Babylon 5 – Episode 1.19 “A Voice in the Wilderness (Part 2)”

Bevor ich zur Episodenbesprechung komme, will ich noch kurz das neueste Produkt aus dem Shop von „Babylon 5 Books“ besprechen. Dabei handelt es sich dieses Mal nicht um ein Buch, sondern um ein DVD-Set: „CNN Documents Babylon 5“. Auf drei DVDs findet sich Material, das CNN während der Produktion der Serie hinter den Kulissen gefilmt hat. Die erste Disc enthält sieben relativ kurze Interviews mit Darstellern. Auf Disc 2 sind Hinter-den-Kulissen-Aufnahmen zu sehen, die bei den Dreharbeiten zu vier verschiedenen Episoden angefertigt worden sind. Sie werden im Shop als „unzensiert“ beschrieben, man könnte aber auch sagen: ziemlich langweilig. Etwas interessanter wird es immerhin, wenn man den Audiokommentar zuschaltet, bei dem jemand aus dem B5 Books-Team erklärt, was man gerade sieht. Auf Disc 3 kann man schließlich den Darstellern Claudia Christian (Ivanova) und Jerry Doyle (Garibaldi) dabei zuschauen, wie sie sich das Material von Disc 2 anschauen und ihre Kommentare dazu abgeben – wer’s braucht… Eine eigene DVD ist das Material auf Disc 3 eigentlich nicht wert, denn es hätte auch gereicht, die Kommentare von Christian und Doyle als Audiokommentare auf Disc 2 zu packen.
Insgesamt ist das DVD-Set wirklich nur für solche Fans interessant, die wirklich jeden Interview-Schnipsel und jede Hinter-den-Kulissen-Aufnahme haben müssen. Das Material würde sich wunderbar als Bonusmaterial für eine zukünftige Neuveröffentlichung der Serie auf DVD eignen. 79 (!) Dollar plus Versandkosten ist es aber auf keinen Fall wert (ich habe früh genug bestellt und das Set noch zu einem günstigeren Preis bekommen).
Nun aber weiter zur aktuellen Episode, dem Abschluss des Zweiteilers „A Voice in the Wilderness“:

Episode 1.19 „A Voice in the Wilderness (Part2)“ („Angriff der Aliens (Teil 2)“)

Drehbuch: J. Michael Straczynski, Regie: Janet Greek
Erstausstrahlung: 03.08.1994 (USA), 01.12.1995 (Deutschland)

Die meisten Folgen der ersten Staffel von „Babylon 5“ bieten eine in sich abgeschlossene Handlung. Zwar bilden die Episoden inhaltlich den Grundstein für die folgenden Staffeln, doch so richtig episodenübergreifend erzählt wird hier noch nicht. Insofern ist der Zweiteiler „A Voice in the Wilderness“ eine Ausnahme – und eine sehr gelungene noch dazu. Im letzten Blogpost habe ich mich dem ersten Teil gewidmet, nun folgt Teil zwei.

