Mehr vom DOK.fest München

Seit meinem letzten Blogpost zum DOK.fest sind schon wieder ein paar Tage vergangen und ich habe inzwischen einige weitere Filme gesehen. Ich fange gleich mal mit dem Film an, der mich bislang am meisten beeindruckt hat: „Dreamcatcher“ war der erste Film, für den ich sofort beim Verlassen des Kinos meine Eintrittskarte in die bereit gestellte Plexiglasbox geworfen habe, um dem Film meine Stimme für den Publikumspreis zu geben. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob ich den Film als Film so beeindruckend fand oder eben nur das, was er zum Inhalt hat. Doch selbst wenn „nur“ letzteres der Fall sein sollte – eine großartige Leistung stellt der Film trotzdem dar. Schließlich muss erst einmal jemand das Thema entdecken, Recherchen betreiben und mit der Kamera dran bleiben. Und das hat sich in diesem Fall definitiv gelohnt.

Brenda Myers-Powell

Copyright: DOK.fest München / Dreamcatcher

Aber worum geht es überhaupt in „Dreamcatcher“? Der Film begleitet die Chigagoer Sozialarbeiterin Brenda Myers-Powell bei der Arbeit. Sie arbeitet – teilweise ehrenamtlich – in Schulen, Gefängnissen und auf der Straße, wo sie Mädchen und junge Frauen berät und ihnen dabei hilft, den Kreislauf aus Prostitution und Drogensucht zu durchbrechen bzw. gar nicht erst in ihn hinein zu geraten. Brenda ist mit Leidenschaft, Energie und Glaubwürdigkeit bei der Sache. Sie weiß, wovon sie spricht, denn sie war selbst 25 Jahre in diesem Kreislauf gefangen, bevor ihr der Ausstieg gelang.

„Dreamcatcher“ – der Name kommt von der „Dreamcatcher Foundation“, für die Brenda arbeitet – lebt als Film voll und ganz von der beeindruckenden Persönlichkeit seiner Hauptfigur. Brenda ist in fast jeder Szene zu sehen und es hat den Anschein, als arbeite sie rund um die Uhr, um anderen Mädchen das zu ersparen, was sie 25 Jahre lang durch machen musste. Gerade aufgrund ihrer eigenen Vergangenheit ist sie in ihrer Arbeit so glaubwürdig. Brendas Persönlichkeit und damit auch der ganze Film verbreiten einen Optimismus, wie man es bei den teils schrecklichen Schicksalen, um die es hier geht, gar nicht erwarten würde. Doch Brenda gibt niemals auf, nimmt sich für jede einzelne Frau Zeit und bleibt hartnäckig bei der Sache, ganz egal wie aussichtslos die Lage auch hin und wieder zu sein scheint. Ihr Optimismus ist ansteckend und nach dem Film verlässt man das Kino mit dem Gefühl, dass alles möglich ist. Genau deshalb ist „Dreamcatcher“ ein so hervorragender Film: weil hier einerseits anhand von mehreren Einzelschicksalen ein Einblick in das harte Leben gegeben wird, dass die in Prostitution, Drogensucht und Kriminalität abgerutschen Frauen haben, der Film aber andererseits darüber hinaus geht und zeigt, was man zur Verbesserung der Lage tun kann. Jeder einzelne Mensch kann einen Unterschied machen. Der Film gibt Hoffnung – und das ist eine der wichtigsten Aufgaben von Filmen überhaupt. Zu zeigen, wie schlecht die Welt ist, ist gar nicht so schwer. Aber etwas dagegen zu tun, wie Brenda, und diese Botschaft zu verbreiten, wie dieser Film, das ist eine viel sinnvollere, noblere Aufgabe. Und genau weil „Dreamcatcher“ darin erfolgreich ist, handelt es sich hier um einen so großartigen Film. (Und genau darin unterscheidet er sich z.B. auch von „Nicht alles schlucken“, wo lediglich darauf aufmerksam gemacht wurde, dass etwas im Argen ist, der aber kein Stück Hoffnung verbreitet.)

Das DOK.fest hat mir wieder einmal bewusst gemacht, wie erfüllend es sein kann, sich ganz auf einen Film einzulassen und für 90 Minuten nichts anderes zu tun, als auf eine beleuchtete Leinwand zu starren. Das mag banal klingen, aber gerade heutzutage ist es ja keineswegs selbstverständlich, sich nur auf eine einzige Sache zu konzentrieren und das auch noch für 90 Minuten. Um so wichtiger ist das Kino: Denn hier gibt es keine Ablenkung, hier darf und muss man sich ganz auf das Geschehen auf der Leinwand konzentrieren. Das erfordert manchmal ein wenig Konzentration und Arbeit; nicht alle Filme, die ich bisher auf dem DOK.fest gesehen habe, hätte ich genauso konzentriert auch zu Hause angeschaut, wo ständig Ablenkungsmöglichkeiten lauern. Das musste ich wieder einmal feststellen, als ich versucht habe, mir einen Film aus dem Programm des DOK.fest zuhause per Presse-Stream anzuschauen.

For The Lost

Copyright: DOK.fest München / For The Lost

Bei „For The Lost“ handelt es sich den Informationen auf der Website zufolge um eine „bildgewaltige Meditation zu Vergessen und Gedächtnis“. Mich hat der Film allerdings eher ratlos zurück gelassen und besonders bildgewaltig fand ich ihn auch nicht. Man sieht Schafe, immer wieder Schafe. Karge Landschaften. Viele Aufnahmen in schwarz-weiß. Keinerlei Erläuterungen dazu, was man hier genau sieht, wo sich das ganze befindet oder um wen es geht. Statt dessen: vorgelesene Schicksale von Insassen einer Irrenanstalt aus dem 19. Jahrhundert. Aber wie hängt das alles zusammen? Warum wird hier nichts erklärt? Der Erkenntnisgewinn, den mir dieser Film bot, war fast nicht vorhanden. Und wenn mir vorher jemand gesagt hätte, es handele sich dabei um einen experimentellen Spielfilm, dann hätte ich das auch geglaubt. Ich muss zugeben, dass ich den Film nicht bis zum Ende angeschaut habe. Hätte ich ihn nicht zuhause, sondern im Kino gesehen, wäre ich wohl sehr, sehr müde geworden. Mich ganz auf den Film ein zu lassen, wäre mir jedenfalls auch dann sehr schwer gefallen, weil der Film es einem eben wirklich schwer macht. Aber auch das gehört zu den Erfahrungen, die man auf Filmfestivals macht: Es gibt immer wieder mal Filme, mit denen man überhaupt nichts anfangen kann. „For The Lost“ war in dieser Hinsicht auf dem DOK.fest für mich zum Glück eine Ausnahme.

„Dreamcatcher“ wird noch einmal am 14.05. um 20 Uhr im Filmmuseum gezeigt.
„For The Lost“ läuft noch zweimal: am 13.05. um 21:30 Uhr im Filmmuseum und am 14.05. um 16:00 Uhr im Gasteig (Vortragssaal der Bibliothek).
Weitere Infos gibt es auf der DOK.fest-Website.

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