Filmfest München: „Buster’s Mal Heart“, „Animal Kingdom“, „Flesh and Blood“, „The Road to Mandalay“

13 Filme in drei Tagen, das ist meine vorläufe Bilanz vom Filmfest München. Heute werden es wieder ein paar mehr, aber bevor ich gleich wieder los muss ins Kino will ich hier noch ein paar Eindrücke festhalten.

Rami Malek, bekannt aus der Serie „Mr. Robot“, spielt in „Buster’s Mal Heart“ seine erste Kinohauptrolle. Eigentlich spielt er darin sogar drei Rollen. Und eigentlich auch wieder doch nicht, es ist etwas verwirrend. Der Film jedenfalls zeigt parallel drei verschiedene Handlungsstränge: Da ist zum einen Jonah, der als Concierge in einem Hotel arbeitet – stets in der Nachtschicht. Dann ist da „Buster“, der in fremde Häuser einbricht, um dort zu übernachten und bei Radiosendern anruft, um vor dem Weltuntergang zu warnen. Und dann ist da noch ein Mann in einem einsamen Boot auf dem weiten Meer…

Buster's Mal HeartAll diese drei Männer werden von Rami Malek gespielt und wer nun erwartet, dass der Film irgendwann klar herausstellt, wie ihre Geschichten zusammenhängen, der wird enttäuscht werden. Es werden zwar Andeutungen gemacht, doch die endgültige Interpretation bleibt dem dem Zuschauer überlassen. Malek gelingt es mit seinen Darstellungen, den gesamten Film zu tragen. Dieser enthält außerdem einiges an religiöser Symbolik, u.a. in den Kirchenliedern, die zum Teil den Soundtrack bilden. Mich hat „Buster’s Mal Heart“ an „Matrix“ und „Vanilla Sky“ denken lassen, auch wenn er mit diesen beiden Filmen eigentlich kaum etwas gemeinsam hat, außer eben ein paar Andeutungen bezüglich des Sinns und Zusammenhangs der drei Geschichten. Ein seltsamer Film, aber einer der einen zum Nachdenken bringt. Wer bin ich, wer will ich sein, wie wirken sich meine Entscheidungen auf meinen weiteren Lebensweg aus und steht dieser überhaupt unter meiner eigenen Kontrolle? Das sind Fragen, die Regisseurin Sarah Adina Smith hier auf äußerst interessante Weise stellt.

Leider sind die beiden Vorstellungen von „Buster’s Mal Heart“ auf dem Filmfest bereits vorbei.

Seit einigen Jahren hat das Filmfest eine eigene Programmreihe für neue Fernsehserien. Davon habe ich mir dieses Jahr die ersten beiden Folgen von „Animal Kingdom“ angeschaut. Die Serie ist momentan in Deutschland bei TNT Serie zu sehen und basiert auf dem gleichnamigen australischen Film von 2010. Für die Serie wurde die Handlung nun in die USA verlegt. Sie beginnt mit dem Drogentod der Mutter des 17-jährigen Joshua (Finn Cole), der daraufhin zu seiner Großmutter (Ellen Barkin) zieht. Bei dieser wohnen auch ihre drei erwachsenen Söhne, die mit Raubzügen für die finanzielle Sicherheit des Familienclans sorgen – stets überwacht und geleitet von der alles kontrollierenden Matriarchin.

Animal Kingdom„Animal Kingdom“ bietet solide Unterhaltung, ist aber meiner Meinung nach in keinem Bereich wirklich herausragend. Joshua scheint mit den kriminellen Machenschaften seiner Verwandschaft von Anfang an kaum Probleme zu haben und lässt sich selbst schnell dafür einspannen. Wo bleibt da noch Raum für die Figur, sich zu entwickeln? Wie es sich für eine Serie gehört, werden mehrere Andeutungen gemacht, aus denen sich in den weiteren Folgen Storyelemente zimmern lassen. Aber all das ist Standardkost und nichts davon kann wirklich überraschen. Wer gerne halbnackten, verschwitzten Männern dabei zusieht, wie sie sich im Pool prügeln oder Autos auseinandernehmen, der kommt bei „Animal Kingdom“ wohl auf seine Kosten. Und Ellen Barkin spielt die unsympathische, aber stets um ihre Familie besorgte Mutter bzw. Großmutter wirklich gut. Aber ich werde die Serie nicht weiter verfolgen.

Interessanter fand ich da schon die in „Flesh and Blood“ dargestellte Familie. Auch hier geht es um Kriminalität, Drogenprobleme und familiären Zusammenhalt. Regisseur Mark Webber hat sich selbst und seine eigenen Familienmitglieder als Schauspieler besetzt. Er erzählt die Geschichte von Mark (Mark Webber), der nach fünf Jahren aus dem Gefängnis entlassen wird und bei seiner Mutter (Madeline Brewer) und seinem 13-jährigen Bruder (Guillermo Santos) unterkommt. Alle Protagonisten haben hier ihr Päckchen zu tragen: Mark droht wieder in die Sucht abzurutschen, sein Bruder muss mit einer Asperger-Diagnose und seinem Außenseiter-Status leben und die Mutter musste als Teenagerin aus einem gewalttätigen Elternhaus fliehen.

Flesh and BloodDavon erzählt der Film in authentischen Bildern, bei denen nie so ganz klar ist, wieviel denn nun gespielt bzw. im Drehbuch festgelegt ist und wann die Darsteller ganz einfach spontan miteinander interagieren. Die Interaktionen wirken jedenfalls vollkommen natürlich und der Film damit schon fast dokumentarisch. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass Marks Bruder eine Dokumentation über seine Familie dreht und wir dadurch z.B. Interviewsequenzen mit der Mutter zu sehen bekommen. Übrigens spielen auch die Väter von Mark und seinem Bruder eine wichtige Rolle. In zwei wirklich nahe gehenden Szenen wird die Begnung der jungen Männer mit ihren Vätern geschildert und was man am Ende aus diesem Film mitnimmt, ist die Erkenntnis, dass Familie wohl immer viel (Beziehungs-)Arbeit bedeutet. Ein starker Film, der einen direkt berührt und ohne künstlich wirkendes Happy End daherkommt.

Leider sind auch die Vorführungen von „Flesh and Blood“ schon vorbei.

Ebenfalls ein starker Fim ist „The Road to Mandalay“. Die junge Lianquing kommt als illegale Einwanderin von Myanmar nach Thailand. Sie hält sich mit verschiedenen Jobs über Wasser und hofft, möglichst bald eine offizielle Arbeitserlaubnis zu erhalten. Dabei erlebt sie Rückschlag um Rückschlag, gibt aber nicht auf. Guo, der mit ihr nach Thailand gekommen ist, will sie dazu überreden, eine Stelle in einer Textilfabrik zu übernehmen, die besser bezahlt wird als viele andere Jobs. Zudem empfindet er für sie mehr als nur Freundschaft, traut sich jedoch nicht, ihr seine Gefühle zu offenbaren.

The Road to MandalayRegisseur Midi Z, der bereits mit zwei früheren Werken auf dem Filmfest München zu Gast war, hat mit „The Road to Mandalay“ zwar einen Film gedreht, in dem gar nicht viel passiert. Dank der großartigen Hauptdarstellerin, die die Hoffnungen, Ängste und Leiden ihrer Figur in jeder Einstellung für den Zuschauer spürbar macht, ist der Film aber trotzdem nie langweilig. Auch dieser Film wirkt phasenweise dokumentarisch, wenn man die Protagonisten etwa bei der Arbeit in Restaurants oder Fabriken beobachtet oder bei ihrem schwierigen Umgang mit Polizei und Behörden. Bestechung und Korruption sind dabei an der Tagesordnung und die Hoffnung auf eine legale Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis zerschlägt sich schnell, so dass sich Lianquing auf ebenfalls sehr frustrierende Weise gefälschte Papiere zu besorgen versucht. „The Road to Mandalay“ ist ein manchmal ernüchternder und deprimierender, aber doch stets faszinierender und authentisch wirkender Einblick in eine Welt, die sowohl erschreckende Unterschiede als auch Parallelen zu unserer mitteleuropäischen Gesellschaft aufweist. Und spätestens das Ende des Films sorgt dann dafür, dass der Film im Gedächtnis haften bleibt und lange im Kopf des Zuschauers nachwirkt.

„The Road to Mandalay“ wird noch einmal auf dem Filmfest gezeigt: am 28.6. um 20 Uhr

Copyright Bilder: Filmfest München

Filmfest München: „Fühlen Sie sich manchmal ausgebrannt und leer?“ & „Rey“

Es ist wieder so weit: Das Filmfest München hat begonnen und das bedeutet: neun Tage Ausnahmezustand! Den ersten Tag habe ich schon überstanden. Weil alle meine Screenings gestern in der Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) stattfanden, musste ich dabei nicht einmal kreuz und quer durch die Innenstadt hetzen und konnte zwischen den einzelnen Vorstellungen vor der HFF Sonne tanken.

Mein erster Film trug witzigerweise den Titel „Fühlen Sie sich manchmal ausgebrannt und leer?“. Ob es ein schlechtes Omen ist, wenn das Filmfest bereits so beginnt? Ich fühlte mich gestern tatsächlich etwas gerädert, weil ich bereits in der Nacht vor dem ersten Festivaltag zu wenig Schlaf bekommen hatte – ein großer Fehler. Beim ersten Film, der in der Reihe „Neues deutsches Kino“ läuft, war ich aber noch wach und aufmerksam. Der Film erzählt die Geschichte der Paartherapeutin Luisa (Lina Beckmann). Sie ist schätzungsweise Mitte vierzig und mit Richard (Charly Hübner) verheiratet. Der ahnt nichts davon, dass seine Frau seit einiger Zeit eine heiße Affäre mit seinem Vorgesetzten Leopold (Benno Fürmann) hat. Dies wiederum bedeutet für Luisa natürlich einen erheblichen logistischen Aufwand, denn all die beruflichen und privaten Termine wollen erst einmal unter einen Hut gebracht werden – selbstverständlich ohne dass Richard von der Affäre erfährt.

