Nachdem ich „Star Trek Into Darkness“ inzwischen schon zweimal im Kino gesehen und habe und den Film einfach fantastisch finde, muss ich einfach ein paar Zeilen über ihn verlieren. Mein Herz schlägt seit 18 Jahren für „Star Wars„, aber ich habe auch „Star Trek“ immer geliebt, alle Kinofilme mehrmals gesehen, einen Großteil der Episoden aller Serien angeschaut und war von der Idee der Autoren des 2009er Reboots, eine alternative Zeitlinie einzuschlagen, wirklich begeistert. Ich glaube ja, dass die Tatsache, dass Regisseur J.J. Abrams „Star Trek“ zwar kannte, bevor er damals die Regie des Films übernahm, aber nie wirklich ein Fan davon war, dem Film sehr zugute gekommen ist; nur jemand, der das Phänomen „Star Trek“ ein wenig von außen betrachten konnte und nicht aus dem Blick eines Fans, konnte wohl den Mut und die Entschlossenheit haben, einen so radikalen Schritt wie die Zerstörung von Vulkan und die Verlagerung der gesamten Erzählung in ein Paralleluniversum in Betracht zu ziehen und durchzusetzen. (Das bringt mich jetzt wieder zu der Sorge darüber, was der erklärte „Star Wars“-Fan Abrams in „Episode VII mit „Star Wars“ anrichten wird, aber das ist ein anderes Thema.)
Mehrmals habe ich in den letzten Tagen in verschiedenen Kritiken zum nun erschienenen Sequel „Star Trek Into Darkness“ gelesen, es sei schade, dass auch dieser zweite Film den Zuschauer zwar auf eine extrem unterhaltsame Action-Achterbahnfahrt schickt, es aber nicht schafft, essentielle Fragen des „Star Trek“-Universums ausreichend zu thematisieren (die Bedeutung der obersten Direktive wird beispielsweise nur kurz angerissen). Dazu will ich Folgendes sagen: In den Kinofilmen der Reihe lag der Actionanteil stets höher als in den Serien. Die Filme waren darauf angewiesen, ein großes Publikum zu erreichen, das nur zu einem relativ kleinen Teil aus Fans bestand. Ausführliche Diskussionen philosophischer oder ethischer Fragen waren da natürlich fehl am Platz – und wenn man es mal versucht hat, ging das eher nach hinten los (siehe die Filme Nr. 5 & 9). In einer Fernsehserie, bei der nicht in jeder Folge alle Charaktere bedient werden wollen und nicht auch noch jedes Mal eine ordentliche Portion Spannung und Action enthalten sein muss, kann man es sich natürlich leisten, mal zum Beispiel eine ganze Episode lang über die Todesstrafe zu diskutieren. Ein zweistündiger Kinofilm muss aber all das auf einmal unter einen Hut bringen und zudem noch möglichst viele Zuschauer ansprechen, die sich im „Star Trek“-Universum bislang noch kaum oder gar nicht auskennen. Am besten gelungen ist dieser schwierige Spagat zwischen Tiefgang und Unterhaltung bislang im besten der alten „Star Trek“-Filme, dem zweiten („Der Zorn des Khan“). Bei „Star Trek Into Darkness“ hat man sich für etwas weniger Tiefgang entschieden als das vielleicht möglich gewesen wäre, dafür hält der Film genau wie Teil eins sein Tempo konstant hoch und reiht eine beeindruckende Actionsequenz an die nächste. Mich persönlich stört das überhaupt nicht, denn Kino ist nun mal nicht Fernsehen (und platt ist die in „Into Darkness“ erzählte Geschichte deswegen noch lange nicht).
