Endlich geht es weiter mit meinem „Babylon 5“-Rewatch! Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, hier im Blog alle zwei Wochen eine neue Episode zu besprechen, aber das wird wahrscheinlich nicht machbar sein; jedenfalls dann nicht, wenn ich regelmäßig auch über andere Dinge bloggen will. Hoffentlich dauert es aber bis zur nächsten Folge nicht wieder fast einen Monat. Bevor ich mich „Soul Hunter“ widme, komme ich zunächst wieder zu meiner beliebten Rubrik…
Aktuelles aus dem „Babylon 5“-Universum
Wirkliche Neuigkeiten gibt es zwar nicht, dafür habe ich aber wieder etwas Schönes im Internet gefunden: Für das „Archive of American Television“ werden Personen interviewt, die einen wichtigen Beitrag zum US-Fernsehen geleistet haben. Darunter ist natürlich auch „Babylon 5“-Schöpfer J. Michael Straczynski (JMS), mit dem ein fast dreieinhalbstündiges Gespräch geführt wurde. Darin spricht er über seine gesamte Karriere, also auch alles, was er vor und nach „Babylon 5“ in den Bereichen Fernsehen, Comics und Film gemacht hat (er war z.B. einige Zeit Drehbuchautor für „Mord ist ihr Hobby“ oder hat das Drehbuch für „Der fremde Sohn“ („Changeling“) geschrieben, das von Clint Eastwood mit Angelina Jolie in der Hauptrolle verfilmt wurde). Über „Babylon 5“ beginnt er im zweiten der vier Videos zu sprechen (bei 6:47). Anschauen sollten sich das natürlich nur diejenigen, die „Babylon 5“ schon komplett gesehen haben, da er über den gesamten Handlungsbogen der Serie spricht. Im letzten Video spricht er dann über seine künftigen Projekte – die Serie „Sense 8“, die er mit Andy und Lana Wachowski geschrieben hat und dieses Jahr drehen wird und den Leni Riefenstahl-Film, den er in Berlin drehen und bei dem er auch Regie führen wird.
Hier kann man zudem einige Highlights des Interviews gezielt anklicken und hier Interviews mit einigen weiteren an „Babylon 5“ beteiligten Personen ansehen (z.B. mit den Schauspielern Walter Koenig und Bill Mumy). Kommen wir nun aber zur heutigen Episode… 🙂
Episode 1.02 „Soul Hunter“ („Der Seelenjäger“)
Drehbuch: J. Michael Straczynski, Regie: Jim Johnston
Erstausstrahlung: 02.02.1994 (USA), 13.08.1995 (Deutschland)
„Soul Hunter“ ist – wie die meisten Episoden der ersten Staffel – eine für sich allein stehende Folge mit abgeschlossener Handlung – jedenfalls auf den ersten Blick. Wer die Serie schon komplett gesehen hat, dem werden in dieser Folge allerdings einige Dinge auffallen, die auf spätere Ereignisse und Enthüllungen verweisen. Dies zeigt, dass JMS tatsächlich von Anfang an an einem großen story arc schrieb und schon in den ersten Folgen der Serie den Grundstein dafür legte. Diese Folge enthält also ein paar für diesen story arc wichtige Elemente, ist ansonsten aber leider ziemlich langweilig, und das obwohl die ihr zurgunde liegende Idee und die damit verbundenen Fragestellungen eigentlich äußerst faszinierend sind.
Zu Beginn der Folge nutzt Sinclair nicht zum letzten Mal die Gelegenheit, selbst ins Cockpit eines Starfury zu steigen, um das auf die Station zu treibende unbekannte Schiff zu bergen. Der einzige Passagier wird ins Medlab gebracht, wo Delenn ihn als einen „Seelenjäger“ erkennt und sofort zu Garibaldis Waffe greift, um ihn zu erschießen. Zum Glück kann Sinclai das verhindern. Delenn entschuldigt sich später bei ihm für dieses so gar nicht für sie typische Verhalten und erklärt Sinclair, Seelenjäger seien Wesen, die sich vom Tod anderer Wesen angezogen fühlen und deren Seele nach dem Tod gefangen nähmen. „They have always taken a particular interest in certain classes of Minbari.“, sagt sie mit Bezug darauf, dass Seelenjäger es häufig auf in einer Gesellschaft besonders angesehene Personen, wie zum Beispiel Führungspersönlichkeiten, abgesehen haben. Während die Menschen noch nie von den Seelenjägern gehört haben, scheinen sie bei vielen anderen Spezies gefürchtet zu sein. Garibaldi erwähnt, der Aliensektor der Station sei wie ausgestorben und Ivanova fällt auf, dass plötzlich alle Aliens die Station verlassen wollen.
