Nachdem mir die ersten beiden Staffeln von „Bates Motel“ so gut gefallen haben, musste ich natürlich auch Staffel 3 anschauen. Nicht um zu wissen, wo die Geschichte hingeht – das sollte bei einem „Psycho“-Prequel allseits bekannt sein -, sondern um zu erfahren, wie die Figuren (in erster Linie Norman Bates) dorthin kommen, wo sie in „Psycho“ sind. Und man hatte es sich zwar auch nach dem Anschauen von Hitchcocks „Psycho“ schon denken können, aber nach drei Staffeln „Bates Motel“ erhärtet sich der Verdacht noch mehr: Norman Bates‘ Mutter ist schuld.
Die Staffel eröffnet mit einer Szene, die uns zeigt, dass Norman (Freddie Highmore) auch im Alter von 18 Jahren noch gelegentlich bei seiner Mutter Norma (Vera Farmiga) im Bett schläft. Wenig später macht seine Mutter ihm den Vorschlag, ihn aus der Schule zu nehmen, fortan selbst zuhause zu unterrichten und zum Manager ihres Motels zu machen. Norma hat also ganz offensichtlich keine Vorstellung davon, wie eine normale und gesunde Mutter-Sohn-Beziehung auszusehen hat. Dabei erkennt sie durchaus, dass einigiges am Verhalten ihres Sohnes ganz und gar nicht „normal“ ist; nur wenn es um seine Beziehung zu ihr geht, kann und will sie nicht einsehen, dass daran etwas falsch ist. Vera Farmigas Schauspiel ist wie schon in den ersten beiden Staffeln grandios. Hinter ihren Augen lassen sich immer wieder ihre zahlreichen Ängste (um die Zukunft, um Norman,…) und hin und wieder auch ihre Panik oder Verzweiflung ausmachen. Ihren Wunsch nach eine engen Beziehung zu Norman begründet sie in der ersten Folge damit, dass sie ihre eigene Mutter nie richtig gekannt habe. Was sie selbst nie hatte, will sie Norman nun unbedingt geben…
Norman wiederum wirkt oft wie ein ganz normaler Teenager. Er ist von seiner Mutter genervt und weist jegliche Andeutungen, dass er derjenige von ihnen beiden sei, der ein Problem hat, weit von sich. Allerdings wissen wir auch: So nett und unschuldig Norman bisweilen auch wirkt, in ihm hat sich längst eine zweite Persönlichkeit eingenistet – eine ihn ständig überwachende Version seiner Mutter. Wenn es darum geht, ihren Sohn zu beschützen, geht diese „Norma“ noch weiter als die echte. Deshalb begeht Norman am Ende der Staffel auch einen weiteren Mord an einer jungen Frau, die ihm nahe gekommen ist. „Norma“ wird nun mal sehr schnell eifersüchtig…
Das Tragische an der Figur der (echten) Mutter ist, dass sie ihren Sohn nur beschützen will und auch durchaus erkennt, dass mit Norman etwas nicht stimmt. Nur kann sie leider nicht sehen, dass sie selbst die Ursache dafür ist. Norma versucht Norman im Verlauf der Staffel mehrmals zu helfen. Sie arrangiert zum Beispiel ein Gespräch mit einem Psychotherapeuten, das allerdings abrupt endet, als der Psychologe Norman nach seiner sexuellen Begierde für seine Mutter fragt und Norman ihn daraufhin körperlich angreift. Der Therapeut ergreift daraufhin panikartig die Flucht, eine wirklich herrliche Szene! In der nächsten Episode überrascht Norman dann mit der Einsicht, dass mit ihm vielleicht wirklich etwas nicht stimmt und dass seine Beziehung zu Norma möglicherweise gestört ist. Aber als er diese Gedanken gegenüber seiner Mutter äußert, tut sie sie als bedeutungslos ab. Sie besteht darauf, dass an ihrer Mutter-Sohn-Beziehungs nichts falsch oder unnormal ist – während sie Arm in Arm mit Norman im Bett liegt…
Auch Norman-Darsteller Freddie Highmore kann wie auch schon in den ersten beiden Staffel schauspielerisch vollkommen überzeugen. Im Rückblick habe ich aber das Gefühl, dass die dritte Staffel mehr von Normans Mutter erzählt als von Norman. Von Normans Blackouts und seiner gespaltenen Persönlichkeit wissen wir schon aus den ersten beiden Staffeln. In Staffel drei zementiert sich zusätzlich die ernüchternde Einsicht, dass Norma zwar einsieht, dass mit ihrem Sohn etwas nicht stimmt, aber nicht, dass sie selbst ein entscheidender Teil des Problems ist. Auch der Rest der Bates-Familie – Normans Bruder Dylan (Max Thieriot) und Normas Bruder Caleb (Kenny Johnson) – ist hier wieder mit dabei, doch deren Handlungsstränge wirken oft wie unwichtiges Füllmaterial. Es ist nun einmal die Geschichte um Norman und Norma Bates, die man hier wirklich sehen will. Erst als die Handlungsstränge um Dylan und Caleb in der Mitte der Staffel mit denen um Norma und Norman zusammengeführt werden, werden auch diese Nebenfiguren etwas interessanter. Wobei ich mich bei Kenny Johnsen, dem Dasteller von Caleb, des Öfteren gefragt habe, ob er schlicht und einfach ein Schauspieler mit beschränkten Fähigkeiten ist oder ob er nur äußerst überzeugend eine etwas beschränkte Figur spielt… Ich tendiere zu ersterem.
Ebenfalls wieder mit dabei ist der örtliche Sheriff, Alex Romero (Nestor Carbonell). Da Norma sich auch in dieser Staffel wieder mit dem organisierten Verbrechen in White Pine Bay anlegt, hat er weiterhin eine Menge zu tun. Jeder lügt jeden an und fast jede Figur hat so ihre Geheimnisse. Wie es sich für eine Fernsehserie gehört, werden diese nach und nach wohldosiert gelüftet, um auch immer ausreichend Konfliktstoff in die Handlung bringen zu können. Als Norma und Romero sich in der vierten Episode gegenseitig des Lügens beschuldigen, rechtfertigt sich der Sheriff mit ein paar Sätzen, die auch als Meta-Kommentar der Serienmacher gelesen werden können:
„I’m not lying – I’m not revealing the whole truth. That’s my job, to decide what and when to tell whom.“
Damit beschreibt er recht gut die Aufgabe eines Showrunners. Auch der muss ja entscheiden, welche Informationen er wann preisgibt, um die Spannung für die Zuschauer aufrecht zu erhalten. Zumindest was mich betrifft, haben Carlton Cuse und die anderen Autoren von „Bates Motel“ ihre Aufgabe diesbezüglich erfüllt. Zum Glück haben sie auch bekannt gegeben, dass nach der fünften Staffel mit der Serie Schluss sein wird. Das ist eine sehr gute Entscheidung, denn allzu lange lässt sich die Entwicklung hin zu Normans Matrizid nicht mehr strecken, ohne die Zuschauer mit viel überflüssigem Füllmaterial zu langweilen. Für zwei weitere Staffeln werde ich aber bestimmt noch dran bleiben.