Für mich ist „Star Trek Into Darkness“ ein nahezu perfekter SciFi-Actionfilm, der mich mehrmals überraschen konnte. Und damit bin ich bei der zweiten mutigen Entscheidung von J.J. Abrams: seiner Geheimniskrämerei. Selbst ein Fan – wenn auch nicht von „Star Trek“ – weiß der Mann ganz einfach, wie schön es sein kann, ins Kino zu gehen und nicht schon bis ins Detail zu wissen, was einen erwartet. Die Trailer der meisten großen Filme nehmen inzwischen viel zu viel von deren Handlung vorweg und im Internet kann man oft schon Monate vor dem Kinostart die kleinsten Storydetails (manchmal sogar das komplette Drehbuch!) vieler Filme finden. Deswegen finde ich es höchst bewundernswert, dass J.J. Abrams sich dazu entschieden hat, bei jedem seiner Projekte gerade so viel nach außen dringen zu lassen, dass man neugierig wird – mehr aber nicht. Mir ist natürlich bewusst, dass es auch eine brillante Marketingstrategie darstellt, die Internetfangemeinde monatelang über die Identität des von Benedict Cumberbatch gespielten Antagonisten rätseln zu lassen. Aber ich nehme es Abrams ehrlich ab, dass er diese Geheimniskrämerei nicht nur aus Marketingzwecken betreibt, sondern weil er wirklich daran glaubt, dass man im Kino am besten unterhalten wird, wenn man vorher möglichst wenig über den Ablauf des Films weiß. Und gerade weil mir Abrams‘ Absichten so glaubwürdig und ehrenhaft erscheinen, bin ich auch bereit, meinen Teil zu dieser Strategie beizutragen und habe deshalb in den Monaten und Wochen vor dem Kinostart des neuen „Star Trek“-Films alle Spoilerfallen bewusst gemieden. Ich habe fast keine Kritiken gelesen, ich habe mich nicht in Fan-Foren umgesehen, den letzten Trailer zum Film habe ich im Internet gar nicht mehr angeschaut.
Dass ich „Star Trek Into Darkness“ so fantastisch fand, dass der Film eine so überwältigende Wirkung auf mich hatte wie sie wirklich nur selten ein Film hat, hat zu einem großen Teil damit zu tun, dass ich eben dieses Mal vorher schlicht und einfach fast nichts über die Handlung wusste. Aber auch damit, dass es sich einfach um einen sehr, sehr guten Film handelt. Das geht schon beim Drehbuch los: Zwar ist die Handlung insgesamt nicht besonders komplex, doch die Dialoge und die Ausarbeitung und Weiterentwicklung der meisten Figuren so gut gelungen, dass das Zuschauen und -hören eine große Freude ist. Die Darsteller müssen einen Riesenspaß dabei gehabt haben, sich die Textzeilen wie Tischtennisbälle zuzuspielen. Die Humordichte ist dabei zum Teil sehr hoch, aber das Schöne ist, dass die Lacher hier nie um ihrer selbst willen in den Film geschrieben worden sind, sondern stets der Charakterisierung der Figuren dienen (gut, ein paar wenige Ausnahmen gibt es, aber die haben micht überhaupt nicht gestört). Das beste Beispiel ist die Szene, in der Spock und Uhura in einem Shuttel ihre Beziehungsprobleme diskutieren, sehr zum Unwohlsein ihres Captains, der das Ganze nicht nur mit anhören muss, sondern auch noch mit hinein gezogen wird. Des Weiteren gibt es eine ganze Reihe von Anspielungen, die dem „Star Trek“-Kenner ein Grinsen ins Gesicht zaubern und die eines der Mittel sind, die diesen Film, der doch sowohl optisch als auch inhaltlich Lichtjahre vom alten „Star Trek“ entfernt zu sein scheint, mit der „Classic“-Serie verbinden und helfen, ihm das entscheidende „Star Trek“-Feeling zu verpassen.
