Susan Fast: Dangerous (Buchrezension)

Ich habe bereits mehrmals über Michael Jackson geschrieben (z.B. hier und hier) und nun ist es mal wieder an der Zeit. Im letzten Jahr ist ein fantastisches neues Buch erschienen, das ich hier besprechen will. Jackson musste anscheinend leider wirklich erst sterben, bevor sich die akademische Welt ernsthaft mit ihm zu beschäftigen begann. Inzwischen gibt es tatsächlich so etwas wie die „Michael Jackson Studies“ und es erscheinen immer mehr wissenschaftliche Aufsätze und Sachbücher über Jackson, seine Kunst, sein Leben und den Einfluss, den er auf die Welt hatte und hat. Weil Mainstream-Künstler ihre Kunst meistens nun mal kaum zu erklären pflegen und weil es sich eben um Mainstream-/Popkultur handelt, wird ihnen oft jegliche künstlerische Tiefe abgesprochen und in ihrem Werk nur oberflächliches Entertainment gesehen. Dass es George Lucas dabei ähnlich geht wie Michael Jackson, dazu habe ich zumindest schon begonnen zu schreiben; interessanterweise scheint auch die ernste wissenschaftliche Beschäftigung mit George Lucas‘ Werk allmählich Fahrt aufzunehmen, nun da er seine Firma verkauft und sich von „Star Wars“ distanziert hat (diesen wirklich phänomenalen Artikel über die Erzählstruktur der sechs „Star Wars“-Filme kann ich jedem Interessierten wirklich nur empfehlen; ich werde vielleicht auch darüber mal bloggen). Einer der wenigen Künstler, denen es anders zu gehen scheint, ist Joss Whedon – die „Buffy Studies“ haben sich längst als wissenschaftliches Feld innerhalb der Cultural Studies etabliert.

Aber zurück zu Michael Jackson. Eines der ersten Bücher, die sein Werk in den Vordergrund stellten und einer ernsthaften Analyse unterzogen, war vor ein paar Jahren Joseph Vogels „Man in the Music“. Darin wurden Jacksons Alben und Lieder besprochen. Susan Fast, Professorin für Cultural Studies an der kanadischen McMaster Universität, hat nun ein Buch vorgelegt, in dem es nur um ein einziges Album von Michael Jackson geht, noch dazu um sein (wie ich finde) bestes: „Dangerous“. Streng genommen handelt es sich um ein kleinformatiges Büchlein mit nur 150 Seiten; die Länge war leider durch den Rahmen der „33 1/3“-Serie vorgegeben, als deren 100. Band das Buch erschienen ist. Jeder Band dieser Serie bespricht ein Musikalbum und unter 100 Büchern darf natürlich auch eines über den King of Pop nicht fehlen. Doch nicht „Thriller“ oder „Off The Wall“ wurden dafür ausgewählt, sondern eben „Dangerous“, bei dessen Veröffentlichung Jacksons Musik von den Kritikern längst als bedeutungsloser Kommerz abgetan wurde.

Susan Fast sieht das anders und bezeichnet „Dangerous“ als Michael Jacksons „coming of age album“, das weit mehr biete als „shiny, happy pop music“. Inhaltlich handle es sich sehr wohl um ein äußerst komplexes Werk, schreibt sie in der Einleitung: „[Dangerous is] about losing oneself to desire, about the state of the world, systematic racism, loneliness, the search for redemption and community.“ Sie bezeichnet das Album als Konzeptalbum, das aus mehreren Gruppen von jeweils thematisch zusammengehörigen Liedern besteht. Jedes der folgenden Kapitel behandelt eine dieser Gruppen.

Im ersten Kapitel, „Noise“, beschäftigt sie sich unter anderem mit dem Aspekt, dass Jackson beginnend mit „Dangerous“ auf seinen Alben verstärkt nicht-musikalische Geräusche verwendete (tatsächlich beginnt das Album mit einem davon, dem Bersten von Glas). Die ersten beiden Lieder, „Jam“ und „Why You Wanna Trip On Me“ seien politische Songs, wenn ihre politische Botschaft auch nicht so klar und direkt sei, wie beispielsweise im Hip-Hop. Als erstes Lied des Albums stehe „Jam“ programmatisch für eine von dessen wichtigsten Botschaften: Ganz egal wie schlimm der Zustand der Welt auch sein mag, er ist niemals zu schlimm, um kreativ zu sein. Weiter schreibt Fast: „Jamming can be taken as a metaphor in this context for coming together to create anything in a positive way.“ In diesem Kontext ließen sich auch alle folgenden Songs auf dem Album lesen. Nicht zum letzten Mal verweist die Autorin hier auch darauf, dass Jackson sich seiner schwarzen Wurzeln sehr wohl bewusst gewesen sei und keineswegs versucht habe, sie zu leugnen (wie ihm ebenfalls oft vorgeworfen wurde). Der Einsatz seiner Stimme bei „Jam“ sei nur eines von vielen Beispielen dafür auf „Dangerous“ und der Song „a full-on tribute to James Brown“.

