Babylon 5 – Episode 1.14 “TKO“

Der von Serienschöpfer J. Michael Straczynski (JMS) empfohlenen Episodenreihenfolge entsprechend ist nun – nach „The Quality of Mercy“ – die 14. Folge aus der ersten Staffel dran. Die korrekte Reihenfolge findet ihr ganz am Ende des Blogposts zur Episode „Signs and Portents“.

Episode 1.20 „TKO“ („Im Ring des Blutes“)

Drehbuch: Larry DiTillio, Regie: John C. Flinn III
Erstausstrahlung: 25.05.1994 (USA), 05.11.1995 (Deutschland)

Die erste Staffel hat viele mittelprächtige und auch ein paar ziemlich schlechte Folgen zu bieten. Sowohl optisch als auch hinsichtlich der Drehbücher musste sich die Serie erst für eine ganze Weile warmlaufen. „TKO“ ist wahrscheinlich die Folge aus der ersten Staffel, die ich am wenigsten mag, und das liegt an dem langweiligen, schlecht umgesetzten und für den Rest der Serie vollkommen unwichtigen Plot um Walker Smith und den Mutai. Denn der Handlungsstrang um Ivanovas Umgang mit dem Tod ihres Vaters ist tatsächlich ziemlich gut. Er ist von großer Bedeutung für Ivanovas emotionale Entwicklung und Claudia Christian liefert hier wahrscheinlich ihre beste Schauspielleistung der gesamten Staffel ab.

Zunächst also mal zu der langweiligen Box-Geschichte. Walker Smith (Gregory McKinney) rettet seinem alten Freund Michael Garibaldi vielleicht das Leben, als er in einen Kampf eingreift, den Garibaldi mit zwei Kleinkriminellen führt. „One of these days, Garibaldi, you’ll learn to watch your back“, sind seine ersten Worte an Garibaldi – und auch seine letzten, denn beim Abschied am Ende der Episode wiederholt er diese Warnung. Garibaldi und Smith gehen einen Burger essen und bringen sich gegenseitig auf den neuesten Stand. Smith stellt fest, dass Garibaldi den Alkohol inzwischen ganz aufgegeben hat (Garibaldis Alkoholproblem wurde bisher vor allem in „Survivors“ thematisiert). Aus den Gesprächen zwischen den beiden erfahren wir, dass Smith es fast bis zum Boxweltmeister gebracht hat, seine Karriere nun aber aufgrund irgendeines Skandals, an dem er keine Schuld trägt, den Bach runter gegangen ist (die Details haben mich nicht besonders interessiert). Also will er jetzt „Geschichte machen“, indem er als erster Mensch im Mutai kämpft.
Smith mag ein talentierter Kämpfer sein, besonders diplomatisch ist er aber nicht gerade. Den Muta-do (Soon-Teck Oh) beleidigt er bei der ersten Begegnung gleich zweimal, in dem er ihn „E.T.“ und „snakehead“ nennt. Diese Szene versucht, das bekannte Motiv vom großen, weisen Krieger in einem alten, schwach erscheinenden Körper aufzugreifen. Das bekannteste Beispiel dafür ist wohl Luke Skywalkers erstes Zusammentreffen mit Yoda. In „TKO“ verfehlt der Einsatz dieses Motives allerdings seine Wirkung, da Walker Smith eine völlig platte und uninteressante Figur ist (und außerdem zumindest für den erfahrenen Zuschauer völlig vorhersehbar, dass der alte Außerirdische ein erfahrener Kämpfer ist). Jedenfalls bestätigt der Muta-Do, was Garibaldi auch schon gesagt hat: Der Mutai ist nichts für Menschen.
