Babylon 5 – Episode 1.17: „Legacies“

Neuigkeiten von B5-Schöpfer J. Michael Straczynski

Bevor ich zur Besprechung der Episode komme, will ich hier kurz alle Neuigkeiten zusammenfassen, die es über „Babylon 5“ und alle anderen Projekte von JMS gibt. Seit meinem letzten Blogpost ist da einiges zusammengekommen.

JMS war im Juli auf der San Diego Comic Con zu Gast, wo er seine Fans in einem einstündigen Panel auf den neuesten Stand brachte. Eine Zusammenfassung könnt ihr euch hier durchlesen, ich greife mal die wichtigsten Punkte heraus:

  • JMS nannte den Grund dafür, warum er über die letzten Jahre immer weniger Comics geschrieben hatte – aufgrund einer Augenkrankheit verschlechterte sich seine Sehkraft dramatisch. Inzwischen hat er sich einer Operation unterzogen und sieht besser als je zuvor, aus dem Comicgeschäft will er sich aber trotzdem ganz zurückziehen, weil er sich auf andere Dinge konzentrieren will (u.a. das Schreiben von Romanen). Das Ganze könnt ihr ausführlicher und in den Worten von JMS auch hier lesen.
  • Seine Comicreihe „Rising Stars“ wird verfilmt. JMS arbeitet zurzeit am Drehbuch; bei entsprechendem Erfolg soll der Film natürlich ein ganzes Filmfranchise begründen.
  • Sein Comic „Midnight Nation“ wiederum soll als Vorlage für eine Fernsehserie dienen. JMS hat vor, die ganze erste Staffel selbst zu schreiben.
  • „Sense8“ wird kurz vor Weihnachten mit einem Christmas Special fortgesetzt; Anfang 2017 soll dann die „richtige“ zweite Staffel auf Netflix veröffentlicht werden. (Inzwischen gibt es Gerüchte, dass Netflix die Serie abgesetzt haben soll. Die zweite Staffel wurde so weit ich weiß bereits komplett gefilmt und wird damit wohl auf jeden Fall noch veröffentlicht. Ich hoffe auf jeden Fall, dass an diesen Gerüchten nichts dran ist!)
  • In Bezug auf den „Babylon 5“-Kinofilm, den JMS vor zwei Jahren angekündigt hatte, gab es keine konkreten Neuigkeiten. Darauf angesprochen sagte er, dass er zunächst noch weitere TV-Serien produzieren und mindestens einen weiteren Film schreiben will. Davon erhofft er sich, dass potentielle Investoren ihm schließlich ihr Vertrauen schenken, sodass er 100 Millionen Dollar für einen B5-Film zusammenbekommt (Warner Bros. ist ja bekanntlich und unverständlicherweise überhaupt nicht mehr an „Babylon 5“ interessiert…).

Ein Video des Panels könnt ihr euch hier anschauen:

Für „House of Speak Easy“ hat JMS auf die für ihn typische, humorvolle Weise einen Fragebogen ausgefüllt. Das Ergebnis ist lesenwert. 🙂 Der Anlass dafür ist eine Veranstaltung am 20.9. in New York, bei der JMS anscheinend einen Vortrag halten wird. (Falls ihr da gerade in New York sein solltet: Tickets gibt’s hier – ich erwarte danach selbstverständlich einen Bericht von euch!)

Zum Schluss noch eine äußerst traurige Nachricht, die ihr sicherlich schon mitbekommen habt: Jerry Doyle, der in „Babylon 5“ Michael Garibaldi gespielt hat, ist am 27.7. verstorben, elf Tage nach seinem 60. Geburtstag. Erneut ist damit einer der Hauptdarsteller der Serie viel zu früh von uns gegangen. Inzwischen ist bekannt geworden, dass die Todesursache chronischer Alkoholismus war. Angesichts der Tatsache, dass Doyles Figur in „Babylon 5“ ebenfalls ein Alkoholproblem hatte, ist dies besonders tragisch (Michael Garibaldis Alkoholismus wurde in der Serie bereits mehrmals thematisiert, vor allem in „Survivors“). Einen Nachruf von JMS könnt ihr hier lesen.

 


Nun aber weiter zur Besprechung der Episode. Ich halte mich an die von JMS empfohlene Reihenfolge (die ihr ganz am Ende des Blogpost zu „Signs and Portents“ einsehen könnt). Dementsprechend ist jetzt Episode 1.17 an der Reihe, die so die vorletzte Folge der ersten Staffel bildet.

Episode 1.17 „Legacies“ („Krieger wider Willen“)

Drehbuch: D.C. Fontana, Regie: Bruce Seth Green
Erstausstrahlung: 20.07.1994 (USA), 26.11.1995 (Deutschland)

„Legacies“ wurde genau wie „The War Prayer“ von Dorothy Catherine Fontana geschrieben, deren bekannteste Arbeiten die Drehbücher sind, die sie zur klassischen „Star Trek“-Serie beigesteuert hat. Bei den beiden Konflikten, die das Gerüst der Episode bilden, steht für die beteiligten Parteien jeweils vor allem emotional viel auf dem Spiel.
Beginnen wir mal mit dem unwichtigeren und auch weniger spannenden Konflikt. Die Telepathin Talia Winters (Andrea Thompson) und Susan Ivanova (Claudia Christian) entdecken auf dem Zocalo ein 14-jähriges Mädchen, das Talia zufolge gerade eine „Bewusstseinsexplsion“ (englisch: „mind burst“) erlitten hat. Sie bringen das Mädchen, das auf den Namen Alisa Beldon hört und dessen Eltern verstorben sind, zu Dr. Franklin ins Medlab. Dort erläutert Talia, dass Alisa (Grace Una) offenbar eine starke Telepathin ist, deren Kräfte sich erst vor kurzem manifestiert haben müssen. Weil Alisa im Umgang mit ihren telepathischen Fähikeiten noch völlig untrainiert ist, kann sie die ständig auf sie einprasselnden Gedankenfetzen anderer Lebewesen noch nicht ablocken – daher ihr Zusammenbruch auf dem Zocalo. Nach Talias Ansicht gibt es für dieses Problem jedoch eine ganz einfache Lösung: Alisa soll dem PsiCorps beitreten, was ihr nicht nur eine kostenlose Ausbildung und Wohnung einbringen wird, sondern eben auch das Training ihrer telepathischen Fähigkeiten und einen lebenslangen, sicheren Arbeitsplatz.
Dass Ivanova sofort gegen Talias Vorhaben ist, überrascht nicht. Seit der ersten Folge wissen wir, dass Susan für das PsiCorps sowie seine Mitglieder und Methoden nur Hass und Verachtung übrig hat. Ihre Beziehung zu Talia war bislang eine äußerst kühle, da Susan allen Mitgliedern des PsiCorps grundsätzlich misstraut. Wir erinnern uns: Susans Mutter war eine Telepathin, weigerte sich jedoch, dem Corps beizutreten. Daraufhin wurde sie zur Einnahme von Medikamenten gezwungen, um ihre telepathischen Fähigkeiten zu unterdrücken. Sie begann, unter starken Nebenwirkungen und Depressionen zu leiden und brachte sich schließlich im Alter von 45 Jahren um, als Susan noch ein Kind war.
Als Susan Commander Sinclair um Unterstützung im Konflikt um Alisas Zukunft bittet, signalisiert er ihr, dass er ihrer Entscheidung vertraut und vollkommen hinter ihr steht. Er befasst sich jedoch nicht näher mit der Angelegenheit, wahrscheinlich weil er gerade in viel größeren Schwierigkeiten steckt (dazu unten mehr). Während also Talia Alisa die Vorteile einer Mitgliedschaft im PsiCorps darlegt, erzählt Ivanova ihr von ihrer Mutter und davon, dass die Absichten des Corps nicht immer so edel sind, wie das Corps es gern darstellt. Vor die Wahl gestellt, entweder dem Corps beizutreten oder ihre Fähigkeit mit Medikamenten zu unterdrücken, erkundigt sich Alisa nach weiteren Optionen. Also lässt Ivanova sie mit Vertretern der anderen Spezies sprechen. Als einzige Spezies ohne Telepathen sind die Narn stets besonders interessiert an entsprechendem Genmaterial (dies wurde im Pilotfilm in einer Szene zwischen G’Kar und der damaligen Stationstelepathin Lyta Alexander verdeutlicht – Stichwort „Erregungsschwelle“ 😉 ). G’Kars Assistentin Na’Toth (Julie Caitlin Brown) macht Alisa zwar ein verlockendes Angebot, doch als das Mädchen in Na’Toths Gedanken blickt, reagiert sie auf den Kontakt mit einem so fremden, außerirdischen Bewusstsein verstört.
Als nächstes statten Alisa und Ivanova Botschafterin Delenn einen Besuch ab. Auch deren Angebot hört sich gut an, gilt es doch bei den Minbari als höchste Ehre, der Gesellschaft zu dienen, indem man seine Talente zur Verfügung stellt. Das Treffen wird jedoch abrupt abgekürzt, als Talia unabsichtlich in Delenns Gedanken blickt und dort zwei Entdeckungen macht (auch dazu gleich mehr). Am Ende der Episode entscheidet sich das Mädchen dennoch dafür, nach Minbar zu gehen, sehr zur Erleichterung Ivanovas. Auf Delenns Wunsch hin soll Alisa dort zur Annäherung zwischen Minbari und Menschen und zum besseren gegenseitigen Verständnis beider Völker beizutragen. Das ist auch dringend nötig, da zwischen den beiden Völkern auch über zehn Jahre nach dem Ende des Krieges noch Hass und Vorurteile an der Tagesordnung sind. Zumindest zwischen Talia Winters und Susan Ivanova hat Alisa aber schon ein wenig den Abbau von Vorurteilen und die gegenseitige Annäherung bewirkt. Die beiden gestehen sich nämlich am Ende des Handlungsstrangs, dass sie sich unhöflich verhalten und stur auf den jeweils eigenen Standpunkt beharrt haben. Talia lädt Susan sogar auf einen Drink ein, womit wir ein gutes Beispiel dafür hätten, dass Figuren und Beziehungen in „Babylon 5“ niemals statisch sind (wie es im Fernsehen in den Neunzigern noch meistens der Fall war). Wer weiß also, wohin sich die Beziehung der beiden noch entwickeln wird?
Im Großen und Ganzen gefällt mir dieser Handlungsstrang. Er entwickelt die Beziehung zwischen Talia und Susan weiter und verdeutlicht die Rolle, die Telepathen sowohl bei den Menschen als auch in verschiedenen außerirdischen Kulturen spielen. All das gelingt gut. Ganz und gar unglaubwürdig ist allerdings das Schauspiel der jungen Darstellerin, die Alisa Beldon spielt. Hätte man eine passendere Schauspielerin gefunden, dann hätte das diese Storyline (und damit die Episode an sich) um einiges aufgewertet. Konseqzenzen für die Zukunft hat sie – abgesehen von der Beziehung Talia-Ivanova – allerdings sowieso nicht. Dabei hätte ich gerne gesehen, wie Alisa auf Minbar arbeitet und welche Probleme sie dort löst. Da sie von Grace Una hier aber so schlecht gespielt wurde, ist es vielleicht besser so, dass man sie nie in die Serie zurückgeholt hat.

Kommen wir also zum anderen Handlungsstrang, der nicht nur den besseren Gaststar aufzuweisen hat, sondern auch weit mehr Bedeutung für zukünftige Entwicklungen in der Serie. Der Minbari-Krieger Neroon (John Vickery) besucht die Station und hat eine Leiche im Gepäck. Dabei handelt es sich um den Körper von Branmer, der im Krieg gegen die Menschen den Angriff auf die Erde angeführt hat. Nach seinem Tod soll seine Leiche nun einem alten Brauch folgend noch einmal möglichst vielen Minbari präsentiert werden, weswegen Neroon damit quasi auf Tour durch alle Minbari-Kolonien geht und auch auf Babylon 5 Station macht. Commander Sinclair, der einer der ganz wenigen Überlebenden der Schlacht um die Erde ist, hat seine Schwierigkeiten damit. Weil er als Diplomat aber von der Notwendigkeit von Annäherung und gegenseitigem Verständnis überzeugt ist, will er der Zeremonie beiwohnen, bei der Branmers Leiche gezeigt werden soll.
Wie wir bald erfahren, sind sich allerdings die Minbari selbst untereinander alles andere als einig, was den Umgang mit Branmers Leiche und sein Vermächtnis betrifft. Delenn erklärt, dass eine derartige Präsentation des Leichnams äußerst ungewöhnlich ist. Zwar handelt es sich dabei um eine große Ehre, aber auch um einen Brauch der Kriegerkaste, mit der Delenn als Angehörige der religiösen Kaste immer wieder in Auseinandersetzungen gerät. Später erzählt sie weiterhin, dass Branmer ursprünglich ebenfalls ein Mitglied der religiösen Kaste war und erst im „heiligen Krieg“ der Minbari gegen die Erde unfreiwillig in die Rolle des Anführers und Kriegshelds geriet. Vor diesem Hintergrund wird klar, warum Delenn so sehr gegen die Verehrung Branmers als Krieger ist. Mit dieser Uneinigkeit haben wir ein weiteres Beispiel dafür, dass auch die Alienrassen in „Babylon 5“ nicht homogen sind. Sie bestehen jeweils aus unterschiedlichen Glaubensrichtungen, Kasten usw. und sind damit genauso vielfältig wie die Menschheit.
Als sich kurz nach Beginn der Zeremonie herausstellt, dass Branmers Leichnam verschwunden ist, droht Neroon den Menschen mit einem erneuten Krieg. Doch Delenn erinnert ihn daran, dass nicht ein Clan allein die Politik der Minbari bestimmen sollte. Wie wir aber später erfahren, macht sich Delenn genau dieser Tat schuldig; sie ist für das Verschwinden von Branmers Leichnam verantwortlich! Statt den Dialog mit der Kriegerkaste zu suchen, um zu einem Kompromiss zu kommen, setzt sie sich über einfach über Neroon hinweg und lässt Branmers Leiche verschwinden und einäschern. Das zeigt, dass das Verhältnis zwischen den beiden Kasten äußerst angespannt ist. Aber auch zwischen Menschen und Minbari sind alte Feindbilder und Hass noch tief verwurzelt. Sinclair tut sich wie gesagt schwer damit, Neroon auf Babylon 5 zu empfangen. Doch es gelingt ihm, seine persönlichen Gefühle außen vor zu lassen und ganz im Sinne der Ziele von Babylon 5 offen für einen Dialog zu sein. Neroon stellt seine Verachtung für die Menschen offen zur Schau und äußert seine Wut darüber, dass die Kriegerkaste kurz vor dem Sieg zur Kapitulation gezwungen wurde. John Vickery macht in dieser Gastrolle eine hervorragende Figur und man kann sich jetzt schon auf alle zukünftigen Episoden freuen, in denen Neroon auftauchen wird.
Als wäre es nicht schon empörend genug, dass Delenn einen Leichnam hat stehlen lassen und ihre persönlichen Wünsche über die einer ganzen Kaste gestellt hat, geht sie sogar noch weiter und lenkt den Verdacht auf ein vollkommen unbeteiligtes und unschuldiges Volk: die Pak’ma’ra. Als Aasfresser haben sie naturgemäß ein Interesse an totem Fleisch. Als vor einem Pak’ma’ra-Quartier ein Fetzen von Branmers Kleidung gefunden wird, wirkt das verdächtig. Dass aber Garibaldi anschließend die Mägen aller Pak’ma’ra auf der Station auspumpen lässt und damit die Mitglieder einer gesamten Spezies unter Generalverdacht stellt, sollte für den Botschafter der Pak’ma’ra ein Anlass zu einer ordentlichen Beschwerde bei Sinclair sein.
Aber auch Neroon verhält sich alles andere als vorbildlich. Er durchwühlt Sinclairs Quartier und greift den Commander an. In diesem Fall hat sich Garibaldi allerdings mal kompetent verhalten und das Quartier bereits zuvor durchsuchen lassen. Kurz danach werden er und Sinclair ohnehin von Alisa auf die richtige Spur gebracht und können Delenn dabei ertappen, wie sie eine Urne mit Branmers Asche nach Minbar schicken will. Die Gründe für ihr Handeln wurden oben schon angedeutet: Als eine von drei Minbari, die die religiöse Kaste im grauen Rat repräsentieren, ist Delenn dagegen, dass Branmer als Krieger verehrt wird. Sie war eng mit ihm befreundet und ist sich sicher, dass er dies nicht gewollt hätte. Dass Delenns Tat nun aufgeflogen ist, kann angesichts der ohnehin schon bestehenden Spannungen zwischen den Kasten nichts Gutes bedeuten. Widerwillig gesteht sie Neroon ihre Tat. Als Rechtfertigung wirft sie ihm vor, er hätte nur im eigenen Interesse und gegen Branmers Willen gehandelt, was angesichts ihrer mit niemandem außerhalb ihrer Kaste abgesprochenen Tat ziemlich scheinheilig wirkt. Noch dazu muss sich der stolze Krieger Neroon nun wieder einmal dem Befehl des grauen Rates (und dem Wunsch Delenns) beugen und sich öffentlich hinter die Aussage stellen, dass Branmers sterbliche Überreste „transformiert“ wurden. Das Verschwinden des Leichnams soll also als religiöses Wunder verkauft werden. Um die Kluft zwischen den beiden Kasten nicht noch weiter zu vergrößern, stimmt Neroon zu. Zusätzlich muss er sich bei Sinclair entschuldigen, was zu einer wirklich schönen Szene führt, in der sie sich gegenseitig ihres Respekts für den anderen versichern. Das lässt hoffen, dass sich die einst verfeindeten Völker tatsächlich auf einem stetigen Weg der gegenseitigen Annäherung befinden.

Nachdem alles geregelt ist, fliegen sowohl Neroon als auch Alisa wieder ab. Für beide geht es nach Minbar. Neroon ist immer noch voller Hass und Vorurteile für die Menschen, hat aber zumindest schon einmal Respekt für Sinclair gewonnen. Alisa ist noch jung und offen für neue Einflüsse und Erfahrungen. Womöglich werden es erst Angehörige ihrer Generation – die keine bzw. kaum Erinnerungen an den Krieg haben – sein, die den Hass hinter sich lassen und offen auf den früheren Feind zugehen können.
Je mehr ich so über diese Episode nachdenke und darüber schreibe, umso mehr gefällt sie mir. Die Beziehung zwischen Menschen und Minbari ist von zentraler Bedeutung für die Serie. Beim ersten Anschauen mag die Episode belanglos erscheinen, doch tatsächlich werden hier entscheidende Weichen für zukünftige Ereignisse gestellt und es findet auch etwas „foreshadowing“ statt. Nicht zuletzt hat Neroon hier seinen ersten Auftritt, der zu den interessantesten Nebenfiguren in „Babylon 5“ gehört. Hätte man nur eine bessere Schauspielerin für die junge Alisa gefunden, dann hätte aus dieser soliden Folge eine sehr gute werden können.