Fühlen Sie sich manchmal ausgebrannt und leer?Doch Luisa erhält unerwartete Hilfe: Wie aus dem Nichts taucht plötzlich eine Doppelgängerin von ihr auf! Nachdem der erste Schock überwunden ist, tauft Luisa das Wesen auf den Namen Ann und erkennt, dass Anns Existenz durchaus ihre praktischen Seiten hat. Sie beauftragt Ann, sich um Richard zu kümmern, während sie sich selbst ganz in die Beziehung zu Leopold stürzen will. Aber so einfach, wie Luisa sich das ausmalt, läuft die Sache natürlich nicht ab…
Regisseurin Lola Randl hat mit „Fühlen Sie sich manchmal…“ eine charmante, witzige Komödie abgeliefert, deren größte Stärke die sympathische und vollkommen natürlich spielende Hauptdarstellerin ist. Es ist wirklich erfrischend, auch mal eine Person wie aus dem wahren Leben im Kino zu sehen und nicht immer nur auf Hochglanz gestylte Stars, denen man den Alltagsstress einer solchen Rolle gar nicht abnimmt. Lina Beckmann bringt genau die richtige Mischung aus Überdrehtheit und Bodenständigkeit in die Rolle ein und macht es dem Publikum leicht, sich mit ihr zu identifizieren. Zudem spielt sie hier natürlich eine Doppelrolle und darf als anfangs vollkommen naive und ahnungslose Ann auch eine andere Seite von sich zeigen.
Die ersten zehn oder fünfzehn Minuten wusste ich nicht so recht, was ich mit dem Film anfangen soll. Die teils absurd überzeichneten Szenarien, in denen das Bild am Computer verfremdet zu sein schien, fand ich etwas verwirrend und es war zunächst nicht klar, was das eigentlich für ein Film sein soll. Hat man die Figuren aber erst einmal kennen gelernt, versinkt man schnell in der Geschichte. Eines der Themen, die hier behandelt werden, ist natürlich das der Identität. Wer bin ich und wie kann ich angesichts all der Rollen, die ich im Alltag zu spielen habe (Ehefrau, Therapeutin, Geliebte,…) zu mir selbst finden und ich selbst bleiben? Das ist nur eine der Fragen, die der Film stellt.
Meine Lieblingsszene des Films ist eine eigentlich recht unscheinbare, die ich wohl nur deshalb so faszinierend fand, weil ich studierter Soziologe bin: Da sitzt Luisa mit Richard abends auf der Couch, mit dem Wissen, dass sie von Ann beobachtet werden. Weil Luisa Ann darauf vorbereiten will, bald ihre (Luisas) Rolle einzunehmen, versucht sie dieser zu erklären, was man als Richards Ehefrau so alles zu tun hat – selbstverständlich aber ohne Richard merken zu lassen, dass sie gerade eigentlich zu jemand anderem spricht. Sie betont also jede ihrer Handlungen und spricht Sätze wie „Und dann trinken wir zusammen Wein“, während Ann das Ganze wissbegierig beobachtet. Spannend fand ich die Szene, weil hier sowohl für das Kinopublikum, als auch für Ann – die Beobachterin im Film – gespielt wird. Dadurch werden soziale Konventionen klar herausgestellt, die sonst zwischen Luisa und Richard ganz selbstverständlich ablaufen würden, ohne dass Luisa darüber sprechen würde.
Aber damit will ich euch nicht weiter langweilen. Als Fazit bleibt mir noch zu sagen: „Fühlen Sie sich manchmal ausgebrannt und leer?“ ist wie erwähnt charmant, witzig und authentisch. Die letzte halbe Stunde zieht sich leider etwas und der ganz große Wurf ist Lola Randl damit nicht gelungen, aber eine unterhaltsame Komödie um ernste aktuelle Themen ist der Film allemal.
„Fühlen Sie sich manchmal ausgebrannt und leer?“ hat heute Abend Premiere im Arri-Kino (24.06., 19:30) und wird danach noch zweimal auf dem Festival gezeigt (am 25.6. um 22:30 und am 28.6. um 17:30, jeweils in der HFF).

Ein weiterer Film, den ich gestern gesehen habe, war der im Programmheft als „experimenteller Abenteuerfilm“ angekündigte „Rey“. Darin geht es um den französischen Anwalt Orélie-Antoine de Tounens (Rodrigo Lisboa), der 1860 in Südamerika die unabhängigen Königreiche Araucana und Patagonien gründete.

Rey„Experimentell“ ist der Film wirklich! Denn wenn ich die Einführung vor der Vorstellung richtig verstanden habe, dann hat Regisseur Niles Attalah den Film auf 35-Millimeter-Material gedreht und dieses dann für mehrere Monate vergraben! Das Ergebnis sieht man dem Film deutlich an, denn es gibt immer wieder Szenen, in denen der Film so verschmutzt und verwittert ist, dass tatsächlich kaum noch etwas zu erkennen ist. Eindeutig eine eigenwillige stilistische Entscheidung, die zusammen mit der ruhigen, meditativen und poetischen Inszenierung bei mir allerdings für akute Müdigkeit gesorgt hat. „Rey“ war überhaupt kein Film für mich und wäre ich nicht genau in der Mitte des Saals gesessen, dann hätte ich diesen wohl noch während des Films verlassen. Würde „Rey“ als Endlosschleife in einem Museum gezeigt werden, wo man sich für ein paar Minuten hinsetzen und zuschauen kann, dann fände ich das wohl cool. Als „ganz normaler“ Kinofilm war mir das dann aber doch zu sonderbar.

„Rey“ wird noch zweimal auf dem Filmfest gezeigt: am 26.6. um 16:30 und am 28.6. um 19:00 (jeweils im Theatiner Film).

Copyright Bilder: Filmfest München

Pirates of the Caribbean: Salazars Rache

Salazars RacheEs ist tatsächlich noch einmal so weit: Am Donnerstag kommt ein weiterer Teil der „Pirates of the Caribbean“-Reihe (ehemals „Fluch der Karibik“) ins Kino. Wir erinnern uns: 2003 überraschte Gore Verbinskis erster Teil vor allem mit einer Performance von Johnny Depp, wie man sie so noch nicht gesehen und schon gar nicht in einem familienfreundlichen Piratenfilm von Disney erwartet hätte. Der Film wurde zum riesigen Erfolg, verhalf Depp sogar zu einer Oscarnominierung und zog anschließend zwei am Stück gedrehte Sequels nach sich, die jedoch zunehmend schwächer gerieten. Der 2011 nachgeschobene vierte Teil verzichtete schließlich auf den Großteil der in den bisherigen Filmen eingeführten Figuren und war so grottenschlecht, dass man die Reihe schon als beerdigt hätte betrachten können – hätte nicht auch dieser Film wieder ordentlich Geld in die Kassen von Disney und Produzent Jerry Bruckheimer gespült. Und weil eben auch ein fünfter Teil immer noch ordentlich Kohle zu machen verspricht, kommt genau jener nun mit einigen Jahren Abstand ins Kino.

„Salazars Rache“ heißt der Karibikfluchfilm Nummer fünf hierzulande und geht zumindest schon mal ganz vielversprechend los: Henry Turner sucht seinen Vater Will (Orlando Bloom) auf und verspricht ihm, ihn von dem Fluch zu befreien, der ihn für immer auf den Fliegenden Holländer und ein Leben auf (bzw. unter) See verbannt hat. Dann springt die Handlung einige Jahre in die Zukunft, wo Captain Jack Sparrow (Johnny Depp) gerade dabei ist, den Begriff „Bankraub“ neu zu definieren. Die entsprechende Szene ist eine wirklich spaßige Action- und Slapsticksequenz, die ein bisschen zu bemüht daherkommt, um einen wirklich umhauen zu können. Aber immerhin ist das Ganze herrlich absurd und sehr unterhaltsam.

Johnny DeppJohnny Depp liefert als Jack Sparrow genau die Performance ab, die man erwartet – leider. Denn das bedeutet einerseits, dass man zwar genau den trotteligen, wankenden und stets betrunkenen Loser-Piraten zu sehen bekommt, den man so schon aus den anderen Filmen kennt. Andererseits ist es eben aber auch absolut nichts Neues mehr. Depps Schauspiel entlockt einem zwar hin und wieder ein Schmunzeln und die Szenen mit Sparrow bieten durchaus einige gelungene Gags. Aber das Problem dieser Figur ist eben, dass sie beim Publikum so beliebt ist – und zwar genau so, wie sie eben ist. Der Charakter darf sich nicht viel weiterentwickeln oder verändern, denn das würde bedeuten, das wichtigste Element dieser Filmreihe aufs Spiel zu setzen, welches das Publikum wahrscheinlich auch wieder in diesen Film in Scharen strömen lässt.

Das Tempo und den Witz der ersten halben Stunde hält der Film danach leider nicht mehr aufrecht. Die einzige Szene, die später noch einmal einen ähnlichen Spaß macht, ist eine Hinrichtung, bei der es drunter und drüber geht. Der Showdown des Films beeindruckt später höchstens noch durch seine blauschwarze Unterwasseroptik. Leider sind einem das Geschehen und ein Großteil der Figuren zu diesem Zeitpunkt aber schon längst egal, was drei Gründe hat. Zum einen ist der Mittelteil des Films sehr langatmig und macht es dem Zuschauer schwer, die Geschichte weiter mit Interesse zu verfolgen. Weiterhin sind fast alle neu eingeführten Figuren (zumindest auf Seiten der Helden) hier gänzlich blass und uninteressant. Dazu zählen in erster Linie der bereits erwähnte Henry Turner (als Erwachsener gespielt von Brenton Thwaites) und die neue weibliche Hauptrolle Carina Smyth (Kaya Scodelario). Drittens hat man als Zuschauer das Problem, dass man im Schlussteil des Films schon längst den Überblick darüber verloren hat, wer hier eigentlich was will (oder man hat ganz einfach kein Interesse mehr, den teilweise unglaubwürdigen Motivationen der Kaya Scodelario und Brenton Thwaitesvielen Figuren weiter zu folgen). Der Film wartet gleich mit mehreren MacGuffins auf: dazu gehören Jack Sparrows Kompass, eine Karte sowie der Dreizack des Poseidon. Die beteiligten Figuren verfolgen wie gesagt unterschiedliche Interessen: Armando Salazar will – wie der Fimtitel schon sagt – Rache an Jack Sparrow nehmen, Henry will den Fluch von seinem Vater nehmen, und so weiter und so fort. Irgendwann in der Mitte des Films habe ich es aufgegeben, genau mitzudenken, da mir die Geschichte zu unnötig kompliziert und die Motivationen nicht immer nachvollziehbar waren. Leider verliert man dabei natürlich auch ein Stück weit die Bindung an die Geschichte und an die Figuren – es ist einem eben alles in gewisser Weise egal.

Ein alter Bekannter, der auch wieder mit von der Partie ist, obwohl er für die Handlung eigentlich komplett überflüssig ist, ist Captain Barbossa. Geoffrey Rush scheint immer noch großen Spaß an der Verkörperung dieser Figur zu haben, die die Drehbuchautoren wohl nur deswegen auch in diesen Film geschrieben haben, weil Barbossa halt ein beim Publikum beliebtes Element der Serie ist. Die Frage, ob man etwas wirklich Sinnvolles mit ihm anfangen kann, scheint da zweitrangig zu sein (wird aber zumindest am Ende der Geschichte zufriedenstellend beantwortet). Weil Barbossa ja schon lange zu den Guten gehört, muss für jeden Film ein neuer Gegenspieler her. Dabei handelt es sich dieses Mal um den bereits erwähnten Salazar (gespielt von Javier Bardem, dessen Ehefrau Penélope Cruz bereits im letzten Film dabei war). Bardem macht dabei erwartungsgemäß einen guten Job; bei Salazar handelt es sich um einen charismatischen Bösewicht, aber eben schon wieder um einen Captain, der mitsamt seines Schiffs und seiner Crew verflucht worden ist – das hatten wir im Verlauf der Reihe schon mehrmals.

Javier BardemMit ein paar (kleinen) Überraschungen und Plotwendungen wartet der Film natürlich auch auf, wirklich kreativ waren die Autoren aber auch dabei nicht und präsentieren stattdessen zum Beispiel die Enthüllung verwandtschaftlicher Verhältnisse, die einen höchstens mit den Schultern zucken lassen. Eine Szene, die mir persönlich natürlich sehr gut gefallen hat, ist der Gastauftritt von Paul McCartney. Nachdem in den Teilen drei und vier Rolling Stone Keith Richards als Jacks Vater mit dabei war, darf nun ein Ex-Beatle einen weiteres Mitglied der Piratenverwandtschaft spielen – und zu Beginn seiner Szene sogar ein Lied anstimmen, welches auch die Beatles einst aufgenommen haben!

An den Effekten des Films gibt es absolut nichts auszusetzen. Das Design ist weiterhin rundherum gelungen und im Gegensatz zu Teil vier gibt es dieses Mal auch tatsächlich wieder richtige Seeschlachten zu bestaunen. Inhaltlich ist der Film aber äußerst durchwachsen. Johnny Depp darf auf Autopilot sein bekanntes Jack Sparrow-Programm abspulen, was in Ähnlicher Weise auch für die meisten anderen der bereits bekannten Gesichter gilt. Orlando Blooms kurze Auftritte sind übrigens nicht mehr als ein größerer Cameo und die Einbindung von Will (und Elizabeth!) Turner wirkt ebenfalls sehr bemüht und konstruiert. Eine austauschbare, nicht immer logische und unnötig komplizierte Handlung macht den Film ebenso verwirrend und langatmig wie die zu vielen Figuren. (Ausgerechnet die vielleicht interessanteste neue Figur – eine Hexe auf Seiten der Bösewichte – wird leider vollkommen Geoffrey Rush, Javier Bardemverschenkt.) Die beiden neuen Regisseure Joachim Rønning und Espen Sandberg haben die Inszenierung und auch die Action-Elemente zwar gut im Griff, insgesamt bietet der Film aber nichts als Standardkost. Kreative Risiken werden hier nicht eingegangen und selbst die Musik klingt exakt wie in den früheren Filmen, obwohl sie hier nicht mehr von Hans Zimmer stammt, wie noch in den Teilen zwei bis vier (dieses Mal durfte einer der Schützlinge des Maestros ran, Geoff Zanelli). Den Publikumsmassen, die zum Megaerfolg der ersten vier Filme geführt haben, wird hier genau das geboten, was sie erwarten. Leider ist das aber nicht das, was die „Pirates of the Caribbean“-Reihe bräuchte, um auch kreativ und künstlerisch überleben zu können.

