung der Welt. Schon von Anfang an war das Ganze mehr eine Soap als eine ernste Dramaserie, aber dank der interessanten Mischung aus unterschiedlichen Figuren und der frischen, so noch nicht gesehen Weise, in der diese Geschichte erzählt wurde, konnte die erste Staffel voll und ganz begeistern. Sie gehört zu den besten Beispielen für den Boom an Qualitäts-Serien der Nullerjahre. Leider hat es Serienschöpfer Tim Kring aber nicht bei dieser einen Staffel belassen, sondern noch drei weitere dranghängt, bevor „Heroes“ schließlich abgesetzt wurde. In den Staffeln zwei bis vier wurde die Serie immer wirrer und beliebiger; die Soap-Elemente nahmen überhand und die Handlung konnte nicht mehr fesseln. Neben einer fantastischen ersten Staffeln bliebt von „Heroes“ also vor allem in Erinnerung, dass Zachary Quinto – der später der neue Mr. Spock in „Star Trek“ wurde – und Hayden Panettiere dort ihren großen Durchbruch feierten. Und der Spruch „Save the cheerleader, save the world“, der zumindest vorübergehend zum Bestandteil des popkulturelle Bewusstseins wurde.
Schon während der Produktion von „Heroes“ war ein Spin-off namens „Heroes: Origins“ geplant gewesen, das dann aber doch nicht verwirklicht wurde. Dafür bekam Tim Kring 2015, fünf Jahre nach dem Ende der Originalserie, doch noch die Gelegenheit, seine Heldensaga weiter zu erzählen. „Heroes Reborn“ ist für Kring allerdings kein Spin-off, sondern eher die zehnte Staffel von „Heroes“, wie er im offiziellen „Making of“ erklärt – nur dass wir die Staffeln fünf bis neun halt nie zu Gesicht bekommen haben. Dementsprechend spielt die Handlung von „Heroes Reborn“ auch ein ganzes Stück nach dem Ende von „Heroes“. Zur Erinnerung: Am Ende der vierten Staffel von „Heroes“ hatte Claire Bennet die Existenz von Menschen mit Superkräften an die Öffentlichkeit gebracht. „Heroes Reborn“ spielt nun in einer Welt, in der diese Menschen, die „Evos“ genannt werden, Gegenstand hitziger gesellschaftlicher Debatten sind. Die Einen halten sie für die Rettung der Menschheit, Andere wiederum glauben, die Evos wollen die Macht über die ganze Erde an sich reißen. Überall auf der Welt sehen sich Evos zahlreichen Formen der Diskriminierung ausgesetzt. So müssen sie sich in den USA etwa registrieren und überwachen lassen, während in Paris vor dem Eiffelturm nach Evos gescannt wird, die den Turm nicht betreten dürfen. Die Handlung der Serie setzt ein Jahr nach einem großen Terroranschlag in Odessa ein, für den einige führende Evos und deren Unterstützer verantwortlich gemacht werden und bei dem auch die eigentlich für unzerstörbar gehaltene Claire Bennet ums Leben kam. (Ein Teil dieser Hintergrundgeschichte wird übrigens in sechs Mini-Episoden erzählt, die man vor der eigentlichen Serie anschauen sollte, die aber leider im Bonusmaterial auf Disc 3 des Bluray-Sets versteckt sind.)
Dass Claire nicht mehr am Leben ist, hat wohl vor allem den Grund, dass man Hayden Panettiere nicht zu einer Rückkehr ins „Heroes“-Universum überzeugen konnte. Auch Zachary Quinto hatte keine Lust mehr, in die Rolle des Sylar zu schlüpfen und so finden sich nur wenige Mitglieder des ursprünglichen Ensembles im Cast von „Heroes Reborn“ wieder. Zumindest zu Beginn ist die Hauptfigur Claires Vater Noah Bennet (Jack Coleman) – von den Fans stets HRG („horn-rimmed glasses“) genannt. Er arbeitet inzwischen unter einem anderen Namen als Autohändler, wird aber wieder in den Konflikt um die Evos hineingezogen, als ihn der Verschwörungstheoretiker Quentin (Henry Zebrowski) ausfindig macht. Schnell muss Noah feststellen, dass er seine Erinnerungen an die Ereignisse um den Anschlag in Odessa aus seinem Gedächtnis löschen ließ – aber warum? Gemeinsam mit Quentin macht er sich auf, die Wahrheit herauszufinden.