 

Highlight der Episode: Die letzte gemeinsame Szene von Sinclair und Neroon. Nicht nur, weil sie beispielhaft für die Annäherung zweier bislang verfeindeter Völker steht, sondern auch, weil sie ein wegweisendes, legendäres Zitat von Neroon enthält. Das jetzt schon genau zu erklären, käme allerdings einem riesigen Spoiler gleich!

Londo/G’Kar-Moment: Beide kommen in dieser Episode leider nicht vor.

Folgende (weitere) wichtige Informationen, die für den weiteren Verlauf der Serie wichtig sind, erhalten wir in dieser Episode:

  • In der Kultur der Minbari gilt es als ein Zeichen von Respekt, dem Gegner mit aktivierten Waffen (in diesem Fall „open gunports“) gegenüber zu treten. Das sollte man definitiv wissen, sonst kann das für so manches Missverständnis sorgen…
  • Talia und Ivanova sind sich etwas näher gekommen und haben festgestellt, dass sie trotz einiger Differenzen eigentlich ganz gut miteinander auskommen.
  • Die überraschende Kapitulation der Minbari kurz vor ihrem Sieg über die Streitkräfte der Erde wurde von der religiösen Kaste befohlen. Die Kriegerkaste hatte diesem Befehl zu gehorchen. Doch was war der Grund dafür?

Sonstige Fragen:

  • Wie heißt der Saal, in dem Branmers Leiche aufgebahrt werden und wo dann die Zeremonie stattfinden sollte? Sehen wir diesen Raum im Lauf der Serie noch einmal wieder? Ich kann mich gerade ehrlich nicht erinnern.
  • Als Delenn Sinclair in ihrem Quartier empfängt, setzt sie ihre Arbeit an einem scheinbar aus bunten Glasscheiben bestehenden Gebilde fort. Wir haben sie bereits mehrmals beim Bau dieses Gebildes beobachten können (z.B. in „Signs and Portents“). Worum handelt es sich dabei? Ist es nur ein Geschicklichkeitsspiel?
  • Woher weiß Talia, dass Alisa eine P-10 ist? Hat sie irgendwie Alisas telepathische Fähigkeiten getestet? (Die Skala geht übrigens bis P-12, Alisa ist also eine sehr starke Telepathin.)
  • Delenn erzählt Sinclair am Ende der Folge, sie habe in Alisa eine gewisse Unsicherheit gespürt, als diese kurzzeitig telepathischen Kontakt mit ihr aufnahm. Soweit wir wissen, verfügt Delenn selbst nicht über telepathische Fähigkeiten. Wie kam es also dazu, dass nicht nur Alisa in Delenns Gedanken blicken konnte, sondern auch Delenn in Alisas? Liegt der Grund dafür in Alisas Unerfahrenheit, ist sie also schlicht ungeübt darin, bei einem telepathischen Kontakt ihre eigenen Gedanken abzublocken? Oder liegt die Ursache in speziellen Fähigkeiten der Minbari begründet?
  • Die Fremdartikeit des Geistes der Narn schreckt Alisa ab (wozu man anmerken muss, dass sie genaugenommen ja nur mit Na’Toths Geist Kontakt hatte). Als sie Delenns Gedanken scannt, scheint Alisa jedoch kein Unwohlsein zu verspüren. Sind Narn-Gehirne/Gedanken für Menschen also wesentlich fremder als die der Minbari? Oder anders ausgedrückt: Sind Minbari und Menschen sich vielleicht ähnlicher als es den Anschein hat?
  • Wie ist Neroon eigentlich in Sinclairs Quartier gekommen?
  • Wo hat Delenn denn bitteschön Branmers Leichnam einäschern lassen? Gibt es irgendwo in Downbelow jemanden, der einen Verbrennungsofen vermietet und keine Fragen stellt!?
  • Neben der Lüge über Branmers Leiche entdeckt Alisa in Delenns Gedanken noch etwas – ein einziges Wort: „Chrysalis“. Wie das angesichts der Sprachbarriere möglich ist, darüber sollte man wohl nicht zuviel nachdenken (Delenn wird dieses Wort wohl kaum auf englisch gedacht haben). Wie Sinclair am Ende anmerkt, handelt es sich dabei jedenfalls um eine Insektenpuppe bzw. einen Kokon. Genau wie der Zuschauer fragt sich Sinclair, warum dieses Wort für Delenn so wichtig ist und warum sie den Gedanken sofort wieder versteckt hat. Wenn er doch nur wüsste, dass „Chrysalis“ der Titel der nächsten Folge ist… 😉

Weitere interessante Punkte:

  • Neroon trägt den Titel „Alit“; Branmer, der über ihm stand, trug den Titel „Shai Alit“. Beide gehör(t)en dem Clan der Star Riders an.
  • Garibaldi betreibt nicht nur bei den Narn und den Pak’ma’ra Nachforschungen, sondern auch bei den Llort. Dabei handelt es sich anscheinend um eine Spezies, deren Angehörige dafür bekannt sind, alles mögliche zu sammeln. Ich glaube nicht, dass sie später in der Serie noch einmal erwähnt werden.
  • Wenn ich mich richtig erinnere, sehen wir in dieser Folge zum einzigen Mal das Quartier eines Pak’ma’ra.
  • Wie auch schon im Pilotfilm sehen wir Sinclair und Delenn gemeinsam im Garten sitzen.

Interessante „Hinter den Kulissen“-Fakten (aus Jane Killicks Episodenführer zur ersten Staffel):

  • Als einzige von einem Freelancer geschriebene Episode der ersten Staffel beruhte diese Episode nicht auf einem dem Drehbuchautor von JMS zugeteilten Handlungskonzept. Die Idee für die Handlung kam also allein von D.C. Fontana, die durch ein Buch über Abraham Lincolns Beerdigung auf den Gedanken kam (sein Leichnam wurde auf Paraden in Philadelphia und New York präsentiert). Weil JMS die Idee so gut gefiel, wurde dafür sogar eine andere Handlungsidee aus der Staffel gestrichen.
  • Statt Na’Toth sollte eigentlich G’Kar in der Episode vorkommen. Weil Andreas Katsulas aber nicht zur Verfügung stand, bekam Na’Toth G’Kar’s Szenen und Dialogzeilen zugeteilt. Deren Darstellerin Julie Caitlin Brown war davon nicht begeistert, weil man ihrer Meinung nach merkte, dass die Zeilen nicht für Na’Toth geschrieben worden waren.

Zitate:

„It’s been my experience that discussions of old battles only interest historians.“ (Delenn zu Neroon und Sinclair)

„There’s nothing more annoying than Mr. Garibaldi when he’s right.“ (Ivanova)

„We will see… what we will see.“ (Delenn)

„You talk like a Minbari, Commander. Perhaps there was some small wisdom in letting your species survive.“ (Neroon zu Sinclair)

Die nächste Folge in meinem „Babylon 5“ Rewatch ist das Finale der ersten Staffel, Episode 1.22 („Chrysalis“).

Bates Motel – Season 3

Nachdem mir die ersten beiden Staffeln von „Bates Motel“ so gut gefallen haben, musste ich natürlich auch Staffel 3 anschauen. Nicht um zu wissen, wo die Geschichte hingeht – das sollte bei einem „Psycho“-Prequel allseits bekannt sein -, sondern um zu erfahren, wie die Figuren (in erster Linie Norman Bates) dorthin kommen, wo sie in „Psycho“ sind. Und man hatte es sich zwar auch nach dem Anschauen von Hitchcocks „Psycho“ schon denken können, aber nach drei Staffeln „Bates Motel“ erhärtet sich der Verdacht noch mehr: Norman Bates‘ Mutter ist schuld.

Die Staffel eröffnet mit einer Szene, die uns zeigt, dass Norman (Freddie Highmore) auch im Alter von 18 Jahren noch gelegentlich bei seiner Mutter Norma (Vera Farmiga) im Bett schläft. Wenig später macht seine Mutter ihm den Vorschlag, ihn aus der Schule zu nehmen, fortan selbst zuhause zu unterrichten und zum Manager ihres Motels zu machen. Norma hat also ganz offensichtlich keine Vorstellung davon, wie eine normale und gesunde Mutter-Sohn-Beziehung auszusehen hat. Dabei erkennt sie durchaus, dass einigiges am Verhalten ihres Sohnes ganz und gar nicht „normal“ ist; nur wenn es um seine Beziehung zu ihr geht, kann und will sie nicht einsehen, dass daran etwas falsch ist. Vera Farmigas Schauspiel ist wie schon in den ersten beiden Staffeln grandios. Hinter ihren Augen lassen sich immer wieder ihre zahlreichen Ängste (um die Zukunft, um Norman,…) und hin und wieder auch ihre Panik oder Verzweiflung ausmachen. Ihren Wunsch nach eine engen Beziehung zu Norman begründet sie in der ersten Folge damit, dass sie ihre eigene Mutter nie richtig gekannt habe. Was sie selbst nie hatte, will sie Norman nun unbedingt geben…

Norman wiederum wirkt oft wie ein ganz normaler Teenager. Er ist von seiner Mutter genervt und weist jegliche Andeutungen, dass er derjenige von ihnen beiden sei, der ein Problem hat, weit von sich. Allerdings wissen wir auch: So nett und unschuldig Norman bisweilen auch wirkt, in ihm hat sich längst eine zweite Persönlichkeit eingenistet – eine ihn ständig überwachende Version seiner Mutter. Wenn es darum geht, ihren Sohn zu beschützen, geht diese „Norma“ noch weiter als die echte. Deshalb begeht Norman am Ende der Staffel auch einen weiteren Mord an einer jungen Frau, die ihm nahe gekommen ist. „Norma“ wird nun mal sehr schnell eifersüchtig…

Das Tragische an der Figur der (echten) Mutter ist, dass sie ihren Sohn nur beschützen will und auch durchaus erkennt, dass mit Norman etwas nicht stimmt. Nur kann sie leider nicht sehen, dass sie selbst die Ursache dafür ist. Norma versucht Norman im Verlauf der Staffel mehrmals zu helfen. Sie arrangiert zum Beispiel ein Gespräch mit einem Psychotherapeuten, das allerdings abrupt endet, als der Psychologe Norman nach seiner sexuellen Begierde für seine Mutter fragt und Norman ihn daraufhin körperlich angreift. Der Therapeut ergreift daraufhin panikartig die Flucht, eine wirklich herrliche Szene! In der nächsten Episode überrascht Norman dann mit der Einsicht, dass mit ihm vielleicht wirklich etwas nicht stimmt und dass seine Beziehung zu Norma möglicherweise gestört ist. Aber als er diese Gedanken gegenüber seiner Mutter äußert, tut sie sie als bedeutungslos ab. Sie besteht darauf, dass an ihrer Mutter-Sohn-Beziehungs nichts falsch oder unnormal ist – während sie Arm in Arm mit Norman im Bett liegt…

Auch Norman-Darsteller Freddie Highmore kann wie auch schon in den ersten beiden Staffel schauspielerisch vollkommen überzeugen. Im Rückblick habe ich aber das Gefühl, dass die dritte Staffel mehr von Normans Mutter erzählt als von Norman. Von Normans Blackouts und seiner gespaltenen Persönlichkeit wissen wir schon aus den ersten beiden Staffeln. In Staffel drei zementiert sich zusätzlich die ernüchternde Einsicht, dass Norma zwar einsieht, dass mit ihrem Sohn etwas nicht stimmt, aber nicht, dass sie selbst ein entscheidender Teil des Problems ist. Auch der Rest der Bates-Familie – Normans Bruder Dylan (Max Thieriot) und Normas Bruder Caleb (Kenny Johnson) – ist hier wieder mit dabei, doch deren Handlungsstränge wirken oft wie unwichtiges Füllmaterial. Es ist nun einmal die Geschichte um Norman und Norma Bates, die man hier wirklich sehen will. Erst als die Handlungsstränge um Dylan und Caleb in der Mitte der Staffel mit denen um Norma und Norman zusammengeführt werden, werden auch diese Nebenfiguren etwas interessanter. Wobei ich mich bei Kenny Johnsen, dem Dasteller von Caleb, des Öfteren gefragt habe, ob er schlicht und einfach ein Schauspieler mit beschränkten Fähigkeiten ist oder ob er nur äußerst überzeugend eine etwas beschränkte Figur spielt… Ich tendiere zu ersterem.

Ebenfalls wieder mit dabei ist der örtliche Sheriff, Alex Romero (Nestor Carbonell). Da Norma sich auch in dieser Staffel wieder mit dem organisierten Verbrechen in White Pine Bay anlegt, hat er weiterhin eine Menge zu tun. Jeder lügt jeden an und fast jede Figur hat so ihre Geheimnisse. Wie es sich für eine Fernsehserie gehört, werden diese nach und nach wohldosiert gelüftet, um auch immer ausreichend Konfliktstoff in die Handlung bringen zu können. Als Norma und Romero sich in der vierten Episode gegenseitig des Lügens beschuldigen, rechtfertigt sich der Sheriff mit ein paar Sätzen, die auch als Meta-Kommentar der Serienmacher gelesen werden können:

„I’m not lying – I’m not revealing the whole truth. That’s my job, to decide what and when to tell whom.“

Damit beschreibt er recht gut die Aufgabe eines Showrunners. Auch der muss ja entscheiden, welche Informationen er wann preisgibt, um die Spannung für die Zuschauer aufrecht zu erhalten. Zumindest was mich betrifft, haben Carlton Cuse und die anderen Autoren von „Bates Motel“ ihre Aufgabe diesbezüglich erfüllt. Zum Glück haben sie auch bekannt gegeben, dass nach der fünften Staffel mit der Serie Schluss sein wird. Das ist eine sehr gute Entscheidung, denn allzu lange lässt sich die Entwicklung hin zu Normans Matrizid nicht mehr strecken, ohne die Zuschauer mit viel überflüssigem Füllmaterial zu langweilen. Für zwei weitere Staffeln werde ich aber bestimmt noch dran bleiben.

„The English version of a happy ending“: Downton Abbey – Series 6

Am 04. August ist in Deutschland die sechste Staffel von „Downton Abbey“ auf DVD und Bluray erschienen. Die Staffeln drei, vier und fünf habe ich bereits hier im Blog besprochen und weil mir zumindest in dieser Hinsicht Traditionen genauso wichtig sind wie einigen der Bewohner von Downton Abbey, widme ich nun auch der sechsten und letzten Staffel einen Blogpost.

"Downton Abbey" - Die 6. Staffel auf Bluray

Seit dem 04.08. auf DVD & Bluray erhätlich: Die 6. Staffel von „Downton Abbey“

Ich habe bereits in meinen Blogposts zu den anderen Staffeln einiges darüber geschrieben, dass „Downton Abbey“ im Grunde „nur“ eine Soap Opera ist – wenn auch eine mit außergewöhnlich guten Schauspielern, tollen Kulissen und aufwändigen Kostümen. Zu den wichtigsten Regeln einer Soap Opera gehört es, dass sie auf Endlosigkeit hin angelegt ist; Soaps können immer weiter erzählt werden, wozu ihnen jede noch so unwahrscheinlich erscheinende Wendung der Ereignisse und Häufung von Krisen und Problemen recht ist. Da von „Downton Abbey“ nicht vier oder fünf Episoden pro Woche, sondern nur neun pro Jahr produziert worden sind, fällt diese Häufung der Ereignisse nicht so stark ins Gewicht. Zudem erstrecken sich die von der Serie abgedeckten Ereignisse auf einen Zeitraum von 14 Jahren. Dennoch werden die Charaktere natürlich auch hier in weitaus größerem Maß zum Opfer von Intrigen, Krisen, Unfällen und anderen Widrigkeiten, als dies in der Realität der Fall ist. Oder täuscht dieser Eindruck? Sind es vielleicht einfach nur die Probleme, die erzählenswert erscheinen? Durchleben auch die Figuren in „Downton Abbey“ immer wieder lange Phasen des Glücks oder sogar der Langeweile, die in der Serie aber schlicht weggelassen werden, weil sie aus narrativer Sicht nicht interessant sind? Sicher ist jedenfalls (und das ist jetzt ein großer Spoiler fürs Serienfinale!), dass am Ende der Serie alle Figuren ihr Glück gefunden haben. Das ist zum einen verständlich: Aus narrativer Sicht ist die Serie am Ende nicht auf das Fortbestehen alter oder Auftauchen neuer Krisen angewiesen. Es muss schließlich nichts weitererzählt werden. Die Figuren können nun glücklich bis an ihr Lebensende leben. Die Fans der Serie sind beruhigt, weil sie wissen, dass sie sich um ihre Lieblinge nun nicht mehr zu sorgen brauchen. Ich persönlich fand die Entscheidung, alles gut ausgehen zu lassen, allerdings etwas langweilig und noch unglaubwürdiger als so manche der narrativen Wendungen zuvor. Ich hatte fest damit gerechnet, dass wenigstens eine Figur sterben würde, aber sogar Violet Crawley (Maggie Smith), die zu diesem Zeitpunkt wohl mindestens hundert Jahre alt ist, überlebt das Serienfinale. Womöglich konnte es Serienschöpfer Julian Fellowes (der übrigens alle 52 Episoden selbst geschrieben hat) nicht übers Herz bringen, eine oder oder mehrere seiner Figuren zu töten (er hat dies im Verlauf der Serie ja nur dann getan, wenn Schauspieler aussteigen wollten), vielleicht wollte er den Fans aber auch einfach ein rundum perfektes Happy End schenken.

Joanne Froggat & Brendan Coyle

Anna (Joanne Froggatt) und ihr Ehemann Mr. Bates (Brendan Coyle)

Bis es zum Happy End kommt, gibt es aber für fast alle Figuren noch genug zu leiden. Gelegentlich wirkt es dabei so, als kommentierten die Charaktere selbst ihr eigenes Dasein als Soap-Figuren. Als beispielsweise wieder einmal der örtliche Polizist Sergeant Willis sein Kommen ankündigt, kommentiert dies der Butler Mr. Carson (Jim Carter) trocken mit den Worten: „Do other butlers have to content with the police arriving every ten minutes?“ Man könnte ihm antworten: Nein, nur in einer Soap Opera muss sich der Butler ständig mit solchen Problemen herumschlagen. Der Grund des Besuchs von Sergeant Willis ist immer noch der Mord an Annas Vergewaltiger Mr. Green. Annas Ehemann, John Bates (Brendan Coyle), ist noch immer nicht von dem Verdacht befreit, der Schuldige in diesem Mordfall zu sein, worunter er und Anna leiden. „Do you ever think of a time when we’re told the whole Mr. Green business is over?“, fragt er Anna an einer Stelle. Diese Frage verweist auf das Soap-Gesetz, wonach die Protagonisten zwar von einer sorgenfreien Zukunft träumen, diese jedoch niemals erreichen dürfen, solange die Soap noch fortgesetzt wird. Eine Krise muss entweder immer wieder verlängert werden – wie im Fall des Zweifels an Mr. Bates Unschuld – oder durch eine neue Krise ersetzt werden. Zum Glück befindet sich das Ehepaar Bates hier aber in der letzten Staffel einer Serie; das Leiden darf also ein Ende nehmen. Die Zweifel an Mr. Bates Unschuld werden ausgeräumt und auch alle anderen Probleme, die Anna und John Bates haben, lösen sich im Verlauf der sechsten Staffel in Luft auf.

