J. Michael Straczynskis neue Serie „Sense8“ ist inzwischen auf Netflix zu sehen und ich werde natürlich auch dazu einen Blogpost schreiben (es dauert allerdings noch eine Weile, bis ich dazu komme). Bei „Babylon 5“ bin ich nun bei der zwölften Folge der ersten Staffel angekommen. Bei der nächsten Episode handelt es sich dann um eine meiner Lieblingsfolgen und auch um die Folge, die der ganzen ersten Staffel ihren Titel gibt („Signs and Portents“). Danach werde ich von der Reihenfolge auf den DVDs abweichen und mich an die von J. Michael Straczynski vorgeschlagene Reihenfolge halten. Darauf werde ich aber im nächsten Blogpost noch einmal genauer hinweisen. Jetzt widme ich mich erst einmal der aktuellen Folge:
Episode 1.12 „By Any Means Necessary“ („Mit allen Mitteln…“)
Drehbuch: Kathryn M. Drennan, Regie: Jim Johnston
Erstausstrahlung: 11.05.1994 (USA), 22.10.1995 (Deutschland)
Die Handlung dieser Episode dreht sich um eine Angelegenheit, die man 1994 nicht unbedingt in einer Science-Fiction-Serie erwartet hätte: Die Arbeitsbedingungen der Dockarbeiter auf Babylon 5 und den (illegalen) Streik, in den sie treten, nachdem einer von ihnen bei einem Unfall ums Leben gekommen ist und die Erdregierung danach immer noch nicht zu Zugeständnissen bereits ist.
Die Folge beginnt mit dem ganz alltäglichen Chaos, mit dem sich Susan Ivanova (Claudia Christian) konfrontiert sieht. Zu ihren Aufgaben gehört es, ankommende Schiffe über Funk in die Andockbuchten zu lotsen. Als sich der Captain des Narn-Frachters Tal’Quith nicht an Ivanovas Anweisungen hält, kommt es zu einem tragischen Unfall, bei dem nicht nur ein Teil des Schiffes explodiert, sondern auch ein Dockarbeiter getötet wird. Dabei bekommen wir nicht nur Ivanova zu sehen, die den Schiffsverkehr aus der Kommandozentrale regelt, sondern werfen auch einen Blick in die Andockbuchten, wo unter den Arbeitern rege Geschäftigkeit und schließlich Chaos herrschen. Genau dies unterscheidet die Episode von zahlreichen anderen Science Fiction-Serien, in denen häufig nur Offiziere, Wissenschaftler und Diplomaten im Mittelpunkt stehen (und es wird in der fünften Staffel eine weitere Folge geben, die aus der Sicht zweier einfacher Arbeiter auf der Station erzählt wird).
Der getötete Arbeiter war der Bruder des leitenden Dockarbeiters Eduardo Delvientos (José Rey), entsprechend groß ist Delvientos‘ Wut. Neeoma Connally (Kate Boyer), die Sprecherin der Dockarbeiter, macht Sinclair klar, dass sich die Arbeitsbedingungen der Dockarbeiter ändern müssen. Zu lange schon arbeiten sie für geringen Lohn, machen zu viele Überstunden und sind zudem auch noch schlecht ausgerüstet. Alle bisherigen Versprechungen der Erdregierung, daran etwas zu ändern, sind ohne Konsequenzen geblieben. Sinclair ist sich dieser Probleme bewusst. Schon lange versucht er, den Senat von einer Erhöhung des Budgets für Babylon 5 zu überzeugen. Dass er dabei keinen Erfolg hatte, zeigt wieder einmal, dass die vor etwa eineinhalb Jahren unter so großen Hoffnungen in Betrieb genommene Raumstation auf der Erde längst nicht mehr wirklich wichtig genommen wird. Babylon 5 ist weit weg von der Erde, wo man zudem andere, viel wichtigere Probleme hat. In einem Gespräch mit Senator Hidoshi (Aki Aleong) macht Sinclair diesem die Dringlichkeit der Situation klar, muss jedoch erneut hören, dass der Senat das Budget für Babylon 5 vorerst nicht erhöhen wird.
Da es den Dockarbeitern vertraglich verboten ist, zu streiken, melden sich die meisten von ihnen krank. Sicherheitschef Michael Garibaldi konfrontiert Connally damit und sagt ihr ohne Umschweife, dass es sich dabei um einen illegalen Streik und eine seiner Meinung nach sehr dumme Idee handelt. Connally hatte sich von Garibaldi eigentlich mehr Verständnis erhofft, da sie in ihm einen „blue-collar worker“ sieht, also ebenfalls einen Angehörigen der Arbeiterklasse.