Copyright Bilder: ©Disney Enterprises

Meine Oscar-Tipps 2017

27.02.17 – Ganz unten findet ihr nun ein kurzes Update!

Heute Nacht geht die alljährliche Filmpreissaison mit der Oscarverleihung zu Ende. Höchstwahrscheinlich werde ich wieder wach bleiben und die Show live anschauen. Ebenso ist es bei mir schon lange eine Tradition, vorher die Gewinner zu tippen (hier die Links zu den entsprechenden Blogposts der letzten Jahre: 2016, 2015, 2014, 2013). In den letzten vier Jahren habe ich stets in 16 von 24 Kategorien richtig getippt, mit einer Ausnahme. 2014 hatte ich nämlich tatsächlich 21 Richtige, was aber wohl ein glücklicher Zufall war.
Mein Ziel ist es, dieses Mal die 16 Richtigen zu verbessern, also auf mindestens 17 Richtige zu kommen. Das dürfte aber nicht leicht werden. Zwar ist „La La Land“ 14 mal nominiert und damit der große Favorit. Dass das Musical den Oscar für den „Besten Film“ gewinnen wird, bezweifelt wohl niemand ernsthaft, aber es stellt sich die Frage, in wie vielen anderen Kategorien der Film gewinnen wird. Wie sieht es etwa bei der Ausstattung, beim Schnitt oder beim Drehbuch aus? Soll man auch hier auf „La La Land“ setzen oder anderen Filmen eine Chance geben?
Hier also meine Oscar-Tipps:

Bester Film
Wie erwähnt führt hier kein Weg an „La La Land“ vorbei (nominiert sind die Produzenten Fred Berger, Jordan Horowitz und Marc Platt). Keiner der acht anderen nominierten Filme hat eine ernsthafte Chance.

Bester Hauptdarsteller
Auch hier ist „La La Land“ vertreten, aber ausnahmsweise nur als Außenseiter. Jedenfalls rechnet fast niemand damit, dass Ryan Gosling eine Trophäe mit nach Hause nehmen darf. Das Rennen wird zwischen Casey Affleck („Manchester By The Sea“) und Denzel Washington („Fences“) entschieden werden. Anfangs schien es eine deutliche Tendez zu Affleck zu geben; zudem hat Washington ja bereits zwei Oscars. In den letzten Wochen und besonders seit seinem Gewinn bei den SAG-Awards, der Preisverleihung der US-Schauspielergilde, hat sich Denzel Washington jedoch zum Favoriten gemausert. Ich setze also mal auf ihn.

Beste Hauptdarstellerin
Hier tippe ich ganz klar auf die Favoritin, „Emma Stone“ („La La Land“). Zwar ist auch Natalie Portmans Leistung in „Jackie“ beeindruckend, aber sie hat im Gegensatz zu Emma Stone bereits einen Oscar. Und während Meryl Streep sich mit ihrer Anti-Trump-Rede bei den Golden Globes zwar kurzzeitig wieder ins Spiel gebracht hat, dürfte der Lohn dafür allein die Nominierung gewesen sein. Und Streep hat immerhin schon drei Oscars!

Bester Nebendarsteller
Ich muss zugeben, dass ich noch keinen der hier nominierten Filme gesehen habe (in letzter Zeit habe ich es leider nicht oft ins Kino geschafft). Aber ich tippe auf Mahershala Ali („Moonlight“).

Beste Nebendarstellerin
Mit Viola Davis („Fences“) gibt es hier eine klare und verdiente Favoritin, die auch bereits alle anderen wichtigen Preise (Golden Globe, BAFTA, Screen Actors Guild Award) für ihre Rolle gewonnen hat.

Beste Regie
Ich bin mir nicht sicher, ob er es für diesen Film verdient hat und würde mich freuen, wenn endlich mal Denis Villeneuve („Arrival“) einen Oscar bekommt, aber es führt wohl auch hier kein Weg an „La La Land“ vorbei. Ich tippe also auf Damien Chazelle.

Bester Animationsfilm
Pixar ist hier ausnahmsweise dieses Jahr nicht nominiert, denn „Finding Dory“ ist unbeachtet geblieben. Dafür sind die Disney Animation Studios mit „Moana“ (im Deutschen „Vaiana“) und „Zootopia“ (im Deutschen „Zoomania“) gleich zweimal zum Zug gekommen. Ich tippe auf letzteren.

Bester fremdsprachiger Film: „The Salesman“ – Wenn es so ausgeht, wie ich befürchte, dann hat Donald Trump den Deutschen hier einen Strich durch die Rechnung gemacht. „Toni Erdmann“ galt lange als unschlagbarer Favorit und ist einer meiner Lieblingsfilme des letzten Jahres ist (hier meine Kritik). Doch Trumps Einreisestopp hätte dem Iraner Ashgar Farhadi, Regisseur von „The Salesman“, die Einreise in die USA verboten. Momentan dürfte Farhadi zwar wieder einreisen, will der Verleihung aber aus Protest fernbleiben. Es wird erwartet, dass sich zahlreichende Academymitglieder mit ihm solidarisiert und für ihn gestimmt haben.

Meine Tipps in den übrigen Kategorien:

Bestes adaptiertes Drehbuch:  Barry Jenkins und Tarell Alvin McCraney für „Moonlight“
Bestes Originaldrehbuch: „Manchester By The Sea“ von Kenneth Lonergan
Beste Ausstattung (Production Design): „La La Land“ (David Wasco und Sandy Reynolds-Wasco) – Es könnte auch „Fantastic Beasts“ werden, das bei den BAFTAs gewonnen hat. Aber dort hatte der Film quasi einen Heimvorteil und außerdem will ich jetzt mal zu meinen Tipps stehen und nicht in letzter Minute noch alles ändern. 😉
Beste Kamera (Cinematography): Linus Sandgren für „La La Land“
Bester Ton (Sound Mixing): „La La Land“ (Andy Nelson, Ai-Ling Lee und Steve A. Morrow)

Bester Tonschnitt (Sound Editing): Schwierig.La La Land“ ist hier nominiert. „Hacksaw Ridge“ ist ein Kriegsfilm, und die kommen in dieser Kategorie oft zum Zug. „Arrival“ hat den „BAFTA“ für „Best Sound“ gewonnen. Ich schwanke zwischen den beiden letztgenannten. Momentan tippe ich noch auf „Hacksaw Ridge“ (Robert Mackenzie and Andy Wright), aber es würde mich nicht wundern, wenn „Arrival“ sogar in beiden Tonkategorien gewinnen würde. Vielleicht ändere ich meinen Tipp also vor Beginn der Verleihung nochmal…
Beste Musik: Justin Hurwitz für „La La Land“
Bestes Lied: „City of Stars“ aus „La La Land“ (geschrieben von Justin Hurwitz, Benj Pasek und Justin Paul)
Beste Kostüme: Ich setze hier auf „Jackie“ (Madeline Fontaine). Es könnte zwar natürlich auch „La La Land“ werden, aber man möchte ja etwas Abwechslung und eine faire Verteilung der Preise bekommen. 🙂
Beste Dokumentation: Ezra Edelman und Caroline Waterlow für „O.J.: Made in America“
Beste Kurzdokumentation: „Joe’s Violin“
(Kahane Cooperman und Raphaela Neihausen)

Bester Schnitt: „Arrival“ hätte den Preis verdient, „La La Land“ könnte ihn kriegen, weil der Film halt momentan der große Liebling in Hollywood ist. Aber ich tippe auf „Hacksaw Ridge“ (John Gilbert), weil der den BAFTA bekommen hat.
Beste Maske (Makeup & Hairstyling): „Star Trek Beyond“ (Joel Harlow und Richard Alonzo)
Bester animierter Kurzfilm: Hier ist Pixar mit dem fotorealistischen „Piper“ (Regie: Alan Barillaro und Marc Sondheimer) nominiert, der als Vorfilm von „Finding Dory“ im Kino lief. Also setze ich auf den. 🙂
Bester Kurzfilm: Wie auch bei den Kurzdokumentationen kenne ich hier dieses Jahr keinen der Filme. Ich halte mich also mal an die Meinung vieler Experten und tippe auf „Ennemis intérierieurs“ von Sélim Azzazi. Es gibt aber auch Experten, die anderer Meinung sind. Glückssache also…
Beste visuelle Effekte: In diesem Jahr begehe ich hier nicht wieder den Fehler, auf „Star Wars“ zu setzen, obwohl ich es mir natürlich wünschen würde, dass „Rogue One“ gewinnt. Während dort mit Peter Cushing ein toter Schauspieler künstlich wieder zum Leben erweckt wurde, hat man bei „The Jungle Book“ fotorealistische Tiere erschaffen – und dafür wird es wohl einen Oscar geben.

Meiner Prognose zufolge würde „La La Land“ also acht Oscars bekommen und damit in fünf Kategorien Platz für andere Filme machen. Viele Experten trauen dem Film allerdings deutlich mehr zu und sagen elf oder zwölf Auszeichnungen für ihn vorher. Wer recht hat, werden wir heute Nacht (in Deutschland auf Pro Sieben) sehen…
Wie auch schon in den letzten Jahren werde ich diesem Blogpost nach der Oscarverleihung ein Update verpassen und meine Tipps mit den Ergebnissen vergleichen.


Update nach der Oscarverleihung:

Wow, was für ein Nervenkitzel war das denn am Schluss! Das gab es glaube ich noch nie – ein Gewinner (noch dazu für den besten Film) wird genannt, die Nominierten betreten die Bühne, erhalten ihre Oscars und bringen auch schon den Großteil ihrer Dankesreden hinter sich. Und dann stellt sich heraus, dass der falsche Umschlag geöffnet wurde und eigentlich ein anderer Film gewonnen hat!
Ich habe das im ersten Moment gar nicht richtig mitbekommen, weil ich während der Dankesreden der Produzenten von „La La Land“ schon geistig abgeschaltet und mich auf mein Bett gefreut hatte. Mein Ziel, mindestens 17 Gewinner richtig zu tippen, habe ich damit jedenfalls verfehlt. Mit dem „Moonlight“-Sieg sind es wieder „nur“ 16, wie schon in den letzten beiden Jahren. Ich habe also wieder immerhin zwei Drittel der Preisträger korrekt vorhergesagt.
Die Verteilung der Statuen war gerade in der ersten Hälfte der Zeremonie sehr ausgewogen. Tatsächlich gingen von den 24 Preisen die ersten zwölf an unterschiedliche Filme! Vertippt habe ich mich in den drei Kurzfilmkategorien, aber das ist ja auch größtenteils Glückssache. (Oder ich habe mich da dieses Mal zu wenig über die nominierten Filme informiert.) Auch in den beiden Tonkategorien lag ich falsch: „Hacksaw Ridge“ hat für Sound Mixing gewonnen, nicht für Sound Editing. Und wie ich oben schon geahnt habe, hat „Arrival“ tatsächlich doch einen der Sound-Oscars gewonnen. Sehr schön!
Auch beim Makeup/Hairstyling habe ich daneben getippt, ebenso wie bei den Kostümen, wo ich überrascht war, dass weder „Jackie“ noch „La La Land“ gewonnen haben. Stattdessen wurde die Kostümdesignerin Colleen Atwood – u.a. spezialisiert auf Fantasy-Filme und bei so gut wie allen Filmen von Tim Burton mit an Bord – für „Fantastic Beasts“ mit ihrem vierten Oscar geehrt. Beim besten Hauptdarsteller hatte ich lange auf Casey Affleck gesetzt und mich dann doch für Denzel Washington entschieden, weil viele Hollywood-Insider auf ihn gesetzt haben. Aber die Mehrzahl der Academymitglieder hat wohl lieber für Affleck gestimmt, statt Washington einen dritten Oscar zu geben (verdient haben sie beide einen). Tja, und dann ist da noch der beste Film. „Moonlight“ war ein Geheimtipp, aber ernsthaft mit dieser Auszeichnung gerechnet hat wohl kaum jemand. Ich freue mich aber sehr darüber, da der Film die dadurch entstehende Aufmerksamkeit besser gebrauchen kann als „La La Land“. Wie auch schon letztes Jahr gewinnt somit ein relativ unbekannter, aber wichtiger Film die begehrteste Auszeichnung des Abends, während die Mehrzahl der Oscars an einen anderen Film gehen. Eigentlich keine schlechte Lösung.
Noch kurz zur Oscar-Show: Jimmy Kimmel als Moderator hat mir gut gefallen, die Show an sich war okay. Das Herabregnen von Süßigkeiten war nett, aber einfallslos. Noch dazu war klar, dass davon nicht der ganze Saal betroffen war, sondern nur die fernsehwirksam platzierten Stars im vorderen Bereich. Viel schlimmer war aber die Aktion mit den ohne ihr Wissen hereingeführten Touristen, die meiner Meinung nach hier in einer Art vorgeführt worden sind, die absolut nicht in Ordnung ist. Die Show bot wie zu erwarten zahlreiche politische Statements gegen Donald Trump, gegen Ab- und Ausgrenzung und für mehr Zusammenhalt und Toleranz. Doch diese Aktion machte leider die Gräben deutlich, die in unserer Gesellschaft existieren. Oder wirkt es nur auf mich seltsam, wenn ein Tourist im Kapuzenpulli der mit Diamenten behängten Nicole Kidman die Hand küsst? Wenn ich allerdings noch einmal drüber nachdenke, ist das eigentlich eine recht interessante Szene, die auf gesellschaftliche Ungleichheit aufmerksam macht. Was mir eben nicht gefällt, ist die Art und Weise, in der die nichts ahnenden Leute in diese Situation geworfen worden sind. Denn dass Hollywood, die Oscars und die dort versammelten Multimillionäre Teil einer riesigen Kommerzmaschine sind, dürfte mich ja längst nicht mehr überraschen und mit dem Anschauen der Verleihung und der Filme trage ich zum Funktionieren dieser Maschine schließlich selbst bei.

Das war 2016 – Mein persönlicher Film- und Serien-Jahresrückblick

Zum letzten (und bisher einzigen) Mal habe ich hier im Blog 2013 einen Jahresrückblick geschrieben. 2016 habe ich es endlich mal wieder (auf den letzten Drücker) geschafft!
Wie auch schon 2013 werde ich hier zusammenfassen, welche besonders guten und schlechten Filme und TV-Serien ich dieses Jahr gesehen habe – ganz egal, ob es sich dabei um neue oder schon ältere Veröffentlichungen handelt.

Die besten neuen Filme

Beginnen wir mal mit den neuen, also in diesem Jahr veröffentlichten Filmen. Da fällt es mir leicht, meine „Top 3“ zusammen zu stellen (aber nicht leicht, sie in eine Reihenfolge zu bringen). „Room“ („Raum“) kam bereits im Frühjahr ins Kino und ich habe den Film seitdem nicht noch einmal gesehen, aber weil ich zwischenzeitlich das Hörbuch zu Emma Donoghues Romanvorlage gehört habe, sind mir die Geschichte und die Figuren immer noch sehr präsent. Lenny Abrahamsons Film um einen Jungen, der gemeinsam mit seiner Mutter jahrelang von einem Entführer gefangen gehalten wird und vollkommen von der Außenwelt abgeschottet aufwächst, ist ein kleines Wunderwerk. Denn trotz dieser düster und depressiv klingenden Ausgangssituation ist der Film das genaue Gegenteil von düster: „Room“ ist ein hoffnungsvoller Film, was nicht zuletzt an den hervorragenden Leistungen der beiden Hauptdarsteller Brie Larson (die dafür einen Oscar gewann) und des siebenjährigen Jacob Tremblay liegt. Ich werde mir den Film auf jeden Fall noch einmal anschauen. Aufgrund einer sehr persönlichen Beziehung, die ich zu der Geschichte habe, könnte er sogar zu einem meiner Lieblingsfilme werden!

Ein weiterer äußerst emotionaler Filmhöhepunkt war dieses Jahr ganz klar „Closet Monster“ von Stephen Dunn. Das Spielfilmdebüt des jungen kanadischen jungen kanadischen Regisseurs strotzt nur so vor kreativen Einfällen und ist in seiner Ausführung so gelungen, dass man gar nicht glauben mag, dass da jemand seinen ersten Kinofilm inszeniert hat! Und natürlich gibt es in keinem anderen Film einen Hamster, der von Isabella Rossellini gesprochen wird! 😉 (Hier könnt ihr meine Filmkritik auf filmszene.de lesen.)

Dass es wie bereits 2015 ein deutscher Film ganz weit nach oben in meiner Top-Ten-Liste schaffen würde, hätte ich nicht erwartet (schon allein, weil ich nicht besonders viele deutsche Filme anschaue). An „Toni Erdmann“ führte in diesem Jahr aber nicht nur kein Weg vorbei, sondern der Film wird seinem Ruf auch wirklich gerecht! Auf so eine Geschichte, in der ein von seiner Tochter entfremdeter Vater dieser über den Umweg einer erfundenen Persönlichkeit wieder näher zu kommen versucht, muss man erst einmal kommen. Aber selbst dann hätte noch eine Menge schiefgehen können, zum Beispiel wenn Regisseurin Maren Ade den Stoff als platte Komödie inszeniert und zur Vorlage für lauter dämliche Witze genommen hätte. Hat sie aber natürlich nicht. Das Endergebnis ist einfach nur großartig – ein Film wie kein anderer. Ein Bekannter von mir hat „Toni Erdmann“ allerdings mit „Borat“ verglichen und ich muss zugeben, dass er damit nicht ganz unrecht hat. Trotzdem handelt es sich um zwei sehr verschiedene Filme, vor allem wohl deshalb, weil Ade die Figuren und Situationen in ihrem Film nie um der bloßen Provokation willen oder für einen billigen Lacher eskalieren lässt. (Meine ausführliche Filmkritik könnt ihr hier lesen.)

Weitere Filmhighlights waren dieses Jahr für micht „Everybody Wants Some!!“ von Richard Linklater (nach dem Kinobesuch bin ich singend und tanzend durch die Straßen gelaufen) und „The Girl With All The Gifts“, ein schauspielerisch wie atmosphärisch extrem gut gemachter Zombiefilm, den ich auf dem Fantasy Filmfest gesehen habe (regulärer Kinostart wird im Februar sein). Auch „Arrival“ von Denis Villeneuve gehört ganz klar zu den besten neuen Filmen von 2016. Nicht nur Science-Fiction-Fans sollten hier definitv einen Blick riskieren.

Das waren die sechs besten, neuen Filme, die ich 2016 gesehen habe. Es gab aber natürlich noch eine Reihe weiterer guter bis sehr guter, die erwähnenswert sind. Da wäre zum Beispiel die Dokumentation „The Hunting Ground“ über sexuellen Missbrauch an US-Universitäten (verfügbar auf Netflix). Auch Jeff Nichols‘ Mystery-Drama „Midnight Special“ hat mir gut gefallen und ich muss ihn definitiv noch einmal anschauen.
Marvel hat dieses Jahr mit dem dritten „Captain America“-Film „Civil War“ einen Volltreffer hingelegt – ich habe mich blendend unterhalten gefühlt, aber einen Großteil des Films schon lange wieder vergessen.

Der neue Tim Burton-Film „Miss Peregrine’s Home For Peculiar Children“ („Die Insel der besonderen Kinder“) hat mir gut gefallen, auch wenn er wohl nicht zu den großen Meisterwerken des Regisseurs zählt. Als Beatles-Fan fand ich auch Ron Howard’s Dokumentation „Eight Days A Week“ sehr schön, aber man muss den Beatles natürlich schon grundsätzlich etwas abgewinnen können, um hier auf seine Kosten zu kommen (aber wer kann das bitteschön nicht?).

Zumindest von der Form her interessant fand ich „Der Nachtmahr“, allerdings liefen all die inszenierungstechnischen Tricksereien dabei irgendwie ins Leere, sodass der Film mehr versprach als er letztendlich einlösen konnte. Gegen Jahresende schließlich hat mich der neue Disney-Animationsfilm „Moana“ (in Deutschland „Vaiana“) gut amüsiert. Und auch das diesjähriger „Star Wars“-Abenteuer „Rogue One“ fand ich als großer Fan der Sternensaga trotz einiger Schwachstellen doch ziemlich gelungen.

Auch auf dem Filmfest München habe ich dieses Jahr wieder viele tolle (und auch ein paar nicht so tolle) Filme gesehen, über die ich größtenteils gebloggt habe. Ein paar davon habe ich hier schon genannt, hinzuzufügen wären aber zum Beispiel noch „Ein deutsches Leben“, „Oleg Y Las Raras Artes“ und „Die letzte Sau“.

Was ich sonst noch für tolle Filme angeschaut habe

Neben diesen Neustarts gab es jedoch auch ziemlich viele ältere Filme, die ich 2016 nachgeholt habe. M. Night Shyamalan hat 2015 mit „The Visit“ endlich mal wieder einen spannenden und gelungenen Film abgeliefert. Aber auch die Österreicher können Horror! Das haben vor zwei Jahren Severin Fiala und Veronika Franz mit der Genre-Perle „Ich seh ich seh“ bewiesen, die ich ebenfalls dieses Jahr gesehen habe und wirklich sehr empfehlen kann!

Noch besser fand ich „Nightcrawler“, in dem Jake Gyllenhaal vor zwei Jahren als ehrgeiziger TV-Journalist zu sehen war. Ein fantastisches Stück Kino, ein bitterböser Blick auf die harte Medien- und Journalismusbranche und ein grandioser Soundtrack! Auch „Love Steaks“ hat mich begeistert. Die deutsche Low Budget-Produktion hat vor einigen Jahren auf mehreren Festivals für Aufsehen gesorgt; nun habe ich sie auch endlich gesehen und war begeistert von der Unmittelbarkeit und Natürlichkeit dieser etwas anderen (oder vielleicht einfach nur kino-untypischen und realistischen?) Liebesgeschichte. Auch Wim Wenders Dokumentation „The Salt of the Earth“ über den Fotografen Sebastião Salgado fand ich sehr beeindruckend. Und wenn ich schon bei deutschen Filmen bin: Auch die Komödie „Wir sind die Neuen“ hat mich positiv überrascht, weil hier das Aufeinandertreffen der Generationen wirklich mit Witz behandelt wird und die Schauspieler sichtlich Spaß an ihren Rollen haben.