„I feel so completely, completely happy“

Laura Carmichael, Elizabeth McGovern & Michelle Dockery

Cora (Elizabeth McGovern) mit ihren beiden Töchtern, Lady Edith (Laura Carmichael) und Lady Mary (Michelle Dockery)

Auch für die beiden überlebenden Crawley-Töchter geht am Ende alles gut aus. Sowohl Lady Mary (Michelle Dockery) als auch Lady Edith (Laura Carmichael) finden die große Liebe und heiraten. Normalerweise hält das Glück, das Hochzeiten versprechen, in Soap Operas nie besonders lange an. Das hat sich auch bei „Downton Abbey“ im Verlauf der Serie mehrmals gezeigt: Marys erster Ehemann Matthew ist am Ende der dritten Staffel überraschend verstorben (daran war zugegeben der Wunsch des Darstellers nach einem Ausstieg aus der Serie schuld, doch man kann sich sicher sein, dass die Ehe unter anderen Problemen gelitten hätte, wenn Matthew überlebt hätte). Edith wiederum ist einmal der Bräutigam kurz vor der Trauung davongelaufen. Nun jedoch dürfen beide endlich glücklich sein, es besteht schließlich aus narrativer Sicht mehr kein Bedarf an Unglück, das noch Erzählstoff liefern müsste. Im Fall von Lady Edith ist das besonders erfreulich, schließlich musste die Arme über sechs Staffeln hinweg so einiges mitmachen und hatte immer wieder Pech mit ihren Männern. In einem Dialog zwischen ihrer Tante Rosamund (Samantha Bond) und ihrer Großmutter wird auch dies kommentiert:

Rosamund: „We didn’t always think there’d be a happy ending for Edith.“
Violet: „Well, there’s a lot at risk, but with any luck, they’ll be happy enough. Which is the English Version of a happy ending.“

Hier wird also immerhin keine vollkommen rosige Zukunft in Aussicht gestellt, sondern darauf Bezug genommen, dass Lady Edith und ihr „Bertie“ in ihrer Ehe noch so einige Probleme zu bewältigen haben werden. Das letzte Wort in dieser Angelegenheit hat jedoch Lady Edith selbst: „It’s so strange, I feel so completely, completely happy. I don’t think I’ve ever felt that before.“ Auch das wirkt wieder wie ein Meta-Kommentar der Figur auf ihren Status als Soap-Charakter. Doch nun gilt: Ende gut, alles gut.

„This life is over for us“

Noch stärker als in der vierten und fünften Staffel ist dieses Mal der Wandel der britischen Gesellschaft ein Thema. Das zeigt sich vor allem an der schon in der ersten Folge der Staffel angesprochenen Tatsache, dass die Zahl der Diener im Anwesen drastisch reduziert werden soll. Nicht nur gibt es immer weniger dieser großen Anwesen im Land, auf denen eine so große Dienerschaft tätig ist. Die Familie kann es sich auch einfach schlicht nicht mehr leisten, diesen Lebensstandard aufrecht zu erhalten. Selbst Robert (Hugh Bonneville) sieht das mittlerweile ein, wie in einem (von mir hier gekürzt wiedergegebenen) Dialog mit seiner auf Traditionen und die Aufrechterhaltung der Lebensweise der britischen Adelsklasse bedachten Mutter deutlich wird:

Robert: „To be honest, I am starting to ask myself how much longer we can go on with it all.“
Violet: „Well, go on with what?“
Robert: „The household, the servants.“
Violet: „You think it’s a bit too much in 1925.“
Robert: „Who lives as we used to now?“
Violet: „It seems hard that men and women should lose their livelihoods because it’s gone out of fashion.“

Maggie Smith

Violet Crawley, Dowager Countess of Grantham (Maggie Smith)

Violet sorgt sich hier nicht nur um ihren eigenen Lebensstandard, sondern auch um die Existenzgrundlage der Dienerschaft, was auf die enge Beziehung zwischen dem Adel und den Dienern hinweist. Den Crawleys ergeht es jedenfalls noch vergleichsweise gut. In der ersten Folge besuchen einige von ihnen eine Auktion, bei der die Besitztümer eines anderen Adelshaushalts versteigert werden. Dessen Besitzer konnte sich das Leben als Adeliger schlicht und einfach nicht mehr leisten. „This life is over for us. It won’t come back.“, stellt er fest. Lady Mary will überhaupt nicht einsehen, dass ihre Familie etwas an ihrer Lebensweise ändern soll. Doch auch sie kann die Veränderung nicht aufhalten. Ein bezeichnendes Beispiel ist die Öffnung des Anwesens für die Öffentlichkeit, die in der sechsten Staffel für einen einzigen Tag erfolgt. Bereits im Vorfeld hat jeder im Haus eine Meinung dazu (Mr. Carson: „The next thing you know, there’s a guillotine in Trafalgar Square!“) und nachdem wesentlich mehr Besucher kommen, als die Familie erwartet hatte, schlägt am Ende des Tages Tom (natürlich!) vor, das Haus regelmäßig für Besucher zu öffnen, um auf diese Weise Einnahmen zu erzielen. Robert ist von dieser Vorstellung empört, aber seine Frau Cora (Elizabeth McGovern) ist der Idee nicht abgeneigt und kann das Interesse der Öffentlichkeit nachvollziehen:

Cora: „People are curious about what it’s like to live here.“
Edith: „Which is sad, in a way.“
Cora: „Why?“
Edith: „Because it means our way of life is something strange. Something to cue up and buy a ticket to see, a museum exhibit, a fat lady in a circus.“

Die Crawleys können sich den sich ändernden Zeiten also nicht verschließen und werden sich sicher schon bald daran gewöhnen müssen, dass ihr Wohnsitz regelmäßig zum Anzugspunkt für Touristen wird. (Ich hätte ja zu gerne eine Nachfolgeserie, die in den 1950er Jahren spielt und das Leben der nächsten Generation der Crawleys erzählt.)
Auf die eine oder andere Weise müssen sich alle Figuren in der Serie mit dem sozialen Wandel auseinandersetzen. Manche passen sich dabei besser an als andere und manche haben auch einfach Glück. Unter der Dienerschaft gibt es einige, die bereits im Verlauf dieser Staffel neue Arbeit finden. Mr. Molesley entdeckt sein Talent als Grundschullehrer, Mrs. Patmore baut das von ihr geerbte Häuschen zu einer Pension um und der Butler von Violet, Mr. Spratt (Jeremy Swift), schreibt eine Modekolumne für die von Lady Edith geleitete Zeitschrift! Nur Thomas Barrow (Rob James-Collier), der sich weiterhin von allen anderen unverstanden und ungeliebt fühlt, scheint zunächst der Verlierer in diesem Rennen zu sein. Mr. Carson legt ihm bereits früh nahe, sich eine andere Stelle zu suchen. Doch Barrow muss zu seinem Unglück feststellen, dass der Arbeitsmarkt für (Under)Butler sehr viel kleiner geworden ist. Das führt ihn schließlich zu einem Selbstmordversuch; in der letzten Folge wendet sich jedoch auch für ihn alles zum Guten, als Robert ihm anbietet, Mr. Carsons Nachfolger als Butler des Hauses zu werden. Das war mir dann doch etwas zu unglaubwürdig, die Schauspielleistung von Rob James-Collier fand ich dagegen großartig.

Sozialer Wandel & soziale Regeln

Die Dienerschaft beim Essen

Die Dienerschaft beim Essen

Die ganze Staffel ist von Nostalgie und dem Nachtrauern nach einer zu Ende gegangenen Ära durchzuogen, insofern ist es richtig, die Serie genau zu diesem Zeitpunkt zu beenden. Denn obwohl die britische Gesellschaft natürlich auch heute noch stark vom Klassengedanken geprägt ist, so zeigt „Downton Abbey“ dennoch den Niedergang des britischen Adels. Besonders interessant fand ich im Verlauf der Serie stets jene Momente, an denen es zu unerwarteten Verbindungen zwischen verschiedenen Gruppen (also z.B. zwischen Adeligen und ihren Dienern) kam. Auch in der sechsten Staffel gab es diesbezüglich noch ein paar interessante Szenen, zum Beispiel als Mr. Spratt, der wie erwähnt neben seiner Tätigkeit als Butler inzwischen auch für Lady Ediths Zeitschrift arbeitet, sich weigert, sich in Ediths Gegenwart zu setzen, als die beiden in Violets Haus aufeinandertreffen. Seine Tätigkeiten als Butler und Redakteur stürzen ihn hier in einen Rollenkonflikt; gleichzeitig kann man dies als ein Anzeichen dafür sehen, dass die Trennlinien zwischen den Klassen zumindest an manchen Stellen aufgeweicht werden.
Nach wie vor bekommen die Diener auch in dieser Staffel einen Großteil des Privatlebens ihrer Vorgesetzten mit. Sie stehen daneben, wenn diese sich beim Essen unterhalten und halten sich in deren Schlafzimmern auf, um sie anzukleiden oder zu frisieren. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass sie sich über die ihnen zugewiesenen Aufgaben hinaus in den Alltag ihrer Vorgesetzten einmischen dürfen. Als Violets Dienstmädchen Denker (Sue Johnston) Dr. Clarkson ihre Meinung sagt, weil dieser ihrer Ansicht nach Violet in einer wichtigen Angelegenheit in den Rücken gefallen ist, muss sie sich später eine Standpauke von Violet anhören. Sie dürfe als Dienstmädchen keine private Meinung zu den Angelegenheiten ihrer Vorgesetzten haben und diese schon gar nicht ausdrücken, weist Violet sie zurecht. Der Alltag der Adeligen und der Dienerschaft ist eng miteinander verbunden, doch es bestehen trotzdem ganz klare Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen. Wie sehr diese beiden Sphären trotz ihrer Verzahnung voneinander abgegrenzt sind, wird deutlich, als die „upstairs“-Gesellschaft sich in einer Folge nach „unten“ begibt, um die von ihrer Hochzeitsreise zurückgekehrten Diener Mr. Carson und Mrs. Hughes zu begrüßen. Da macht Violet nämlich die Bemerkung „I haven’t been into the kitchens for at least 20 years“.

Michelle Dockery & Matthew Goode

Lady Mary (Michelle Dockery) & Henry Talbot (Matthew Goode)

Aber nicht nur für den Umgang zwischen den Klassen gibt es strenge Regeln, sondern auch für den Umgang der Adeligen untereinander. Dies fällt wahrscheinlich niemandem so sehr auf wie Tom (Allen Leech), der einst als Chauffeur auf Downton Abbey begonnen hat, bis er schließlich eine der Crawley-Töchter heiratete. Seine Frau ist inzwischen verstorben, aber Tom ist weiterhin ein Mitglied der Familie und damit nun selbst Angehöriger des Adels. Dennoch wird er immer wieder daran erinnert, dass er eben sein Leben als Angehöriger der Arbeiterklasse begonnen hat und so niemals ein vollwertiges Mitglied der Adelsgesellschaft werden kann, ganz egal wie oft ihm die anderen Familienmitglieder auch das Gegenteil versichern.
Dass Tom in gewisser Weise
für immer ein Fremder bleiben wird, der zwar am Leben der Adeligen um ihn herum teilnimmt, sie aber zugleich auch mit einer gewissen Distanz betrachet, wird in einer Szene deutlich, in der er gemeinsam mit Mary und ihrem zukünftigen Ehemann Henry Talbot (Matthew Goode) in einem Pub sitzt. Als Henry im Gespräch mit Mary nach Gründen sucht, um sich wieder einmal mit Evelyn Napier zu treffen, kann Tom nicht anders, als seine Verwunderung zum Ausdruck zu bringen:

Tom: „You are funny.“
Mary: „What do you mean?“
Tom: „The way you have to keep making reasons for why you’ll meet. You to watch him drive cars, you to have dinner with a friend. Why can’t you just say ‚I’d love to spend more time with you. When can we do it?'“
Mary (zu den anderen): „You see? He may have assimilated in some ways, but he still fights playing by the rules.“

Diese Beobachtung Toms und der sich daraus entspinnende, kurze Dialog weist auf die zahlreichen ungeschriebenen Regeln hin, die den sozialen Umgang der Mitglieder der britischen Oberklasse untereinander bestimmen. Als „Quereinsteiger“ in diese Klasse wird Tom auf ewig zugleich Mitglied und doch ein Fremder bleiben, der diese Regeln noch nicht alle beherrscht, dem sie viel deutlicher bewusst werden und der sie deshalb auch leichter in Frage stellen kann. (Seine Figur hat in dieser Hinsicht viele Gemeinsamkeiten mit der von Scarlett Johansson in „Under The Skin“ gespielten Außerirdischen in Menschengestalt. Auch dort braucht es erst den Blick des Fremden, um das typisch Menschliche auszumachen.)

Ende gut, alles gut

Es ist gut, dass „Downton Abbey“ nun zu Ende gebracht worden ist. Denn so sehr ich die Serie auch liebe, im Verlauf dieser letzten Staffel habe ich mir des Öfteren gedacht, dass hier nichts Neues mehr kommt und alles irgendwie dasselbe ist wie in den vorhergehenden Staffeln. Dass das Finale in einem hundertprozentigen Happy End gipfelte finde ich wie gesagt äußerst langweilig, aber was Dialogwitz und Schauspielleistungen betrifft, habe ich mich doch auch von dieser Staffel meist gut unterhalten gefühlt. Lediglich die Oneliner, die Julian Fellowes regelmäßig Maggie Smiths Figur in den Mund legt, wollten hier nicht mehr so richtig zünden. Dafür haben sich in der fünften und sechsten Staffel Violets Diener – Mr. Spratt und Mrs. Denker – zu zweien meiner Lieblingsfiguren entwickelt (ich will eine „Denker & Spratt“-Spinoff-Serie!). Andere Figuren wiederum wurden im Verlauf der Serie immer langweiliger und uninteressanter – ich denke da vor allem an Mr. Bates, der zu Beginn der Serie eine interessante und tiefgründige Figur war, aber nach und nach immer mehr in den Hintergrund getreten ist, bis Fellowes anscheinend nicht mehr so richtig wusste, was er mit der Figur anfangen sollte. Dennoch bleibt am Ende von sechs Jahren „Downton Abbey“ festzustellen, dass Julian Fellowes hier eine herausragende Serie mit Kultpotential geschaffen hat. Trotz der in bester Soap-Manier gehäuft auftretenden Wendungen, Unglücksfälle und Liebesverwicklungen ist die Serie weit mehr als nur oberflächliche Unterhaltung. Das ist vor allem der Tatsache zu verdanken, dass Fellowes sich mit der Materie auskennt und dem Zuschauer einen Einblick in die Geschichte der britischen Klassengesellschaft gibt. So habe ich nach sechs Staffeln tatsächlich den Eindruck, etwas gelernt zu haben – und soziologisch interessant ist die Serie sowieso, wie in meinen Blogposts immer wieder deutlich geworden sein dürfte. 😉

Downton AbbeyBilder: Copyright Universal Pictures Germany

Babylon 5 – Episode 1.14 “TKO“

Der von Serienschöpfer J. Michael Straczynski (JMS) empfohlenen Episodenreihenfolge entsprechend ist nun – nach „The Quality of Mercy“ – die 14. Folge aus der ersten Staffel dran. Die korrekte Reihenfolge findet ihr ganz am Ende des Blogposts zur Episode „Signs and Portents“.

Episode 1.20 „TKO“ („Im Ring des Blutes“)

Drehbuch: Larry DiTillio, Regie: John C. Flinn III
Erstausstrahlung: 25.05.1994 (USA), 05.11.1995 (Deutschland)

Die erste Staffel hat viele mittelprächtige und auch ein paar ziemlich schlechte Folgen zu bieten. Sowohl optisch als auch hinsichtlich der Drehbücher musste sich die Serie erst für eine ganze Weile warmlaufen. „TKO“ ist wahrscheinlich die Folge aus der ersten Staffel, die ich am wenigsten mag, und das liegt an dem langweiligen, schlecht umgesetzten und für den Rest der Serie vollkommen unwichtigen Plot um Walker Smith und den Mutai. Denn der Handlungsstrang um Ivanovas Umgang mit dem Tod ihres Vaters ist tatsächlich ziemlich gut. Er ist von großer Bedeutung für Ivanovas emotionale Entwicklung und Claudia Christian liefert hier wahrscheinlich ihre beste Schauspielleistung der gesamten Staffel ab.