Auch Sinclair ist von der Entwicklung natürlich nicht begeistert. Falls die Dockarbeiter nicht zurück an die Arbeit gehen, droht die Durchsetzung des „Rush Act“, eines Gesetzes, das die Beendigung des Streiks mit allen Mitteln erlaubt. Connally hält dies für unwahrscheinlich, doch Sinclair warnt sie: „Don’t be so sure about this. Things are changing on Earth, and not all for the best.“ Was er ganau damit meint, darüber können wir nur spekulieren. (Wie so oft handelt es sich dabei um eine Entwicklung, die vor allem im Rückblick klar wird. Fürs erste sollte der „Babylon 5“-Zuschauer Sinclairs Worte einfach mal im Hinterkopf behalten.) Connally bleibt jedenfalls hart und fordert für ihre Arbeiter eine angemessene Bezahlung, bessere Ausrüstung und mehr Arbeitskräfte. Bevor diese Bedingungen erfüllt werden, kehren ihre Leute nicht an die Arbeit zurück.
Um eine Beendigung des Streiks zu erreichen, schickt der Senat einen Schlichter auf die Station. Orin Zento (John Snyder) scheint allerdings entweder ein sehr merkwürdiges Verständnis der Bezeichnung „Schlichter“ zu haben oder aber er wurde vom Senat nicht dazu bevollmächtigt, irgendwelche Zugeständnisse zu machen. Er wiederholt im Gespräch mit den Arbeitern jedenfalls nur das ewige Mantra, die Zeiten seien schlecht und es müsse gespart werden. Dass das Militätbudget der Station erhöht worden ist, erklärt er damit, dass Babylon 5 nun mal eine militärische Einrichtung sei, die essentiell zur Verteidigung der Erde essentiell ist. Warum eine weit von der Erde entfernte Raumstation so wichtig für die Verteidigung der Erde sein soll, verrät er allerdings nicht.
Auch wie sich der Senat von Zento irgendeine Entschärfung der Situation erhofft hat, bleibt angesichts von dessen Verhalten ein Rätsel. Es tritt dann auch genau das Gegenteil ein: die Arbeiter treten nun offiziell in einen illegalen Streik. Als Zento auch danach zu keinerlei Zugeständnissen bereit ist, setzt der Senat den Rush Act durch – und falls es das war, was Zento und der Senat von Anfang an wollten, dann haben sie nicht mit Sinclairs Einfallsreichtum gerechnet. Der bekommt nämlich von Senator Hidoshi die klare Anweisung, nun so mit der Lage umzugehen, wie er es für richtig hält. Er überrascht alle Anwesenden, als er vor die Arbeiter tritt und eine Lösung für das Problem vorschlägt, die erst durch die ihm durch den Rush Act eingeräumten Vollmachten möglich geworden ist und die wohl niemand vorhergesehen hat. Er verwendet einfach 1,3 Millionen Credits des erhöhten Militärbudgets, um neue Ausrüstung anzuschaffen und neue Arbeitskräfte einzustellen. Zento ist fassungslos, Connally und ihre Arbeiter sind überglücklich. Von Zento darauf angesprochen, dass diese Handlung wirklich nicht im Sinne des Rush Acts sei, erwidert Sinclair: „You should never hand someone a gun unless you’re sure where they’ll point it. Your mistake.“ Doch Zento spricht seinerseits eine Warnung an Sinclair aus: „You know damn well you twisted the intent of that order and you won’t get away with it!“ Und selbst Hidoshi, der Sinclair zwar zu seinem Einfall gratuliert, stellt fest: „This time you’ve won.“ Doch was ist beim nächsten Mal? Sinclair habe Zento in Verlegenheit gebracht und sich damit auch dessen mächtige Freunde zu Feinden gemacht, sagt Hidoshi. „You are not the most popular person in government circles right now.“
Fürs erste hat Sinclair jedoch gewonnen und darf sich endlich über ein paar Stunden Schlaf freuen. Im Lauf der Episode wirkt er immer müder, macht sich irgendwann nicht einmal mehr die Mühe, die Jacke seiner Uniform zu schließen und ist auch erkennbar unrasiert. Schön, dass man auf solche Details geachtet hat. Überhaupt liefert Michael O’Hare als Sinclair hier eine seiner besseren Leistungen ab.
