Nach „Bamberski“ ging es vorgestern an meinem zweiten Tag auf dem Filmfest München mit einem sehr eigenwilligen Film weiter: „Oleg Y Las Raras Artes“ („Oleg and the Rare Arts“) des venezolanischen Regisseurs Andrés Duque. Dieser portraitiert darin den russischen Klaviervirtuosen Oleg Nikolaevitch Karavaychuk. Natürlich filmt er ihn am Klavier, mindestens genauso eindrucksvoll sind jedoch die Szenen, in denen der 88-jährige Karavaychuk in langen Einstellungen über das Leben, die Kunst, Poesie und vieles mehr philosophiert. Diese Einstellungen sind zum Teil fünf Minuten lang (oder auch deutlich länger) und waren nicht Teil des ursprünglichen Plans von Duque. Für seine Filmportraits nimmt er sich jedes Mal bis zu zwei Jahre lang Zeit, um die entsprechende Person gut kennen zu lernen und dann anschließend über einen Zeitraum von nur etwa acht Tagen zu filmen. Im Fall von Karavaychuk hat sich dabei herausgestellt, dass ein „herkömmlich“ geschnittener Film dem Pianisten nicht gerecht werden würde. Die Erzählungen des gebrechlichen, aber geistig und am Klavier äußerst lebendigen Russen wären ihrer vollen Kraft beraubt worden, wenn sie durch Schnitte unterbrochen worden wären.
Der Film ist also – genau wie Karavaychuk – äußerst eigenwillig und in gewisser Weise kompromisslos geworden. Das hat auch zur Folge, dass man abseits der poetischen und philosophischen Ausschweifungen Karavaychuks nichts über ihn erfährt. Wer also erwartet, eine normale Dokumentation zu sehen zu bekommen, in der unter anderem biographische Daten herunter gebetet werden, der wird enttäuscht werden. Der Film übermittelt wenig Fakten, kommt dafür aber dem Menschen und Künstler Karavaychuk umso näher, was angesichts der Tatsache überraschend ist, dass dieser eigentlich keine Menschen mag, wie der Regisseur nach der Vorstellung berichtet. Den Respekt und das Vertrauen des Künstlers habe er sich unter anderem dadurch erworben, dass er sich in dessen Gegenwart kindlicher zu verhalten begann. Karavaychuk ist im Film immer wieder anzumerken, dass er an die Kunst ebenfalls mit einer kindlichen Begeisterung und Naivität herangeht und dass Technik seiner Ansicht nach längst nicht alles ist. (Er erklärt unter anderem: „Am Konservatorium bringen sie einem nur bei, schnell zu spielen.“) Er war von Duques Verhalten und dessen Offenheit ihm gegenüber beeindruckt und ließ sich schließlich davon überzeugen, dieses äußerst persönliche Filmportrait von sich anfertigen zu lassen. Leider ist er am 13. Juni 2016 verstorben, doch den Film konnte er noch sehen und hat ihn Duque zufolge sehr gemocht. (Die beiden Vorstellungen des Films auf dem Filmfest sind leider schon vorbei.)
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