Mit Caliban (Don Stroud) tritt allerdings jemand an Smith heran, der ihm die Teilnahme am Mutai möglich machen will. Warum er das will, erfahren wir nicht. Eigentlich ist Caliban für die Folge komplett überflüssig, denn auf die Idee, den amtierenden Champion herauszufordern, hätte Smith auch anders kommen können. Als er mit Garibaldi einen Kampf des Champions Gyor (James Jude Courtney) anschaut, tut er das dann. Garibaldi erklärt ihn für verrückt und die anwesenden Aliens sind auch alles andere als begeistert. Menschen hätten im Mutai nichts zu suchen, behaupten sie. Wahrscheinlich haben Menschen dort schon aufgrund ihrer im Vergleich zu den meisten anderen Spezies geringen Körperkraft kaum eine Chance, aber es scheint auch kulturelle Gründe dafür zu geben, sie vom Mutai auszuschließen. „You intrude upon our worlds, make mockery of our customs, meddle in matters you do not understand. But humans have no place in the mutai. It is ours.“, giftet ein Drazi Smith an. Die Menschen müssen also im Jahr 2258 anscheinend überall (und möglichst ganz vorne) mit dabei sein, sich in alles einmischen und halten sich oft für die überlegene Spezies. Das sehen die anderen Völker nicht gerne und es löst Neid und schließlich Hass auf die Menschen aus. Dieser Aspekt hat mich sehr interessiert, aber über den hier zitierten Satz hinaus wird darauf in der Episode nicht weiter eingegangen. Stattdessen müssen wir langweilige Kämpfe über uns ergehen lassen.
War dieser Handlungsstrang bis dahin schon langweilig, so wird er danach nur noch schlimmer. Denn der Rest läuft vollkommen vorhersehbar ab und die Kampfszenen sind wirklich alles andere als interessant inszeniert. Zwar endet der Kampf mit einem Unentschieden, doch schließlich kommt es wie erwartet zum Triumph Smiths, als sein Gegner das Publikum aufruft, diesem zuzujubeln. Warum Gyor das tut, weiß man nicht. Zum Schluss sind alle zufrieden und die Aliens wieder mit den Menschen versöhnt, denen sie von nun an die Teilnahme am Mutai gestatten. Während „Babylon 5“ sich anderswo getraut hat, für die damalige Zeit vollkommen unerwartete Wendungen ans Ende einer Episode zu setzen und den Zuschauer so zu überraschen, bringt man ihn hier höchstens zum Einschlafen. Das einzige halbwegs Wichtige, das dieser Handlungsstrang zu bieten hat, ist Smiths Warnung „Watch your back!“ an Garibaldi.