Als großer David Bowie-Fan war 2016 natürlich kein gutes Jahr für mich; „The Man Who Fell to Earth“ („Der Mann, der vom Himmel fiel“) habe ich erst nach Bowies Tod zum ersten Mal gesehen – und muss den Film auf jeden Fall irgendwann noch einmal anschauen. Weitere Kultfilme, die ich dieses Jahr tatsächlich zum ersten Mal gesehen habe, waren „The Exorcist“ („Der Exorzist“), „Thelma & Louise“, „Interview with the Vampire“ („Interview mit einem Vampir“) und „Zoolander“ (Teil zwei habe ich einige Tage später angeschaut). Nachdem ich die „Godfather“-Trilogie zum Geburtstag bekommen hatte, habe ich außerdem mehrere Abende damit verbracht, mir mal wieder Francis Ford Coppolas Saga einer italo-amerikanischen Familie zu Gemüte zu führen. Würden Mario Puzos Romane heute verfilmt werden, dann würde man daraus wahrscheinlich eine TV-Serie machen, also habe ich mir die Filme häppchenweise in feierabendfreundlichen Blöcken von 60 bis 90 Minuten über mehrere Abende verteilt angeschaut. Auch die „Alien“-Filme habe ich mir dieses Jahr mal wieder alle angeschaut, und zwar gleich mehrfach: Teil 1 bis 3 habe ich sowohl in der Kinofassung als auch in den auf den Blu-rays enthaltenen längeren Schnittfassungen angeschaut. Bei „Alien: Resurrection“ habe ich es allerdings bei der Kinofassung belassen, da ich mir diesen Murks nicht noch einmal antun wollte.

Die schlechtesten Filme des Jahres

Wie jedes Jahr gab es auch 2016 ein paar Filme, über die ich mich richtig geärgert habe. Ganz oben auf der Liste steht „Independence Day: Resurgence“. Ganz ehrlich, ich hätte die zehn Euro, die ich hier für den Kinobesuch ausgegeben habe, lieber verbrennen und dann dabei zuschauen sollen. Das wäre unterhaltsamer gewesen als diese völlig uninspirierte, vor Klischees nur so strotzende Fortsetzung von Roland Emmerichs Science Fiction-Klassiker. Dicht dahinter folgt „Batman v Superman: Dawn of Justice“. Es ist mir unbegreiflich, warum Zack Snyder immer noch riesige Budgets anvertraut werden, wo doch jedes Mal so ein Murks dabei herauskommt. (Halt, ich verstehe es doch: seine Filme spielen das Geld – und sogar noch mehr! – nämlich tatsächlich wieder ein. Unbegreiflich!) Auch die zweite Comicverfilmung aus dem DC-Universum, „Suicide Squad“, fand ich grottenschlecht. Ich kenne mich mit Comics zwar kaum aus, aber bei Marvel schaffen sie es immerhin, unterhaltsame Filme rauszuhauen!

Wobei es zumindest einen Marvel-Film gab, den ich dieses Jahr auch ziemlich schlecht fand: „X-Men: Apocalpyse“. Der gehört zwar nicht zum „Marvel Cinematic Universe“ von Disney, aber gerade weil die beiden vorherigen „X-Men“-Filme so großartig waren, hatte ich mir einen würdigen Abschluss dieser Trilogie gewünscht. Weitere Filmgurken aus 2016 waren „Die 5. Welle“ und „London Has Fallen“. Bei letzterem war mir das eigentlich schon vorher klar, schließlich war auch schon Teil 1 nur leidlich unterhaltsam. Ich schaue mir solche Filme wohl nur an, um sie dann am Jahresende auf meine Flop-Liste setzen zu können… 😉 Auch bei Duncan Jones Videospielverfilming „Warcraft: The Beginning“ habe ich nach etwa einer Viertelstunde geistig abgeschaltet und darauf gehofft, dass es bald vorbei ist. Schade, denn ich bin ein großer Fan seiner ersten beiden Filme „Moon“ und „Source Code“. Dass die neue „Ben Hur“-Verfilmung einfach nur überflüssig sein würde, war mir natürlich auch schon vorher klar. Angeschaut (und darüber geschrieben) habe ich den Film trotzdem.

…und noch mehr schlechte Filme

Als hätte 2016 nicht schon genug schlechte Filme hervorgebracht, habe ich mir zusätzlich auch noch einige ältere Filmgurken reingezogen. Das ging Anfang des Jahres los mit Cameron Crowes „Aloha“. Ich bin ja wirklich ein großer Fan von Crowe und zähle mit „Almost Famous“ und „Vanilla Sky“ zwei seiner Werke zu meinen Lieblingsfilmen, aber was er mit „Aloha“ abgeliefert hat, ist einfach so was von langweilig, uninspiriert und voller Klischees, dass man sich fragt, ob da wirklich noch derselbe Autor und Regisseur am Werk war. Schade! Josh Tranks „Fantastic Four“-Verfilmung von 2015 war auch nicht besser, konnte mich aber immerhin mit unfreiwilliger Komik unterhalten. Auch in diesem Fall kann man aber nur sagen: schade, dass nichts Besseres dabei herausgekommen ist. „Chronicle“ wird wohl Tranks bester Superheldenfilm bleiben…

Auch richtig schlecht fand ich Disneys Realversion von bzw. Parallelgeschichte zu „Dornröschen“, „Maleficent“. Schrecklich gelangweilt habe ich mich bei Angelina Jolies „By the Sea“ und „Kingsman“ fand ich extrem dämlich. Dass mich auch die „Hunger Games“ mit „Mockingjay: Teil 2“ nicht mehr begeistern konnten, hat mich nach dem extrem handlungsarmen dritten Film nicht mehr überrascht. Der bei weitem schlechteste Film, den ich dieses Jahr gesehen habe, war jedoch der Weinachts-Grusel „Krampus“. So etwas kommt also dabei heraus, wenn sich die Amerikaner an für sie wohl total exotisch anmutenden mitteleuropäischen Schreckgestalten abarbeiten! Cultural appropriation mal anders…

Mein Serienjahr

Ich habe 2016 zwar knapp 200 neue, alte und teils auch altbekannte Filme angeschaut, aber es hätten noch wesentlich mehr sein können, wenn es nicht so viele gute TV-Serien gäbe. Dass „Hannibal“ ein vorzeitiges Ende gefunden hat, ist für mich eine mittelschwere Katastrophe. Bryan Fullers Neuverfilmung der Romane von Thomas Harris gehört für mich zu den besten Fernsehserien überhaupt und ich hoffe sehr, dass er es doch noch irgendwie schaffen wird, eine Fortsetzung in Form einer Miniserie für irgendeine Streamingplattform zu produzieren.

Das beste Fernsehen scheint inzwischen ja sowieso auf Netflix & Co. stattzufinden. „Jessica Jones“ war für mich der bislang beste Beitrag zum filmischen Marveluniversum und auch die beiden „Daredevil“-Staffeln fand ich toll. Sehr gut unterhalten hat mich dieses Jahr auf Netflix auch die zweite Staffel von „Grace and Frankie“. Darin geht es zwar um Figuren, die mehr als doppelt so alt sind wie ich, aber wenn sie von so grandiosen Schauspielern wie Jane Fonda oder Martin Sheen gespielt werden, dann macht das auch dann riesigen Spaß, wenn man sich nicht mit allen Problemen der Figuren identifizieren kann.

Mit „Downton Abbey“ fand dieses Jahr eine meiner Lieblingsserien ihr Ende. Auch hier sind es vor allem die erstklassigen Darsteller, die das meist doch recht banale Soap-Geschehen sehenswert machen. Bei „Stranger Things“ wiederum stimmte das Gesamtpaket aus Schauspielern, Mystery-Handlung und gekonnt reproduzierter Achtziger-Jahre-Atmosphäre. Ich bin schon gespannt auf Staffel zwei! Eine weitere Staffel von „Heroes Reborn“ wird es dagegen nicht geben, was aber kein großer Verlust ist. Tim Krings Superhelden-Ensemblesoap „Heroes“ war in ihrer ersten Staffel 2006 noch revolutionär und verdammt gut, danach ging es aber leider immer weiter bergab. Der Neuaufguss „Heroes Reborn“ hätte toll werden können, aber leider hat man dabei die Schwächen der späteren „Heroes“-Staffeln nicht ausgemerzt, sondern sie nur noch verstärkt.

Richtig, richtig gut dagegen ist „Bates Motel“. Man hätte es von einem „Psycho“-Prequel nicht unbedingt erwartet, aber der auf fünf Staffeln angelegten Serie ist es tatsächlich gelungen, die Hintergründe von Norman Bates und seiner Mutter interessant und plausibel zu beleuchten. Die Staffeln drei und vier habe ich dieses Jahr hier im Blog besprochen. Weniger begeistert war ich von Woody Allens erster „Fernsehserie“ „Crisis in Six Scenes“. Ich habe „Fernsehserie“ hier bewusst in Anführungszeichen geschrieben, denn eigentlich handelt es sich dabei nur um einen in sechs Teile aufgespaltenen Film. Die jeweils 22 Minuten langen, auf Amazon Video verfügbaren Folgen bieten typischen, größtenteils recht altbackenen Woody Allen-Humor. Darunter sind zwar hin und wieder wirklich gelungene, lustige Momente, doch zu Allens besseren Werken gehört dieser „Serienfilm“ bestimmt nicht. (Außerdem verdient sich „Crisis in Six Scenes“ den Preis für den unkreativsten Titel des Jahres. Hat da jemand aus Versehen den Arbeitstitel der Serie stehen lassen!?)

Im Herbst habe ich mir die letzten Folgen von „Mad Men“ angeschaut und wurde nicht enttäuscht. Die Serie hat ihr durchgehend hohes Niveau halten können und ein nicht spektakuläres, aber angemessenes und passendes Ende gefunden. Neu angefangen habe ich dagegen mit „Scream“. Die Serie basiert auf der gleichnamigen Slasherfilmreihe und es gelingt ihr recht erfolgreich, die aus den Filmen bekannte Metaeben (z.B. in Form von Diskussionen über die Regeln des Slasher-Genres) ins Fernsehen zu übertragen. Natürlich handelt es sich dabei um Unterhaltung mit nicht allzu viel Tiefgang, aber für zwischendurch eignet sich die Serie allemal. Staffel zwei habe ich auch schon angeschaut.

Eines meiner Serienlangzeitprojekte ist Joss Whedons „Buffy the Vampire Slayer“. Vor ein paar Jahren habe ich mit der ersten Staffel angefangen und lasse mir zwischen den Staffeln immer ziemlich viel Zeit. Mittlerweile habe ich sechs Staffeln geschafft (und drei Staffeln von „Angel“, das ich parallel anschaue), aber erst bis zur fünften Staffel gebloggt. Ich werde demnächst mit dem Anschauen der letzten Staffel anfangen und hoffentlich auch noch einen Blogpost über Staffel sechs schreiben, aber so begeistert wie zu Beginn bin ich von der Serie nicht mehr.

Nach wie vor begeistert bin ich aber natürlich von meiner Lieblingsserie „Babylon 5“. Seit ich vor ein paar Jahren einen einführenden Überblick über J. Michael Straczynskis revolutionäre Science Fiction-Saga geschrieben habe, blogge ich in unregelmäßigen Abständen über jede einzelne Folge. Immerhin bis zur vorletzten Episode der ersten Staffel habe ich es 2016 geschafft; weitere Blogposts werden definitiv folgen, ich hatte nur in den letzten Monaten zu wenig Zeit dazu. Ebenfalls noch nicht gebloggt habe ich über Straczynskis neue Serie „Sense8“, die er zusammen mit den Wachowski-Schwestern realisiert hat. Die 2015 gestartete Netflix-Serie wurde vor einer Woche endlich mit einem Christmas Special fortgesetzt und soll im Mai eine zweite Staffel spendiert bekommen. Ich bin schon sehr gespannt, da ich „Sense8“ für eine der wichtigsten gegenwärtigen Serien halte!

Weiterhin habe ich dieses Jahr die zweite Staffel von „True Detective“ angeschaut (nicht so mein Fall) und mir endlich die Miniserie „Top of the Lake“ angesehen (schon viel eher mein Fall – und wenn mir jemand gesagt hätte, diese düstere und deprimierende Serie sei die dritte Staffel von „True Detective“, hätte ich das sofort geglaubt). Neben der zweiten Staffel von „The Newsroom“ (ich liebe Aaron Sorkins Dialoge!) habe ich mir auch die erste Staffel von „The Extant“ angeschaut (interessant, leider gibt es ja nur eine weitere Staffel).