Noah und Quentin sind aber bei weitem nicht die einzigen Hauptfiguren in „Heroes Reborn“. Die Serie wartet mit einem unüberschaubar großen Ensemble auf. Da ist zum Beispiel der Teenager Tommy (Robbie Kay), der über Superkräfte verfügt und in den 13 Episoden seine eigene Heldenreise antritt, bei der er auch die Wahrheit über seine Herkunft und sein Schicksal erfährt. Da ist ein Ehepaar, welches die Evos für den Tod seines Sohnes verantwortlich macht und fortan einen mörderischen Rachefeldzug gegen alle Evos führt; dumm nur, dass der Mann bald selbst Superkräfte zu entwickeln beginnt. Da ist Miko (Kiki Sukezane), ein Mädchen in Japan, welches sich mit Hilfe eines geheimnisvollen Schwerts direkt in ein Videospiel namens „Evernow“ teleportieren kann. Da ist ein Typ irgendwo in Los Angeles, der nach dem Tod seines Bruders feststellt, dass dieser über Superkräfte verfügte und diese im Kampf für das Gute als klassischer maskierter Superheld einsetzte; nun legt er selbst das Kostüm an, um den Kampf im Geist seines Bruders fortzuführen. Da ist Erica Kravid (Rya Kihlstedt), die Leiterin eines globalen Tech-Konzerns namens Renautas, die große Pläne für die Zukunft der Menschheit hat, bei denen die Evos eine besondere Rolle spielen. Und da ist ein irgendein blondes Mädchen, das mit einer Freundin anscheinend zu Fuß von Alaska nach Süden unterwegs ist – warum, das weiß man für mehrere Episoden nicht.
Dass ich einige der Figuren nicht beim Namen genannt habe, liegt ganz einfach daran, dass ich mir ihre Namen auch nach 13 Episoden immer noch nicht gemerkt habe. „Heroes Reborn“ bietet nämlich von Anfang an ein so großes Figurenensemble und legt ein solch hohes Erzähltempo vor, dass man kaum Zeit hat, sich mit den einzelnen Charakteren vertraut zu machen. Ich kann auch jetzt noch nicht den Handlungsbogen dieses als maskierter vigilante kämpfenden Typen nacherzählen, weil er in den 13 Episoden ganz einfach komplett untergegangen ist und für die Handlung überflüssig war. (Die Figur bietet durchaus eine Menge an Potential, ist aber ganz einfach verdammt schlecht geschrieben und in die Serie integriert.) Tim Kring hat in diese 13 Episoden so viele Figuren, Ideen und Handlungsansätze gestopft, dass es locker für drei Staffeln reichen würde. Vielleicht hat er das getan, weil er schon befürchtet hatte, nur eine einzige Staffel zur Verfügung zu haben; hätte er sich jedoch auf weniger Handlungsstränge konzentriert und sich einiges für spätere Staffeln aufgehoben, dann wäre diese erste Staffel vermutlich wesentlich besser geworden (und die Chancen auf eine Verlängerung der Serie höher). Nur sehr wenige der Charaktere können wirklich ein eigenes Profil entwickeln und vieles geht im großen Wirrwarr der Handlungsstränge einfach unter. „Jessica Jones“ hat gezeigt, dass man eine Serie nicht mit über Superkräfte verfügenden Menschen vollstopfen muss, um eine Geschichte über eben diese Menschen zu erzählen. So gibt es auch in „Heroes Reborn“ mehrere Figuren, die für sich allein schon die Grundlage einer Fernsehserie bilden könnten, beispielsweise das erwähnte Ehepaar auf Terror-Feldzug.