Das zweite Kapitel, „Desire“, behandelt die nächsten vier Lieder und beginnt mit Fasts Festsellung, dass Jackson für viele seiner Fans zwar ein Sexsymbol gewesen sei (und immer noch ist), aber die Medien 1991, dem Jahr der Veröffentlichung von „Dangerous“, längst ein anderes Bild von Jackson zeichneten, demzufolge er ein Freak sei, der sein Gesicht zerstört habe und dessen teilweise stark sexualisierte Darstellungen auf der Bühne und in seinen Kurzfilmen unglaubwürdig oder lächerlich seien. Der Grund dafür, wie Fast herausarbeitet, sei der gewesen, dass Jackson zu dieser Zeit selbst als „dangerous“ wahrgenommen wurde, ganz einfach, weil er soziale Normen überschritt und sich außerhalb konventioneller sozialer Kategorien positioniert hatte: „[A] huge part of his politics is not only that he transgressed social norms, but that his transgressions cannot be easily read.“ Während man Avantgarde-Künstler für derartige Grenzüberschreitungen feiern würde, führten sie bei Jackson nur zu Unverständnis und Abwehrreaktionen. Er war ein schwarzer Mann, der irgendwann weiß aussah. Sein Gesicht und sein Körper wiesen 1991 sowohl typisch männliche als auch typisch weibliche äußere Erkennungsmerkmale auf. Zu den Personen, die er als seine Familie und Freunde bezeichnete, gehörten unter anderem Kinder, eine alternde Hollywood-Diva, ja sogar Tiere. Man könnte die Liste noch viel weiter fortsetzen. Ihm seine Sexualität abzusprechen, diente nur dem Ziel, überhaupt irgendwie mit ihm umgehen zu können:

„[D]enying [his sexual energy] and his masculinity […] works to contain his complex gendered and sexualized self and to police the boundaries of what can be considered desirable, sexy, and masculine. It erases the beautiful conundrum. But it also makes him safer.“

Im dritten Kapitel namens „Utopia“ kommt Susan Fast zum formellen wie thematischen Mittelpunkt des Albums, den Liedern „Heal The World“ und „Black Or White“. Gleichzeitig handelt es sich dabei auch um einen Wendepunkt, wie sie schreibt, denn zu den ersten sechs „noisy“ Liedern, die von den Problemen dieser Welt und „desires of the flesh and heart“ handeln, stellt „Heal The World“ einen starken Kontrast dar, klanglich wie inhaltlich. Jackson betonte oft, dass er mit seinen Liedern und Auftritten den Menschen eine Flucht aus dem Alltag bieten wollte und wurde leider genau dafür häufig kritisiert. Tatsächlich ist aber genau dies eine wichtige Funktion von Kunst, wie Fast darlegt:

„[Moments of relief] are not about abdicating responsibility […], but about creating in both body and mind the space to imagine different or possible worlds. Escaping might mean feeling a different way, changing your body chemistry, momentarily stepping into love, euphoria, bliss, empathy, a strong sense of community – or anger, fear, hurt.“

Die Tracks 9 bis 12 des Albums werden in Kapitel vier, „Soul“, besprochen. Fast bezeichnet sie als „the heart and sould of the record“ und versucht unter anderem zu ergründen, warum Jackson dabei gleich drei Lieder über Verzweiflung und Einsamkeit direkt hintereinander platzierte. Auch geht sie erneut darauf ein, wie er sich in „Will You Be There“ und „Keep The Faith“ erneut ganz deutlich schwarzen Traditionen zuwendet.

Es folgt schließlich noch eine „Coda“, die sich mit den letzten beiden Songs auf dem Album beschäftigt. Nach der traurigen Ballade „Gone Too Soon“, die stilistisch erneut vollkommen anders ist als alles vorhergehende, kommt das Album mit seinem Titelsong „Dangerous“ zum Abschluss und kehrt gleichzeitig zu seinem Anfang zurück, nämlich zum von Teddy Riley produzierten „noise“ der ersten Stücke. „Dangerous is a monumental album.“, fasst Fast abschließend zusammen. Damit hat sie recht und es ist erfreulich, dass gerade dieses Album als erstes für eine ausführliche Betrachtung in Buchform ausgewählt worden ist. Neben den hier erwähnten Themen arbeitet Fast noch weitere heraus und bezieht zudem auch einige der Musikvideos und Auftritte Jacksons in ihre Analyse mit ein. Ebenso anaylisiert sie das von Mark Ryden gezeichnete Cover des Albums.