Zunächst also mal zu der langweiligen Box-Geschichte. Walker Smith (Gregory McKinney) rettet seinem alten Freund Michael Garibaldi vielleicht das Leben, als er in einen Kampf eingreift, den Garibaldi mit zwei Kleinkriminellen führt. „One of these days, Garibaldi, you’ll learn to watch your back“, sind seine ersten Worte an Garibaldi – und auch seine letzten, denn beim Abschied am Ende der Episode wiederholt er diese Warnung. Garibaldi und Smith gehen einen Burger essen und bringen sich gegenseitig auf den neuesten Stand. Smith stellt fest, dass Garibaldi den Alkohol inzwischen ganz aufgegeben hat (Garibaldis Alkoholproblem wurde bisher vor allem in „Survivors“ thematisiert). Aus den Gesprächen zwischen den beiden erfahren wir, dass Smith es fast bis zum Boxweltmeister gebracht hat, seine Karriere nun aber aufgrund irgendeines Skandals, an dem er keine Schuld trägt, den Bach runter gegangen ist (die Details haben mich nicht besonders interessiert). Also will er jetzt „Geschichte machen“, indem er als erster Mensch im Mutai kämpft.
Smith mag ein talentierter Kämpfer sein, besonders diplomatisch ist er aber nicht gerade. Den Muta-do (Soon-Teck Oh) beleidigt er bei der ersten Begegnung gleich zweimal, in dem er ihn „E.T.“ und „snakehead“ nennt. Diese Szene versucht, das bekannte Motiv vom großen, weisen Krieger in einem alten, schwach erscheinenden Körper aufzugreifen. Das bekannteste Beispiel dafür ist wohl Luke Skywalkers erstes Zusammentreffen mit Yoda. In „TKO“ verfehlt der Einsatz dieses Motives allerdings seine Wirkung, da Walker Smith eine völlig platte und uninteressante Figur ist (und außerdem zumindest für den erfahrenen Zuschauer völlig vorhersehbar, dass der alte Außerirdische ein erfahrener Kämpfer ist). Jedenfalls bestätigt der Muta-Do, was Garibaldi auch schon gesagt hat: Der Mutai ist nichts für Menschen.
Mit Caliban (Don Stroud) tritt allerdings jemand an Smith heran, der ihm die Teilnahme am Mutai möglich machen will. Warum er das will, erfahren wir nicht. Eigentlich ist Caliban für die Folge komplett überflüssig, denn auf die Idee, den amtierenden Champion herauszufordern, hätte Smith auch anders kommen können. Als er mit Garibaldi einen Kampf des Champions Gyor (James Jude Courtney) anschaut, tut er das dann. Garibaldi erklärt ihn für verrückt und die anwesenden Aliens sind auch alles andere als begeistert. Menschen hätten im Mutai nichts zu suchen, behaupten sie. Wahrscheinlich haben Menschen dort schon aufgrund ihrer im Vergleich zu den meisten anderen Spezies geringen Körperkraft kaum eine Chance, aber es scheint auch kulturelle Gründe dafür zu geben, sie vom Mutai auszuschließen. „You intrude upon our worlds, make mockery of our customs, meddle in matters you do not understand. But humans have no place in the mutai. It is ours.“, giftet ein Drazi Smith an. Die Menschen müssen also im Jahr 2258 anscheinend überall (und möglichst ganz vorne) mit dabei sein, sich in alles einmischen und halten sich oft für die überlegene Spezies. Das sehen die anderen Völker nicht gerne und es löst Neid und schließlich Hass auf die Menschen aus. Dieser Aspekt hat mich sehr interessiert, aber über den hier zitierten Satz hinaus wird darauf in der Episode nicht weiter eingegangen. Stattdessen müssen wir langweilige Kämpfe über uns ergehen lassen.
War dieser Handlungsstrang bis dahin schon langweilig, so wird er danach nur noch schlimmer. Denn der Rest läuft vollkommen vorhersehbar ab und die Kampfszenen sind wirklich alles andere als interessant inszeniert. Zwar endet der Kampf mit einem Unentschieden, doch schließlich kommt es wie erwartet zum Triumph Smiths, als sein Gegner das Publikum aufruft, diesem zuzujubeln. Warum Gyor das tut, weiß man nicht. Zum Schluss sind alle zufrieden und die Aliens wieder mit den Menschen versöhnt, denen sie von nun an die Teilnahme am Mutai gestatten. Während „Babylon 5“ sich anderswo getraut hat, für die damalige Zeit vollkommen unerwartete Wendungen ans Ende einer Episode zu setzen und den Zuschauer so zu überraschen, bringt man ihn hier höchstens zum Einschlafen. Das einzige halbwegs Wichtige, das dieser Handlungsstrang zu bieten hat, ist Smiths Warnung „Watch your back!“ an Garibaldi.

Viel interessanter und besser gespielt ist wie erwähnt die Handlung um Susan Ivanova (Claudia Christian). In „Born to the Purple“ wurden wir Zeuge des letzten Gesprächs zwischen ihr und ihrem im Sterben liegenden Vater. Nun erfahren wir, dass Susan sich seitdem kaum mit ihrer Trauer auseinandergesetzt hat. Sie war nicht auf der Beerdigung ihres Vaters und hat auch keines der zum jüdischen Prozess des Trauerns gehörenden Rituale durchgeführt. Als Rabbi Koslov (Theodore Bikel), ein alter Freund der Familie, nach Babylon 5 kommt, versucht Susan sich mit ihrer Arbeit zu rechtfertigen. Sie habe ganz einfach zu viel zu tun gehabt, um trauern zu können. Als Koslov sich mit Commander Sinclair trifft, wird klar, dass Susan nicht einmal ihm vom Tod ihres Vaters erzählt hat. Wahrscheinlich war Garibaldi außer ihr die einzige Person auf der Station, die davon wusste, weil er in „Born to the Purple“ von ihrer unauthorisierten Nutzung eines der Goldkanäle erfahren und ihr Gespräch mit ihrem Vater mitverfolgt hat.
Die Szene mit Koslov und Sinclair erinnert uns zudem an einige Details aus Ivanovas Lebenslauf, von denen wir noch nicht alle wussten. Ein Jahr nach dem Selbstmord ihrer Mutter starb ihr jüngerer Bruder Ganya, der gegen den Willen des Vaters den Erdstreitkräften beigetreten war, im Krieg gegen die Minbari. Da Susan ihrem Vater die Schuld am Tod ihrer Mutter gab, war die Beziehung zwischen den beiden bereits zu diesem Zeitpunkt abgekühlt; nach dem Tod ihres Bruders kam es jedoch vollends zur Entfremdung. Sinclair hat vollstes Verständnis für Ivanovas Situation und gibt Koslov zu verstehen, sie könne sich so viel Zeit nehmen wie nötig, um Schiwa zu sitzen und zu trauern.
Als Koslov mit Susan Essen geht, unterhalten sie sich weiter über Susans Vater und Susan öffnet sich ein Stück. Als sie aber erfährt, dass Koslov bereits mit Sinclair gesprochen, regiert sie äußerst verärgert. Auch als Sinclair sie später auf das Thema anspricht, gibt sie sich verschlossen. Sinclair jedoch rät ihr, sich Zeit zum Trauern zu nehmen und sich mit ihren Gefühlen auseinanderzusetzen, wozu sie immer noch nicht bereit ist.  Sie öffnet sich später zwar Koslov gegenüber ein Stück weit und gibt zu, dass sie sich wünscht, ihr Vater hätte ihr seine Liebe offen gezeigt. Doch zum Trauern ist sie immer noch nicht bereit und schiebt wieder ihre Arbeit als Grund vor, obwohl deutlich der Schmerz in ihrem Gesicht zu erkennen ist.
Erst als Koslov kurz vor dem Rückflug zur Erde ist, kann sie sich doch noch dazu durchringen, ihm (und sich selbst) einzugestehen, dass sie um ihren Vater trauern will und muss. Es kommt also zu einer emotionalen Szene, bei der sie in ihrem Quartier gemeinsam mit Koslov, Sinclair und einigen anderen (s. Frage unten) Schiwa sitzt, ein paar Anekdoten über ihren Vater erzählt und schließlich heftig weint. Damit hat sie eine wichtige Hürde im Prozess des Trauerns genommen.
Ich gebe zu, auch dieser Handlungsstrang ist nicht gerade weltbewegend und für sich allein definitiv zu wenig, um die A-Handlung einer Episode zu bilden. Ivanova erhält hier zwar ein Stück notwendige Charakterzeichnung. Zusammen mit der grottigen Box-Story ergibt das aber noch längst keine gute „Babylon 5“-Folge und ich mag „TKO“ wie gesagt auch nicht besonders. Trotzdem kann ich immerhin einigen Szenen der Ivanova-Handlung etwas Gutes abgewinnen und mag das Schauspiel von Claudia Christian und von Theodore Bikel als Rabbi Koslov. Nicht unerwähnt lassen will ich außerdem, dass der Atheist JMS hier ein weiteres Mal (nach „The Parliament of Dreams“ oder „Believers“) religiöse Aspekte in den Vordergrund stellt, was insbesondere deshalb erfreulich ist, weil hier eben keine einheitlich christliche Zukunft gezeigt wird, sondern die Welt von „Babylon 5“ auch was Religion betrifft sehr vielfältig ist.

Leider kommen in dieser Episode übrigens weder die außerirdischen Botschafter noch ihre Attachés vor. G’Kar haben wir (zumindest wenn man die Staffel in dieser Reihenfolge anschaut) schon mindestens seit drei Folgen nicht mehr gesehen, ebenso Talia Winters. Das wird sich jedoch in den letzten beiden Folgen der Staffel ändern.

Highlight der Episode: Einen positiv besonders hervorstechenden Moment gibt es in dieser Folge zugegeben nicht, aber Claudia Christians Schauspiel hat mich doch sehr beeindruckt. Vor allem in der Szene mit dem Samowar gelingt es ihr sehr gut, die innere Zerissenheit ihrer Figur deutlich zu machen.

Folgende (weitere) wichtige Informationen, die für den weiteren Verlauf der Serie wichtig sind, erhalten wir in dieser Episode:

Garibaldi soll auf sich aufpassen („Watch your back!“) und Ivanova fällt aufgrund ihrer persönlichen Geschichte der offene Umgang mit ihren Gefühlen schwer. Und Drehbücher von Larry DiTillio sind bestenfalls eine zwiespältige Angelegenheit.

Sonstige Fragen:

  • Warum ist Walker Smith ausgerechnet nach Babylon 5 gekommen, um im Mutai zu kämpfen? Sicher finden auch anderswo Mutai-Kämpfe statt. Hat es damit zu tun, dass die Raumstation neutraler Boden ist und er sich dort als Mensch bessere Chancen ausrechnet? Wie ist der Mutai als „speziesübergreifende Boxliga“ eigentlich entstanden? (Antwortet mir bitte auf diese Fragen bloß nicht, denn das interessiert mich nicht wirklich! 😉 )
  • Wer sind all die Menschen, die zusammen mit Ivanova Schiwa sitzen? Außer Rabbi Koslov und Commander Sinclair sind noch einige vollkommen unbekannte Leute in ihrem Quartier. Da Ivanova nicht gerade für ihre offene Art bekannt ist, glaube ich kaum, dass das alles Freunde von ihr sind. Ihre Familie kann es wohl kaum sein. Und selbst wenn es Bekannte von ihr sein sollten – wieso hat sie dann nicht auch Talia Winters, Garibaldi oder Dr. Franklin eingeladen?

Weitere interessante Punkte:

  • Sind Lebensmittel von fernen Welten eigentlich koscher? Zumindest Rabbi Koslov scheint sich darum nicht allzu viele Gedanken zu machen, ganz nach dem Motto „Wenn unsere Schriften es nicht explizit verbieten, dann ist es erlaubt“.
  • Als Zeiteinheit werden hier wieder einmal „cycles“, also Umdrehungen (der Station) angegeben. „Drei Umdrehungen“ hört sich für mich nicht besonders lang an, aber ich habe auch nicht wirklich Ahnung davon, wie schnell sich Babylon 5 denn dreht.
  • Bei den „Slappers“ (auch in der deutschen Fassung!), die Garibaldi zu Beginn der Episode konfisziert, handelt es sich um Hautpflaster, die zur Verabreichung von Medikamenten (oder Drogen) dienen. JMS zufolge wurden sie aus dem Medlab gestohlen.
  • Das Buch, das Ivanova in ihrer ersten Szene liest, ist „Working Without a Net“, die fiktive Autobiografie des Schriftstellers Harlan Ellison, der bei „Babylon 5“ als kreativer Berater diente. JMS berichtete 1994, Ellison habe vor, das Buch etwa im Jahr 2000 zu schreiben. 😉
  • Die von Ivanova erwähnten Verhandlungen zum Euphrates-Vertrag fanden in „Born to the Purple“ statt, also zur selben Zeit wie der Tod ihres Vaters.
  • Das Schiff, mit dem Koslov die Station wieder verlassen will, heißt „White Star“. Es wird nicht das letzte Raumschiff mit diesem Namen sein, das wir im Lauf der Serie sehen…
  • Die „Sports“-Einblendung hinter der Nachrichtensprecherin, die auf ISN über Walker Smiths Teilnahme am Mutai berichtet, ist ganz klar eine aus Holz gezimmerte Kulisse. 😀

Interessante „Hinter den Kulissen“-Fakten:

  • Regie bei dieser Folge führte John C. Flinn III, der sonst der Kameramann für „Babylon 5“ war.
  • Jane Killick schreibt in ihrem Episodenführer zur ersten Staffel, dass die Folge von einer jüdischen Organisation mit einem Preis für die Darstellung der jüdischen Religion im Fernsehen ausgezeichnet worden ist.
  • Channel 4, der Sender, der „Babylon 5“ in Großbritannien ausstrahlte, zeigte diese Folge bei der Erstaustrahlung offenbar nicht. Weiß jemand mehr darüber und über die Gründe?
  • Walker Smith war der echte Name des Boxers Sugar Ray Robinson.

Zitate:

„This is my first time among the stars, you know. Such vastness, seen so close, makes one feel very small.“ (Rabbi Koslov)

„By the way… This Babylon 5 of yours! Ness gadol. A great miracle.“ (Rabbi Koslov zu Sinclair)

Rabbi Koslov: „Without forgiveness, you cannot mourn. And without mourning, you can never let go of the pain.“
Ivanova: „I have to go on duty“
Rabbi Koslov: „You cannot run away from your own heart, Susan. Not even in space.“

„Watch your back!“ (Walker Smith zu Garibaldi)

Die nächste Folge in meinem „Babylon 5“ Rewatch:
1.17 „Legacies“ (folgt demnächst)
(Die Reihenfolge, in der ich die Episoden der ersten Staffel bespreche, könnt ihr ganz am Ende dieses Blogposts einsehen.)

Babylon 5 – Episode 1.21 „The Quality of Mercy“

Aktuelles aus dem „Babylon 5“-Universum

Wirklich aktuelle Neuigkeiten über „Babylon 5“ gibt es zwar nicht, aber „Babylon 5“-Schöpfer JMS hat Creative Screenwriting ein interessantes Interview gegeben, dessen zwei Teile ihr hier und hier lesen könnt. Darin spricht er unter anderem über „Babylon 5“, „Sense8“, das Drehbuchschreiben und seine Arbeit als Comicautor. Die interessanteste Info ist meiner Meinung nach allerdings, dass JMS vor ein paar Jahren ein Filmdrehbuch für Steven Spielberg geschrieben hat, welches JMS zufolge entweder von Spielberg selbst oder von Martin Scorcese verfilmt werden wird. Ich kann nur hoffen, dass es wirklich dazu kommt und würde mich riesig freuen, wenn es auf diese Weise zur Zusammenarbeit zweier meiner Idole kommen würde (Spielberg & JMS, wobei natürlich auch die Kombination Scorcese & JMS eine große Ehre und einen großen Erfolg für JMS bedeuten würden).
Zudem wird JMS auch dieses Jahr wieder auf der San Diego Comic Con zu Gast sein. Sein Panel findet am 22.7. um 17:30 Uhr (Ortszeit) statt. Zusätzlich wird er auf der Con auch eine Autogrammstunde und einen Schreibworkshop abhalten. Sein Panel wird sich wohl vor allem um seine aktuelle Serie „Sense8“ drehen, allerdings wird er bestimmt auch auf andere Projekte eingehen, an denen er zurzeit arbeitet. Darunter befinden sich die Verfilmung seiner Comicserie „Rising Stars“ und die auf der „Red Mars“-Trilogie basierende Fernsehserie, an deren Entwicklung er beteiligt war. Ob es auch „Babylon 5“-Neuigkeiten geben wird, ist nicht bekannt. Die Beschreibung des Panels kündig aber vollmundig an: „[T]he announcements this time are especially big. Be there for news that’s going to blow up the Internet.“ Ob das bedeutet, dass wir endlich konkrete Neuigkeiten zu einem „Babylon 5“-Kinofilm erfahren werden, den JMS 2014 angekündigt hat, oder ob es sich doch um etwas ganz anderes dreht, kann man zum jetztigen Zeitpunkt unmöglich wissen. Ich erwarte mal lieber nicht zuviel. Zwar bin ich kein Comicfan, aber ich freue mich auf jeden Fall auf alle Film- und Fernsehprojekte, an denen JMS beteiligt ist.
Und nun weiter zur „Babylon 5“-Episode, die ich in diesem Blogpost bespreche:

Episode 1.21 „The Quality of Mercy“ („Die Heilerin“)

Drehbuch: J. Michael Straczynski, Regie: Lorraine Senna Ferrara
Erstausstrahlung: 17.08.1994 (USA), 10.12.1995 (Deutschland)

Wie so oft in der ersten Staffel haben wir es hier mit einer Episode zu tun, die zwar eine in sich abgeschlossene Geschichte erzählt, aber doch ein paar Dinge und Figuren in die Geschichte einführt, die später – zum Teil viel später – noch einmal eine Rolle in der Serie spielen werden. So einen Fall haben wir gleich in der ersten Szene, in der Londo mit einem Senator seiner Heimatwelt spricht. Bei diesem handelt es sich um Senator Virini (gespielt von Damian London; den Namen der Figur erfahren wir hier noch nicht), den wir später noch öfter sehen werden.
Und wo ich schon bei Londo bin, bleibe ich mal bei diesem Handlungsstrang, denn er hat mit Rest der Folge nichts zu tun. Londo, der von Virini ja den Auftrag bekommen hat, seine Beziehungen zu den anderen Völkern zu pflegen, verbindet das Nützliche mit dem Angenehmen und tut das, was er sonst auch gerne tut: er besucht einen Nachtclub, nur eben dieses Mal mit Lennier. Dieser darf als Minbari, wie sich herausstellt, leider keinen Alkohol trinken und langweilt Londo mit Details seiner langen Ausbildung. Als er jedoch erwähnt, dass er sich u.a. intensiv mit Wahrscheinlichkeitsrechnung beschäftigt hat, schleppt Londo ihn sofort an einen Pokertisch. Während Lennier feststellen muss, dass er auch beim Pokern noch viel praktisches Wissen zu erwerben hat, hat Londo dieses längst verinnerlicht und setzt sogar eines seiner Körperteile zum Schummeln ein. Wie wir später erfahren, handelt es sich dabei um einen der sechs Penisse, über die männliche Centauri verfügen (und die den Podcastern vom „Grauen Rat“ ihr Bewertungssystem beschert haben). Soweit ich weiß ist „Babylon 5“ damit die einzige Mainstream-Science-Fiction-Serie, in der jemals ein männliches Geschlechtsorgan gezeigt worden ist… Jedenfalls kommt es daraufhin zur einer Massenschlägerei im Club, aus der Londo und Lennier ganz schön lädiert hervorgehen. Anschließend sitzen sie wie zwei beschämte Schüler vor Sinclair, der nach einer Erklärung verlangt. Um Londos Gesicht zu wahren, nimmt Lennier die Schuld auf sich und behauptet, er habe ein Missverständnis verschuldet, das zum Streit und zur Schlägerei geführt habe. Zwar erwähnt er auch, dass Delenn aus Respekt nicht weiter nachfragen wird (schließlich wird sie ebenfalls Lenniers Gesicht wahren wollen), trotzdem würde ich zu gerne Delenns Gesichtsausdruck in dem Moment sehen, wo sie erfährt, dass ihr Attaché in eine Schlägerei verwickelt war, deren Auslöser Londos Penis gewesen war! 😉
Diese Nebenhandlung ist nicht besonders wichtig und manche werden sie aufgrund der Einführung (no pun intended!) von Londos Geschlechtsorganen für völlig blödsinnig halten. Trotzdem hat auch dieser Handlungsstrang seinen Wert. Zum einen bringt er mit Londo und Lennier zwei Figuren zusammen, die in der Serie bisher kaum interagiert haben. Zum anderen erfahren wir vor allem über Lennier eine ganze Menge Neues. Die Handlung um Londo und Lennier ist damit inhaltlich für zukünftige Ereignisse kaum relevant, dient aber dazu, Lenniers Charakter weiter auszubauen und uns ein wenig mehr über die Kultur der Minbari und Centauri zu vermitteln (s. unten).