Dieses Feeling ist aber nicht nur den Dialogen und den nur für Fans gemachten Anspielungen zu verdanken, sondern in erster Linie den Darstellern. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber nach diesen beiden Filmen von J.J. Abrams akzeptiere ich Chris Pine, Zachary Quinto und auch alle anderen Darsteller der Crewmitglieder ebenso in den Rolle von Kirk, Spock usw. wie die Originaldarsteller aus der klassichen Serie. Irgendwie haben Abrams, seine Drehbuchautoren und seine Schauspieler das schier unmögliche Kunststück hinbekommen, die ikonenhaften Originalfiguren nicht zu kopieren, beim Zuschauer aber dennoch das Gefühl zu wecken, als kenne er diese Charaktere schon jahrzehntelang. Das hat sicherlich viel damit zu tun, dass wir im ersten Film das Zusammenkommen und gegenseitige Kennenlernen dieser Crew miterleben durften und auch damit, dass die beiden Filme in einer alternativen Realität (quasi einem Spiegeluniversum) spielen, so dass sich die Autoren und Schauspieler zwar an entscheidende Grundkomponenten halten können und müssen (Vulkanier haben spitze Ohren, Kirk und Spock werden enge Freunde), aber eben in einigen entscheidenden Punkten davon abweichen, um „Star Trek“ aufzufrischen und zu erneuern (Spock darf zum Beispiel etwas emotionaler sein als früher).
Dieses Spielen mit Details findet sich im Film auf allen Ebenen. Immer wieder entdeckt man bekannte Elemente, die durch Neues verändert und modernisiert worden sind (oder umgekehrt). Die „Wollkragen“ einiger hochrangiger Sternenflottenoffiziere (sind das Admiralsuniformen? Da kenne ich mich zu wenig aus…) haben mich beispielsweise sehr an die Filme mit William Shatner und Co. erinnert und dazu beigetragen, dass ich den Film wie von selbst als „Star Trek“ akzeptiert habe, obwohl doch vieles – zum Beispiel die grauen Uniformen, die die Figuren in einigen Szenen tragen – vollkommen anders aussieht, als man es vom alten „Star Trek“ gewohnt war. Das gleiche gilt für das Design der Enterprise, die aus manchen Blickwinkeln fast so aussieht wie das Modell aus den 1960er Jahren, aus anderen dagegen überhaupt nicht.
In einem „Star Trek“-Fanforum habe ich vor ein paar Tagen heftige Diskussionen darüber mitgelesen, ob es ein kreatives Armutszeugnis sei, dass sich die Filmemacher für die Handlung von „Star Trek Into Darkness“ auf bereits etablierte Figuren stützen, statt etwas vollkommen Neues zu erfinden (schließlich muss man sich dank der eröffneten alternativen Zeitlinie ja theoretisch an keinen Kanon halten). Ich bin überhaupt nicht dieser Ansicht, denn auch hier ist es geglückt, bekannte Figuren und Handlungsbögen mit einem Twist zu versehen und genau darin lag für mich das Vergnügen beim Anschauen. Irritiert hat mich allein, dass ich bei einer hochemotionalen Szene am Ende des Films nicht aufhören konnte zu grinsen, obwohl das Geschehen eigentlich zum Weinen war. Aber so ist das nun mal, wenn eine der bekanntesten Szenen der Kinogeschichte noch einmal aufgegriffen, dabei aber gespiegelt wird, ohne zur Parodie zu verkommen. „Star Trek“ thematisiert sich selbst – willkommen im Meta-Universum!
Dass ich die Schauspieler in ihren Rollen alle großartig finde, habe ich schon geschrieben und das war nach dem ersten Teil auch nicht mehr überraschend. Im zweiten Teil kommen nun ein paar Neuzugänge hinzu. Peter Weller spielt Admiral Marcus, den Oberkommandierenden der Sternenflotte. Ohne zuviel zu verraten kann ich nur sagen, dass ich den Darsteller in der Rolle zunächst äußerst unpassend fand, später wurde mir aber klar, warum man ihn gecastet hat. Alice Eve spielt Carol Marcus, die Tochter des Admirals, die als weitere Wissenschaftsoffizierin an Bord der Enterprise kommt. Ihre Rolle ist die wohl undankbarste im ganzen Film, was aber überhaupt nicht negativ gemeint ist, sondern im Gegenteil ein weiteres Kompliment an die Filmemacher