Nicht nur der Streik der Dockarbeiter beansprucht in dieser Folge Sinclairs Aufmerksamkeit. Als wäre das nicht genug, streiten sich auch noch G’Kar und Londo – um eine Blume. Wie wir im Laufe der Episode erfahren, ist G’Kar ein Anhänger G’Quans und muss als solcher einmal im Jahr ein bestimmtes Ritual durchführen, für das er eine G’Quan Eth – eine ganz besonders seltene Blume von seiner Heimatwelt – braucht. Bei der Beschädigung des Narn-Frachters zu Beginn der Episode wird die von ihm bestellte Blume leider vernichtet. G’Kars Bemühungen um einem Ersatz bringen schnell zutage, dass es auf Babylon 5 momentan noch eine weitere G’Quan Eth gibt – und die befindet sich im Besitz von Londo Mollari. G’Kar durchsucht persönlich (und erfolglos) Londos Quartier, sehr zu Londos Belustigung, der G’Kar weiter ärgert, indem er ihm mitteilt er wolle die Pflanze als Rauschmittel verwenden. Londo macht ihm allerdings auch ein Angebot: für 50.000 Credits ist er bereits, die Blume zu verkaufen. Wütend stürmt G’Kar aus Londos Quartier.
Als er sich kurz darauf doch entscheidet, die horrende Summe zu bezahlen, ist Londo plötzlich nicht mehr zu einem Verkauf bereit. „Consider this a small, a very tiny portion of revenge for what you did to our colony on Ragesh 3 and to my nephew“, sagt er zu G’Kar, auf die Ereignisse der ersten Folge anspielend. G’Kar ist außer sich vor Wut. Als er sich wieder beruhigt hat, bittet er in seiner Verzweiflung Sinclair um Hilfe, der inmitten des Dockarbeiterstreiks eigentlich gar keine Zeit hat. Dennoch nimmt sich Sinclair der Sache an und appeliert in einem persönlichen Gespräch an Londo, dieser möge die Blume G’Kar überlassen. Doch Londo macht keinen Hehl aus seiner Verachtung und seinem Hass auf G’Kar und die Narn im Allgemeinen. Ihm geht es hier wirklich nur um Rache und darum, G’Kar zu schaden.
G’Kar wiederum beauftragt Na’Toth, eine wertvolle Gottesstatue aus dem Centauri-Kulturzentrum auf der Station zu stehlen. Als Londo und G’Kar, sich gegenseitig wüst beschimpfend, in die Kommandozentrale kommen, lässt Sinclair sie von Ivanova zusammen mit einer ebenfalls nervenden Reporterin (die wir bereits aus „Infection“ kennen) hinauswerfen. Letztendlich gibt Londo die Blume im Austausch gegen die Statue zwar her, aber für das Ritual ist es inzwischen zu spät. Doch genau wie mit seiner Auflösung des Streiks der Dockarbeiter überrascht Sinclair auch dieses Mal mit seinem Vorschlag. Das Licht des Sonnenaufgangs auf G’Kars Heimatwelt, bei dem das Ritual durchgeführt werden muss, erreicht Babylon 5 erst einige Zeit später. Der Zeitpunkt für das Ritual sei also noch nicht verstrichen. G’Kar zeigt sich von dieser Einsicht Sinclairs beeindruckt. „Commander, you are a far more spiriutal man than I gave you credit for“, sagt er zu ihm. Am Ende der Episode kann G’Kar die religiöse Zeremonie also doch noch durchführen.
Einmal mehr stellt „Babylon 5“ mit diesem Handlungsstrang das Thema Religion in den Vordergrund. In „The Parliament of Dreams“ hatten wir religiöse Zeremonien der Centauri und der Minbari erleben dürfen, hier wird nun der Glaube der Narn thematisiert. Dabei erfahren wir, dass die Narn keineswegs alle derselben Religion angehören. G’Kar ist ein Anhänger G’Quans und Na’Toth erwähnt, ihr Vater sei ein Anhänger G’Lans (während sie selbst nicht religiös sei). Wie fast immer behandelt „Babylon 5“ das Thema mit großem Respekt und genau wie in „Believers“ kommt es zum Schluss zu einer überraschenden Wendung, dieses Mal zum Positiven. Sinclairs Charakter wird durch beide Handlungsstränge dieser Episode erweitert. Es wird klar, dass er zu kreativen Lösungen fähig ist und sich von scheinbar ausweglosen Situationen nicht entmutigen lässt, sondern einen klaren Kopf behält. Dass ihm seine Bereitschaft, damit andere Leute zu verärgern, in Zukunft noch Ärger einbringen wird, wird in der Episode bereitis angedeutet. Auch G’Kar, der in den ersten Folgen der Serie noch als zweidimensionaler Bösewicht erschien, darf hier nach „Mind War“ einmal mehr auch eine andere, spirituelle Seite zeigen. Die Sympathie der Zuschauer im Konflikt zwischen Londo und G’Kar ist hier klar auf G’Kars Seite.
Bester Londo/G’Kar-Moment und zugleich Highlight der Episode: Londos Geste und sein „Huu huuu!“ in Richtung G’Kar hinter den sich gerade vor Londo schließenden Aufzugtüren, als G’Kar erfährt, dass Londo im Besitz einer G’Quan Eth ist.