Viel interessanter sind allerdings die beiden anderen Handlungsstränge, die auch den größten Teil der Episode einnehmen. In einem davon haben wir es mit einem brutalen, geistesgestörten Massenmörder zu tun, der zahlreiche Menschenleben auf dem Gewissen hat. Im anderen geht es um eine Ärztin, die zahlreiche Menschen von zum Teil tödlichen Krankheiten geheilt hat. Dem Mörder wiederum sollen mit Hilfe von technischen Geräten all seine Erinnerungen genommen und seine Persönlichkeit komplett ausgelöscht werden. Auch die Heilerin verfügt über eine Maschine, mit der sie aber nichts auslöscht, sondern Lebewesen heilt (wobei das nicht die einzige Funktion der Maschine ist).
Der Handlungsstrang um den Massenmörder Karl Mueller (Mark Rolston) wirft viele wichtige Fragen auf: Wie soll man einen offenbar kranken Menschen bestrafen, der zahlreiche Menschen ermordert hat und es weiter tun würde, wenn man nicht einschreitet? Darf man so jemanden umbringen? Und falls nicht, ist die Auslöschung seiner Persönlichkeit nicht ebenfalls eine Art Todesstrafe? Schließlich bleibt danach außer seinem Körper nichts zurück, was diesen Menschen ausgemacht hat? Ist das nicht vielleicht sogar schlimmer als die Todesstrafe? Oder gibt es dem Täter tatsächlich die Gelegenheit, ganz von vorne anzufangen, der Gesellschaft zu dienen und so gewissermaßen Buße zu tun? (Man könnte dies sogar als eine Form der Wiedergeburt interpretieren.)
Auch auf Babylon 5 gibt es dazu natürlich verschiedene Ansichten. Sicherheitschef Michael Garibaldi würde Mueller am liebsten selbst aus der nächsten Luftschleuse schubsen. Seiner Meinung nach ist die Todesstrafe für Mörder nur gerecht (ein Charakterzug, den JMS von Garibaldi-Darsteller Jerry Doyle auf die Figur übertragen hat). Dr. Franklin wiederum hält dagegen nicht nur die Todesstrafe, sondern auch die Löschung der Persönlichkeit für moralisch bedenklich. Die Ansichten von Commander Sinclair erfahren wir nicht, da er in dieser Folge nur zwei Szenen hat. Als Commander wird er wahrscheinlich neutral bleiben wollen, solange die beteiligten Parteien auch ohne ihn eine Einigung erzielen können (was in „Believers“ nicht der Fall war). Auch der den Fall betreuende Richter Wellington (Jim Norton) muss natürlich objektiv urteilen. Die Person, deren Meinung man am besten nachvollziehen kann, ist Talia Winters. Die Telepathin hat die Aufgabe, Mueller vor der Vollstreckung des Urteils zu scannen und geht extrem verstört, wenn nicht sogar traumatisiert aus dieser Erfahrung hervor. Es bestätigen sich sowohl die Vermutung, dass Mueller noch wesentlich mehr Personen umgebracht hat, als bekannt ist, als auch seine offenkundige Geistesgestörtheit.

Eine ausführliche Zusammenfassung der Geschichte um Dr. Franklin, die scheinbare Scharlatanin Dr. Rosen und ihre Tochter, sowie Mueller – dessen Handlungsstrang mit dem um Dr. Rosen zusammengeführt wird – spare ich mir an dieser Stelle. Insgesamt ist „The Quality of Mercy“ eine solide, leicht überdurschnittliche Episode und sicherlich eine der besseren Folgen der ersten Staffel. Die Darsteller von Mutter und Tochter Rosen fand ich zwar nicht besonders beeindruckend, dafür hat mich Jim Norton als Richter begeistert, der leider aber viel weniger Szenen hatte. Auch Mark Rolston war als geistesgestörter und furchterregender Massenmörder überzeugend. Am Ende der Folge verabreden sich Dr. Franklin und Janice Rosen zwar zum Essen, doch wir werden weder Janice noch ihre Mutter jemals wieder sehen. Trotzdem beinhaltet die Folge wie gesagt einige Elemente, die man sich merken sollte. Dazu gehört zum einen die außerirdische Maschine, mit der sich Lebensenergie von einer Person auf eine andere übertragen lässt und die nun in Dr. Franklins Obhut verbleibt, aber auch das Konzept der Persönlichkeitslöschung (und die anschließende Etablierung einer völlig neuen Persönlichkeit mit neuen Erinnerungen im gleichen Gehirn). Weitere Dinge, die später in der Serie wieder angesprochen werden, findet ihr unten.
Was die Figuren betrifft, so erfahren wir zumindest ein bisschen mehr über Talia, die hier nicht zum ersten Mal einen Serienmörder scannt (in „Deathwalker“ wurde – wenn ich mich richtig erinnere – erwähnt, dass sie einmal auf dem Mars das Gehirn eines Serienmörders scannen musste). Auch Franklins Figur wird weiter ausgebaut, allerdings erscheint er mir etwas widersprüchlich. Einerseits interessiert er sich sehr für nichtmenschliche Biologie und Medizin, andererseits tut er die fremde Maschine sofort als wirkungslos oder sogar schädlich ab. Immerhin hat er aber zum Schluss der Episode akzeptiert, dass Dr. Rosen damit wirklich anderen Wesen helfen konnte.

Highlight der Episode – und zugleich der beste Londo-Moment: Na was wohl? Natürlich die Szene, in der Londo beim Poker schummelt. Ich zitiere hierzu mal seinen Darsteller Peter Jurasik: „To actually have you genitalia as part of the script is really a wonderful thing.“ (Aus Jane Killicks Episodenführer zur ersten Staffel.) Ich meine mich auch zu erinnern, dass JMS mal ganz stolz davon berichtet hat, dass er hier tatsächlich Geschlechtsorgane in einer Folge zeigen konnte, ohne dass es die Verantwortlichen beim Sender und der Produktionsfirma besonders zur Kenntnis nahmen.

Folgende (weitere) wichtige Informationen, die für den weiteren Verlauf der Serie wichtig sind, erhalten wir in dieser Episode:

  • Wir erfahren eine Menge über Lennier, der hier eine große Rolle hat. Seit seiner Geburt wurde er auf Minbar in einem Tempel großgezogen und in der Lebensweise und den Ansichten der religiösen Kaste unterrichtet. Von dort kam er vor sechs Monaten (in „The Parliament of Dreams“) direkt nach Babylon 5. Er ist also zwar äußerst gebildet, verfügt aber über wenig praktische Lebenserfahrung, ganz besonders im Umgang mit anderen Kulturen. Allerdings scheint seine Ausbildung auch Kampffähigkeiten enthalten zu haben, denn wie wir sehen weiß er sich körperlich durchaus erfolgreich zur Wehr zu setzen.
  • Dr. Franklin betreibt auf der untersten Ebene eine nicht angemeldete Praxis, in der er mittellose Patienten umsonst behandelt.
  • In der Kultur der Minbari ist es eine große Ehre, jemand anderem zu helfen, das Gesicht zu wahren. Dazu ist es sogar erlaubt, zu lügen. Das tun die Minbari sonst nämlich nicht. Meistens jedenfalls. 😉
  • Männliche Centauri verfügen über sechs Penistentakel. Wer mehr darüber wissen will, wie diese Penisse funktionieren und wie die komplementären weiblichen Geschlechtsorgane aussehen, male sich das bitte selbst aus (oder durchsuche das Internet nach entsprechender Fan Fiction, die es bestimmt gibt). Ich habe diesen Fakt hier unter „für den weiteren Verlauf der Serie noch wichtige Informationen aufgenommen“, weil darauf tatsächlich später noch einmal eingegangen wird. Aber keine Angst: Besonders wichtig ist dieses Detail für die Handlung nicht. Und wir werden auch keine expliziten Centauri-Sexszenen sehen. Wenn euch die Vorstellung von sechs Centauri-Penissen trotzdem verstört, könnt ihr es ja wie Lennier machen, der am Ende der Folge gelobt, darüber zu schweigen. Allen anderen kann ich noch folgende Beschreibung einer Badewanne im Zimmer eines Centauri-Hotels anbieten, die ich vor ein paar Tagen im „Babylon 5“-Roman „The Shadow Within“ von Jeanne Cavelos entdeckt habe: „The bathroom had some odd appliances, for the styling of the male Centauri’s hair […] and a huge golden bathtub that seemed to be in the shape of a six-tentacled octopus-type creature.“
  • Die Funktionsweise der Heilmaschine hat JMS online genauer erklärt: „[I]t’s not so much alien HEALING device as an alien LIFE TRANSFERRAL device. If someone is actually dying, or close to it, the only way to save that person is to take the life from someone else.“ Je nachdem, wie schwer krank oder verletzt eine Person ist, ist also auch mehr Lebensenergie nötig, um diese Person zu heilen. Das kann dazu führen, dass jemand seine gesamte Lebensenergie geben muss, um eine andere Person zu retten…

Sonstige Fragen:

  • Warum ist eigentlich ein telepathischer Scan bei einer Person vorgeschrieben, bei der eine Löschung der Persönlichkeit vorgenommen werden soll?

Weitere interessante Punkte:

  • Nachdem Londo in der ersten Szene das Gespräch mit Virini beendet hat, äfft er ihn nach: „I’ll be in touch. Touch this!“ Dabei zeigt er mit seinen Händen scheinbar auf seinen Bauch. Erst im Nachhinein realisiert man, auf welche seiner Körperteile er tatsächlich gezeigt hat…
  • Minbari vertragen keinen Alkohol. Selbst kleine Mengen davon lösen bei ihnen psychotische Impulse und einen brutalen Mordrausch aus. (Bin ich der Einzige, der das gerne mal in einer Folge gesehen hätte?)
  • „Spacing“, also der Tod durch das Hinausstoßen ins Vakuum des Weltalls, ist im Jahr 2258 nach Erdrecht eine Form der Todesstrafe. Wie Richter Wellington erwähnt, kann es bei Meuterei und Verrat angewendet werden.
  • Ivanova gibt Franklin gegenüber zu, dass sie sich die Vorschriften auch selbst hin und wieder ein wenig zurechtbiegt. Ein Beispiel dafür ist der Kaffee, den sie auf der Station für sich anbaut (siehe „The War Prayer“).
  • Wenn Londo (in der Originalfassung) Lenniers Namen ausspricht, klingt das in dieser Folge oft wie „Lannier“? Liegt das an Londos Akzent? Ist das noch jemandem aufgefallen?
  • Mehrmals wird in dieser Folge wieder erwähnt, dass der Raumstation nur ein äußerst knappes Budget zur Verfügung steht. Das kommt zunächst im Gespräch zwischen Franklin und Ivanova zur Sprache, als Ivanova sagt, sie könnten es sich nicht leisten, kostenlose Medikamente und medizinische Leistungen an Stationsbewohner zu verteilen. Später wird der Personalmangel auf Babylon 5 als Grund dafür genannt, warum Mueller nicht auf der Station inhaftiert werden kann. Zudem scheint die Station auf der Prioritätenliste der Erdregierung ziemlich weit unten zu stehen; es wird erwähnt, dass die Erde kein Geld ausgeben will, um Mueller zu transportieren.

Interessante „Hinter den Kulissen“-Fakten:

  • JMS schrieb das Drehbuch zu dieser Folge, als er unter einer schweren Grippe litt. Wenn er unter diesem Zustand schreibe, so zitiert ihn Jane Killick in ihrem Episodenführer zur ersten Staffel, dann könne er sich später nicht mehr daran erinnern, was er geschrieben habe. Zudem würden seine Drehbücher dann stets besonders seltsam – so rechtfertigt er den Centauri-Penis in dieser Folge.
  • Mueller-Darsteller Mark Rolston hat eine lange Liste an Auftritten in Filmen und Fernsehserien, nicht selten im Science Fiction-Bereich. Sein zumindest für mich aber beeindruckendster IMDB-Credit ist seine Rolle als Private Drake in James Camerons „Aliens“.
  • Jim Norton hat in „Babylon 5“ nicht nur die Rolle von Richter Wellington gespielt (wir kennen ihn bereits aus „Grail“). Im weiteren Verlauf der Serie werden wir ihn auch in anderen Rollen sehen. Norton hat eine lange Karriere auf der Bühne, im Fernsehen und in Filmen hinter sich; Science Fiction-Fans kennen ihn unter anderem als Albert Einstein aus „Star Trek: The Next Generation“.
  • Der Name des Dark Star Nachtclubs, den wir bereits aus „Born to the Purple“ kennen, ist natürlich eine Anspielung auf den Film „Dark Star“ (1974).
  • Beim Originaltitel der Episode handelt es sich um ein Zitat aus Shakespears „Der Kaufmann von Venedig“.
  • June Lockhart, die Dr. Rosen spielt, war in der Serie „Lost in Space“ (1965-1968) als Dr. Maureen Robinson zu sehen. Lennier-Darsteller Bill Mumy spielte damals ihren Sohn, Will Robinson. Obwohl Mumy JMS darum bat, doch eine gemeinsame Szene für ihn und Lockhart ins Drehbuch zu schreiben, widerstand JMS dieser Versuchung, weil die Handlungsstränge von Lennier und Dr. Rosen nichts miteinander zu tun hatten und eine solche Szene keinerlei Funktion für die Handlung gehabt hätte.

Zitate:

Franklin (im Behandlungsraum, nicht von seinem Tablet hochschauend): „You can start by removing your clothes…“
Ivanova: „Not without dinner and flowers.“

Londo (zu Lennier, mit Blick auf die Stripperin im Dark Star): „Here you will see the heart and soul of Babylon 5. Also its spleen, its kidneys, a veritable parade of internal organs.“

Londo (zu Lennier): „Right now, I want to introduce you to the ultimate means of interstellar understanding. The Earthers call it ‚poker‘.“

„I did the necessary thing. That is not always the same as the right thing.“ (Laura Rosen)

Sinclair: „I’m still waiting for an explanation, gentlemen.“
Londo (sichtlich lädiert nach der Schlägerei im Dark Star): „Yes, and I am prepared to give you one, Commander. As soon as the room stops spinning.“
Sinclair: „This station creates gravity by rotation, it never stops spinning.“
Londo: „Well, I begin to see my problem.“

 

Die nächste Folge in meinem „Babylon 5“ Rewatch:
1.14 „TKO“
(Die Reihenfolge, in der man die Episoden idealerweise anschauen sollte, weicht hier von der Reihenfolge auf den DVDs ab. Ganz am Ende dieses Blogposts könnt ihr die Reihenfolge einsehen, in der ich die erste Staffel bespreche.)

Better Call Saul – Season 2

Nachdem mich die hohe Qualität der ersten Staffel von „Better Call Saul“ doch sehr überrascht hatte, war es klar, dass ich mir auch Season 2 anschauen musste. Das habe ich auch getan, allerdings ist das schon wieder über zwei Monate her. Mal schauen, woran ich mich für diesen Blogpost also noch erinnere. 😉

Da „Better Call Saul“ ein Prequel zu „Breaking Bad“ darstellt, ist bereits klar, wie die Serie für Jimmy McGill (Bob Odenkirk) enden muss: er muss zu Saul Goodman werden, jenem aus „Breaking Bad“ bekannten schmierigen Anwalt in geschmacklosen Anzügen, der nichts dagegen hat, in moralischen Grauzonen zu agieren und seinen Traum, es in einer großen (oder mit einer eigenen) Kanzlei ganz nach oben zu bringen, aufgegeben hat. Nun, diesen Traum hat Jimmy in der zweiten Staffel der Serie noch. Zwar hat er den Anwaltsberuf zu Beginn erst einmal an den Nagel gehängt, nimmt aber am Ende der ersten Folge doch noch den ihm angebotenen Job bei Davies & Main an. Auch ist er noch „moralisch flexibel“, wie er Mike (Jonathan Banks) versichert, als der Jimmy um Hilfe bittet. Es geht dabei darum, einem ITler, dessen Nebentätigkeit als Drogendealer aufgeflogen ist, rechtlichen Beistand zu leisten. Wie es Jimmy schafft, den armen Typen mit einer haarsträubenden, vollkommen absurden Geschichte herauszureden, das ist wirklich zum Brüllen komisch. Eigentlich sind alle Szenen, in denen Jimmy jemand anderen übers Ohr haut – manchmal ganz einfach weil er es kann, meistens aber, weil es seinen Zwecken dient – einfach herrlich (Stichwort: Pina Coloda-Song!). Seine Geschichten sind jedes Mal so absurd, dass man sie einfach glauben muss. Bob Odenkirk spielt Jimmy in diesen Momenten genau so, dass man merkt: da tut einer etwas, bei dem er gut ist und das ihm großen Spaß macht.

Jimmys Freundin (und Kollegin) Kim Wexler (Rhea Seehorn) ist von seinen beruflichen Schwindeleien alles andere als begeistert und Jimmy verspricht ihr zumindest, dass sie nie wieder etwas davon mitbekommen wird. Im Lauf der Staffel kann Jimmy sie aber dazu überzeugen, ihre Stelle bei HHM zu kündigen, um gemeinsam mit ihm ein Büro zu eröffnen. Es sieht also eine Weile tatsächlich so aus, als würde es für Jimmy aufwärts gehen. Kim gelingt es sogar, HHM einen großen und prestigeträchtigen Klienten abzuwerben. Doch als Jimmys Bruder Chuck (Michael McKean) davon erfährt, mobilisiert er alle ihm noch verbliebenen Kräfte, um den Klienten zurückzuholen – erfolgreich. Dies wiederum veranlasst Jimmy zu seinem wohl größten und folgenreichsten Betrug in dieser Staffel: in Chucks Haus verschafft er sich Zugang zu den entsprechenden Akten und manipuliert diese in zeitraubender Detailarbeit im Copyshop, sodass es später bei einer gerichtlichen Anhörung so aussieht, als habe HHM schlampig gearbeitet. Der Klient wechselt erneut zu Kim Wexler.

Chuck ist sich danach sofort sicher, dass sein Bruder seine Hände im Spiel gehabt haben muss. Kim, die das nicht glauben kann, nimmt Jimmy in Schutz und wirft Chuck vor, Jimmy sei nur deshalb zu einem Schwindler geworden, weil Chuck nie an ihn geglaubt habe. Trotz aller kleinen und großen Schwindeleien ist Jimmy aber ein äußerst loyaler Mensch. Er liebt seinen kranken Bruder und kümmert sich rührend um ihn. Leider hat er mit ihm halt auch beruflich zu tun und ist ihm auf diesem Gebiet deutlich unterlegen. Um sich nach oben zu arbeiten, ist ihm fast jedes Mittel recht. Es ist auch sehr interessant, dass Mike klarere moralische Prinzipien zu haben scheint als Jimmy, obwohl Jimmy Anwalt ist und Mike Krimineller ist.