Mit der Science Fiction-Anthologieserie „Black Mirror“ habe ich zumindest schon angefangen und bin davon sehr angetan. Auch „Devious Maids“ von „Desperate Housewives“-Schöpfer Marc Cherry habe ich begonnen zu gucken und war zumindest ein paar Tage lang süchtig danach, das hat sich also schnell wieder gelegt. Ich weiß also nicht, ob ich das weiter anschauen werde. Ach ja, bevor ich’s vergesse: ich habe dieses Jahr auch wieder ein bisschen „Star Trek“ geguckt, genauer gesagt die zweite Staffel von „Enterprise“. Ich freue mich schon auf die neue „Star Trek“-Serie, die im Mai starten wird!

Schließlich gab es dieses Jahr natürlich auch ein paar Serien, die ich anzuschauen begonnen habe, die aber nicht so ganz meinen Geschmack getroffen haben. Darunter waren „Terminator: The Sarah Connor Chronicles“, „Penny Dreadful“ und „Ascension“. Auch von „The Expanse“ habe ich bislang nur zwei Folgen gesehen, die mich vor allem verwirrt haben. Bei „Luke Cage“ bin ich noch nicht über Episode 1 hinaus gekommen, die ich eigentlich nicht so toll fand. Da mir aber die anderen Marvel-Serien bei Netflix so gut gefallen haben, werde ich vielleicht doch irgendwann weitersehen. „Masters of Sex“ wollte ich schon lange sehen und habe 2016 endlich damit begonnen. Eigentlich ist die Serie ziemlich gut, aber der Funke wollte dann doch nicht überspringen. Manchmal wäre es vielleicht doch besser, nicht aus jedem Thema gleich eine Serie zu machen. Ein „Masters of Sex“-Film wäre jedenfalls sehr viel schneller zu konsumieren gewesen.

Was alle an „Mr. Robot“ so toll finden, habe ich noch nicht verstanden und hier auch nach drei oder vier Folgen erstmal Schluss gemacht. Die Serie ist zwar gut gemacht, bietet aber meiner Meinung nach nicht viel Neues. Es geht mal wieder um einen unsicheren männlichen Protagonisten, der seine Gefühle schlecht ausdrücken kann und sich im Umgang mit anderen Menschen schwertut. Das kennen wir inzwischen schon zu Genüge aus anderen Serien (Sherlock, „Dexter“).

Falls Ihr diesen Text tatsächlich bis hierhin gelesen haben solltet, wünsche ich euch an dieser Stelle ein gutes, gesundes und erfolgreiches Jahr 2017! Möge es uns viele tolle neue Filme und Serien bringen. 🙂

Rogue One

Dieser Blogpost enthält Spoiler!


Ich war im Vorfeld gar nicht so sehr gespannt auf den neuen „Star Wars“-Film. Obwohl letztes Jahr mit „Das Erwachen der Macht“ erst der erste von vielen sich bei Disney und Lucasfilm in Planung befindenden neuen „Star Wars“-Filmen ins Kino gekommen war, war 2016 für mich schon von einem „Zuviel an Star Wars“ geprägt. Während man zu Zeiten der Prequel-Trilogie jeweils drei Jahre zwischen den Filmen Zeit hatte, um das Gesehene und Erlebte zu verarbeiten, über den Fortgang der Geschichte zu spekulieren, sich mal zwischendurch auch kaum mit „Star Wars“ zu beschäftigen und dann allmählich wieder von der Vorfreude auf den nächsten Film gepackt zu werden, ist das nun nicht mehr möglich. Sofort nach der Heimkino-Veröffentlichung von Episode VII wurde die Marketingmaschine für „Rogue One“ angeschmissen; eine Pause gab es nicht. Noch dazu war hier in München „Star Wars“ über Monate hinweg im Stadtbild präsent – Plakate warben für die „Star Wars Identities“-Ausstellung und zwischenzeitlich auch für „Star Wars“-Parfum. Man kann also durchaus jetzt schon von einer leichten Übersättigung sprechen.
Jyn Erso (Felicity Jones)Aber ich will mich (noch) nicht beschweren. In den letzten zwei oder drei Wochen vor dem Kinostart von „Rogue One“ hat mich das „Star Wars“-Fieber dann doch wieder gepackt. Natürlich habe ich den Film bereits am Starttag wieder zweimal angeschaut, wie schon „Das Erwachen der Macht“ im letzten Jahr. Und ich habe mich sehr gut unterhalten gefühlt.

Den Gerüchten um ausgiebige Nachdrehs und den zahlreichen Szenen aus den Trailern, die im fertigen Film vorkommen nach zu urteilen, waren die Handlung des Films sowie die Charakterisierung einiger Figuren noch relativ spät größeren Änderungen unterworfen (einige Spekulationen dazu finden sich hier). Angemerkt hat man das dem fertigen Film kaum. Dieser fühlt sich durch und durch nach „Star Wars“ an und ist zwar phasenweise etwas düsterer und gewalttätiger als die Episoden der Skywalker-Saga, aber grundsätzlich viel anders macht der Film nicht. Was ihn allerdings positiv von Episode VII abhebt, ist die Bereitschaft, neue Welten und Schauplätze vorzustellen. Denn während sich J.J. Abrams in „Das Erwachen der Macht“ fast schon ängstlich an aus früheren Filmen bekannte Bilder, Landschaften und Szenarien hielt, betritt Regisseur Gareth Edwards mit „Rogue One“ in dieser Hinsicht öfter Neuland. Besonders interessant fand ich den Planeten Jedha mit seiner heiligen Stadt, in der sich ein früherer Jedi-Tempel befindet. Obwohl – oder gerade weil – dies im Film nur kurz erwähnt wird, will ich unbedingt mehr darüber erfahren. Auch die vom Imperium besetzte Stadt an sich stellt einen interessanten neuen Schauplatz dar, ebenso wie der tropische Planet Scarif.

Die Schlacht um ScarifDie Handlung an sich war stellenweise etwas wirr, unlogisch und künstlich in die Länge gezogen. Auch erschienen mir nicht alle Szenen des Films wirklich etwas zur Geschichte beizutragen; den Prolog etwa hätte man gar nicht gebraucht, ebenso wie die Szenen auf Eadu. Ähnliches gilt für die Figuren, derer es zu viele im Film gibt. Nicht alle sind für die Geschichte wirklich notwendig und viele von ihnen erfahren kaum Charakterisierung oder Entwicklung. Den Auftritt von Jyns Vater Galen Erso (Mads Mikkelsen) hätte man eigentlich auf seine Hologramm-Botschaft beschränken können und ähnliches gilt für den desertierten imperialen Piloten Bodhi Rook (Riz Ahmed), der erst in der Schlacht am Ende aktiv für die Handlung relevant wird. Umgekehrt verhält es sich mit Saw Gerrera (Forest Whitaker; die Figur tauchte übrigens erstmals in der fünften Staffel von „The Clone Wars“ auf): er wird erst mysteriös und bedeutungsschwanger in die Handlung eingeführt, ohne dann aber viel zu tun zu haben. Streng genommen ist auch die erste der beiden Szenen mit Darth Vader reiner Fanservce, aber was habe ich mich gefreut, das alte Ralph McQuarrie-Konzept von Vaders Festung auf einem Lavaplaneten doch noch in einem „Star Wars“-Film zu sehen!

Director Krennic (Ben Mendelsohn)Überhaupt gab es natürlich eine Menge toller Anspielungen und Easter Eggs. Die Erwähnung von „General Syndulla“ (womit wohl Hera Syndulla aus „Rebels“ gemeint ist) in einer Durchsage in der Rebellenbasis, fand ich besonders toll. Auch dass einige der Piloten, die in Episode IV in der Schlacht um den Todesstern mitkämpfen, durch 1976 gedrehtes, aber damals nicht im Film verwendetes Material nun noch einmal auf der Leinwand auftauchen, ist großartig. Doch die beiden Figuren, über die natürlich am meisten geredet wird, sind Grand Moff Tarkin und Prinzessin Leia, die hier dank moderner CGI-Technik so auf der Leinwand erscheinen, wie sie 1977 zu sehen waren. Leias Szene ist zwar sehr kurz und Tarkin tritt wohl bewusst nur in relativ dunklen Szenen auf, dennoch haben die beiden Figuren im Kino für offene Münder und erstauntes Keuchen gesorgt.

Der Film hat mir beim zweiten Mal deutlich besser gefallen, weil ich dabei schon mit der teilweise etwas wirren und unlogischen Handlung vertraut war. Gerade im Mittelteil zieht sich die Geschichte doch arg in die Länge und nimmt erst mit der Ankuft auf Scarif so richtig Fahrt auf. Hochemotional wird es schließlich erst in den letzten Minuten, als die Soldaten der Allianz von Darth Vader niedergemetzelt werden und unter Einsatz ihres Lebens die Todessternpläne weitergeben. Nachdem Leia den Datenträger schließlich erhält, ist der Film abrupt zu Ende; ich hatte erwartet, dass es danach noch einige Minuten lang weiter geht und wir Leia, R2-D2, C-3PO und Captain Antilles noch eine Weile auf ihrer Flucht Jedhavor Darth Vader folgen, aber das wäre nur weiterer Fanservice gewesen und hätte nichts Wichtiges zum Film beigetragen. Man kann aber ganz klar sagen, dass man „A New Hope“ fortan mit anderen Augen sehen wird…

Insgesamt bin ich also sehr zufrieden mit „Rogue One“. Denn trotz einer teilweise etwas zähen Handlung, zu vielen Figuren und einigen Logiklöchern hat mir der Film großen Spaß gemacht, sich eindeutig wie „Star Wars“ angefühlt und einige interessante Schauplätze eingeführt.

Bilder: Copyright Walt Disney Pictures

Der Nachtmahr

„Der Nachtmahr“ hatte bereits 2015 auf dem Filmfest München seine Premiere und kam dieses Jahr im Mai deutschlandweit in die Kinos. Pünktlich zum DVD- und Blu-ray-Start am 27.10. habe ich den Film von Akiz alias Achim Bornhak nun auch endlich gesehen.Der Nachtmahr - Blu-ray

Tina (Carolyn Genzkow) ist 17 Jahre alt und ein ganz normaler Teenager. Sie geht gerne auf Parties und steht kurz vor dem Abitur. Mit ihren Eltern, mit denen sie ab und zu Stress hat, lebt sie als Einzelkind in einem Haus irgendwo im Großraum Berlin. Eines Abends beginnt sie zuhause aus der Küche kommende Geräusche zu hören. Sie schleicht sich ins Erdgeschoss und entdeckt ein kleines, hässliches Wesen, das gerade dabei ist, den Kühlschrank zu plündern. Aber als Tina ihre Eltern herbeiruft, ist das Wesen fort. Ihr Vater und ihre Mutter glauben ihr nicht und schicken sie lieber zu einem befreundeten Neurologen. Der soll die Tochter richten… Er verschreibt Tina Medikamente, empfiehlt ihr aber auch, das Wesen anzusprechen, es zu konfrontieren. Auf diese Weise soll sich herausstellen, ob es wirklich real ist…

Tina (Carolyn Genzkow)Der Film beginnt mit mehreren Texteinblendungen, von denen die ersten beiden vor den blitzenden Lichtern und lauten Geräuschen warnen, bevor die dritte Einblendung schließlich hinterher schiebt: „Wie auch immer, dieser Film sollte laut abgespielt werden.“ Wer sich daran hält, wird gleich in den ersten Minuten von wummernden Bässen durchgerüttelt, als Tina mit ein paar Freunden eine Party besucht. Der Film ist vollkommen auf die Hauptfigur konzentriert, Tina taucht in so gut wie jeder Szene auf. Obwohl „Der Nachtmahr“ Horror-Elemente enthält, ist der Film viel mehr die Geschichte eines pubertierenden, von Unsicherheiten geplagten und sich von ihren Eltern unverstanden fühlenden Mädchens. Akiz kommt es weniger darauf an, Schreckmomente zu schaffen, als den Zuschauer ins Gesicht und damit die Seele von Tina blicken zu lassen.

