Madonna – MDNA World Tour

Ich habe leider noch nie ein Madonna-Konzert besucht, aber ihre letzten Tourneen habe ich mir immer auf DVD oder Blu-Ray angeschaut. So auch ihre 2012er Tour, die „MDNA World Tour“. Die Aufzeichnung der Konzerte aus Miami ist gerade erschienen und landete am Donnerstag in meinem Blu-Ray-Player. Und was soll ich sagen, die Show, die Madonna zusammen mit ihren Tänzern usw. hier aufführt, ist erwartungsgemäß bombastisch. Es geht schon nicht unerwartet mit allerlei religiöser Symbolik los, bevor Madonna überhaupt die Bühne betritt. Leider verstehe ich davon fast nichts, aber ich bin mir sicher, Robert Langdon hätte seine helle Freude an all den christlichen und sonstigen religiösen Symbolen, die Madonna hier im Lauf der Show zusammen mixt. Darauf, am Kreuz hängend „Live To Tell“ zu singen, verzichtet sie dieses Mal zwar, aber das hat sie ja sowieso schon mal gemacht. Und Madonna macht eigentlich nie irgendetwas, das sie vorher schon einmal genauso gemacht hat

Die Show ist in vier Akte unterteilt, die Wikipedia zufolge den Themen „Transgression, Prophecy, Masculine/Feminine and Redemption“ zugeordnet sind, was wohl relevant wäre, wenn man das Konzert und seine ganze Symbolik wirklich tiefgehend analysieren wollte. Pragmatisch gedacht geben die Pausen zwischen den Akten Madonna die Gelegenheit, zwischendurch auch mal durchzuschnaufen, wohl eine Flasche Gatorade runterzukippen und natürlich jeweils in ein neues Kostüm zu schlüpfen. Nachdem jedenfalls zu Beginn ein überdimensionales Weihrauchfass über der Bühne hin- und herschwingt während einige Sänger wie in einem Choral immer wieder Madonnas Namen singen, erscheint die Besungene schließlich in einem gläsernen Beichtstuhl, aus dem sie sich erst einmal mit einem Maschinengewehr den Weg frei schießt. Passend dazu heißt der erste Song, zu dem sie dann ansetzt, auch „Girl Gone Wild“. Noch mehr Knarren gibt es anschließend bei „Revolver“ – hier dürfen auch die Backgroundtänzerinnen damit herumfuchteln. Den ersten Höhepunkt erreicht die Show für mich dann mit den folgenden beiden Stücken: Zu „Gang Bang“, einem unter anderem von William Orbit produziertem Stück, das mir mit seinem treibenden Bass schon auf dem MDNA-Album am besten gefallen hatte, singt Madonna im Setting eines Motel-Rooms (in dem natürlich auch ein großes Kreuz hängt) mit einer Pistole in der Hand. Einer nach dem anderen tauchen ihre Tänzer in dem Zimmer auf (sie sollen hier wohl ihre Ex-Lover darstellen) – und einer nach dem anderen werden sie von Madonna niedergeschossen, Blutspritzer inklusive. Nach dem Ende des Songs kriecht sie auf dem ins Publikum führenden Laufsteg herum, und bittet für ihre begangenen Verbrechen um Vergebung, indem sie die erste Strophe und einmal den Refrain von „Papa Don’t Preach“ singt, womit sie dem Song eine andere als die ursprünglich darin angelegte Bedeutung verleiht.

Madonna hat mal in einem Interview gesagt, dass sie ihre eigenen Lieder eigentlich schon wieder langweilig findet, sobald sie sie fertiggestellt und veröffentlicht hat. Auf ihren Tourneen singt sie deshalb überwiegend die Songs des jeweils aktuellen Albums und streut nur relativ wenige ihrer großen Hits ein. Und vor allem diese älteren Songs verändert sie dann meistens, indem sie sie als Remixe oder Mashups performt (bei ihrem Konzert im Pariser Olympia performte sie beispielsweise den Song „Beautiful Killer“ zum Soundgerüst von „Die Another Day“ – wobei allerdings „Beautiful Killer“ gar kein älteres Stück ist). Dieses Verfremden von Liedern muss man natürlich nicht immer mögen und die Ergebnisse klingen manchmal gewöhnungsbedürftig und sind nicht immer gelungen. (In dieser Hinsicht unterscheiden sich die künstlerischen Philosophien von Madonna und Michael Jackson übrigens vollkommen. Für Jackson wäre nämlich der Gedanke, einen seiner großen Hits – oder überhaupt irgendeinen seiner Songs – als geremixte Fassung aufzuführen, völlig abwegig gewesen. Nachdem er teilweise jahrelang an seinen Songs gefeilt hatte, bevor er sie veröffentlichte, wollte er auch, dass sie bei Konzerten fürs Publikum genauso klingen, wie er sie geschrieben und produziert hatte. An einer Stelle sagt er dies auch im „This Is It“-Film, als er gerade „The Way You Make Me Feel“ probt: „I want it the way I wrote it.“)