Schauspielerisch ist die Staffel erste Klasse. Bob Odenkirk wechselt scheinbar mühelos von der Komik hin zu ernsten Szenen und macht Jimmy so zu einer dreidimensionalen, glaubhaften Figur. Auch allen anderen Darstellern gelingt dies mit ihren Charakteren, allen voran Jonathan Banks als Mike und Michael McKean als Chuck. Glücklicherweise dürfen sie mit hervorragenden Drehbüchern arbeiten, die die Serie genau im richtigen Tempo vorantreiben. Jimmy ist seiner „Saul-Werdung“ in diesen zehn Folgen ein Stück näher gekommen, aber ganz da ist er noch nicht. Er hat sich noch nicht aufgegeben, hat noch Hoffnung auf Erfolg und das große Geld. Einen herben Rückschlag erhält er allerdings ganz am Ende der Staffel. Dort holt Chuck zum Gegenschlag aus, nachdem er Opfer von Jimmys Betrug geworden ist. Die Folgen davon werden das Leben für Jimmy in der nächsten Staffel ein ganzes Stück schwerer machen und er wird seiner Saul Goodman-Persönlichkeit, wie wir sie aus „Breaking Bad“ kennen, ein ganzes Stück näher kommen. Die grellbunten Anzüge hat er sich in dieser Staffel ja schon mal (in einer herrlich komischen Szene) besorgt.

Babylon 5 – Episode 1.20 “Babylon Squared“

Aktuelles aus dem „Babylon 5“-Universum

Auf Den of Geek wurde kürzlich eine Liste der besten „Babylon 5“-Episoden veröffentlicht. Natürlich ist so eine Auflistung rein subjektiv; mir persönlich fehlt die eine oder andere großartige Episode, aber im Großen und Ganzen wurden die Höhepunkte der Serie dort ganz gut getroffen. Natürlich beinhaltet der Artikel zahlreiche große Spoiler für die gesamte Serie!
Außerdem möchte ich noch einmal auf den besten, größten und einzigen deutschsprachigen „Babylon 5“-Podcast aufmerksam machen. „Der graue Rat“ geht seit einigen Monaten die Serie Folge für Folge durch und hat vor kurzem auch ein Special veröffentlicht, bei dem Michael Erdmann zu Gast war, der für die deutsche Synchronisation der Serie verantwortlich war. Herr Erdmann erweist sich als äußerst sympathischer Gesprächspartner. Er hat selbst eine Vorliebe für Science Fiction und erinnert sich noch recht gut an „Babylon 5“ und seine Arbeit an der Serie, so dass er ein paar Anekdoten zum Besten geben kann. Ein tolles Interview, das wie alle Episoden von „Der graue Rat“ für B5-Fans sehr hörenswert ist!
Und noch etwas habe ich entdeckt: Die Website von Babylon 5 Books wurde neu gestaltet (und demnächst wird es die Waren aus dem Shop dort wohl auch bei Amazon zu kaufen geben). Teil der Umgestaltung ist eine neue Kolumne, die regelmäßig erscheinen soll und sich in ihrer ersten Ausgabe mit den Schwerkraft-Ringen von Delenn beschäftigt, die wir im Pilotfilm zu sehen bekamen, danach aber nie wieder.

Kommen wir nun aber zur nächsten Episode von „Babylon 5“ – und die hat es dieses Mal in sich.

Episode 1.20 „Babylon Squared“ („Verloren in der Zeit“)

Drehbuch: J. Michael Straczynski, Regie: Jim Johnston
Erstausstrahlung: 10.08.1994 (USA), 03.12.1995 (Deutschland)

Die Folge beginnt damit, dass Sinclair und Garibaldi ihrer müden Kollegin Susan Ivanova beim Frühstück einen Streich spielen. Die beiden haben es anscheinend faustdick hinter den Ohren und müssen diesen Streich vorher geplant haben. Oder wozu hatten sie sonst auf den Stühlen neben sich leere Teller versteckt? Bevor Ivanova einnickt, erfahren wir im Gespräch zwischen den dreien noch die wichtigsten Fakten zur Ausgangslage der Handlung: Nicht allzu weit entfernt von Babylon 5 wurden im Weltraum erhöhte Tachyon-Emissionen gemessen und Ivanova hat einen einzelnen Piloten losgeschickt, um mehr herauszufinden. Bevor die Serie zur Titelsequenz übergeht, sehen wir diesen Piloten in seinem Starfury am Ziel ankommen. Er kann gerade noch „Noooo!“ schreien und die Arme vors Gesicht reißen, als ihn ein Blitz aus Tachyon-Emissionen trifft und die Serie zur Titelsequenz übergeht.

Nach der Titelsequenz erfahren wir etwas mehr. Der Pilot ist nach Babylon 5 zurückgekehrt, allerdings nur weil es ihm gelang, rechtzeitig den Autopiloten einzuschalten. Er ist nämlich unerklärlicherweise an Altersschwäche gestorben und konnte gerade noch die Zeichen „B4“ in seinen Anschnallgurt ritzen, woraus Sinclair, Garibaldi und Ivanova messerscharf auf Babylon 4 schließen. Wir erinnern uns (und werden in dieser Folge auch extra daran erinnert): Nachdem die ersten drei Babylon-Stationen noch während ihrer Konstruktion Sabotageakten zum Opfer fielen, verschwand Babylon 4 spurlos nur kurz nachdem die Station im Jahr 2254 ihren Betrieb aufnahm. Niemand kennt den Grund dafür oder weiß, wohin die Station verschwunden ist. Ein (sehr kleiner) Teil dieses Rätsels wird in dieser Folge gelöst, denn wie sich herausstellt taucht Babylon 4 nun im Jahr 2258 wieder auf. Sinclair beantwortet den Notruf von Major Krantz (Kent Broadhurst) und macht sich zusammen mit Garibaldi und ein paar Shuttles sogleich auf den Weg, um möglichst viele der Personen auf Babylon 4 zu evakuieren. Die Station ist nämlich äußerst instabil und droht, jeden Moment wieder zu verschwinden – „verloren in der Zeit“, wie es der deutsche Episodentitel so schön sagt.
Auf dem Flug nach Babylon 4 kommt sich auch Garibaldi ziemlich verloren in der Zeit vor – sprich: er langweilt sich. Also stellt er Sinclair die „fasten / zip“-Frage (also ob er seine Hose zuerst zuknöpft oder zuerst den Reisverschluss zumacht). Im Deutschen wurde daraus die Frage, ob Sinclair seinen Reißverschluss mit der linken oder rechten Hand zumacht. (Diese Frage ergibt nicht so viel Sinn, schließlich dürfte der Fall bei Rechts- und Linkshändern jeweils ziemlich klar sein.)

Nach der Ankunft auf Babylon 4 zeigt sich wieder einmal, dass „Babyon 5“ oft mit geringen finanziellen Mitteln, aber viel Kreativität eine große Wirkung erzielte. Die Sets, auf denen die Szenen auf Babylon 4 gedreht wurde, sind nämlich natürlich dieselben, die sonst als Babylon 5 herhalten musste. Dank ein paar grüner Panele an den Wänden, bunter Scheinwerfer und vieler herumstehender Kisten wirkt die Umgebung aber tatsächlich anders und noch viel unfertiger als auf Babylon 5. Etwas unfertig und verkrampft wirkt hier auch das Schauspiel von Kent Broadhurst als Major Krantz, aber die Reaktion auf die Mitteilung, man sei soeben vier Jahre in die Zukunft gereist ist zugegeben wohl auch nicht leicht zu spielen.
Kurz nach dem Zusammentreffen mit Major Krantz kommt es zum ersten Flash, der für Sinclair ein Flashforward ist. Er sieht sich für kurze Zeit in eine unbestimmte Zukunft versetzt, in der Babylon 5 kurz davor steht, von unbekannten Angreifern überrannt zu werden. Ein heldenhafter Garibaldi schickt Sinclair fort und will sich opfern, um möglichst vielen Leuten die Flucht zu ermöglichen (Garibaldi erwähnt, dass er den Fusionsreaktor der Station manipuliert hat, so dass sie kurz vor der Explosion steht). Dabei soll wohl der Eindruck vermittelt werden, als werde Sinclair zum Schluss von der Masse an Flüchtenden mitgerissen; tatsächlich drängen ihn aber nur eine handvoll Statisten vor sich her und das Ergebnis sieht etwas lächerlich und unglaubwürdig aus.
Major Krantz klärt Sinclair und Garibaldi anschließend über die Zeitsprünge auf: Sie traten 24 Stunden nach der Inbetriebnahme der Station zum ersten Mal auf. Weiterhin erfahren wir, dass jede Person während dieser Zeitsprünge etwas anderes wahrnimmt. Da Garibaldi aber in Sinclairs Vision vorkam, gehe ich davon aus, dass es auch seine (mögliche?) Zukunft ist, die wir hier gesehen haben.

Als nächstes wird der Zuschauer zusammen mit Sinclair und Garibaldi von Major Krantz zu einem ungebetenen Besucher geführt: Zathras. Woher er kommt, warum er hier ist oder welcher Rasse er angehört, kann auch Krantz nicht sagen. Er weiß nur, dass Zathras plötzlich auf der Station erschienen ist. Und was für eine tolle Figur das ist! Zathras ist wieder einmal einer dieser Glücksfälle, bei denen ein Schauspieler einer Figur Leben einhaucht, wie wirklich nur er es kann. Vom Makeup her sieht Zathras gar nicht besonders außerirdisch aus, aber Tim Choate – der leider 2004 viel zu früh verstorben ist – verleiht ihm mit seiner Sprechweise und einigen kleinen Ticks (wie den seltsamen Klicklauten) vom ersten Auftreten an eine Charaktertiefe, die ihn viel fremder und seltsamer wirken lässt, als es die Maske je könnte.
Aus Zathras‘ Erklärungen werden Krantz, Sinclair und Garibaldi allerdings kaum schlau. Sie können sich immerhin zusammenreimen, dass Zathras einer Gruppe von Personen angehört, die Babylon 4 durch die Zeit schicken wollen, um die Raumstation als Operationsbasis in einem großen Krieg zu verwenden, der „große Dunkelheit“ und „das Ende aller Dinge“ über die Galaxis bringen kann. Aber welcher Krieg ist damit gemeint? Wohin in der Zeit wird Babylon 4 geschickt? Und mit wem arbeitet Zathras eigentlich zusammen? Zumindest die letzte Frage wird am Ende der Episode ansatzweise beantwortet, als wir einen sichtlich älteren Sinclair zu sehen bekommen. So lässt sich wohl auch erklären, dass Zathras Sinclair sofort zu erkennen scheint, als dieser ihm mit Garibaldi und Krantz gegenübertritt. Aber was will Zathras uns damit sagen, dass Sinclair „nicht der Eine“ („not The One“) sei? Auch das kann man sich nach dem Ende dieser Episode zusammenreimen, schließlich taucht kurze Zeit später eine mysteriöse Person in einem Raumanzug auf. Dabei handelt es sich Zathras zufolge um „den Einen“ und die Person wird schließlich als der gealterte Sinclair enthüllt (der sich mit einer nicht im Bild zu sehenden Delenn unterhält). Dank eines Zeitstabilisators, der ihm von Zathras überreicht wird, scheint dessen unkontrolliertes Treiben durch die Zeit aufgehalten werden zu können.

Plötzlich kommt es wieder zu einem Flash; dieses Mal sehen wir, was Garibaldi dabei erlebt. Er wird in der Zeit zurück versetzt und muss noch einmal den Streit mit seiner damaligen Freundin Lise (Denise Gentile) durchleben, als er ihr mitteilt, dass er die Stelle als Sicherheitschef auf Babylon 5 angenommen hat. Lise ist davon alles andere als begeistert und will nicht mit ihm nach Babylon 5 gehen. Dank ihres Auftritts in der letzten Folge wissen wir bereits, dass sie Garibaldi bald nach diesem Gespräch durch einen gewissen Franz ersetzen wird…

Sinclair und Garibaldi machen sich anschließend mit Krantz und Zathras auf den Weg, um die Station zu verlassen. Dabei wird Zathras unter einem umstürzenden Pfeiler eingezwängt. Sinclair versucht ihn zu befreien, doch Zathras sieht ihm ernst in die Augen und fleht ihn an, lieber sich selbst zu retten, da er (Sinclair) ein anderes Schicksal habe, als hier auf Babylon 4 zu sterben. Also lässt Sinclair Zathras zurück und rennt Garibaldi durch die immer instabiler werdende Station hinterher – durch eine Menge weißen Nebel, herunter fallende Alufolienschnipsel und mit perfektem Timing von eifrigen Mitgliedern der Filmcrew an unseren Helden vorbeigworfenen Kisten. 😉
Als sie fort sind, taucht „der Eine“ neben Zathras auf, nimmt seinen Helm ab und wir bekommen den gealterten Sinclair zu sehen. Neben ihm – obwohl sie nicht im Bild zu sehen ist – steht Delenn, die im kurzen Gespräch mit Sinclair an ihrer Stimme zu erkennen ist (zumindest in der Originalversion – ich weiß nicht ob im Deutschen auch hier Delenns Synchronstimme verwendet wurde).
Nachdem Sinclair, Garibaldi und die meisten anderen Personen, die sich an Bord der Station befunden haben, entkommen konnten, verschwindet Babylon 4 schließlich ganz. Wohin (bzw. „wannhin“), das erfahren wir hier nicht. So viel sei aber an dieser Stelle verraten: wir werden Babylon 4 wiedersehen. Das hofft am Ende der Episode auch Ivanova, die sich darüber ärgert, auf Babylon 5 zurückgeblieben zu sein und alles verpasst zu haben. Für den Fall, dass Babylon 4 wieder auftaucht, lässt sie Sinclair schon mal wissen: „Dann will ich mitkommen und Garibaldi bleibt hier.“
Ob Babylon 4 aber tatsächlich mit dem Fliegenden Holländer vergleichbar ist, wie in der letzten Szene anklingt, darüber können wir nur spekulieren. Treibt die Raumstation ziellos durch Raum und Zeit oder befindet sie sich auf einer zielgerichteten Reise? Wir werden es erfahren, aber bis dahin dauert es noch eine ganze Weile.

Kommen wir zum zweiten Handlungsstrang der Episode, den man bei all den Fragen, die die Babylon 4-Handlung aufwirft, leicht vergessen kann. Doch auch dieser Teil der Folge hat es in sich, denn hier wird Delenn nichts Geringeres angeboten als die Anführerin ihres Volkes zu werden!
Aber von vorne: Delenn verlässt Babylon 5 und fliegt allein los, weil sie vom Grauen Rat gerufen wurde. Dessen Sitz befindet sich interessanterweise nicht auf Minbar, sondern auf einem Raumschiff. Darin kann man ein Symbol für die Entfremdung der herrschenden Klasse vom gemeinen Volk der Minbari sehen. Delenns Mitgliedschaft im Grauen Rat wurde bereits in „Soul Hunter“ und „The Parliament of Dreams“ thematisiert. Als sie vor den Rat tritt, erwähnt sie Valen, den legendären spirituellen Anführer der Minbari, der den Grauen Rat vor etwa 1000 Jahren gegründet hat. (Ich bin mir nicht sicher, aber das hier könnte das erste Mal in der Serie sein, dass Valens Name fällt. Korrigiert mich, wenn ich falsch liege – was sehr gut möglich ist.)
Während der Sitzung des Grauen Rates – die eigentlich gar keine solche ist, schließlich bleiben seine Mitglieder dabei stehen – erfahren wir, dass die Minbari seit dem Tod ihres Anführers Dukhat vor zehn Jahren keinen Nachfolger gewählt haben. (Wir erinnern uns: In „Soul Hunter“ haben wir erfahren, dass Dukhats Tod den Erd-Minbari-Krieg ausgelöst hat.) Nun sei die Zeit des Trauern vorbei und ein neuer Anführer müsse bestimmt werden, teilen die anderen Ratsmitglieder Delenn mit. Ohne Delenn mit einzubeziehen, haben sie sie für diese ehrenvolle Position ausgewählt. Weil sie von allen Ratsmitgliedern am weitesten gereist sei und die größte Erfahrung im Umgang mit fremden Spezies habe, sei sie die geeignetste Kandidation für den Posten. Delenn fühlt sich zwar geehrt, ist aber vor allem sehr überrascht und will den Posten nicht übernehmen. „My calling is to serve, not to lead“, erklärt sie. Als die anderen Ratsmitglieder sie auf eine Prophezeihung ansprechen, erwidert sie, die werde sich auch so erfüllen.

Ein paar Worte dazu, wie der Graue Rat hier zum Leben erweckt wurde: Hier wird wieder einmal aus den begrenzten Mitteln das Maximum herausgeholt. Die Graue Rat tagt nicht nur fernab von Minbar, sondern auch in einem vollkommen leeren, dunklen Raum (auch das unterstreicht die Entfremdung des Rats von der Lebenswirklichkeit der Minbari). Die einzelnen Ratsmitglieder werden durch helle Spots erleuchtet und der Effekt, wie sie jeweils ihre Gesichter enthüllen, bevor sie zu sprechen beginnen, ist äußerst wirkungsvoll.
In der nächsten Szene erfahren wir, dass Delenn ihre Position als Botschafterin auf Babylon 5 sofort aufgeben müsste, falls sie sich entschließen sollte, Anführerin ihres Volkes zu werden. Wenn ich das richtig verstanden habe, würde sie in diesem Fall das Raumschiff, auf dem sie sich nun befindet, nie wieder verlassen dürfen – eine äußerst seltsame Regelung für die Anführerin eines Volkes und schon wieder ein Beispiel dafür, dass die herrschenden Köpfe der Minbari vollkommen den Kontakt zum Volk verloren haben. Da Delenn wie erwähnt ihrem Volk dienen will, statt es von oben zu führen, hört sie schließlich auf ihr Herz und widersetzt sich der Entscheidung des Rats. Als sie erneut vor den Rat tritt, spricht sie wieder die Prophezeihung an. Ihr zufolge käme den Menschen ein besonderes Schicksal zu, weswegen Delenn ihre Aufgabe, die Menschen zu studieren und die Korrektheit der Prophezeihung zu überprüfen, fortführen wolle. Im Gegensatz zu den anderen Ratsmitgliedern sieht Delenn in den Menschen kein primitives Volk; statt Schwächen wie Streit, Kampf und die Leitung durch Ängste und Leidenschaften spricht Delenn den Menschen vor allem Stärken zu, die in ihrer Beharrlichkeit und ihrer Vielfalt lägen.
Dies legt Delenn dem Grauen Rat in einem eindrucksvollen Monolog dar (s. das lange Zitat unten), der ein gutes Beispiel für das Weltbild von „Babylon 5“-Schöpfer J. Michael Straczynski ist: Wir Menschen seien besser als wir denken und edler als wir wissen. Zwar hätten wir Schwächen, seien aber zu großen Taten fähig und hätten noch eine große Zukunft vor uns. Ja, wir sind sogar die Zukunft, wie Delenn dem Grauen Rat mitteilt. Kein Wunder, dass ein Regierungsgremium, das sich wohl die meiste Zeit über auf einem fernab der Heimat durchs All fliegenden Raumschiff aufhält, nicht nur den Kontakt zu den Bedürfnissen und Nöten des eigenen Volkes verloren hat, sondern sich auch gegenüber fremden Einflussen äußerst kritisch und abschottend zeigt. Hier ist es die weltoffene, weit gereiste Delenn, die mit der Tradition bricht und die Einstellungen der anderen Ratsmitglieder hinterfragt – nicht zum letzten Mal in der Serie. Dass ihre Entscheidung den Verlust ihrer Mitgliedschaft im Rat mit sich bringt, nimmt sie in Kauf. In einer schnellen Abstimmung (bei der wieder die Lichter effektvoll eingesetzt werden) sprechen sich die übrigen Ratsmitglieder dafür aus, Delenns Entscheidung zu akzeptieren und einen anderen Anführer zu bestimmen.