Leider vernachlässigt der Film alle anderen seiner Figuren. Über Tinas Freunde erfährt man so gut wie nichts, sie bleiben allesamt Stichwortgeber. Die Beziehung zwischen Tina und ihren Eltern wird zwar recht gut herausgearbeitet, doch auch hier hätte ich mir gewünscht, das Ganze gelegentlich aus der Sicht der Eltern zu sehen. Aber Akiz kam es wohl darauf an, die Welt ganz aus der Sicht seiner Protagonistin zu zeigen. Mit Carolyn Genzkow hat er dabei zum Glück eine Hauptdarstellerin gefunden, die der Aufgabe gewachsen ist, einen vollkommen auf sie zugeschnittenen Film zu schultern. Leider sind die Leistungen aber nicht in allen Bereichen so großartig. Schauspielerisch ist der Film insgesamt durchwachsen; ganz besonders Arnd Klawitter fiel mir in seiner Rolle als Tinas Vater aufgrund seines unnatürlichen Schauspiels fast durchweg negativ auf (oder sollte das die Unbeholfenheit seiner ratlosen Figur sein?). Formal ist „Der Nachtmahr“ auf den ersten Blick beeindruckend, mit zunehmender Länge fragt man sich jedoch, was der fortwährende Einsatz laut wummernder Musik zu dunkel gehaltenen Partyszenen bezwecken soll.

Arnd Klawitter, Carolyn Genzkow, Julika JenkinsInhaltlich ist der Film aber auf jeden Fall interessant und lädt zu zahlreichen Interpretationen ein. Zu Beginn des Films dachte ich mir, der Nachtmahr sei vielleicht eine Metapher für Vergewaltigung (weil Tina im Gebüsch am Rand einer Party von dem Wesen erschreckt wird). Wahrscheinlich steht er aber ganz einfach für all das, was Teenager erleben und fühlen, aber Erwachsene nicht so recht verstehen. Tinas Eltern sind überzeugt davon, ihre Tochter durch Arztbesuche, Klinikaufenthalte und Medikamente wieder „normal“ machen zu können. Dabei wären vielleicht erst einmal ein paar lange und tiefgehende Gespräche mit ihrem Kind nötig.

Noch allgemeiner könnte man den Film als eine Geschichte deuten, die dazu ermutigen soll, zum eigenen (Anders-)Sein zu stehen. Denn seien wir einmal ehrlich: jeder von uns schleppt seinen eigenen Nachtmahr – ein Bündel an einengenden und erdrückenden Erlebnissen, Erinnerungen, Vorstellungen und Erwartungen – mit sich herum. Obwohl „Der Nachtmahr“ also insgesamt kein ganz rundes Bild ergeben will und viele der stilistischen Spielereien ins Leere führen, ist der Film also dennoch sehr interessant. Dafür sorgen vor allem die überzeugende Leistung der Hauptdarstellerin und der nicht auf billige Schockeffekte angelegte, ruhige Erzählstil.

Party!Inhaltlich weist „Der Nachtmahr“ übrigens zahlreiche Parallelen zu Spielbergs „E.T.“ auf. In beiden Filmen entdeckt die Hauptfigur ein seltsames, hässliches, aber auch irgendwie freundlich erscheinendes Wesen, das sie zunächst vor anderen geheim zu halten versucht (und mit fortschreitender Handlung zeigen sich in „Der Nachtmahr“ noch weitere Ähnlichkeiten zu „E.T.“). Letztendlich stehen die fremden Wesen wohl für die Einsamkeit und Isolation, die sowohl Kindheit als auch Jugend mit sich bringen können. Das Ende der Geschichte aber ist in „Der Nachtmahr“ ein anderes und man könnte es zwar wie erwähnt als Anerkennung des eigenen (Anders-)Seins deuten, aber auch als vollkommenes Abdriften der Hauptfigur in die Geisteskrankheit. Wie auch immer, ich muss jedenfalls zugeben, dass ich nach dem Filmende schnell hinter meiner Couch nachgeschaut habe, ob sich dort nicht irgendein seltsames Wesen verbirgt…

Bilder: Copyright Koch Films

Filmfest München: „Lo and Behold“, „Made in France“ & „Die letzte Sau“

Über zahlreiche Filme aus dem diesjährigen Programm des Filmfest München habe ich schon gebloggt, ein paar wollen aber noch abgearbeitet werden. Da wäre zum Beispiel Werner Herzogs Dokumentation „Lo and Behold, Reveries of the Connected World“. Die deutsche Regie-Legende versucht darin, einem Phänomen auf den Grund zu gehen, von dem Herzog selbst recht wenig versteht: moderne Computertechnologie, insbesondere das Internet. Unterteilt in zehn Segmente widmet er sich unter anderem der Entstehung des Internet, künstlicher Intelligenz, der Frage wie man ein Internet auf dem Mars möglich machen wird oder auch Menschen, die sich entschlossen haben, abseits der Zivilisation in einem nahezu strahlungsfreien Gebiet zu leben.
LO_AND_BEHOLD+ROBOT_700Eine kurze Umfrage des in den Film einführenden Moderators vor der Vorstellung ergab, dass sich die Mehrheit der Zuschauer als unerfahren im Umgang mit Computern und Internet bezeichnen würden. Herzogs Film trug leider nicht viel dazu bei, diesen meist älteren Kinobesuchern die Angst vor der Technologie zu nehmen – ganz im Gegenteil. Werner Herzog schlägt sich in „Lo and Behold“ auf die Seite der Ängstlichen und Unsicheren, die sich mit Technik kaum auskennen und dürfte auch beim gleichermaßen unerfahrenen Zuschauer Ängste vor der Technik hervorrufen. Zwar kommen durchaus auch ein paar positive Aspekte des technologischen Fortschritts zur Sprache, insgesamt überwiegt aber die Darstellung der Nachteile und Gefahren. Zudem bleibt der Film – jedenfalls für auf dem Gebiet bewandertere Zuschauer – zu oberflächlich und dringt in kaum eines der zehn Themengebiete tiefer ein. Herzog erweist sich als großer Zweifler, der den Zukunftsszenarien seiner Interviepartner (darunter z.B. Elon Musk) kaum Positives abgewinnen kann. Bestes Beispiel dafür ist der Schluss des Films: Da erzählt ein Forscher, dass irgendwann in der Zukunft direkter zwischenmenschlicher Kontakt möglicherweise kaum noch nötig oder gewünscht sein wird, weil künstliche Lebensformen dann vielleicht als mit biologischen gleichgesetzt betrachtet werden. Er fügt hinzu, dass man sich das heute kaum vorstellen kann, was im Fall von Werner Herzog definitiv zutrifft. Der kommentiert dieses Szenario nämlich dadurch, dass er den Film anschließend mit einer Einstellung beendet, in der man ein paar vor der Zivilisation Geflüchtete in besagtem strahlungsarmen Gebiet gemeinsam musizieren sieht. Die Botschaft scheint klar: diese zwischenmenschliche Nähe werden Maschinen niemals ersetzen können. Schade, dass Herzog sich hier als so engstirnig erweist und nicht offener an das Thema herangeht. Er hätte damit etwas in den Köpfen seines Publikums bewegen können, statt nur festgefahrene Vorurteile und Ängste zu zementieren.

MadeInFrance02_700Ein weiterer höchst aktueller Film ist „Made in France“. Der französische Thriller von Nicolas Boukhrief handelt von einem Journalisten, der undercover in einer islamistischen Terrorzelle recherchiert. Gedreht 2014, wurde der französische Kinostart nach den Anschlägen in Paris im Januar und November 2015 mehrmals verschoben; inzwischen ist der Film in Frankreich für den Heimkinomarkt erschienen und soll auch in Deutschland nur auf DVD oder über Streamingportale veröffentlicht werden (teilweise wird er auch unter dem Titel „Inside the Cell“ vertrieben). Der Film ist durchgehend spannend inszeniert und die Darsteller spielen äußerst überzeugend. Dennoch wird man nach dem Filmende etwas ratlos im Kinosessel zurückgelassen. Zwar hat man soeben nervenzerreißende 90 Minuten erlebt, doch der Erkenntnisgewinn bleibt gering. „Made in France“ nimmt sich nicht die Zeit, das Glaubenssystem und die Weltsicht der Terroristen detalliert zu betrachten und bleibt damit ein konventioneller, wenn auch gut gemachter und unterhaltsamer Thriller. Aber wie soll man Terror auch verstehen?

Ein dritter Film mit Bezug zur aktuellen Gesellschaftslage ist „Die letzte Sau“ von Aron Lehmann. In seinem dritten Kinospielfilm nach „Kohlhaas“ und „Highway to Hellas“ erzählt der Regisseur die Geschichte des schwäbischen Bauern Huber (Golo Euler), der nach der Pleite seines Hofes und einigen weiteren Schicksalsschlägen frustriert das Handtuch wirft und sich auf einen Roadtrip quer durch Deutschland begibt. Im Beiwagen seines Mopeds mit dabei: die titelgebende letzte Sau, das einzige Überbleibsel seines Bauernhofes. Auf dem Weg durchs Land begegnet Huber einigen anderen schrägen Gestalten, die alle auf die eine oder andere Weise Opfer von Wirtschaft und Politik geworden sind. Da ist zum Beispiel ein ehemaliger Investmentbanker, der auf den Rat seines Psychotherapeuten hin zum Imker umgesattelt hat, aber immer noch einen unbändigen Hass auf die gnadenlose Ellbogengesellschaft der Finanzwelt in sich trägt. Überzeugt, dass es im Land nicht so weitergehen kann, zettelt Huber unterwegs unbeabsichtigt eine Revolution an.
drei-freunde_dieletztesau01_700Trotz der Verwurzelung der Geschichte in Deutschland und des schwäbischen Dialekts seiner Hauptfigur erzäglt „Die letzte Sau“ im Grunde eine universelle Geschichte. Denn die Folgen von Wirtschaftswachstum, Konkurrenzdenken, Leistungsoptimierung und Globalisierung betreffen nicht nur Bauernhöfe (und andere Unternehmen) in Deutschland. Die Art und Weise, wie Lehmann hier seine Zuschauer auf einige der negativen Folgen der Massentierhaltung aufmerksam macht, gefällt mir. Vielleicht braucht es einen solchen, sowohl sehr lustigen als auch immer wieder tragischen Film, um mehr Leute für dieses Thema zu sensibilisieren. Ich würde mich zwar nicht vollkommen hinter die Botschaft des Films stellen, wonach das Ursprüngliche und Traditionelle dem Modernen stets vorzuziehen ist. Aber die Entfremdung des Menschen von der Natur und die Folgen immer größeren, gedankenlosen Konsums sind wichtige Themen, die man im Kino selten auf so unterhaltsame Weise geschildert bekommt. „Die letzte Sau“ kommt im Oktober regulär in die Kinos.

Copyright Bilder: Filmfest München

Filmfest München: „Oscuro Animal“, „Ein deutsches Leben“, „La Ciénaga“ & „Días Extraños“

OscuroAnimal-02_700Das 34. Filmfest München ist inzwischen vorbei, aber ich will noch über ein paar weitere Filme bloggen, die ich gesehen habe. Der ungewöhnlichste davon war wohl „Oscuro Animal“ von Felipe Guerrero. In getrennten Handlungssträngen kämpfen sich darin drei Frauen durch den Dschungel Kolumbiens, auf der Flucht vor dem Bürgerkrieg. Der Film kommt vollkommen ohne Dialoge aus, was es nicht immer leicht macht, hier der Handlung zu folgen. Am Anfang kam mir das noch sehr seltsam und schwierig vor, doch irgendwann habe ich begonnen, einfach die fantastisch schönen Bilder zu genießen und mich von ihnen treiben zu lassen. „Oscuro Animal“ muss man definitiv im Kino sehen, nicht nur weil der Film auf die große Leinwand gehört, sondern auch weil man sich zuhause doch zu leicht dazu verleiten lässt, nebenbei andere Dinge zu tun. Dieser Film aber lebt davon, dass man zu- und hinschaut. Er versetzt einen dabei gelegentlich in einen entspannenden, fast meditativen Zustand, bringt einen aber auch immer wieder mit sehr harten und brutalen Szenen aus der Ruhe. Anders, aber gut!