Ihre besten Momente erreicht eine Madonna-Show immer dann, wenn es gelingt, durch dieses Remixen, Ineinandermischen und Aneinanderreihen von Songs diesen in Verbindung mit der Performance eine ganz neue Bedeutung zu verleihen oder zumindest neue Facetten zu entdecken, auf die man beim Anhören der CDs so noch nicht gekommen ist. Die „Gang Bang / Papa Don’t Preach“-Performance im ersten Akt der MDNA-Show ist für mich eine solche Stelle. Sich ein Madonna-Konzert auf CD anzuhören ist genau aus dem Grund ziemlich langweilig, weil die Bühnen-Performances eben ein so wichtiger Teil der Show sind, ja eigentlich wichtiger als die Musik und der Gesang. (Auf CD hat ein Madonna-Konzert auch deswegen einen schalen Beigeschmack, weil man sich nicht immer sicher sein kann, ob sie wirklich live singt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie das eben nicht durchgehend tut, aber immerhin wird das Ein- und Aussetzen des Playback ziemlich geschickt verschleiert, was übrigens einen weiteren Unterschied zu Michael Jackson darstellt.)

Nach ihrer „Papa Don’t Preach“-Beichte lässt sich Madonna von ihren Tänzern fesseln und quer über die Bühne schleifen. Anscheinend will sie den Titel des Songs, den sie dazu singt, wörtlich verstanden wissen – der lautet nämlich „Hung Up“. Im zweiten Teil verabschiedet sich die Show von allem Düsteren und Gewalttäigem, dafür wird es jetzt zwanghaft überfröhlich. Los geht es mit „Express Yourself“, dem Madonna auch Neues abgewinnt, indem sie zum Ende hin einfach Lady Gagas „Born This Way“ hineinsingt, was ich zuerst gar nicht bemerkt hatte. Ich hatte die ganze Zeit fröhlich mit dem Fuß mitgewippt, bis mir plötzlich ein Licht aufging: Das ist ja gar nicht Madonnas Song! Natürlich kann sich die Queen of Pop es dann auch nicht verkneifen, ein paar Mal die Titelzeile ihres 2008er Songs „She’s Not Me“ hineinzurufen; auf die eigentlich folgende Zeile „And she never will be“ verzichtet sie aber und den Song hat sie damals wohl sowieso noch nicht in Bezug auf Lady Gaga geschrieben. In Verbindung mit Gagas „Born This Way“ bekommt jedenfalls auch die Zeile „She’s Not Me“ eine neue Bedeutung.

Weiter geht es im zweiten Akt dann mit „Give Me All Your Luvin'“, zu dem eine ganze Marschkapelle an Seilen hängend einschwebt. Bei „Open Your Heart“ singt Madonna dann wie bei einigen anderen Liedern auch in Begleitung des französischen Kalakan Trios, das sie, wie sie selbst sagt, bei einem Urlaub im Baskenland entdeckt hat. Der dritte Akt des Konzerts beginnt mit „Vogue“, wofür Jean-Paul Gaultier extra eine neue Version seines legendären Kegel-BHs designte. Mit einem Medley aus „Candy Shop“ und „Erotica“ geht es erotisch weiter, während sich Madonn dann zu „Human Nature“ auszieht und schließlich halbnackt auf dem ins Publikum führenden Laufsteg liegt. Dort singt sie dann – sich auf dem Boden und einem Klavier räkelnd – eine seltsame, zum Waltzer umfunktionierte Piano-Version von „Like A Virgin“. In diesem Fall kann man die veränderte Fassung des Songs nicht wirklich als gelungen betrachten, Madonnas deutlich näher am Original liegende Performance des Songs auf der Confessions-Tour 2006 fand ich jedenfalls viel gelungener. Nach dem Ende des Songs wird Madonna von einem ihrer Tänzer in ein Korsett geschnürt und räkelt sich noch einmal halbnackt auf dem Boden, während sie „Love Spent“ singt und die ihr aus dem Publikum zugeworfenen Dollarnoten einsammelt. Was diese Nacktheit anderes bewirken soll, als Madonnas durchtrainierten Körper vorzuführen, bleibt aber rätselhaft. Aber vielleicht muss man die Szene nach dem Ende des Songs, als sie mit verzweifeltem Blick die Geldscheine in den Händen zusammenkrallt, im Kontext dessen sehen, was sie zuvor während der Show gesagt hat – dass sie nämlich die Liebe und Unterstützung ihrer Fans keineswegs für selbstverständlich erachtet und dankbar dafür ist, diesen Job nun schon dreißig Jahre lang machen zu dürfen, in einer Zeit, in der viele Leute gar keine Arbeit haben. Gelungen finde ich die „Like A Virgin“- und „Love Spent“-Performance trotzdem nicht. Ich hätte auf all das theatralische, halbnackte am-Boden-Räkeln verzichten können und hätte es lieber gesehen, wenn sich Madonna einfach mal auf einen Hocker gesetzt hätte, und ein kurzes Acoustic-Set mitten im Konzert zum Besten gegeben hätte, bei dem mal die Musik und der Gesang (also wirklich die Lieder!) im Mittelpunkt stehen. Aber gut, bei Madonna geht halt nichts ohne Show drumherum und die eigenen Lieder findet sie ja wie gesagt eh zu langweilig, um sie einfach so dahin zu singen…