Das Buch ist von der ersten bis zur letzten Seite hoch interessant und dicht mit Informationen und Analyseergebnissen vollgepackt. Leider ist es allerdings, wie eingangs erwähnt, etwas kurz geraten. Einige der Songs fallen bei der Analyse unter den Tisch: „She Drives Me Wild“, „Can’t Let Her Get Away“ und „Gone Too Soon“ wird kaum Aufmerksamkeit geschenkt. Auch die Musikvideos finden leider nicht alle Berücksichtigung (die Kurzfilme zu „Who Is It“ und „Give In To Me“ finde sie nicht besonders interessant, schreibt Fast und analysiert sie deswegen nicht). Von diesen Auslassungen abgesehen ist das Buch aber hervorragend gelungen; jeder Fan, der sich für eine ernsthafte Analyse von Jacksons Werk interessiert (und der englischen Sprache mächtig ist) wird es in kürzester Zeit verschlungen haben. Ich habe es jedenfalls schon zweimal gelesen und hoffe, dass es nicht die letzte Veröffentlichung der Autorin zum Thema Michael Jackson bleiben wird.

Im sehr lesenswerten Blog „Dancing with the elephant“ gibt es ein Gespräch mit Susan Fast über ihr Buch zum Nachlesen. Eine deutsche Übersetzung dieses Gesprächs gibt es im Blog „all4Michael“, wo offenbar auch die Kapitel des Buches nach und nach ins Deutsche übersetzt werden. Zuletzt noch der Hinweis auf einen neuen Podcast: „The MJCast“ wird sich regelmäßig mit Themen rund um den King of Pop beschäftigen. Bislang habe ich nur die einleitende „Episode 000“ gehört, hoffe aber auf einen unterhaltsamen, lehrreichen und spannenden Podcast.

Gedanken über George Lucas und Michael Jackson

Nach meinem Michael Jackson-Post von vorgestern komme ich heute noch einmal (und ganz sicher nicht zum letzten Mal) auf den King of Pop zurück. Neben Michael Jackson ist alles rund um STAR WARS die zweite große, mein Leben seit vielen Jahren bestimmende – oder zumindest beeinflussende 😉 – Leidenschaft. Gerade eben habe ich einen Fernsehbeitrag (den man hier anschauen kann) über den „Star Wars“-Schöpfer George Lucas gesehen, der in San Francisco ein Museum gründen will, dem er Bilder, Literatur und Kunstgegenstände aus seiner eigenen, nicht gerade kleinen Sammlung zur Verfügung stellen will, um junge Menschen dazu zu inspirieren, kreativ tätig zu werden.

Was das Ganze nun mit Michael Jackson zu tun hat? Nun, der Bericht hat mir wieder einmal vor Augen geführt, wie ähnlich sich die meisten großen Künstler (und dazu zähle ich die beiden genannten definitiv) in so mancher Hinsicht sind. Eine idealistische Sichtweise auf die Welt gehört dazu ebenso, wie die Fähigkeit zur geradezu kindlichen Begeisterung. Ganz genauso natürlich die beneidenswerte Gabe der scheinbar unerschöpflichen Kreativität, die mit den anderen beiden Eigenschaften sicher in Verbindung steht.
Genau wie George Lucas sich auf seiner Skywalker Ranch eine ganze Bibliothek voller Bücher eingerichtet hat und Bilder von Norman Rockwell und anderen Künstlern sammelt, hatte auch Michael Jackson seine Neverland Ranch mit zahlreichen Kunstgegenständen und einer eigenen Bibliothek ausgestattet. Und für seinen Kunstgeschmack galt das Gleiche wie für den von George Lucas (siehe Lucas eigene Aussage darüber im oben verlinkten TV-Beitrag) – ernsthafte Kunstkritiker hätten für die Bilder und Skulpturen, die Jackson sammelte, wohl nur eine hochgezogene Augebraue übrig gehabt und sie mit Adjektiven wie „kitschig“ und „oberflächlich“ beschrieben (genau so wurden auch Jacksons Lieder oft bezeichnet, und auch auf Lucas‘ Filme trifft das zum Großteil zu, schließlich sind sie „nur“ Blockbuster- und Popcornkino für die breite Masse).
Darüber hinaus liegt bzw. lag es beiden Künstlern sehr am Herzen, junge Menschen und nachfolgende Generationen zu inspirieren und dazu anzuleiten, ihr eigenes Potential zu entdecken und ihre Kreativität zu entfalten. Nachdem ich den Fernsehbeitrag gesehen hatte, waren mir die Parallelen zwischen George Lucas und Michael Jackson in diesen beiden Punkten sofort vor Augen.