darstellt: Abrams und seine Autoren haben ganz klar langfristig gedacht und Carol Marcus hier als Figur etabliert, ohne sie auf Kosten der Geschichte unnötig in den Vordergrund zu rücken. Ich bin mir sicher, dass sie im nächsten Film eine wichtigere und interessantere Rolle einnehmen wird und dafür dann auf ihre Darstellung in diesem Film aufgebaut werden kann. Dann ist da natürlich noch Benedict Cumberbatch als Terrorist John Harrison (ich hätte ihn ja Ringo McCartney genannt…). Dieser Schauspieler und sein unglaublicher Erfolg in den letzten Jahren sind ja ein Phänomen für sich. Natürlich bin auch ich ein großer „Sherlock“-Fan (interessant übrigens, dass darin mit den Sherlock Holmes-Geschichten ähnlich verfahren wird wie im neuen „Star Trek“ mit dem „Star Trek“-Mythos) und dementsprechend auch ein großer Cumberbatch-Fan. Das ist also vielleicht der einzige Aspekt des Films, von dem ich nicht überrascht war: dass Benedict Cumberbatch als John Harrison einfach wahnisinnig charasmatisch ist und sämtliche Facetten dieser Figur mit Genuss ausspielt. „Star Trek Into Darkness“ zieht eine ähnlich Masche durch wie zuletzt schon „Skyfall“ und „The Avengers“: Der Oberbösewicht lässt sich gefangen nehmen und scheint damit zunächst unter Kontrolle zu sein, bis dann klar wird, dass alles genau nach seinem Plan verläuft. Aber viel mehr als in den beiden anderen genannten Filmen habe ich hier vorübergehend tatsächlich geglaubt, dass dieser Bösewicht es wirklich meint, wenn er sagt, er stehe auf der Seite der Helden. Es ist zum Großteil Cumberbatchs Schauspielkunst – nicht zuletzt seiner tiefen, hypnotischen Stimme – zu verdanken, dass man sich von seiner Figur einlullen lässt. Umso größer ist der Schock dann später, als er… aber mehr sollte ich jetzt wirklich nicht verraten, auch wenn das hier eh fast niemand liest. 😉
Ich könnte noch auf einige weitere, ebenfalls großartig gelungene Aspekte des Films eingehen, will aber doch allmählich zum Ende kommen. Nur noch Folgendes: Ich bin sehr gespannt, was J.J. Abrams mit „Star Wars“ anfangen wird. Den Weg des Reboots kann er dort ja nicht wählen, schließlich soll die Geschichte in Episode VII sinnvoll weiter erzählt werden. Aber obwohl ich großer „Star Wars“-Fan bin, wäre es mir eigentlich noch lieber, Abrams würde „Star Wars“ links liegen lassen und sich stattdessen voll auf den nächsten „Star Trek“-Film konzentrieren. Denn hinter dem möchte ich das gleiche Kreativteam am Werk sehen, dem wir die letzten beiden Filme zu verdanken haben. Abrams hat zwar wirklich einen Schlag, was seinen Lens Flare-Fetisch betrifft, davon abgesehen finde ich seine „Star Trek“-Filme aber fast perfekt und kann mir nicht vorstellen, dass der dritte Teil dieses Niveau halten kann, wenn Abrams nicht mehr so stark involviert ist. Zwar besteht theoretisch die Möglichkeit, dass Abrams „Star Wars“ dreht, der im Sommer 2015 erscheinen soll und danach sofort die Dreharbeiten zum „Star Trek“-Threequel startet, das 2016 zum 50-jährigen Trek-Jubiläum in die Kinos kommen soll. Doch unter einem derart gehetzten Vorgehen würden womöglich beide Filme leiden.
Nun hat er uns aber erst einmal „Star Trek Into Darkness“ geschenkt, den für mich bis jetzt besten Film des Jahres. Popcorn-Kino, bei dem man vor Spannung und vor Lachen vergisst, dass man einen Popcorneimer auf dem Schoß stehen hat, perfekte Unterhaltung längst nicht nur für Trekkies (aber für die ganz besonders, wenn sie sich auf das „Star Trek“ von J.J. Abrams einlassen können). Ich kann mir fast nicht vorstellen, dass Abrams einen noch besseren Film hinkriegt (ein paar Ideen und meine eigene Meinung dazu hätte ich natürlich…), aber er soll es bitte, bitte mit allen Kräften versuchen. Wie sagte doch Captain Pike zu James T. Kirk im ersten Film? „I dare you to do better!“
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