Filmfest München: „Schildkröten können fliegen“ & „Mali Blues“

Nachdem ich an meinem zweiten Filmfest-Tag „Bamberski“ und „Oleg Y Las Raras Artes“ angeschaut hatte, stand abends ein Film aus der dem iranischen Regisseur Bahman Ghobadi gewidmeten Retrospektive auf meinem Programm (zwischendurch war ich noch beim Publikumsgespräch mit Stephen Dunn, dem Regisseur von „Closet Monster“ und habe deswegen „Volt“ verpasst, den ich eigentlich anschauen wollte). Das Kino war fast ausverkauft und die Zuschauer – unter ihnen auch Oscargewinnerin Ellen Burstyn – wurden von Ghobadi persönlich begrüßt. Der Film, „Schildkröten können fliegen“ (2004), spielt in einem Flüchtlingslager an der irakisch-türkischen Grenze kurz vor Beginn des Krieges 2003. Im Mittelpunkt des Films stehen die Kinder im Lager und die Geschichte wird ganz aus ihrer Perspektive erzählt. Ihr Anführer heißt „Satellite“, weil er sich als einziger im Lager mit TV-Antennen, Satellitenschüsseln und dergleichen auskennt. Die sind wichtig, um Nachrichten über die bevorstehende US-Inavsion zu erhalten.
SchildkroetenKoennenFliegen-szn02_700„Schildkröten können fliegen“ ist ein wunderbarer Film mit bemerkenswerten Schauspielleistungen seiner jungen Darsteller. So sehr ich natürlich auch das Hollywoodkino liebe ist es dennoch immer wieder erfrischend und in diesem Fall geradzu augenöffnend, Filme aus Regionen der Erde zu sehen, über die man im Mainstream-Kino und in den Medien allgemein wenig erfährt. Denn den Irak kennt man als Europäer aus dieser Perspektive in der Regel wirklich noch nicht. Außerdem war es nach „Oleg Y Las Raras Artes“ gleich der zweite Film, der mir verdeutlicht hat, wie wichtig es ist, die Welt um sich herum immer wieder aus den Augen eines Kindes zu sehen. Die Bedeutung der Kinder für die Zukunft unseres Planeten betonte Ghobadi abermals, als er nach der Vorstellung Fragen des Publikums beantwortete. Er fügte zudem hinzu, dass er weiter Filme in seiner Heimatregion drehen werde, weil er Land und Leute dort eben am besten kenne und viel darüber zu sagen habe. Eine richtige Entscheidung!

02_MALI+BLUES+-%c2%ae+Konrad+Waldmann_700Nach dem Irak ging es für mich als nächstes weiter nach Mali. Der deutsche Regisseur Lutz Gregor hat dort mit „Mali Blues“ eine Dokumentation über die Musikszene des Landes gedreht. Musiker wie die Sängerin Fatoumata Diawara leisten dort mit der Kraft ihrer Musik auf friedliche Weise Widerstand gegen die Besetzung eines Teils des Landes durch radikale Islamisten. Obwohl Musik zum Teil verboten ist, versuchen Diawara und ihre Mitstreiter, durch die politischen Texte ihrer Lieder die Bevölkerung für geselleschaftlich und politisch relevante Themen zu interessieren – meistens mit Erfolg. Filmisch hat mich diese Dokumentation zwar nicht ganz überzeugt, aber der Einblick in ein für mich fremdes Land und die Probleme, mit denen die Künstler dort zu kämpfen haben, war hochinteressant. Diawara, die zusammen mit Lutz Gregor im Kino anwesend war, ist eine beeindruckende Persönlichkeit, deren Talent und Mut ich sehr bewundere. Weiterhin  für mich spätestens mit diesem Film ein roter Faden erkennbar, der sich durch viele der Filme in meinem persönlichen Filmfest-Programm zieht: Der Einsatz von Kunst (Film, Musik,…) im Kampf für das Gute – sei es für Frieden und Freiheit von Unterdrückung oder für die Akzeptanz der eigenen Sexualität.
„Mali Blues“ wird noch einmal auf dem Filmfest gezeigt: am 2.7. um 19:30 im City 3. Der Film bekommt dieses Jahr aber auch noch einen deutschlandweiten Kinostart und wird danach auch auf DVD veröffentlicht (vielleicht sogar mit beiliegender Soundtrack-CD, wie einer der Produzenten verriet). Im Anschluss an die Premiere des Films spielte Fatoumata Diawara übrigens im Kinosaal noch ein Lied (bei dieser Vorstellung war ich leider nicht anwesend):

Copyright Bilder: Filmfest München

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