Bei ihrem Abschied wird Delenn von einem der Ratsmitglieder ein Gegenstand überreicht, der als Triluminarium (triluminary) identifiziert wird (es wird auch erwähnt, dass davon noch zwei weitere Exemplare existieren). Nebenbei erfahren wir auch, dass Delenn wohl doch nicht die Einzige im Grauen Rat ist (bzw. war), die das Nahen großer Veränderungen spürt. Der Minbari, der sie verabschiedet gibt zu, dass auch er große gesellschaftliche Umwürfe kommen sieht (s. letztes Zitat ganz unten). Leider ist die Gesellschaft der Minbari im allgemeinen und der Graue Rat im besonderen aber wohl zu festgefahren in alten Denkweisen und Traditionen, um sich der Veränderung zu öffnen.

„Babylon Squared“ ist eine großartige Folge – eine der besten und ganz sicher eine der wichtigsten der ersten Staffel. Alle Neulinge kann ich übrigens beruhigen: So gut wie alle hier aufgeworfenen Fragen werden von der Serie früher oder später beantwortet. Zwar konnte JMS die Geschichte aufgrund äußerer Umstände, auf die er keinen Einfluss hatte, nicht genau so weitererzählen, wie er es ursprünglich geplant hatte. Aber er war sehr gut darin, die Handlung an die sich ändernden Umstände anzupassen.

Highlight der Episode: Zathras. Aus den bereits genannten Gründen, aber auch weil seine Antwort auf die Frage, aus welchem Jahr er denn komme, so herrlich nichtssagend und frustrierend ist: „By my world time, it is year 4993.“

Londo/G’Kar-Moment: Die beiden kommen in dieser Folge leider nicht vor.

Folgende (weitere) wichtige Informationen, die für den weiteren Verlauf der Serie wichtig sind, erhalten wir in dieser Episode:

Ich fasse noch einmal kurz die wichtigsten Dinge zusammen, die wir zu diesem Zeitpunkt über Babylon 4 wissen: Die Station verschwand spurlos, kurz nachdem sie ihren Betrieb aufgenommen hatte. Vier Jahre später taucht sie im Jahr 2258 wieder auf. Sinclair und Garibaldi fliegen hin und können den größten Teil der Besatzung evakuieren. Von Zathras erfahren wird, dass Babylon 4 auf eine Zeitreise geschickt wird, um als Operationsbasis in einem großen Krieg zu dienen, der den Frieden in der Galaxis sichern soll. Zathras gibt an „dem Einen“ zu dienen. Dabei handelt es sich möglicherweise um einen älteren Sinclair, der anscheinden etwas mit dem Verschwinden von Babylon 4 zu tun hat, ebenso wie Delenn.
Im anderen Handlungsstrang der Folge lehnt Delenn das Angebot ab, zur Anführerin der Minbari ernannt zu werden. Ihre Entscheidung hat etwas mit einer alten Prophezeihung zu tun, derzufolge den Menschen ein besonderes Schicksal zukommt.

Sonstige Fragen:

  • Vielleicht habe ich nicht richtig aufgepasst, aber sagte Garibaldi nicht, es sei im Rahmen der zur Verfügung stehenden Zeit nur möglich, etwa 250 Personen von Babylon 4 zu evakuieren? Major Krantz spricht glaube ich später davon, dass sich etwa 1300 Personen auf der Station befinden und zum Schluss heißt es, dass fast alle gerettet worden sind. Wie war das denn möglich? Stand doch mehr Zeit zur Verfügung als man zunächst gedacht hatte, so dass die Shuttles öfter zwischen B5 und B4 hin- und herfliegen konnten?
  • Wo ich gerade bei der Evakuierung bin: Aus dem Schicksal der evakuierten Personen könnte man eine eigene Fernsehserie machen! Die haben im Jahr 2254 auf Babylon 4 zu arbeiten begonnen, nur um sich plötzlich vier Jahre in der Zukunft wiederzufinden, ohne eine Möglichkeit der Rückkehr in „ihre“ Zeit. Darauf wird in der Serie mit keinem Wort eingegangen, aber ich kann mir vorstellen, dass das für so einige Komplikationen sorgen wird. (Auf die Personen, die sich noch auf der Station befinden, will ich gar nicht eingehen. Wohin in der Zeit sie reisen, wissen wir ja noch nicht. Soviel sei aber bereits verraten: Auch daraus könnte man eine eigene Serie machen.)
  • Was bedeutet der kurze Dialog zwischen dem gealterten Sinclair und Delenn? (Sinclair: „I tried to warn them. But it all happened, just the way I remembered.“ – Delenn: „I know. It’s time. We have to go. They’re waiting for us.“) Zum jetztigen Zeitpunkt haben wir keinerlei Anhaltspunkte dafür, worauf sich die beiden hier beziehen. Wovor wollte Sinclair sein jüngeres Ich und Garibaldi warnen? Von wem werden er und Delenn erwartet? Und warum ist Delenn eigentlich nicht zu sehen?
  • Von wem wird Babylon 5 (in Sinclairs Flashforward) angegriffen? Wird diese Zukunftsvision überhaupt so auch eintreffen?
  • Was ist Sinclairs Schicksal, von dem Zathras spricht? Steht es in Verbindung zu dem besonderen Schicksal der Menschen, von dem Delenn spricht? (In der letzten Folge hatte ja auch Delenn erwähnt, dass Sinclair ein bestimmtes Schicksal habe.)
  • Von welcher Prophezeihung spricht Delenn und welche Rolle kommt darin den Menschen zu? Kam die Prophezeihung direkt von Valen? Was genau ist das besondere Schicksal, das den Menschen (bzw. einigen von ihnen – s. Zitat von Delenn unten) zukommt? Und wieso wurde aufgrund der Prophezeihung der so gut wie gewonnene Krieg gegen die Menschen gestoppt? (Diese wichtige Information wird in der Episode nebenbei fallengelassen.)
  • Was wäre eigentlich passiert, wenn sich der Rat nicht dafür ausgesprochen hätte, Delenns Entscheidung zu akzeptieren?
  • Was ist das Triluminarium und wozu dient es? Hat es eine Bedeutung, dass noch zwei weitere Exemplare existieren?
  • Es gibt bestimmt noch eine Reihe weiterer Fragen zu dieser Episode. Manche davon würden hier spoilern, aber da die Geschichte um Babylon 4 später in der Serie wieder aufgegriffen und zu Ende erzählt wird, werde ich sowieso noch einmal darauf eingehen.

Weitere interessante Punkte:

  • Lise erwähnt im Gespräch mit Garibaldi, dass dieser Sinclair bisher nur zweimal getroffen habe. Dabei kann es sich natürlich um eine Untertreibung handeln, trotzdem hat mich dieser Satz überrascht. Ich war immer davon ausgegangen, dass Sinclair und Garibaldi schon lange vor ihrem gemeinsamen Dienst auf Babylon 5 alte Freunde waren.
  • Babylon 4 verfügte noch nicht über eine permanente Kommandocrew. Major Krantz war an Bord, um die letzte Phase der Konstruktion zu überwachen, doch ein kommandierender Offizier für die Station war noch gar nicht ausgewählt worden, als sie verschwand.

Interessante „Hinter den Kulissen“-Fakten:

  • JMS hat erklärt, dass es zum Schreiben dieser Episode nötig war, gleich zwei Drehbücher zumindest grob zu konzipieren. Schließlich wusste er bereits, dass er die Babylon 4-Geschichte in einer späteren Episode fortführen wollte.
  • Der Raumanzug, den der gealterte Sinclair trägt, wurde bereits in „2010“ verwendet, der Fortsetzung des Stanley Kubrick-Klassikers „2001“.
  • Mark Hendrickson, der hier ein Mitglied des Grauen Rates spielt, war in der gleichen Rolle auch schon in „And The Sky Full of Stars“ zu sehen. (Dort sah man den Grauen Rat ja in Rückblenden.)

Zitate:

Zathras: „Zathras die. But Zathras die for cause. Maybe stop Great War. Maybe Zathras great hero. Maybe build statues to Zathras, and others come remember Zathras.“
Krantz: „What if we take you with us, put you on trial?“
Zathras: „Zathras not of this time. You take, Zathras die. You leave, Zathras die. Either way, it is bad for Zathras.“

„You have a destiny.“ (Zathras zu Sinclair)

„The station [Babylon 4] was built to create peace. Maybe now it’ll do so in a way nobody ever expected.“ (Sinclair)

„This council stopped the war against the humans because of prophecy. Because Valen said that the humans, some among them, had a destiny which we could not interfere with.“ (Delenn zum Grauen Rat)

„They do not seek conformity. They do not surrender. Out of their differences comes symmetry, their unique capacity to fight against impossible odds. Hurt them, they only come back stronger. The passions we deplore have taken them to their place in the stars and will propel them to a great destiny. Their only weakness is that they do not recognize their own greatness. They forget that they have come to this place through two million years of evolution, struggle, and blood. They are better than they think, and nobler than they know. They carry within them the capacity to walk among the stars like giants. They are the future, and we have much to learn from them.“ (Delenn zum Grauen Rat über die Menschen)

„These are curious times, Delenn. I feel a great change in my bones. A new beginning, an end, I cannot say. We are surrounded by signs and portents and I feel a darkness pressing at our backs.“ (Mitglied des Grauen Rates zu Delenn) (Hier wird übrigens der Titel der ersten Staffel wörtlich zitiert.)

 

Die nächste Folge in meinem „Babylon 5“ Rewatch:
1.21 „The Quality of Mercy“ (folgt demnächst)

Star Trek: Enterprise – Season 2

Nachdem ich letztes Jahr die erste Staffel von „Enterprise“ angeschaut und hier im Blog besprochen habe, ist nun Staffel zwei an der Reihe. Ich habe die ganze Serie bereits vor etwa zehn Jahren gesehen und wusste also, worauf ich mich einlasse. 😉 Wobei ich zugeben muss, dass mir die Serie – auch die viel gescholtenen ersten beiden Staffeln – beim ersten Mal ziemlich gut gefallen hat. Aber damals war ich nun mal jünger und unkritischer… Beim zweiten Durchgang habe ich nur wenig Positives an dieser Staffel entdecken können.

Die erste Staffel hatte den Zuschauer mit einem Cliffhanger zurückgelassen: Die Enterprise war für eine Katastrophe verantwortlich gemacht und Captain Archer (Scott Bakula) im 31. Jahrhundert zurückgelassen worden, scheinbar ohne Aussicht auf eine Rückkehr ins 22. Jahrhundert. „Shockwave, Part II“, der Auftakt von Staffel zwei, führt diesen Handlungsstrang fort und – welch Überraschung! – am Ende der Folge sind Archer und seine Crew nicht nur von sämtlichen Anschuldigungen befreit, sondern auch Archer wieder heil zurück in seiner Zeit und auf seinem Schiff. Der vulkanische Botschafter Soval (Gary Graham) will Archer zwar weiter daran hindern, mit der Enterprise den Weltraum zu erkunden, doch Archer ist fest davon überzeugt, dass die Menschheit reif für diese Aufgabe ist und versichert, aus seinen Fehlern zu lernen. Diese erste Episode ist zumindest ein ganz ordentlicher Auftakt. Der „temporale kalte Krieg“ und der geheimnisvolle Befehlsgeber aus der Zukunft, unter dessen Auftrag die Suliban handeln, spielen im Rest der Staffel kaum eine Rolle. Angesichts der Tatsache, das das Konzept dieses Krieges stets schwammig bleibt (mehr dazu in meinem Blogpost zur ersten Staffel), ist das aber nicht weiter tragisch. In „Future Tense“ (2.16) fasst Archer zwar den Entschluss, mehr über den temporalen kalten Krieg herauszufinden und eine aktivere Rolle darin zu übernehmen, doch auch diese Folge sorgt vor allem für neue Fragen, von denen – wenn ich mich richtig erinnere – ein Großteil nie in der Serie beantwortet wird.

Gleich die zweite Folge ist einer der Höhepunkte der Staffel: In „Carbon Creek“ erzählt die Vulkanierin T’Pol (Jolene Blalock) die (vielleicht) wahre Geschichte vom ersten Kontakt zwischen Menschen und Vulkaniern. Die Urgroßmutter T’Pols (ebenfalls gespielt von Blalock) stürzt während einer Forschungsmission mit zwei Kollegen auf der Erde ab. Fortan müssen sich die drei Vulkanier in den USA der 1950er Jahre zurechtfinden, ohne Aussicht auf Rettung oder die Möglichkeit, ihren Heimatplaneten zu kontaktieren. Dabei sind sich die drei uneins darüber, ob sie sich möglichst von den Menschen distanzieren sollen oder aber diese einmalige Chance nutzen, um im Zusammenleben mit den Menschen mehr über sie zu erfahren. Als studierter Soziologe finde ich solche Geschichten immer interessant; hier kommen drei Personen in eine ihnen völlig fremde Kultur, die sie durch ihre Distanz aus einem ganz eigenen Blickwinkel betrachten können (Georg Simmel würde sagen, ihre Fremdheit verleiht den Vulkaniern eine gewisse Objektivität). Im Lauf der Episode wirft T’Pols Urgroßmutter einem ihrer Kollegen vor, sich zu sehr mit den Menschen einzulassen und damit zu sehr in die menschliche Gesellschaft einzugreifen (quasi ein going native). Am Ende der Episode ist es jedoch ausgerechnet sie, die hier für den größten Eingriff in die Entwicklung der Menschheit verantwortlich ist. Und so bringt uns „Carbon Creek“ neben guter Unterhaltung, interessanten Figuren und guten Schauspielleistungen auch noch die Erkenntnis, dass das Klettband nicht von Menschen erfunden, sondern von Vulkaniern auf die Erde gebracht wurde. 🙂

Ich bleibe gleich mal bei den guten Folgen, es sind ja eh nicht viele. In „Singularity“ (2.09) gerät die Crew unter den Einfluss der Strahlung eines trinären Sternensystems. Dies äußert sich darin, dass alle Crewmitglieder – abgesehen von T’Pol, die als Vulkanierin immun zu sein scheint – Zwangsstörungen zu entwickeln beginnen und wie besessen jeweils an einem einzigen Problem arbeiten. Das ist spannend in Szene gesetzt und abermals toll gespielt. Nebenbei erfahren wir dabei auch, wie der aus den anderen „Star Trek“-Serien bekannte rote Alarm entwickelt wurde – und dass er ursprünglich nicht „Red Alert“, sondern nach seinem Erfinder „Reed Alert“ hieß.
In „Stigma“ (2.14) sagt bereits der Episodentitel, worum es geht. Hier steht mal wieder T’Pol im Mittelpunkt, die sich mit den Folgen einer vulkanischen Gedankenverschmelzung in der ersten Staffel auseinandersetzen muss. Dabei hat sie sich nämlich eine Krankheit zugezogen, über die die Vulkanier nicht gerne sprechen. Das ist ganz klar als eine HIV-Metapher gemeint und ein gutes Beispiel dafür, dass „Star Trek“ oft dann am besten ist, wenn es aktuelle gesellschaftliche Themen aufgreift, um sie im Science Fiction-Gewand zu erzählen. Die zweite Handlung der Episode finde ich wieder aus soziologischer Perspektive interessant. Hier muss sich Trip (Connor Trinneer) mit den aufdringlichen Annäherungsversuchen von einer von Dr. Phlox‘ Frauen auseinandersetzen und dabei lernen, dass Partnerwahl und Liebesleben bei Außerirdischen nicht denselben Regeln folgen wie bei Menschen: „You’re too concerned with human moralities“, rät Dr. Phlox (John Billingsley) dem verwirrten Trip.
Auch die folgende Episode „Cease Fire“ (2.15) weiß gut zu unterhalten, was daran liegt, dass es hier einmal mehr um die Andorianer geht. Denn das bedeutet, dass Jeffrey Combs als Shran wieder mit von der Partie ist, der es wie nur wenige andere Schauspieler versteht, seiner Figur auch durch das Alien-Makeup hindurch Ausdruck zu verleihen. (Combs erläutert übrigens im Bonusmaterial auf den Blurays, dass ihm dabei seine Schauspielausbildung eine große Hilfe war, bei der er viel mit Masken gearbeitet hat.) Die Episode ist spannend, hat Witz und bietet sowohl Action als auch tolle Dialoge. Durch seine erfolgreiche Vermittlung im Konflikt zwischen Andorianern und Vulkaniern steigt Captain Archer zudem ein wenig im Ansehen Sovals.