Dr. Stephen Franklin, der neue Stationsarzt, glaubt als Naturwissenschaftler nicht an Seelen oder Seelenjäger. Für ihn ist die Vorstellung, eine Seele gefangen zu nehmen, lächerlich. Auch Sinclair glaubt zunächst nicht daran, will den Seelenjäger aber trotzdem so schnell wie möglich wieder loswerden, weil er den Frieden auf Babylon 5 gefährdet. Die spirituelle Delenn dagegen ist überzeugt davon, dass seine Anwesenheit eine Gefahr bedeutet und will nicht nur verhindern, dass er weitere Seelen einfängt, sondern auch diejenigen wieder frei lassen, die er bereits gefangen hat und in seiner „Sammlung“ mit sich führt. Sie ist sich sicher, dass sich darunter auch Minbari-Seelen befinden, die – solange sie fest gehalten werden – nicht wieder geboren werden können und damit quasi „fehlen“. „Remove those souls, and the whole suffers. We are diminished. Each generation becomes less than before.“, sagt sie, was der Seelenjäger jedoch als Spinnerei abtut. Er sieht sich als Retter der Seelen, die er aufnimmt und die angeblich nur dann überhaupt weiter leben können, wenn sie nach dem Tod der Person eingesammelt werden.
Der Seelenjäger wird von W. Morgan Sheppard gespielt, einem britischen Schauspieler, der auch in mehreren „Star Trek“-Episoden und Filmen mitgewirkt hat (auch in J.J. Abrams erstem „Star Trek“-Film hatte er einen kleinen Auftritt). Zudem ist er in einer späteren „Babylon 5“-Folge noch einmal dabei, dort spielt er einen Narn. Vor kurzem war er in einer Folge von „Mad Men“ als Vater des von Jared Harris gespielten Lane Pryce zu sehen. Den Seelenjäger spielt er von Beginn der Episode an etwas entrückt, als würde er die um sich stehenden Personen zwar wahrnehmen, aber hätte Schwierigkeiten, sich auf sie zu konzentrieren. Später in der Folge trifft ein zweiter Seelenjäger auf Babylon 5 ein und erklärt Sinclair, sein Bruder sei verstört, weil er in der Vergangenheit häufig zu spät eingetroffen ist, um die Seelen sterbender Personen zu retten. Deshalb warte er nun nicht mehr, bis eine Person stirbt, sondern suche sich besonders prestigeträchtige Persönlichkeiten heraus und führe deren Tod selbst herbei. Das erklärt zumindest ein wenig das seltsame Verhalten des ersten Seelenjägers, trotzdem wirkt Sheppards Schauspiel immer noch etwas hölzern.
In Delenn erkennt der (erste) Seelenjäger ein Mitglied des Grauen Rates, jener Gruppe aus Minbari, die deren gesamtes Volk regieren. Als solches wäre ihre Seele natürlich ein besonders wertvolles Objekt für seine Sammlung. Also versucht er, sich ihre Seele anzueignen, doch zum Glück trifft Sinclair rechtzeig ein und kann die, äh, „Seelenabsaugmaschine“ umdrehen und auf den Seelenjäger selbst richten. Zum Schluss sehen wir Delenn, die die in der Sammlung des Seelenjägers gefangenen Seelen eine nach der anderen wieder befreit.
Highlight der Episode: Eigentlich gar nichts, da die Episode keine großen Höhepunkte hat. Aber es ist die erste Folge mit Dr. Franklin (Richard Biggs)! Zu Beginn wird er von Sinclair und Ivanova auf der Station empfangen und grüßt sie von seinem Vorgänger Dr. Kyle, dem er zufällig auf dem „transfer point on Io“ (der in der Serie nicht zum letzten Mal erwähnt wird) begegnet ist. Sinclair erwähnt, dass Kyle – der im Pilotfilm zu sehen war – inwischen für den Präsidenten arbeitet.
Londo/G’Kar-Moment: Leider gar keiner, da die beiden in dieser Folge nicht vorkommen.
Folgende (weitere) wichtige Informationen, die für den weiteren Verlauf der Serie – den großen „story arc“ – wichtig sind, erhalten wir in dieser Episode (Ich habe das meiste mal so kryptisch gehalten, dass keine Spoiler vorkommen und all diejenigen, die die komplette Serie kennen, trotzdem verstehen, worauf ich mich beziehe. An einer Stelle muss ich allerdings auf einen großen Spoiler eingehen – markieren und lesen der entsprechenden Stelle daher auf eigene Gefahr! 😉 ):
- Der Seelenjäger erzählt, wie er und seine Brüder beim Tod von Dukhat, dem Anführer der Minbari, zur Stelle waren, aber von den Minbari daran gehindert wurden, dessen Seele aufzunehmen. (Das ist zwar für die Serie an sich nicht so wichtig, aber es stellt die erste Erwähnung von Dukhat dar.)
- Der Seelenjäger erkennt Delenn als eine „Satai“, ein Mitglied des Grauen Rates und eine der Anführerinnen der Minbari. Mit Recht stellt er die Frage, warum sie auf Babylon 5 „Botschafterin spielt“. Das fragt sich am Ende der Folge auch Sinclair, nachdem er die Bedeutung des Wortes „Satai“ heraus gefunden hat. Im späteren Verlauf der Serie wird dies klar.