Folgende (weitere) wichtige Informationen, die für den weiteren Verlauf der Serie wichtig oder einfach nur interessant sind, erhalten wir in dieser ersten Episode:
- Garibaldi entstammt einer Familie der Arbeiterklasse. Das können wir nicht nur den Aussagen von Ms. Connally entnehmen, sondern auch seiner Bemerkung, seine Großmutter sei Polizistin in Boston gewesen.
- G’Kars Aussage, Sinclair sein ein viel spirituellerer Mensch, als er bisher gedacht habe, sollte man einfach mal im Hinterkopf behalten…
- Ich habe es oben schon angesprochen: Sinclairs Entscheidung wird für ihn noch Konsequenzen haben. Ich verrate hier noch nicht welche, aber es sollte klar geworden sein, dass Sinclair zwar der Commander der Station, als solcher aber auf Babylon 5 nicht allmächtig ist. Er muss sich seinen Vorgesetzten und dem Senat gegenüber verantworten. Seine Entscheidung ist zwar legal, aber da sie nicht im Sinne des Rush Act war, dürfte er damit ein paar wichtige Leute auf der Erde verärgert haben.
Sonstige Fragen:
- Welche Konsequenzen wird Sinclairs Handeln für ihn haben? Wer sind die mächtigen Freunde von Orin Zento und was können bzw. werden sie tun, um es Sinclair heimzuzahlen?
- Es gibt ein Centauri-Kulturzentrum auf Babylon 5? Davon hört man in der Serie nie wieder, ebenso wenig von anderen Kulturzentren.
Interessante „Hinter den Kulissen“-Fakten:
- Kathryn M. Drennan, die das Drehbuch zu dieser Episode geschrieben hat, war damals mit J. Michael Straczynski verheiratet. Um den Vorwurf der Vetternwirtschaft gar nicht erst aufkommen zu lassen, wollte er sie zunächst überhaupt kein Drehbuch zur Serie beisteuern lassen. Schließlich ließ er sich doch dazu überreden, bestand aber darauf, dass er ihr keine Storyidee zuteilte, sondern sie ihre eigene Idee entwickeln musste und dass das Drehbuch zudem sämtliche prüfenden Stationen zu durchlaufen hatte, wie alle anderen Drehbücher auch. Hätte nur eine der Personen, die das Drehbuch dabei lasen (und nicht wussten, dass es von JMS‘ Frau stammte), einen Einwand dagegen gehabt, dann wäre das Drehbuch nicht in Produktion gegangen, schrieb JMS damals in dem Internetforum, in dem er sich mit seinen Fans austauschte.
- Regisseur Jim Johnston hat einen Cameoauftritt in der Folge. Er ist derjenige unter den Dockarbeitern, der „I say we strike!“ brüllt. Auch zahlreiche weitere Crewmitglieder sind als Statisten unter den Dockarbeitern zu sehen.
- John Snyder, der hier Orin Zento spielt, war bereits in „Soul Hunter“ als der zweite Seelenjäger zu sehen.
- Der „Rush Act“ wurde nach Rush Limbaugh benannt, einem konservativen Talkshow-Gastgeber in den USA.
Zitate:
G’Kar: „What do you believe in?“
Na’Toth: „Myself, ambassador.“
G’Kar: „Too easy an answer. We all believe in something greater than ourselves. Even if it’s just the blind forces of chance.“
Na’Toth: „Chance favours the warrior.“
Londo: „This isn’t about money, Commander, or spiritual beliefs. G’Kar is only worried about losing face. The Narns, eh. The’re a barbaric people. They’re all pagans, still worshipping their sun. No, I would rather burn the plant than give it to him.“
Sinclair (zu Orin Zento): „You should never hand someone a gun unless you’re sure where they’ll point it.“
Sinclair (zu Londo und G’Kar): „Gentlemen, I’ve been up for almost two days with no sleep. This makes me a very cranky man.“
Londo: „Yes, we’ve noticed. Have you considered meditation?“
Neeoma Connally: „My dad used to say there are no happily ever afters, just new battles.“
Die nächste Folge in meinem „Babylon 5“ Rewatch:
1.13 „Signs and Portents“
In Sense8 will ich auch noch reinschauen.
Wenn du’s tust, dann gib der Serie Zeit. „Sense8“ ist dramaturgisch anders aufgebaut als viele andere Serien. Hier wird nicht in der ersten Folge gleich alles erklärt, sondern die Serie lässt sich viel Zeit, um ihre Welt und ihre Charaktere aufzubauen. Ein erster Schnitt in der Handlung findet nach vier Epiosden statt, bis dahin sollte man die Serie auf jeden Fall anschauen.