Bereits in den ersten Minuten der Episode ist positiv zu erkennen, dass es sich hier um die Fortsetzung einer bereits begonnenen Geschichte handelt. Die Folge steigt direkt dort ein, wo in der Vorwoche aufgehört wurde (in Deutschland wurden die beiden Folgen an einem Abend ausgestrahlt) und legt von Anfang an ein hohes Tempo vor. Lange Erklärungen der Lage und Einführungen neuer Charaktere bleiben dem Zuschauer größtenteils erspart und weil diese Doppelfolge als spannender, abendfüllender Film konzipiert wurde, kommt man in dieser zweiten Hälfte voll auf seine Kosten und wird bestens unterhalten.
Mit der Ankunft der Hyperion unter dem Kommando von Captain Pierce (Ron Canada) und später dem Raumschiff der unbekannten Aliens melden plötzlich zwei weitere Parteien Ansprüche auf die Technologie an, die sich auf Epsilon 3 verbirgt. Sinclair ist alles andere als begeistert, dass die Erde (genauer: das Office of Planetary Security) ihm dazwischenfunkt, schließlich hatte ihm Präsident Santiago persönlich versichert, er habe als Kommandant von Babylon 5 die oberste Autorität über diesen Weltraumsektor. Sinclairs Wutausbruch gegenüber Pierce ist ein erster Höhepunkt der Folge und auch eine für den von Problemen geplagten Michael O’Hare ungewöhnlich gute schauspielerische Leistung. Als Senator Hidoshi später Sinclair erklärt, dass das Kommando der Erdstreitkräfte seit dem Krieg gegen die Minbari davon besessen ist, neue Technologien in seine Hände zu bekommen, musste ich an die „Alien“-Filme denken. Auch dort ist es ja die ständige Gier des Weyland/Yutani-Konzerns nach neuen Technologien, die sich militärisch einsetzen lassen, die die Helden der Filme in Bedrängnis bringt. (Im „Babylon 5“-Universum ist die Suche der Erde nach außerirdischen Waffentechnologien ebenfalls nicht neu; sie wurde bereits am Ende von „Infection“ angedeutet.) Dass die Erdregierung sofort ein Schiff vorbeischickt, sobald sie von dem Fund auf Epsilon 3 erfährt, widerspricht zudem völlig den Zielen und Prinzipien des Babylon-Projekts. Von friedlichem Miteinander und diplomatischen Lösungen ist auf einmal keine Rede mehr, sobald die Aussicht darauf besteht, sich einen eigenen Vorteil zu verschaffen. Schade.

Sinclair gelingt es mit einem Bluff, Pierce zunächst davon abzuhalten, ein Shuttle nach Epsilon 3 zu schicken. Allerdings hat die Ankunft des Erdkreuzers zusätzliche Aufmerksamkeit auf die Situation gelenkt und so will nun auch Londo Mollari wissen, was genau vor sich geht und erhebt im Namen seiner Regierung schon mal Anspruch auf was immer auf dem Planeten gefunden werden wird. Dass der Planet unterdessen bald zu explodieren droht, verleiht dem zweiten Teil der Episode zusätzlich Spannung, ebenso wie die schon erwähnte Ankunft der Aliens.
Der aufmerksame Zuschauer kann sich allerdings recht schnell zusammenreimen, dass die Maschine auf Epsilon 3 eine neue Person benötigt, um sie zu steuern und kontrollieren. Ebenso wird relativ schnell klar, dass es sich dabei natürlich nicht um eine der Hauptfiguren der Serie handelt, sondern um eine in dieser Doppelfolge eingeführte Nebenfigur: Draal. Abgesehen davon, dass er am Ende in die Maschine steigen darf, bekommt Draal in dieser Folge allerdings nicht mehr besonders viel zu tun; das ist aber nicht so schlimm, schließlich ist hier einfach eine ganze Menge los. „A Voice in the Wilderness“ steigert sich in dieser zweiten Hälfte zu einem spaßigen Abenteuer, wie man es in „Babylon 5“ bis dahin noch gar nicht gesehen hatte. Die Doppelfolge gehört zwar nicht zu den besten Episoden  der Serie, aber gerade diese zweite Folge stellt ein erstes Beispiel für das dar, was in den kommenden Staffeln folgen wird: Episoden, die direkt dort weitermachen, wo die letzte Folge aufgehört hat und die große, dramatische Weltraum-Action bieten, in denen aber auch die Charaktere nicht zu kurz kommen.