Viel interessanter und besser gespielt ist wie erwähnt die Handlung um Susan Ivanova (Claudia Christian). In „Born to the Purple“ wurden wir Zeuge des letzten Gesprächs zwischen ihr und ihrem im Sterben liegenden Vater. Nun erfahren wir, dass Susan sich seitdem kaum mit ihrer Trauer auseinandergesetzt hat. Sie war nicht auf der Beerdigung ihres Vaters und hat auch keines der zum jüdischen Prozess des Trauerns gehörenden Rituale durchgeführt. Als Rabbi Koslov (Theodore Bikel), ein alter Freund der Familie, nach Babylon 5 kommt, versucht Susan sich mit ihrer Arbeit zu rechtfertigen. Sie habe ganz einfach zu viel zu tun gehabt, um trauern zu können. Als Koslov sich mit Commander Sinclair trifft, wird klar, dass Susan nicht einmal ihm vom Tod ihres Vaters erzählt hat. Wahrscheinlich war Garibaldi außer ihr die einzige Person auf der Station, die davon wusste, weil er in „Born to the Purple“ von ihrer unauthorisierten Nutzung eines der Goldkanäle erfahren und ihr Gespräch mit ihrem Vater mitverfolgt hat.
Die Szene mit Koslov und Sinclair erinnert uns zudem an einige Details aus Ivanovas Lebenslauf, von denen wir noch nicht alle wussten. Ein Jahr nach dem Selbstmord ihrer Mutter starb ihr jüngerer Bruder Ganya, der gegen den Willen des Vaters den Erdstreitkräften beigetreten war, im Krieg gegen die Minbari. Da Susan ihrem Vater die Schuld am Tod ihrer Mutter gab, war die Beziehung zwischen den beiden bereits zu diesem Zeitpunkt abgekühlt; nach dem Tod ihres Bruders kam es jedoch vollends zur Entfremdung. Sinclair hat vollstes Verständnis für Ivanovas Situation und gibt Koslov zu verstehen, sie könne sich so viel Zeit nehmen wie nötig, um Schiwa zu sitzen und zu trauern.
Als Koslov mit Susan Essen geht, unterhalten sie sich weiter über Susans Vater und Susan öffnet sich ein Stück. Als sie aber erfährt, dass Koslov bereits mit Sinclair gesprochen, regiert sie äußerst verärgert. Auch als Sinclair sie später auf das Thema anspricht, gibt sie sich verschlossen. Sinclair jedoch rät ihr, sich Zeit zum Trauern zu nehmen und sich mit ihren Gefühlen auseinanderzusetzen, wozu sie immer noch nicht bereit ist.  Sie öffnet sich später zwar Koslov gegenüber ein Stück weit und gibt zu, dass sie sich wünscht, ihr Vater hätte ihr seine Liebe offen gezeigt. Doch zum Trauern ist sie immer noch nicht bereit und schiebt wieder ihre Arbeit als Grund vor, obwohl deutlich der Schmerz in ihrem Gesicht zu erkennen ist.
Erst als Koslov kurz vor dem Rückflug zur Erde ist, kann sie sich doch noch dazu durchringen, ihm (und sich selbst) einzugestehen, dass sie um ihren Vater trauern will und muss. Es kommt also zu einer emotionalen Szene, bei der sie in ihrem Quartier gemeinsam mit Koslov, Sinclair und einigen anderen (s. Frage unten) Schiwa sitzt, ein paar Anekdoten über ihren Vater erzählt und schließlich heftig weint. Damit hat sie eine wichtige Hürde im Prozess des Trauerns genommen.
Ich gebe zu, auch dieser Handlungsstrang ist nicht gerade weltbewegend und für sich allein definitiv zu wenig, um die A-Handlung einer Episode zu bilden. Ivanova erhält hier zwar ein Stück notwendige Charakterzeichnung. Zusammen mit der grottigen Box-Story ergibt das aber noch längst keine gute „Babylon 5“-Folge und ich mag „TKO“ wie gesagt auch nicht besonders. Trotzdem kann ich immerhin einigen Szenen der Ivanova-Handlung etwas Gutes abgewinnen und mag das Schauspiel von Claudia Christian und von Theodore Bikel als Rabbi Koslov. Nicht unerwähnt lassen will ich außerdem, dass der Atheist JMS hier ein weiteres Mal (nach „The Parliament of Dreams“ oder „Believers“) religiöse Aspekte in den Vordergrund stellt, was insbesondere deshalb erfreulich ist, weil hier eben keine einheitlich christliche Zukunft gezeigt wird, sondern die Welt von „Babylon 5“ auch was Religion betrifft sehr vielfältig ist.