Und da ist noch ein dritter Punkt, den ich ebenfalls kurz anreißen möchte, aber hier und heute noch nicht vertiefen kann:

Nach Michael Jacksons Tod begann sich die Sichtweise der Öffentlichkeit auf ihn und sein Werk zu ändern. Wenn über Jackson geschrieben wird, liegt der Fokus seitdem immer seltener auf den „Skandalen“, die zu seinen Lebzeiten die Medien beherrschten, sondern mehr und mehr auf seiner Kunst und seinem Wirken (einige Links dazu hatte ich in meine letzten Beitrag gepostet). Sein Lebenswerk wird nun auf eine ganz andere Weise wahrgenommen und es ist auf einmal auch unter ernsten Musikkritikern schick, sich tiefgründig mit seinen Liedern, Videos usw. auseinanderzusetzen, die doch früher bloß als reine Unterhaltung und damit als oberflächlich bezeichnet wurden. Nun aber rückt der Künstler Michael Jackson allmählich in den Vordergrund und die Inhalte, Hintergründe und Intentionen seiner Werke werden mit berücksichtigt.
George Lucas ist glücklicherweise noch nicht tot und ich wünsche ihm noch ein langes, erfülltes Leben; trotzdem wage ich es einmal zu behaupten, dass ihm dieser Prozess auf ganz ähnliche – wenn auch wohl weniger extreme Weise – widerfährt. Lucas galt Mitte der Siebziger als einer der talentiertesten jungen Regisseure Hollywoods. Dann veröffentlichte er mit „Star Wars“ 1977 den erfolgreichsten Film aller Zeiten und war damit plötzlich für die ganze Welt „nur“ noch ein Blockbusterfilmemacher, ein Regisseur und Produzent massenkompatibler (also inhaltsleerer, glatt gebügelter) Fantasyfilme (es folgte unter anderem die „Indiana Jones“-Reihe), die man nur ihrer Einspielergebnisse wegen ernst nehmen musste. Er war also mit einem Wort kommerziell geworden, und das galt automatisch als schlecht. Ganz genau wie Jackson, der mit „Thriller“ das erfolgreichste Album aller Zeiten veröffentlichte und fortan zwar für seine Tanzschritte und seine unterhaltsamen Songs geliebt wurde, dessen Kunst aber eben nicht wirklich als Kunst, sondern als reine Unterhaltung galt, und damit automatisch als inhaltsleer, oberflächlich (und das war noch zu einem Zeitpunkt, als Jackson die schlimmsten Anfeindungen seines Lebens erst noch bevorstanden).

Ich bin mir ziemlich sicher, dass auch das Lebenswerk von George Lucas in den kommenden Jahren und Jahrzehnten auf eine völlig andere Weise wahrgenommen werden wird, als dies heute der Fall ist. Spätestens seit Ende der Neunziger, als Lucas zum ersten Mal das (in den Augen vieler „Star Wars“-Fans) Sakrileg beging, die „Star Wars“-Originaltriolgie durch neue Szenen und Effekte zu verändern und schließlich mit der „Episode I“ und den beiden weiteren Prequels nach Ansicht sowohl vieler Fans als auch Kritiker seinen eigenen „Star Wars“-Mythos schändete, wird er von der breiten Öffentlichkeit überwiegend nur noch als zwar cleverer, aber geldgieriger Geschäftsmann wahrgenommen, der es bestens versteht, aus der Marke „Star Wars“ auch noch den letzten Cent heraus zu pressen. Ob das zutrifft und inwiefern das verwerflich ist, darüber kann man natürlich streiten, Tatsache ist aber, dass Lucas erstens mehr ist als „bloß“ der Mann hinter „Star Wars“ (der er im Übrigen ja seit dem Verkauf von „Star Wars“ an Disney nicht mehr ist), weil er sich beispielsweise über verschiedene Stiftungen schon seit Jahrzehnten im Bildungsbereich engagiert. Und zweitens lenkt diese Sichtweise vom Blick auf Lucas‘ Kunstwerke selber ab, die trotz all der Mängel, die sie durchaus haben mögen, immer noch großartige Kunstwerke sind.
Mit großem Interesse habe ich in letzter Zeit zur Kenntnis genommen, dass sich dieser Blick auf George Lucas‘ Werk bereits zu verschieben begonnen hat, so wie es bei Michael Jackson erst nach seinem Tod der Fall war. Vielleicht hängt das damit zusammen, dass Lucas „Star Wars“ verkauft und offiziell seinen Ruhestand angekündigt hat. Jedenfalls bin ich in den letzten Wochen auf zwei interessante Artikel aufmerksam geworden, die ich hier zum Schluss ganz unkommentiert erwähnen möchte: Zum einen der Artikel „George Lucas’s Force“ von der Kulturkritikerin Camille Paglia, die Lucas darin als den „größten Künstler unserer Zeit“ bezeichnet und die auch ein Buch mit dem Titel „Glittering Images: A Journey Through Art from Egypt to Star Wars“ geschrieben hat (schon am Titel wird deutlich, dass sie „Star Wars“ – und zwar die dritte Prequel-Episode „Die Rache der Sith“! – in eine Reihe mit großen Kunstwerken wie etwa ägyptischen Königsgräbern stellt). Zum anderen ist da der amüsante Bericht „Watching the Star Wars Prequels on Mute: An Experiment“, in dem die Autorin Emily Asher-Perrin wie im Titel angedeutet das Experiment wagt, die „Star Wars“-Episoden I bis III ohne Ton anzuschauen und sich auf diese Weise erst ihrer vollen visuellen, künstlerischen Pracht bewusst wird. Das kann man mit einem Augenzwinkern lesen – schließlich werden viele sagen, sie hätten es schon vorher gewusst, dass die Prequels mit abgeschaltetem Ton leichter erträglich sind – muss man aber nicht.