Zu ein paar Charakteren möchte ich dementsprechend auch noch ein paar Wörter verlieren: Sinclair erweist sich hier als kompetente Führungspersönlichkeit und wird seiner Verantwortung als Stationskommandant gerecht. Das demonstriert er zunächst im bereits erwähnten Gespräch mit Captain Pierce und später, als er Garibaldi aufsucht. Als Freund wie als Vorgesetzter sorgt er sich um seinen Sicherheitschef und möchte sicherstellen, dass er sich in dieser Krisensituation auf Garibaldi verlassen kann. Sinclair behält also die Lage im Blick, verteidigt seinen Führungsanspruch und sorgt sich um sein Personal. Garibaldi wiederum sorgt sich aufgrund der angespannten Lage auf dem Mars um seine frührere Freundin Lise (Denise Gentile). Ich schreibe bewusst nicht „Ex-Freundin“, denn obwohl er mit Lise nicht mehr zusammen ist, haben sie die Beziehung nie offiziell beendet. Wie wir hier erfahren, ist Garibaldi einfach nach Babylon 5 abgehauen, als er von Sinclair den Posten als Sicherheitschef angeboten bekommen hat. Lise wollte ihm nicht folgen, aber geklärt hat Garibaldi die Dinge mit ihr auch nie. Obwohl er nun schon schon über zwei Jahre auf der Raumstation ist, hat er in dieser Zeit nie mehr mit Lise gesprochen – aus Angst davor, das zu hören, was er eigentlich schon weiß: dass es aus ist zwischen ihnen beiden. Insofern ist sein Gespräch mit Lise am Ende der Folge ein wichtiger Schritt für Garibaldi, weil er diese bittere Wahrheit nun endlich einsehen und verarbeiten muss. Lise ist nun endgültig zur Ex-Freundin geworden.
Wesentlich heiterer präsentiert sich in dieser Folge Londo: Er fühlt sich bei den waghalsigen Manövern, mit denen er das Shuttle zum Planeten steuert, an seine Jugend erinnert. Damals kämpfte er als junger Centauri für seine geliebte Republik, heute sieht er sich zum Auslaufmodell degradiert und auf eine unbedeutende Raumstation abgeschoben. In dieser Episode bekommt er endlich einmal wieder die Chance, einen sinnvollen Beitrag zu leisten und etwas zu tun, ihn mit Bedeutung erfüllt. Delenn formuliert es so: „I think he enjoyed it. He discovered something inside him that he thought was buried long ago.“

Besonders wenn man beide Folgen am Stück anschaut, macht „A Voice in the Wilderness“ also richtig viel Spaß. Die Doppelfolge kann als in sich abgeschlossene Geschichte bestens unterhalten, etabliert jedoch Elemente, die für in Zukunft von großer Bedeutung sind – so viel kann ich hier schon verraten.

Highlight der Episode: Ivanovas Antowort auf Londos hartnäckiges Nachfragen, was auf Epsilon 3 vor sich geht: „Boom. Boom, boom, boom…..“ (vgl. ihre ähnliche Aussage in „Grail“)

Londo/G’Kar-Moment: Londos Spaß beim Fliegen des Shuttles zum Planeten. Es ist kein allzu großer Spoiler, wenn ich verrate, dass wir einen solchen gelösten Londo in Zukunft kaum noch sehen werden.

Folgende (weitere) wichtige Informationen, die für den weiteren Verlauf der Serie wichtig sind, erhalten wir in dieser Episode:

  • Die „große Maschine“ auf Epsilon 3 wird eingeführt und Draal als ihr neuer Wächter etabliert. Davon abgesehen sorgt die Maschine aber erst einmal vor allem für große Fragen (s. unten).

Sonstige Fragen:

  • Was meint Delenn, als sie sagt, Sinclairs Schicksal sei ein anderes (als als Wächter der großen Maschine zu dienen)?
  • Die wohl größte offene Frage lautet: Was ist der Zweck der großen Maschine auf dem Planeten? Draal macht am Ende der Episode unmissverständlich klar, dass der Planet und seine Geheimnisse vorerst gewahrt bleiben müssen und niemandem in die Hände fallen dürfen (genau wie für die Unsterblichkeit scheinen die meisten Spezies der Galaxis noch nicht reif dafür zu sein). Aber was genau meint er mit „…until the time is right“? (siehe auch „Hinter den Kulissen“)
  • Am Ende der Folge schuldet Delenn Londo einen Gefallen. Wann und warum wird Londo deshalb auf sie zukommen, um diesen Gefallen einzulösen?