Leider kommen in dieser Episode übrigens weder die außerirdischen Botschafter noch ihre Attachés vor. G’Kar haben wir (zumindest wenn man die Staffel in dieser Reihenfolge anschaut) schon mindestens seit drei Folgen nicht mehr gesehen, ebenso Talia Winters. Das wird sich jedoch in den letzten beiden Folgen der Staffel ändern.

Highlight der Episode: Einen positiv besonders hervorstechenden Moment gibt es in dieser Folge zugegeben nicht, aber Claudia Christians Schauspiel hat mich doch sehr beeindruckt. Vor allem in der Szene mit dem Samowar gelingt es ihr sehr gut, die innere Zerissenheit ihrer Figur deutlich zu machen.

Folgende (weitere) wichtige Informationen, die für den weiteren Verlauf der Serie wichtig sind, erhalten wir in dieser Episode:

Garibaldi soll auf sich aufpassen („Watch your back!“) und Ivanova fällt aufgrund ihrer persönlichen Geschichte der offene Umgang mit ihren Gefühlen schwer. Und Drehbücher von Larry DiTillio sind bestenfalls eine zwiespältige Angelegenheit.

Sonstige Fragen:

  • Warum ist Walker Smith ausgerechnet nach Babylon 5 gekommen, um im Mutai zu kämpfen? Sicher finden auch anderswo Mutai-Kämpfe statt. Hat es damit zu tun, dass die Raumstation neutraler Boden ist und er sich dort als Mensch bessere Chancen ausrechnet? Wie ist der Mutai als „speziesübergreifende Boxliga“ eigentlich entstanden? (Antwortet mir bitte auf diese Fragen bloß nicht, denn das interessiert mich nicht wirklich! 😉 )
  • Wer sind all die Menschen, die zusammen mit Ivanova Schiwa sitzen? Außer Rabbi Koslov und Commander Sinclair sind noch einige vollkommen unbekannte Leute in ihrem Quartier. Da Ivanova nicht gerade für ihre offene Art bekannt ist, glaube ich kaum, dass das alles Freunde von ihr sind. Ihre Familie kann es wohl kaum sein. Und selbst wenn es Bekannte von ihr sein sollten – wieso hat sie dann nicht auch Talia Winters, Garibaldi oder Dr. Franklin eingeladen?

Weitere interessante Punkte:

  • Sind Lebensmittel von fernen Welten eigentlich koscher? Zumindest Rabbi Koslov scheint sich darum nicht allzu viele Gedanken zu machen, ganz nach dem Motto „Wenn unsere Schriften es nicht explizit verbieten, dann ist es erlaubt“.
  • Als Zeiteinheit werden hier wieder einmal „cycles“, also Umdrehungen (der Station) angegeben. „Drei Umdrehungen“ hört sich für mich nicht besonders lang an, aber ich habe auch nicht wirklich Ahnung davon, wie schnell sich Babylon 5 denn dreht.
  • Bei den „Slappers“ (auch in der deutschen Fassung!), die Garibaldi zu Beginn der Episode konfisziert, handelt es sich um Hautpflaster, die zur Verabreichung von Medikamenten (oder Drogen) dienen. JMS zufolge wurden sie aus dem Medlab gestohlen.
  • Das Buch, das Ivanova in ihrer ersten Szene liest, ist „Working Without a Net“, die fiktive Autobiografie des Schriftstellers Harlan Ellison, der bei „Babylon 5“ als kreativer Berater diente. JMS berichtete 1994, Ellison habe vor, das Buch etwa im Jahr 2000 zu schreiben. 😉
  • Die von Ivanova erwähnten Verhandlungen zum Euphrates-Vertrag fanden in „Born to the Purple“ statt, also zur selben Zeit wie der Tod ihres Vaters.
  • Das Schiff, mit dem Koslov die Station wieder verlassen will, heißt „White Star“. Es wird nicht das letzte Raumschiff mit diesem Namen sein, das wir im Lauf der Serie sehen…
  • Die „Sports“-Einblendung hinter der Nachrichtensprecherin, die auf ISN über Walker Smiths Teilnahme am Mutai berichtet, ist ganz klar eine aus Holz gezimmerte Kulisse. 😀

Interessante „Hinter den Kulissen“-Fakten:

  • Regie bei dieser Folge führte John C. Flinn III, der sonst der Kameramann für „Babylon 5“ war.
  • Jane Killick schreibt in ihrem Episodenführer zur ersten Staffel, dass die Folge von einer jüdischen Organisation mit einem Preis für die Darstellung der jüdischen Religion im Fernsehen ausgezeichnet worden ist.
  • Channel 4, der Sender, der „Babylon 5“ in Großbritannien ausstrahlte, zeigte diese Folge bei der Erstaustrahlung offenbar nicht. Weiß jemand mehr darüber und über die Gründe?
  • Walker Smith war der echte Name des Boxers Sugar Ray Robinson.

Zitate:

„This is my first time among the stars, you know. Such vastness, seen so close, makes one feel very small.“ (Rabbi Koslov)

„By the way… This Babylon 5 of yours! Ness gadol. A great miracle.“ (Rabbi Koslov zu Sinclair)

Rabbi Koslov: „Without forgiveness, you cannot mourn. And without mourning, you can never let go of the pain.“
Ivanova: „I have to go on duty“
Rabbi Koslov: „You cannot run away from your own heart, Susan. Not even in space.“

„Watch your back!“ (Walker Smith zu Garibaldi)

Die nächste Folge in meinem „Babylon 5“ Rewatch:
1.17 „Legacies“ (folgt demnächst)
(Die Reihenfolge, in der ich die Episoden der ersten Staffel bespreche, könnt ihr ganz am Ende dieses Blogposts einsehen.)