Nun habe ich doch viel mehr geschrieben, als ich vorhatte. Eigentlich wollte ich nur ganz kurz auf die Parallelen zwischen zwei großen Künstlern aufmerksam machen, die mir in den Sinn gekommen sind, nachdem ich den oben erwähnten Nachrichtenbeitrag gesehen hatte. Um zum Schluss erneut auf die Gemeinsamkeiten zwischen George Lucas und Michael Jackson (die übrigens für Jacksons 3D-Kurzfilm „Captain EO“, der viele Jahre in einem der Disney-Freizeitparks lief, zusammen gearbeitet haben – so schließt sich der Kreis!) aufmerksam zu machen, zitiere ich abschließend ein paar Worte von George Lucas aus diesem Fernsehbeitrag, die genauso gut auch von Michael Jackson hätten stammen können:

„You either look at the world through cynical eyes or through idealistic eyes. … I don’t see anything wrong with having a[n] idealistic, sentimental, fun point of view – especially for people that are growing up.“

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Und noch ein kleiner Nachtrag für alle Jackson-Fans, als weitere Verbindung zwischen Lucas und Jackson: Das Gemälde, das im Video kurz bei 1:41 zu sehen ist, sieht mir doch verdammt so aus, als hätte es Michael Jackson als Inspiration zu seinem „You Are Not Alone“-Video gedient. Ich habe keine Ahnung, was das für ein Bild ist, aber vielleicht hat der gute George unseren Michael ja mal durch seine private Sammlung geführt…?

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Update am 20.03.2013:
Ich scheine mit meiner im Nachtrag aufgestellten Behauptung recht gehabt zu haben: Bei dem im Video bei 1:41 kurz zu sehenden Gemälde handelt es sich um „Daybreak“ von Maxfield Parrish. Gerade eben habe ich in einem alten Blogpost von Willa Stillwater und Joie Collins gelesen, dass auch die beiden der Ansicht sind, das Gemälde habe Michael Jackson als visuelle Vorlage zum „You Are Not Alone“-Video gedient.

„The Band Wagon“ / „Vorhang auf!“ – Inspirationsquelle für Michael Jackson

Gerade eben habe ich Vincente Minellis Film „The Band Wagon“ („Vorhang auf!) gesehen. Als großer Michael Jackson-Fan habe ich mir den Film vor allem deswegen ausgeliehen, weil Willa Stillwater in ihrem wirklich sehr, sehr empfehlenswerten Buch „M Poetica: Michael Jackson’s Art of Connection and Defiance“ auf die inhaltlichen wie themtischen Parallelen zwischen dem Film und Michael Jacksons Kurzfilmen eingeht (so weit ich weiß, ist das Buch bislang leider nur als ebook für den Kindle erhältlich). Über das Buch werde ich irgendwann auch mal ausführlicher bloggen müssen, aber erst einmal muss ich es zu Ende lesen… Willa Stillwater betreibt zusammen mit Joie Collins übrigens den Blog „Dancing with the Elephant„, wo die beiden regelmäßig ausführliche Diskussionen über Michael Jacksons Videos, Auftritte und andere Aspekte seines Lebens und Schaffens posten. Genau wie das Buch kann ich dieses Blog allen Jackson-Fans, die der englischen Sprache mächtig sind und sich intensiv mit Jacksons Werk und dessen Interpretation auseinander setzen wollen, sehr empfehlen!