Weitere interessante Punkte:

  • Von Londo erfahren wir, dass die Centauri eine beträchtliche Geldsumme zum Bau von Babylon 5 beigetragen haben.
  • Aus dem kurz zu sehenden Nachrichtenbeitrag auf ISN erfahren wir, dass Präsident Santiago sich dem Druck des Senats gebeugt hat, dem Mars-Aufstand mit stärkerer Gewalt zu begegnen.
  • Garibaldi isst in seinem Quartier eine Pizza, als Sinclair ihn besucht. Auf der Pizzaschachtel steht „Three Z Pizzza“ (ja, mit drei Z – darunter steht noch mehr, das ich aber nicht erkennen konnte). Lustigerweise bietet er Sinclair die gekaufte, fast aufgegessene Pizza mit den Worten „I made some dinner“ an.
  • Beim Abtippen des Zitats von Londo (s. ganz unten) bin ich gerade ins Grübeln gekommen. Londo spricht davon, dass er sich als junger Mann geschworen hat, einst zu sterben, indem er etwas edles, mutiges und sinnloses tut. Wie wir aber nun aus „Midnight on the Firing Line“ wissen, weiß Londo inzwischen aus einem prophetischen Traum, wie er sterben wird. Obwohl er die genauen Umstände nicht kennt, sieht es nicht danach aus, als ob sein Tod durch G’Kars Hand besonders edel oder mutig sein wird. Trotzdem kann man davon ausgehen, dass dieses Wissen einen erheblichen Einfluss auf Londo hat. Wenn man weiß, wie das eigene Leben enden wird, führt das dann dazu, dass man das Gefühl bekommt, dem Schicksal hilflos ausgeliefert zu sein? Daraus lassen sich hochinteressante philosophische Fragen spinnen. Londo sagt in „Midnight…“, dass solche Träume unter den Centauri weit verbreitet sind, es müsste also vielen von ihnen so gehen. Vielleicht ist Londos draufgängerisches Verhalten hier tatsächlich der Versuch, seinem Schicksal zu entkommen – vielleicht legt er es darauf an, zu sterben und damit zwar wesentlich früher abzutreten, aber immerhin selbstbestimmt und auf seine Weise. Das sind zwar nur Spekulationen, aber sehr interessante, wie ich finde.

Interessante „Hinter den Kulissen“-Fakten:

  • Dass die große Maschine auf Epsilon 3 später in der Serie noch eine wichtige Rolle spielen wird, ist kein Geheimnis. Zu diesem Zweck ist sie schließlich hier eingeführt worden. Allerdings ist sie auch wirklich nur zu einem konkreten Zweck eingeführt worden, der eben klar wird, wenn die Zeit gekommen ist (um mal die kryptischen Worte Draals zu verwenden). Davon abgesehen spielt sie nur selten eine Rolle. Der Grund dafür, dass die mächtige Maschine hier mit viel Trara eingeführt wird, nur um am Ende der Episode dann von Draal zur verbotenen Zone erklärt zu werden, ist ein ganz einfacher: Straczynski war sich bewusst, dass eine quasi allmächtige Maschine für die Helden der Serie ein Ausweg aus vielen Problemsituationen gewesen wäre. Die Maschine wäre buchstäblich zum „deus ex machina“ geworden, mit dem Sinclair jeden Feind hätte besiegen können. Das wäre dramaturgisch auf Dauer äußerst langweilig, was der Grund dafür ist, dass die Maschine in Zukunft nur äußerst sparsam eingesetzt wird.

Zitate:

„So if we go down there, it blows. If we don’t, it blows anyway, just a little later. It’s a good thing I’m Russian. We’re used to hopeless situations.“ (Ivanova)

„As a young and foolish Centauri, I swore that I would die on my feet, doing something noble and brave and futile. Perhaps it was not so wild a dream as I thought. Or as foolish. It is better than waiting for the inevitable.“ (Londo)

„He’s looking for a purpose. But his destiny lies elsewhere“ (Delenn über Sinclair)

 

Die nächste Folge in meinem „Babylon 5“ Rewatch:
1.20 „Babylon Squared“