A_German_Life+05_700Anders, aber sehr, sehr gut ist auch „Ein deutsches Leben“. Für die Dokumentation haben vier Regisseure Brunhilde Pomsel interviewt, die als Sekretärin für Joseph Goebbels gearbeitet hat. Die zum Zeitpunkt der Filmaufnahmen 103-jährige Dame erzählt im Film ihre Lebenserinnerungen bis zum Ende des zweiten Weltkriegs. Es geht also nicht nur um ihre Arbeit im „Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda“, sondern beispielsweise auch um die Vorkriegszeit und um Schuldfragen. Die Einblicke aus erster Hand, die man dabei erhält, sind immer wieder faszinierend. Die Interviewaufnahmen Pomsels, bei denen man stets nur ihr Gesicht in Nahaufnahme und schwarz-weiß sieht, werden immer wieder durch zeitgenössische Aufnahmen unterbrochen, z.B. Reden von Goebbels oder amerikanische und deutsche Propagandafilme. Das ist mitunter sehr schwer anzusehen, in Kombination mit Pomsels Worten macht es einem aber nochmals die Realität des Holocausts bewusst und regt dazu an, Fragen zu stellen. „Ein deutsches Leben“ ist ein sehr gelungener und wichtiger Film geworden. Bei der Premiere (in einem dafür viel zu kleinen und sehr heißen Kinosaal!) war die nun 105-jährige Protagonistin selbst anwesend und überraschte alle Zuschauer mit ihrem Witz, ihrer Schlagfertigkeit und ihrer immer noch ungebrochenen Geistesstärke. Ein sehr bewegender Film über eine bemerkenswerte, beeindruckende Frau. („Ein deutsches Leben“ wird noch dieses Jahr seinen regulären Kinostart in Deutschland haben und später auch im Fernsehen gezeigt werden.)

Ein ebenfalls sehr bewegender Film wurde am Abend desselben Tages gezeigt: „La Ciénaga – Entre El Mar Y La Tierra“ („Between Land and Sea“). Allerdings war der Film nur für die meisten anderen Kinobesucher bewegend; ein Großteil der Zuschauer saß nämlich nach dem Filmende mit Tränen in den Augen da, während ich „La Ciénaga“ ziemlich platt und rührselig fand. In einem Pfahlhüttendorf an der kolumbianischen Küste lebt der 28-jährige Alberto (Manolo Cruz) gemeinsam mit seiner Mutter (Vicky Hernandez). Alberto leidet seit seiner Kindheit an einer unheilbaren Nervenkrankheit, die ihn nahezu bewegungslos gemacht hat. Aber Alberto hat einen ganz besonderen Wunsch: er möchte einmal aufs Meer hinausfahren.
LaCienaga-02_700„La Ciénaga“ ist beim Filmfestival in Sundance vom Publikum zum besten Film gewählt worden, was ich mir nur dadurch erklären kann, dass es sich hier um auf den kleinsten gemeinsamen Nenner gebrachtes Wohlfühlkino handelt. Die Auszeichnung der beiden Hauptdarsteller als beste Schauspieler auf demselben Festival kann ich da schon eher nachvollziehen. Manolo Cruz, der Alberto spielt und auch Regie geführt hat, hat eindeutig viel Recherche betrieben, um den Nervenkranken überzeugend darzustellen. Trotzdem habe ich hier aber zu keinem Zeitpunkt wirklich mitfühlen können, dazu erschien mir der Film von Anfang an zu kalkuliert und zu sehr auf große Gefühle aus zu sein. Auch hätte ich gerne mehr über die Lebensart der in dem Pfahlhüttendorf lebenden Fischer erfahren, doch der Film bleibt die ganze Zeit über bei Alberto, seiner Mutter und seiner besten Freundin. Das Ergebnis ist ein rührseliges Kammerspiel vor schöner Kulisse, mit einer nicht überaschenden, aber trotzdem für mich nicht nachvollziehbaren Entwicklung am Ende. Kann man sich anschauen, man verpasst aber nichts, wenn man es nicht tut.

DIAS+EXTRANOS+1_700Interessanter fand ich da schon „Días Extraños“ („Strange Days“) von Juan Sebastián Quebrada. Der in schwarz-weiß gefilmte Film zeigt den Alltag eines jungen kolumbianischen Paares in Buenos Aires. Luna und Juan haben kaum Geld, schlagen sich aber irgendwie durch. Sie streiten sich, haben Sex, gehen feiern. Viel mehr passiert eine ganze Weile nicht und trotzdem fand ich den Film da schon interessant, vor allem aufgrund der überzeugenden Darsteller, die das alles so lebensecht wirken lassen. Später aber lernen die beiden eine junge Frau kennen und nehmen sie mit zu sich in die Wohnung. Luna verabreicht ihr ein starkes Beruhigungsmittel und am nächsten Morgen wacht die Frau nackt zwischen Luna und Juan auf, bevor sie fluchtartig die Wohnung verlässt. Was genau in der Nacht zuvor geschehen ist, wird nicht explizit erwähnt und der Vorstellung des Zuschauers überlassen. Doch später kehrt die junge Frau zurück, um einen Racheakt zu vollziehen. „Días Extraños“ bleibt zwar in gewisser Weise Stückwerk, weil hier vieles unausgesprochen bleibt und der Konflikt zwischen den Figuren nicht aufgelöst wird. Dennoch hat mich der Film fasziniert. Er war sehr gut gespielt, schön anzuschauen und regt einen vor allem zum Nachdenken an. Ein starkes Stück Kino, wenn es auch wie gesagt etwas unvollendet wirkt und das Ende dann doch etwas mehr Erklärung nötig gehabt hätte.

Mindestens ein weiterer Blogpost über die Filmfest-Filme folgt noch! 🙂

Copyright Bilder: Filmfest München

Filmfest München: „Puppet Syndrome“, „Niemand kennt die Persian Cats“ & „El Olivo“

Das Filmfest München neigt sich dem Ende zu und wie jedes Jahr habe ich zwar viele, viele Filme gesehen, aber auch viele andere links liegen lassen, obwohl ich sie gerne gesehen hätte. Mehr als drei oder vier Filme am Tag anzuschauen, ist wirklich nicht empfehlenswert und man muss ja auch noch irgendwann schlafen und über die Filme schreiben… Meine ausführliche Besprechung des fantastischen Eröffnungsfilms „Toni Erdmann“, der am 14.7. regulär in den Kinos startet, könnt ihr hier lesen.

PuppetSyndrome-Szenenfoto5_700In der Reihe „Spotlight“ lief dieses Jahr u.a. die russische Literaturverfilmung „Puppet Syndrome“ („Sindrom Petrushki“) nach dem Roman von Dina Rubina. Sie erzählt die Geschichte des seit seiner Kindheit vom Puppentheater faszinierten Petya (Evgeniy Mironov) und seiner Liebe zu Lisa (Chulpan Khamatova). Petya erschafft eine lebensecht wirkence Puppe nach Lisas Abbild, was natürlich für Probleme sorgt. Ehrlich gesagt habe ich keine Lust, den Inhalt ausführlicher zusammenzufassen, weil mir der Film nicht besonders gefallen hat. Die Geschichte war zwar äußerst schön gefilmt und mit der einer Literaturverfilmung gebührenden rührenden, orchestralen Musik versehen, lief aber größtenteils überraschungsfrei ab. Noch dazu war mir der Hauptdarsteller leider nicht besonders sympathisch und ironischerweise war es gerade sein Gesicht, das hier besonders maskenhaft wirkte. Zudem konnte ich nicht nachvollziehen, warum Lisa im Lauf des Films in ein psychiatrisches Krankenhaus eingewiesen wurde, obwohl  doch Petya hier eindeutig der „Verrücktere“ von beiden war. Aber vielleicht wirkt das auch nur von außen betrachtet so. Der Film war jedenfalls ganz nett, wird mir aber nicht besonders in Erinnerung bleiben.

NiemandKenntDiePersianCats-Still01_700Einen positiveren Eindruck hat „Niemand kennt die Persian Cats“ („Kasi az gorbehaye irani khabar nadareh“) bei mir hinterlassen. Nachdem mich „Schildkröten können fliegen“ sehr beeindruckt hatte, beschloss ich mir einen weiteren Film aus der dem iranischen Regisseur Bahman Ghobadi gewidmeten Retrospektive anzuschauen. Während er sich in „Schildkröten können fliegen“ den Kindern eines Flüchtlingslagers gewidmet hatte, taucht Ghobadi hier ganz in die Underground-Musikszene von Teheran ein. Die Grenzen zwischen Dokumentar- und Spielfilm verschwimmen dabei, da die Darsteller dieser Szene tatsächlich angehören und von Ghobadi angwiesen wurden, für den Film einfach ihren Alltag nachzuspielen. Die Handlung dreht sich um ein Musikerpaar, das eine Band gründen und sich nach England absetzen will. Doch das ist angesichts der politischen Situation im Iran alles andere als leicht und so sind die beiden nicht nur auf der Suche nach weiteren Bandmitgliedern, sondern müssen sich auch falsche Pässe besorgen.
Nach „Mali Blues“ war dies mein zweiter Filmfest-Film, der die Situation von Künstlern in einem Land zeigt, in dem die Freiheit von Kunst und Musik unterdrückt wird. Das ist für uns im Deutschland von 2016 nahezu unvorstellbar, aber leider in zahlreichen Ländern Realität und kann auch als mahnendes Beispiel dienen, es nicht auch hierzulande wieder so weit kommen zu lassen. Ghobai erweist sich hier abermals als äußerst präziser Beobachter und lässt seine Zuschauer ganz in die im Film portraitierte Welt abtauchen. „Niemand kennt die Persian Cats“ zeigt eine Seite des Irans, die man als westlicher Medienkonsument nur sehr selten zu Gesicht bekommt. Genau wie „Schildkröten können fliegen“ und einige weitere Filme von Ghobdi ist der Film übrigens auf DVD erhältlich.

Olivo-09616-joseharo_700Zurück nach Europa ging es für mich schließlich mit „El Olivo – Der Olivenbaum“. In dieser spanisch-deutschen Produktion fährt die junge Alma (Anna Castillo) gemeinsam mit zwei Helfern von Spanien nach Düsseldorf, um dort einen 2000 Jahre alten Olivenbaum zurückzuholen, der einst im Olivenhain ihres Großvaters gestanden hat. Der Baum steht mittlerweile im Innenhof der Zentrale eines großen Energiekonzerns, doch Alma, die zahlreiche Kindheitserinnerungen mit dem Baum verbindet, möchte ihn für sich und ihren Großvater zurückholen. Im Festivalprogramm wird „El Olivo“ als „Feel-Good-Drama“ beschrieben, was es ziemlich gut trifft. Hier ist von Anfang an klar, wer die „Guten“ und die „Bösen“ sind; man fiebert mit Alma mit und entwickelt Verachtung für die Anzugträger in Düsseldorf, die den Baum natürlich nicht hergeben wollen. Mir persönlich war die Geschichte etwas zu leer und vorhersehbar, doch die Hauptdarstellerin war äußerst charmant und der Film hatte sowohl Herz als auch Witz. Dass die Geschichte zudem durchaus eine hohe Symbolkraft in sich trägt, wurde mir erst hinterher beim Nachdenken über den Film klar. In einer Zeit, in der Europa auseinanderzufallen droht, ist ein solcher europäischer Feel-Good-Movie vielleicht gar nicht so verkehrt. Allerdings kann man das Beharren der jungen Spanierin auf die Rückkehr „ihres“ Baumes in die Heimat auch als Abschotten gegenüber Eingriffen aus dem Ausland lesen. Auf jeden Fall ist „El Olivo“ ein Film, der zum Nachdenken über solche Dinge anregt, und das ist auf keinen Fall verkehrt.

Copyright Bilder: Filmfest München