Aber zurück zu „The Band Wagon“: Der Film stammt aus dem Jahr 1953 und Regisseur Vincente Minelli war der Vater von Liza Minelli, die ja mit Michael Jackson sehr gut befreundet war. Ich habe mir den Film wie gesagt angesehen, weil ich wissen wollte, durch welche seiner Elemente sich Michael Jackson für seine Videos und Auftritte hat inspirieren lassen. In „M Poetica“ geht Stillwater vor allem auf thematische Elemente ein, die im Film vorkommen und sich auch in Jacksons Lebenswerk und seiner Philosophie als Künstler finden lassen. Aber davon abgesehen gibt es natürlich auch ganz offensichtliche Einflüsse, die sofort deutlich werden, wenn man mit Jacksons Kurzfilmen und Performances vertraut ist und sich die 12minütige „Girl Hunt“-Schlusssequenz des Films anschaut, die ich zum Glück in voller Länge auf YouTube gefunden habe:

Dass Michael Jackson ein großer Fan alter Filmmusicals und ein Verehrer Fred Astaires war, wusste ich ja schon lange. Aber „The Band Wagon“ muss ja geradezu einer seiner Lieblingsfilme gewesen sein! Hier erkennt man eindeutige Vorlagen für die Videos zu „Billie Jean“, „Smooth Criminal“, „You Rock My World“ und auch zu „Bad“ (der Hintergrund mit der U-Bahn-Station). Außerdem muss man als Jackson-Fan natürlich auch an die „Dangerous“-Performance denken und Erinnerungen an den „Moonwalker“-Film werden ebenfalls wach (schließlich kommt auch dort ein Mr. Big als Bösewicht vor). Die Zeilen „She came at me in sections … she was bad, she was dangerous“ hat Jackson zudem fast eins zu eins in „Dangerous“ übernommen.

Ich werde mir diese Sequenz (und den ganzen Film) noch einmal anschauen müssen und dabei weiter auf Elemente achten, die Michael Jackson inspiriert haben oder die er vielleicht auch ganz direkt in einen seiner Kurzfilme übernommen hat. Es ist doch immer wieder interessant zu erfahren, dass auch Meisterwerke wie „Smooth Criminal“ nicht einfach aus dem Nichts entstanden sind, sondern gewissermaßen „Vorfahren“ haben.

Hier zum Vergleich ein paar der erwähnten Jackson-Videos/Performances:

„Michael Jackson – Man in the Music“ von Joseph Vogel

Eigentlich soll es hier ja – zumindest dem momentanen Untertitel des Blogs zufolge – in erster Linie um alles gehen, was mit Film und Kino zu tun hat. Eine weitere meiner großen Leidenschaften ist jedoch Michael Jackson, und weil 2011 ein wirklich großartiges Buch über Michael Jacksons Musik erschienen ist, widme ich diesem Buch nun einen Blogpost.

„Man in the Music“ stammt von dem US-Journalisten Joseph Vogel, der unter anderem für die Huffington Post und den Atlantic schreibt und für dieses Buch bereits 2005 mit den Recherchen begonnen hat. Es handelt sich also keinesfalls um eines jener Werke, mit denen nun nach dem Tod Jacksons abkassiert werden soll. Vogel hat in den letzten Jahren auf seiner Website und in zahlreichen anderen Veröffentlichungen immer wieder sein fundiertes Wissen rund um Michael Jackson im Speziellen und um die Popmusik und -kultur im Allgemeinen unter Beweis gestellt.