Die Serie will einfach viel zu vieles gleichzeitig sein: Teenie-Melodrama, Mysterydrama, Superheldengeschichte und noch vieles mehr. Der hier gemachte Versuch, all das in einer großen Ensembleserie mit sich überschneidenden Handlungssträngen unterzubringen, geht letztlich komplett in die Hose, wenn es auch ein paar interessante Elemente und sogar zwei gute Episoden darin gibt (dazu gleich mehr). Schauspielerisch ist das Ganze übrigens auch äußerst durchwachsen. Jack Coleman schlägt sich als Noah Bennet wacker, ebenso der junge Robbie Kay, der sich schnell zur zentralen Figur der Serie mausert. Einige der anderen Schauspieler stolpern jedoch ziemlich verloren durch das Geschehen, was man ihnen aber nicht verübeln kann, schließlich ist das alles so konfus geschrieben, dass von realistischer Charakterentwicklung hier oft keine Rede sein kann.
Genau wie in der ersten Staffel von „Heroes“ geht es auch hier wieder darum, den Weltuntergang abzuwenden. Tim Kring scheint immer noch nicht gelernt zu haben, dass man sich so etwas für spätere Staffeln aufheben sollte und erst einmal seine Figuren etablieren sollte. Schließlich war eines der zahlreichen Probleme der späteren „Heroes“-Staffeln, dass es ganz einfach keine spannende, glaubwürdige Geschichte mehr zu erzählen gab, nachdem es bereits in der ersten Staffelm um Alles ging. Lässt man einmal einige der vielen Nebenfiguren beiseite, dann erzählt „Heroes Reborn“ im Grunde von einer klassischen Heldenreise, bei der ein Auserwählter nach anfänglichem Sträuben gegen sein Schicksal die Welt retten muss. Ein Großteil der Geschichte wird dabei in einer zentralen Doppelfolge in der Mitte der Staffel klar (1.07/08), in der Noah Bennet mit Hilfe von Hiro Nakamura (Masi Oka) in der Zeit zurückreist zu den Ereignissen um den Terroranschlag in Odessa. Weil sich diese beiden Episoden auf weniger Figuren und Handlungsstränge konzentrieren als der Rest der Serie, wissen sie auch wesentlich besser zu unterhalten und halten tatsächlich ein paar Aha-Erlebnisse und clevere Twists bereit. Neben Hiro tauchen im Verlauf der Serie übrigens noch ein paar andere Charaktere aus „Heroes“ in Gastrollen auf, doch Hiros Gastrolle ist am überzeugendsten, weil sie für die Handlung am meisten Sinn macht. Andere Darsteller wiederum scheinen nur deswegen dabei zu sein, weil halt gerade sie zu einem Auftritt überredet werden konnten.
Weitere positiv hervorzuhebende Elemente sind die typische „Heroes“-Musik und das die einzelnen Episoden einleitende Voice-over, die zusammen sofort wieder für die typische Atmosphäre sorgen (auch wenn sich dahinter aufgrund der genannten Schwächen meist nicht viel Interessantes verbirgt und die Atmosphäre damit oft ungenutzt verpufft). Von all den neu eingeführten Figuren war es ausgerechnet eine Nebenfigur, die ich als „Penny-Mann“ bezeichne, die mich am meisten fasziniert hat: dieser Mann, der auf den Namen Caspar Abraham hört, verfügt über die Fähigkeit, anderen Personen bestimmte Erinnerungen zu nehmen, indem er ihnen einen Penny überreicht, den diese wiederum annehmen müssen, damit seine Gabe ihre Wirkung erzielt. Gerade weil es sich dabei um eine solche beschränkte, nur zu einem einzigen Zweck einsetzbare Fähigkeit handelt, finde ich diese Figur so spannend. Leider ist die Rolle des „Penny-Manns“ äußerst klein und wir erfahren auch nie, wie er nun genau in das Geschehen verstrickt ist. Aber immerhin ist dies das einzige Beispiel in der Serie dafür, dass weniger eben oft mehr sein kann.