- Delenns Worte darüber, dass Seelen nach dem Tod in andere Personen übergehen und solche Seelen, die gefangen genommen werden, der Gesamtpopulation fehlen, stehen natürlich in Verbindung zu den Dingen, die wir über Seelen später in der Serie noch erfahren werden… Wie viele scheinbar für sich allein stehende Episoden der ersten Staffel führt auch diese Folge einige Handlungselemente ein, die später sehr wichtig werden. Dazu gehört auch der Tod Dukhats als Auslöser des Erd-Minbari-Krieges.
- Als der Seelenjäger zu Sinclair sagt „They are using you“, bezieht er sich natürlich darauf, dass die Minbari Sinclair manipulieren, um ihn in die Position zu bringen, in der er später sein Schicksal erfüllen wird… [Großer Spoiler:] Ich frage mich allerdings, was dieser Satz in JMS‘ ursprünglichem story arc bedeutet hätte. Im Nachinein interpretiert man ihn ja so, dass die Minbari Sinclair manipulieren, damit er schließlich seine Rolle als Valen einnimmt. Wenn aber Sinclair wie in JMS‘ ursprünglichem Konzept vorgesehen die ganze Serie über auf Babylon 5 geblieben wäre, wofür hätten die Minbari ihn dann benutzt? Hätten sie ihn dann in seine Rolle im Krieg gegen die Schatten gedrängt?
Sonstige Fragen: Einige Fragen habe ich ja schon gestellt, bleibt also noch die größte: Gibt es nun Seelen oder nicht? Nehmen die Seelenjäger tatsächlich die Seelen von Verstorbenen auf und retten diese? JMS hat dazu folgendes geschrieben: „We leave that question open. Is he actually taking souls, or simply encoding the personality matrix and, in essence, creating an artificial version of the individual’s personality?“ Die Frage bleibt also offen, was auch gut so ist. Wie schon gesagt, die Episode mag etwas öde sein, die ihr zugrunde liegenden Themen und Fragen sind es aber ganz und gar nicht. JMS versucht hier wie so oft, seine Zuschauer zum Denken anzuregen, ihnen etwas zum Grübeln und Diskutieren zu geben, aber keine einfachen Antworten zu liefern. „Who’s right – the Soul Hunter or Delenn?“, hat ihn ein Fan im Internet gefragt. Seine Antwort: „Yes.“
Weitere interessante Punkte: In dieser Folge sehen wir, wie auf Babylon 5 mit Verstorbenen verfahren wird, wenn sich die Hinterbliebenen auf der Erde eine Überführung der Leiche nicht leisten können. In diesem Fall wird die Leiche in einer Kapsel in den nahe gelegenen Stern geschossen. Sehr interessant fand ich auch die beiden Aliens, die als Türsteher vor N’Graths Quartier stehen; ich bin mir nicht sicher, ob man diese Spezies je wieder sehen wird. Ach ja: der insektoide N’Grath tritt hier zum ersten Mal auf! JMS hatte den Fans im Internet damals versprochen, sie würden nicht-humanoide Aliens zu sehen bekommen und N’Grath war wohl die Einlösung dieses Versprechens. In den Nahaufnahmen wirkt er faszinierend, in der Halbtotalen sieht man aber leider, dass auch er von einem Menschen gespielt wird und auf zwei Beinen geht. Am Ende der Folge erteilt Sinclair den Seelenjägern quasi Hausverbot auf der Station – so weit ich weiß wird das im Verlauf der Serie keiner anderen Gruppe erteilt.
Und noch ein Detail, dass ich als großen Spoiler markieren muss: Franklin warnt Sinclair am Ende, nicht an Seelen zu glauben bzw. dies nicht laut zu äußern, weil man ihn sonst in einen sehr langen Urlaub schicken würde. („I’d be careful if I were you. That sort of talk will get you sent off on a very long vacation.“) Vor dem Hintergrund von Sinclairs Schicksal nach der ersten Staffel wirkt das fast schon prophetisch…
Zitate:
„We are drawn to the moment. The moment of surrender, the instant of loss, between despair and ecstasy, when the flesh fails and all that remains behind – the soul – we save. Not all, only the special ones. Leaders, thinkers, poets, dreamers, blessed lunatics.“ (erster Seelenjäger)
Franklin: „It’s all so brief, isn’t it? [The] typical human life span is almost a hundred years. But it’s barely a second compared to what’s out there. [It] wouldn’t be so bad, if life didn’t take so long to figure out. [It] seems you just start to get it right and then…it’s over.“
Ivanova: „Doesn’t matter. If we lived two hundred years, we’d still be human. We’d still make the same mistakes.“
Franklin: „You’re a pessimist.“
Ivanova: „I’m Russian, doctor. We understand these things.“
Die nächste Folge in meinem „Babylon 5“ Rewatch:
1.03 „Born to the Purple“