Man in the Music

Copyright Bild: Sterling Publishing

Das Besondere an „Man in the Music“ ist, dass es das bislang einzige Werk ist, welches sich ausschließlich und ausführlich mit Michael Jacksons Kunst auseinandersetzt. Es stellt also keine Biographie im Sinne einer Nacherzählung von Jacksons Leben dar, sondern konzentriert sich voll und ganz auf seine Musik, seine Auftritte und seine Musikvideos. Im Zentrum stehen dabei die Soloalben, die Jackson als Erwachsener zwischen 1979 und 2001 veröffentlich hat und denen Vogel jeweils einen eigenen Essay widmet. Dazu kommt noch eine ausführliche Einleitung, eine Betrachtung Jacksons letzter Lebensjahre (ebenfalls unter dem Gesichtspunkt seines kreativen Schaffens während dieser Zeit) sowie eine Besprechung des 2010 erschienen Albums „Michael“. Am Anfang des Buches merkt Vogel an, dass er beim Beginn seiner Recherchen sehr verwundert war, wie wenig Literatur damals über Michael Jackson als Künstler vorhanden war. Seine Motivation war also, einen detaillierten Überblick über Michael Jacksons Werk zu geben und dieses in den zeitgeschichtlichen und kulturellen Kontext einzuordnen. Vogel hatte sogar vor, Jackson 2009 in London während seines dortigen Aufenthalts für die „This is it“-Konzertreihe zu interviewen. Man kann sich nur vorstellen, um wie viel detailreicher das Buch mit solchen Informationen aus erster Hand noch geworden wäre, schließlich wurde Jackson niemals detailliert zu seiner Kunst befragt. Darüber kann man heute nur verständnislos den Kopf schütteln, doch zu seinen Lebzeiten waren die Medien allgemein, aber auch die wenigen Journalisten, denen er längere Interviews gab, eben mehr an anderen Aspekten seiner Person interessiert, von denen die meisten im Rückblick weit weniger bedeutend sind, als sie es damals zu sein schienen.  Doch auch ohne direkte Beteiligung Jacksons ist aus „Man in the Music“ ein tiefgehendes Werk geworden, das zahlreiche neue Einsichten liefert (zumal Vogel ausführliche Interviews mit  mehreren Produzenten, Musikern und Studiotechnikern geführt hat, die mit Jackson zusammengearbeitet haben).

Im der Einführung geht Vogel auf Jacksons Reifung zum Tänzer, Sänger, Entertainer und Songwriter ein; er nennt Jacksons Einflüsse und Vorbilder (James Brown, Stevie Wonder,…) und legt Jacksons Sichtweise dar, wonach gute Songs weder „schwarz“ noch „weiß“ sind, sondern jede Person erreichen können sollen, unabhängig von ihrer Herkunft, Hautfarbe oder was auch immer. Interessant ist unter anderem die Darstellung von Jacksons Gesang als „jenseits von Sprache“: durch verschiedene Laute (Schluchzen, Stöhnen, Schreien,…) erzeugte der Sänger in seinen Liedern immer wieder Emotionen und Stimmungen, die zum Teil mit Worten gar nicht erreichbar gewesen wären. Auch dass Michael Jackson wesentlich mehr war als nur einfach ein Sänger und Tänzer, beton Vogel immer wieder. So beschreibt er zum Beispiel, welch genaue Vorstellungen Jackson hatte, sobald er die Melodie für einen neuen Song im Kopf hatte und wie detailversessen er während der gesamten Produktionsphase dann in allen Aspekten – Arrangements, Background-Gesang, Instrumentalsoli,… – seine eigenen Vorstellungen umgesetzt sehen wollte.

Besonders gefällt mir an Vogels Buch, dass auch Jacksons spätere Alben (also alles nach „Thriller“, ganz besonders „HIStory“, die fünf neuen Songs auf „Blood On The Dance Floor“ und „Invincible“) eine ernsthafte Würdigung und Einordnung erfahren. Zu Jacksons Lebzeiten gelang es ja leider fast keinem Autoren, an der Person und Mediengestalt Michael Jackson vorbei auf das Werk zu blicken. Vogel tut dies und er macht unmissverständlich klar, dass auch unter Jacksons späteren Liedern einige Meisterwerke sind, die sich durchaus mit den Songs der Thriller-Ära messen lassen können, ja dass Jackson sich sogar als Songschreiber und Künstler im Laufe seiner Karriere weiterentwickelt und zahlreiche neue musikalische Einflüsse (z.B. HipHop) aufgenommen und in seinem Werk verarbeitet hat. Zugleich arbeitet Vogel sehr schön die Themen heraus, die sich wie ein roter Faden durch Jacksons Gesamtwerk ziehen. Darunter befindet sich zum Beispiel die Sorge um die Zukunft unseres Planeten und die Hoffnung, Veränderungen in Gang setzen zu können. Weitere solcher Themen sind die „femme fatale“ (Frauen sowohl als Faszination wie auch als gefährliche Versuchung) in Liedern wie „Billie Jean“, „Dirty Diana“, „Blood On The Dance Floor“ oder „Dangerous“ oder Jacksons Vorliebe für Gothic-Elemente und Horror (Jackson war ein großer Verehrer von Edgar Allen Poe), die natürlich in „Thriller“ zum Ausdruck kommt, aber auch in späteren Liedern wie „Ghosts“, „Is It Scary“ oder „Threatened“.  Als übergreifendes Thema im Werk Jacksons macht Vogel eine grundlegende Unzufriedenheit mit dem Ist-Zustand der Welt aus, sowie den daraus folgenden Versuch, mit Hilfe der Musik eine Fluchtmöglichkeit zu bieten, einen Ausweg, eine Befreiung – aber natürlich auch Hoffnung zu geben und die Menschen zum Nachdenken und Handeln anzuregen.