Im vierten und letzten Akt wird die Show dann bei „I’m Addicted“ und „I’m A Sinner“ zur großen Party, bevor mit „Like A Prayer“ wieder die Religiosität Einzug hält, mit den Sängern als großem Gospelchor im Hintergrund. Beim letzten Stück wird dann aber doch wieder klar gemacht, dass es Madonna eigentlich nur ums Partymachen geht, das Konzert endet nämlich in einer ganz unverfänglichen „Celebration“ (das Stück geht schließlich in das wesentlich schwungvollere „Give It 2 Me“ über). Im Großen und Ganzen muss ich also sagen, dass mich die Show selbst auf Blu-Ray ganz schön mitgerissen hat. Was Madonna mit ihren Tänzern, Sängern, Choreographen und allen anderen kreativ Beteiligten hier auf die Bühne gestellt haben, ist so ziemlich das Größte und Bombastischste, was man heutzutage in einem Popkonzert bieten kann. Auch die Bühnentechnik mit den auf- und abfahrenden Bodenteilen, deren Wände gleichzeitig als Bildschirme dienen, wird hervorragend eingesetzt. Dass man nicht mit jeder neu gemixten Fassung älterer Lieder einverstanden ist, versteht sich von selbst. Auch dass sich Madonna hier, wie bei ihren letzten Tourneen auch, bei einigen Stücken zur E-Gitarre greift, wirkt ein wenig unglaubwürdig, zumindest aber überflüssig, so als ob sie uns beweisen will, dass es eigentlich nichts gibt, das sie nicht kann. Wie erwähnt kann ein Madonna-Konzert aber auch wirklich brillante Momente hervorbringen, wenn sich aus dem Zusammenspiel verschiedener Songs und den dazugehörigen Performances ganz neue Bedeutungen ergeben – wenn auch keine weltbewegenden. Aber vorrangig geht es ja doch nur darum, Spaß zu haben, und den hatte ich defintiv, auch wenn ich gar nicht live dabei war.

Übrigens beschweren sich bei Amazon zahlreiche Käufer der Blu-Ray über deren angeblich schlechte Bildqualität. Ich kann das nicht nachvollziehen. Das Bild weist zwar oft eine deutlich sichtbare Körnung auf, wie man sie von modernen Digitalaufnahmen nicht mehr gewohnt ist, das ist aber wohl gewollt. Allerdings ist das Menü der Disc sehr unvorteilhaft gestaltet. Mir war zu Beginn jedenfalls nicht klar, wie ich die einzelnen Menüpunkte anwähle. Durch Drücken des Enter/OK-Knopfs konnte ich zwar das Konzert starten, aber nicht die Auswahl der einzelnen Songs, die Tonauswahl oder die Bonusdokumentation anwählen. Es hat ein bisschen gedauert, bis ich darauf gekommen bin, dass ich einfach nach links drücken muss, um vom Menüpunkt „World Tour“, der gar nicht klar als solcher ersichtlich war, zu den anderen vier Menüpunkten zu kommen. Das hätte man besser gestalten müssen!

Hier ist noch der oben erwähnte, 45-minütige Auftritt von Madonna im Pariser Olympia in voller Länge. Auf die aufwändige Bühnentechnik der anderen Shows musste dabei natürlich verzichtet werden, „Vogue“ ist aber trotzdem toll und außerdem gibt Madonna hier zwei exklusive Songs zum Besten, die sie noch nirgends sonst gesungen hat („Beautiful Killer“ und „Je t’aime“). Schade, dass man diesen Auftritt nicht auch noch auf die Blu-Ray gepackt hat.

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