Ein wichtiger Teil der Handlung ist der bereits erwähnte Renautas-Konzern, der – es ist kein großer Spoiler – natürlich mit Primatech in Verbindung steht, jener Firma, in deren Auftrag Noah Bennet in „Heroes“ noch Jagd auf die Evos machte. Auch Renautas führt nichts Gutes im Schilde und macht ebenfalls Jagd auf Evos, um sich deren Fähigkeiten zunutze zu machen – zum Beispiel für eine Datenbrille, mit deren Hilfe Evos auf den ersten Blick erkannt werden können. Gegen Ende der Staffel stellt sich dann heraus, dass die Pläne der Konzerninhaberin Erica Kravid noch viel finsterer sind als bisher gedacht. Sie will nämlich die Zerstörung der Menschheit in Kauf nehmen und nur eine kleine, ausgewählte Gruppe von ihnen retten. Die glücklichen Auserwählten bekommen eine weiße Armbanduhr verpasst, die ihr Weg in die Zukunft sein soll – in diesem Fall wortwörtlich, denn sie sollen über 1500 Jahre in die Zukunft transportiert werden, wo die Menschheit auf einer postapokalyptischen Erde in einer „Gateway“ genannten Kolonie neu gegründet werden soll. Die Metaphern kommen in „Heroes Reborn“ immer wieder mit dem Holzhammer daher, von der „Google Glass“-artigen Datenbrille über die von bestimmten gesellschaftlichen Gruppen als Terroristen gebrandmarkten Evos (manchmal könnte man „Evos“ direkt durch „Muslime“ ersetzen) bis hin zur wie eine Apple Watch aussehenden Armbanduhr, die das am heißesten begehrte Gadget auf dem ganzen Planeten darstellt. Die Serie spricht zudem zahlreiche große Fragen und Themen an – Schicksal, freier Wille, die großen Konsequenzen vermeintlich kleiner Handlungen und den wichtigen Unterschied, den schon ein einzelnes Individuum machen kann. Letztendlich geht all das aber im unübersichtlichen Ensemble der teilweise sträflich langweiligen Figuren und Handlungsstränge unter.
Am Ende der 13 Episoden ist die Welt natürlich erst einmal gerettet, die Verwandschaftsverhältnisse zwischen einigen Figuren sind geklärt und die Staffelübergabe an eine neue Generation von Helden wird vollendet. Weitererzählt wird „Heroes Reborn“ jedoch erst einmal nicht, was wahrscheinlich auch gut so ist. Im „Making of“ des Bluray-Sets überbieten sich die Schauspieler übrigens gegenseitig mit Lob und Superlativen über die Serie und wirken dabei sogar noch unglaubwürdiger als zum Teil in ihren Rollen. Tim Kring zufolge geht es in der Serie darum, wie Menschen aus der ganzen Welt zusammen kommen, um die Welt zu retten. Eine sehr ähnliche Thematik hat eine andere Serie im letzten Jahr allerdings viel besser umgesetzt: Sense8. Auch dort geht es um Menschen mit einer besonderen Fähigkeit, die lernen müssen zusammen zu arbeiten. Aber wo „Heroes Reborn“ sich in zu vielen Handlungselementen verliert und ein solches Erzähltempo vorlegt, dass für Figurenentwicklung fast keine Zeit bleibt, geht Sense8 fast den umgekehrten Weg (mehr dazu gibt es hier irgendwann in einem eigenen Blogpost – spätestens dann, wenn Sense8 auf Bluray erscheint).
Noch eine Anmerkung zu den deutschen Blurays von „Heroes Reborn“: Genau wie bei „Heroes“ wird hier ein Teil der Handlung in Untertiteln erzählt (vor allem in den Szenen, in denen Figuren miteinander japanisch sprechen), zudem gibt es noch weitere Texteinblendungen wie etwa Ortsnamen, Episodentitel oder der Text von Computerchats und SMS. Für die deutschen Blurays wurden all diese Texte leider als nicht veränderbare Teile des Bildes eingedeutscht. Schaut man sich die Serie also auf englisch an, bleiben diese deutschen Texteinblendungen im Bild und es erscheinen zusätzliche englische Untertitel! Das hätte eigentlich wirklich nicht sein dürfen und spricht für all diejenigen, die sich die Serie kaufen wollen, um sie im Original anzuschauen, dafür, zu einer Importversion etwa aus Großbritannien zu greifen.
Bilder: Copyright Universal Pictures