Im Anschluss an jeden der Essays zu den verschiedenen Alben bespricht Vogel die einzelnen Songs im Detail und fördert dabei zum Teil wirklich neue Bedeutungen und Einsichten zutage, auf die man vorher noch gar nicht gekommen ist (z.B. findet er auch in einigen von Jacksons vermeintlich seichteren Dancetracks eine erstaunliche thematische und textliche Tiefe). Bei all seinen Analysen bezieht er immer wieder auch die Sicht der Medien und der Öffentlichkeit auf Jackson vor dessen Tod mit ein, als Rezensionen seiner Alben sich oftmals in Adjektiven wie „oberflächlich“ oder „größenwahnsinnig“ erschöpften. Gerade dieser Vergleich zwischen der damaligen Sicht der meisten Autoren und der heutigen Perspektive ist es, der einem bewusst macht, wie wenig Wertschätzung Jacksons „spätere“ Lieder und Videos zu seinen Lebzeiten erfahren haben. Ob sein Buch zu einer ebenso großen Huldigung geworden wäre, wenn Jackson noch am Leben wäre, kann natürlich nicht beantwortet werden. Doch Vogel trägt seine Ansichten mit einer solchen Überzeugung vor, dass ich mir durchaus vorstellen kann, dass er beispielsweise „They Don’t Care About Us“ auch dann einen der  wichtigsten Protestsongs der Neunziger nennen würde, wenn alle anderen sich weiterhin nur für Jacksons operierte Nase interessieren würden. Dass er zudem im Zusammenhang mit Michael Jacksons Talent als SongTEXTschreiber einen Vergleich zu Rilke zieht und die Ballade „Stranger In Moscow“ in eine Reihe mit dem Beatles-Stück „A Day In The Life“ stellt, zeigt noch mehr, welchen hohen kulturellen Stellenwert er Jacksons Werk beimisst (nicht zu Unrecht, wie ich finde).

„Man in the Music“ ist wirklich nicht nur für eingefleischte Jackson-Fans interessant (obwohl es auch für die noch haufenweise Neues bietet, was so noch nie geschrieben wurde). Jeder, der sich für Popmusik, für Popkultur im 20. Jahrhundert interessiert, kommt an diesem Buch nicht vorbei. Zwar gibt es inzwischen mehrere Bücher, die sich mit Michael Jacksons Kunst auseinandersetzen (und dabei unterschiedliche Ansätze wählen), doch kein anderes Werk stellt Jacksons Musik so sehr in den Mittelpunkt und beschäftigt sich gleichzeitig so detailliert und vor dem Hintergrund ausführlicher Recherchen damit. Einige kleine Fehler haben sich leider in das Buch eingeschlichen, fallen aber zum Glück kaum ins Gewicht (so behauptet Vogel beispielsweise an einer Stelle, Jackson, der 1958 geboren wurde, habe 1999 seinen 40. Geburtstag gefeiert). Ich hätte mir allerdings an einigen Stellen tatsächlich noch mehr Tiefgang gewünscht. Vogel bezieht nämlich bei der Interpretation der einzelnen Lieder manchmal deren Videos und Performances mit ein, manchmal aber auch nicht bzw. kaum. Aber ich warte mal zuversichtlich auf die nächste Auflage des Buches.

Leider ist das Buch bislang nur auf Englisch erschienen; ich hoffe aber, dass es sich im Laufe der Jahre als eines der Standardwerke zu Michael Jackson etablieren wird und auch in anderen Sprachen erscheint. Neben „Man In The Music“ sind von Joseph Vogel zwei weitere Bücher über Michael Jackson erschienen:  In „Earth Song – Inside Michael Jackson’s Magnum Opus“ erzählt er auf gut 100 Seiten die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte des vielleicht besten und wichtigsten Jackson-Songs (die zweite, aktualisierte Auflage des Buches ist Ende 2012 erschienen; allerdings ist sie nicht ganz fehlerfrei und unterschlägt die „Wetten, dass…?“-Performance des Songs völlig, worauf ich Joseph Vogel aber schon aufmerksam gemacht habe). „Featuring Michael Jackson“ fasst mehrere von Vogels zahlreichen Zeitungsartikeln und weiteren Veröffentlichungen über Michael Jackson in einem Band zusammen – beispielsweise seine persönliche Liste der zehn besten Jackson-Songs. Einige Texte finden sich auch auf Vogels Website (zusammen mit einer ständig wachsenden Liste an weiterer Literatur zum Thema). Wer also einen Einblick in Vogels Beiträge zu den „Michael Jackson Studies“ bekommen möchte, kann dort mit dem Lesen beginnen. Viel Spaß!