Bei „Cogenitor“ (2.22) haben wir es erneut mit einer Folge zu tun, die zeigt, dass bei außerirdischen Völkern manche Dinge etwas anders laufen als bei Menschen. Die Enterprise trifft hier auf eine Spezies, die aus drei biologischen Geschlechtern besteht. Trip findet das äußerst faszinierend, ist aber empört darüber, dass den Angehörigen des „dritten Geschlechts“ – die sogenannten „Cogenitors“ – über ihre Aufgabe als Reproduktionshilfen hinaus keinerlei gesellschaftliche Rechte zugestanden werden. Sie dürfen kaum am gesellschaftlichen Zusammenleben teilnehmen und bekommen nicht einmal eigene Namen. Als von den Rechten auf Freiheit und Selbstverwirklichung überzeugter Amerikaner greift Trip natürlich ein und bringt einem Cogenitor nicht nur das Lesen bei, sondern sondern überzeugt ihn auch davon, seine (ihre?) Rechte auf Bildung und freier Wahl des eigenen Lebensweges einzufordern. Im Gegensatz zu vielen anderen Fällen des utopischen „Star Trek“-Universums gibt es hier aber kein Happy End. Zuerst muss sich Trip von Archer aufgrund seines Eingreifens in eine fremde Kultur eine Standpauke anhören; kurz darauf muss er erfahren, dass sich der Cogenitor umgebracht hat. Das ist für „Star Trek“ ungewöhnlich pessimistisch und erinnert mich in seiner Radikalität an die „Babylon 5“-Folge „Believers“, die ein ähnliches Thema behandelt, ebenfalls mit düsterem Ende. (Und es gibt eine weitere Verbindung von „Cogenitor“ zu „Babylon 5“: G’Kar-Darsteller Andreas Katsulas spielt nämlich hier in einer Nebenhandlung mit.)
„Cogenitor“ ist keine herausragende, aber sicherlich sehr interessante Folge mit auch heute noch relevanter Thematik, schließlich lässt sich der für Spannungen und Unsicherheiten sorgende Umgang mit dem dritten Geschlecht als Metapher auf Transsexualität lesen. Von der nächstes Jahr startenden neuen „Star Trek“-Serie wünsche ich mir, dass derartige Thematiken vermehrt angesprochen werden.
Noch eine letzte wirklich gute Episode muss ich erwähnen. Es wirkt zunächst verzweifelt, wenn die „Enterprise“-Autoren auf der Suche nach guten Geschichten (und guten Einschaltquoten) plötzlich die Borg in der Serie auftauchen lassen. Schließlich haben die hier eigentlich noch gar nichts verloren. Aber „Regeneration“ (2.23) ist eine erstaunlich gute, wirklich spannende und unterhaltsame Folge. Das Auftauchen der Borg wird nicht nur vollkommen schlüssig erklärt, sondern die Folge stellt noch dazu gleichzeitig ein Sequel zu den im 21. Jahrhundert spielenden Ereignissen des achten „Star Trek“-Films „First Contact“ und ein Prequel „The Next Generation“ dar.

Das waren nun also die sechs meiner Meinung nach guten Folgen der Staffel (man könnte noch das Finale dazuzählen, dazu weiter unten mehr). Es bleiben noch 20 weitere, von denen viele Mittelmaß, einige aber auch wirklich einfach schlecht sind. Ich bin bereits in meinem Blogpost zur ersten Staffel darauf eingegangen, wie die ursprüngliche Idee zu „Enterprise“ durch den Einfluss des Networks verwässert wurde, sodass das Endergebnis eine „Star Trek“-Serie war, die einerseits Neuland betreten wollte, andererseits aber viel zu sehr auf sicheren Pfaden wandelte und dabei häufig nur wiederkäute, was man bereits mehrfach in den anderen Serien gesehen hatte. In der zweiten Staffel wird dieses Problem noch deutlicher als in der ersten. Viele Episoden sind hier das, was ich in meinen Notizen als „Austauschfolgen“ bezeichnet habe; damit meine ich Episoden, die auch in jeder anderen „Star Trek“-Serie spielen könnten und weder die Charaktere noch die Zeit, in der die Serie spielt, in besonderer Weise berücksichtigen. „Marauders“ (2.06) ist ein perfektes Beispiel. Die Crew der Enterprise trifft darin auf die Bewohner einer Minenkolonie, die von den Klingonen erpresst und ausgebeutet werden. Archer und seine Leute trainieren daraufhin die Kolonisten im Kampf gegen die Klingonen und helfen ihnen so, sich von der Ausbeutung durch sie zu befreien. Weil man ähnliche Folgen im „Trek“-Universum schon gefühlte hundertmal gesehen hat und weil die Folge wirklich vollkommen überraschungsfrei ist, ist das alles einfach nur zum Gähnen. Man könnte Archer, Trip, T’Pol usw. hier ohne Weiteres gegen Picard, Riker und Data oder auch gegen Janeway, Chakotay und Torres austauschen und die Geschichte könnte trotzdem haargenau gleich ablaufen. Ähnliches gilt für eine Reihe weiterer Folgen der zweiten Staffel, die ich hier nicht alle aufzählen möchte. Sie wirken meist wie nach Baukasten-Prinzip zusammengestellte Episoden, die die Charaktere einfach in irgendwelche Problemsituationen werfen.
Wie auch schon in den Interviews zur ersten Staffel nehmen die Macher der Serie auch im Bonusmaterial der Blurays zu Staffel zwei kein Blatt vor den Mund und geben zu, dass sie hier viel Mist gebaut haben. Phlox-Darsteller John Billingsley erzählt, dass von den beiden Showrunnern Rick Berman und Brannon Braga nach dem Ende von „Voyager“ erwartet wurde, sofort die nächste „Star Trek“-Serie abzuliefern. Dabei wurde ihnen zum einen nicht genug Zeit gegeben, um ein neues und interessantes Konzept entwickeln (oder ihre Ideen wurden abgelehnt; siehe mein Post zur ersten Staffel), zum anderen waren sie selbst nicht bereit, aus dem Schema auszubrechen, dass sich seit dem Start von „The Next Generation“ entwickelt und bewährt hatte. Dass zusätzlich ein Großteil der Autoren nach dem Ende der ersten Staffel gefeuert und durch neue Autoren ersetzt wurde, die zum Teil Neulinge im „Star Trek“-Universum waren, erschwerte die Sache zusätzlich. Das Ergebnis war zum Beispiel „Precious Cargo“ (2.11), eine von einem dieser Neulinge geschriebene Folge, die Braga als „eine der schlechtesten ‚Star Trek‘-Episoden überhaupt“ bezeichnet (wobei ich ihm zustimme). Braga hielt bereits damals das Konzept der in sich abgeschlossenen Folgen für problematisch und wollte zu einer moderneren Erzählweise mit einer sich durch die Episoden ziehenden Handlung übergehen (so wurde es ja bei „Deep Space Nine“ gemacht, an dem Braga nicht beteiligt war). Doch das Network bestand leider auf solchen für sich allein stehenden Episoden. Rick Berman erzählt weiterhin, dass er selbst damals zu sehr an Gene Roddenberrys ursprünglicher Vision für „Star Trek“ festhalten wollte (auch damit hatte „Deep Space Nine“ gebrochen). Das erwies sich als problematisch, weil diese Vision zu dem Zeitpunkt bereits fast vierzig Jahre alt war und die Utopie von einer Menschheit, die innerhalb weniger Generationen Probleme wie Kriege oder Hunger komplett gelöst hat, zwar in die optimistische Aufbruchsstimmung der Sechziger Jahre passte, aber zu Beginn des 21. Jahrhunderts überholt schien und noch dazu vom erzählerischen Standpunkt aus problematisch ist.

Die Macher von „Enterprise“ waren sich also durchaus bewusst, dass sie mit den ersten beiden Staffeln der Serie alles andere als „Star Trek“ vom Feinsten abgeliefert hatten. Umso erleichterter dürften sie gewesen sein, als sie gegen Ende der zweiten Staffel doch endlich die Erlaubnis bekamen, mit dem bewährten, aber längst todlangweiligen Schema zu brechen. Die letzte Folge „The Expanse“ (2.26) bereitet dementsprechend den sich durch die ganze dritte Staffel ziehenden „Xindi“-Handlungsbogen vor. Ich habe die dritte Staffel von „Enterprise“ als die beste in Erinnerung, was vor allem an dieser episodenübergreifenden Handlung lag. Das Konzept, die Enterprise quasi nach einem Terroranschlag auf die Erde vom Forschungs- zum Kriegsschiff werden zu lassen, war zwar sicher nicht im Sinne Roddenberrys, führte aber zu einer spannenden Staffel voller kreativer Episoden und war nicht zuletzt auch ein Produkt seiner Zeit. Schließlich lassen sich im Angriff auf die Erde und Archers folgender Mission im „Delphic Expanse“ deutliche Parallelen zum 11. September und den Kriegen in Afghanistan und im Irak sehen – aber dazu dann mehr in meinem Blogpost zur dritten Staffel.

Ein paar Punkte zu Staffel zwei möchte ich noch erwähnen. Ein Teil der Charaktere wurde sträflich vernachlässigt. Statt auf diese Crew zugeschnittene Geschichten zu erzählen, die eben nur mit diesen konkreten Figuren erzählt werden können, haben die Autoren wie erwähnt zu oft austauschbare Folgen geschrieben, in denen sich die Figuren nicht weiterentwickelt haben. Dementsprechend wirken Hoshi, Reed und Travis immer noch ziemlich blass, aber immerhin haben T’Pol und Phlox in mehreren Episoden Gelegenheit bekommen, mehr von sich zu zeigen. Dr. Phlox ist sowieso die bei weitem beste Figur der Serie. Das liegt nicht nur daran, dass er mehrere interessante Episoden bekommt, sondern natürlich auch an John Billingsleys großartigem Schauspiel. Am anderen Ende des Spektrums – sowohl schauspielerisch als auch dramaturgisch – muss mal wohl Travis Mayweather anordnen. „Seine“ Folge in dieser Staffel, „Horizon“ (2.20), ist einfach nur einschläfernd.
In „Vanishing Point“ (2.10) steht
zwar die ebenfalls sträflich vernachlässigte Hoshi (Linda Park) im Mittelpunkt, doch leider wird auch diese Gelegenheit nicht genutzt, ihre Figur sinnvoll weiter zu entwickeln. Stattdessen verharren die Autoren auch hier ein weiteres Mal in festgefahrenen Wegen und definieren einmal mehr eine weibliche Figur allein über ihre Unsicherheiten und ihr geringes Selbstbewusstsein. Auch T’Pol wird häufig als kalt und unnahbar charakterisiert, bekommt aber als eine der drei Hauptfiguren wenigstens mehrmals die Gelegenheit, auch andere Seiten von sich zu zeigen und vor allem ihre Beziehung zu Archer wird im Verlauf der Staffel plausibel weiterentwickelt.

In „Judgment“ (2.19) wird wieder einmal auf bereits Bekanntes zurückgegriffen und Archer vor einem klingonischen Gericht zu lebenslanger Arbeit in den Minen von Rura Penthe verurteilet (genau so ergeht es Kirk im sechsten Kinofilm). Die Folge leidet unter anderem darunter, dass in den letzten Minuten noch eine unglaubwürdige Rettung Archers erfolgt, damit er am Ende wieder zurück auf der Enterprise ist und die Dinge wieder ins Lot gebracht worden sind. Unterhaltsam ist sie allein aufgrund des Schauspiels zweier Gastdarsteller: J. G. Hertzler, den man als Martok aus „Deep Space Nine“ kennt, darf hier Archers klingonischen Anwalt spielen, während John Vickery dessen Gegner verkörpert. Vickery hat einige andere Rollen im „Star Trek“-Universum gespielt, mir ist er aber vor allem aus „Babylon 5“ bekannt, wo er den Minbari-Krieger Neroon verkörpert (und auch dort spielt er noch eine weitere Figur).

Den größten Kritikpunkt habe ich mir extra zum Schluss aufgehoben… 😉 In Enterprise sollte bekanntlich einiges anders sein. Da die Serie zeitlich vor all den anderen „Star Trek“-Serien spielt, ist das Beamen gerade erst erfunden worden, es gibt noch keine Holodecks und auch keine Replikatoren, die zum Beispiel in Sekundenschnelle jedes beliebige Gericht herbeizaubern können. Dementsprechend ist auf der Enterprise unter Captain Archer ein Koch an Bord, der Tag für Tag für die gesamte Crew kocht. Das wird immer wieder erwähnt und in einer Folge bekommt man sogar die Küche zu sehen. Vom Koch jedoch fehlt jede Spur… Ich habe mir sagen lassen, dass das als Running Gag gedacht war; alle reden über den Koch, aber man kriegt ihn nie zu sehen (außer in einer Folge, wo er zwar kurz auftaucht, aber man seinen Kopf nicht sieht!).
Vielleicht bin ich ja der Einzige, der so denkt, aber ich sehe darin eine riesige, verpasste Chance! Wie wir alle wissen, sind Küchen ein Ort sozialer Begegnungen. (Gibt es dazu eigentlich soziologische Forschung? Bestimmt! Das muss ich mal recherchieren.) Essen bringt Menschen (und Außerirdische) zusammen; Menschen interessieren sich dafür, was es zu essen gibt! Hätte ich die Serie geplant, dann hätte ich den Koch zu einer regelmäßig auftretenden Nebenfigur gemacht, der ähnlich einem Barkeeper mit allen Crewmitgliedern in Kontakt kommt und stets über alles bescheid weiß, das auf dem Schiff vor sich geht. Ich hätte vom Captain bis zum Fähnrich regelmäßig Figuren die Küche betreten lassen – nicht nur aus Neugier darauf, was es denn heute Abend zu essen gibt, sondern auch weil sie den neuesten Klatsch hören wollen oder weil sie sich vom Koch Ratschläge holen wollen. Zugegeben, der Schiffsarzt Dr. Phlox erfüllt in der Serie eine ähnliche soziale Funktion. Aber ich bleibe dabei: Ich will einen Schiffskoch in einer „Star Trek“-Serie sehen. Schließlich sollte man immer jemanden an Bord haben, der die Crew bekochen kann, falls die Replikatoren mal kaputtgehen!
Ganz ernst gemeint ist dieser Kritikpunkt natürlich nicht. „Enterprise“ hat gewiss größere Schwachstellen als das Fehlen eines Koches. Ich freue mich aber darauf, Staffel drei wieder einmal anzuschauen. Meinen Blogpost dazu gibt’s voraussichtlich irgendwann 2017. 🙂

Babylon 5 – Episode 1.19 “A Voice in the Wilderness (Part 2)”

Bevor ich zur Episodenbesprechung komme, will ich noch kurz das neueste Produkt aus dem Shop von „Babylon 5 Books“ besprechen. Dabei handelt es sich dieses Mal nicht um ein Buch, sondern um ein DVD-Set: „CNN Documents Babylon 5“. Auf drei DVDs findet sich Material, das CNN während der Produktion der Serie hinter den Kulissen gefilmt hat. Die erste Disc enthält sieben relativ kurze Interviews mit Darstellern. Auf Disc 2 sind Hinter-den-Kulissen-Aufnahmen zu sehen, die bei den Dreharbeiten zu vier verschiedenen Episoden angefertigt worden sind. Sie werden im Shop als „unzensiert“ beschrieben, man könnte aber auch sagen: ziemlich langweilig. Etwas interessanter wird es immerhin, wenn man den Audiokommentar zuschaltet, bei dem jemand aus dem B5 Books-Team erklärt, was man gerade sieht. Auf Disc 3 kann man schließlich den Darstellern Claudia Christian (Ivanova) und Jerry Doyle (Garibaldi) dabei zuschauen, wie sie sich das Material von Disc 2 anschauen und ihre Kommentare dazu abgeben – wer’s braucht… Eine eigene DVD ist das Material auf Disc 3 eigentlich nicht wert, denn es hätte auch gereicht, die Kommentare von Christian und Doyle als Audiokommentare auf Disc 2 zu packen.
Insgesamt ist das DVD-Set wirklich nur für solche Fans interessant, die wirklich jeden Interview-Schnipsel und jede Hinter-den-Kulissen-Aufnahme haben müssen. Das Material würde sich wunderbar als Bonusmaterial für eine zukünftige Neuveröffentlichung der Serie auf DVD eignen. 79 (!) Dollar plus Versandkosten ist es aber auf keinen Fall wert (ich habe früh genug bestellt und das Set noch zu einem günstigeren Preis bekommen).
Nun aber weiter zur aktuellen Episode, dem Abschluss des Zweiteilers „A Voice in the Wilderness“:

Episode 1.19 „A Voice in the Wilderness (Part2)“ („Angriff der Aliens (Teil 2)“)

Drehbuch: J. Michael Straczynski, Regie: Janet Greek
Erstausstrahlung: 03.08.1994 (USA), 01.12.1995 (Deutschland)

Die meisten Folgen der ersten Staffel von „Babylon 5“ bieten eine in sich abgeschlossene Handlung. Zwar bilden die Episoden inhaltlich den Grundstein für die folgenden Staffeln, doch so richtig episodenübergreifend erzählt wird hier noch nicht. Insofern ist der Zweiteiler „A Voice in the Wilderness“ eine Ausnahme – und eine sehr gelungene noch dazu. Im letzten Blogpost habe ich mich dem ersten Teil gewidmet, nun folgt Teil zwei.

Bereits in den ersten Minuten der Episode ist positiv zu erkennen, dass es sich hier um die Fortsetzung einer bereits begonnenen Geschichte handelt. Die Folge steigt direkt dort ein, wo in der Vorwoche aufgehört wurde (in Deutschland wurden die beiden Folgen an einem Abend ausgestrahlt) und legt von Anfang an ein hohes Tempo vor. Lange Erklärungen der Lage und Einführungen neuer Charaktere bleiben dem Zuschauer größtenteils erspart und weil diese Doppelfolge als spannender, abendfüllender Film konzipiert wurde, kommt man in dieser zweiten Hälfte voll auf seine Kosten und wird bestens unterhalten.
Mit der Ankunft der Hyperion unter dem Kommando von Captain Pierce (Ron Canada) und später dem Raumschiff der unbekannten Aliens melden plötzlich zwei weitere Parteien Ansprüche auf die Technologie an, die sich auf Epsilon 3 verbirgt. Sinclair ist alles andere als begeistert, dass die Erde (genauer: das Office of Planetary Security) ihm dazwischenfunkt, schließlich hatte ihm Präsident Santiago persönlich versichert, er habe als Kommandant von Babylon 5 die oberste Autorität über diesen Weltraumsektor. Sinclairs Wutausbruch gegenüber Pierce ist ein erster Höhepunkt der Folge und auch eine für den von Problemen geplagten Michael O’Hare ungewöhnlich gute schauspielerische Leistung. Als Senator Hidoshi später Sinclair erklärt, dass das Kommando der Erdstreitkräfte seit dem Krieg gegen die Minbari davon besessen ist, neue Technologien in seine Hände zu bekommen, musste ich an die „Alien“-Filme denken. Auch dort ist es ja die ständige Gier des Weyland/Yutani-Konzerns nach neuen Technologien, die sich militärisch einsetzen lassen, die die Helden der Filme in Bedrängnis bringt. (Im „Babylon 5“-Universum ist die Suche der Erde nach außerirdischen Waffentechnologien ebenfalls nicht neu; sie wurde bereits am Ende von „Infection“ angedeutet.) Dass die Erdregierung sofort ein Schiff vorbeischickt, sobald sie von dem Fund auf Epsilon 3 erfährt, widerspricht zudem völlig den Zielen und Prinzipien des Babylon-Projekts. Von friedlichem Miteinander und diplomatischen Lösungen ist auf einmal keine Rede mehr, sobald die Aussicht darauf besteht, sich einen eigenen Vorteil zu verschaffen. Schade.

Sinclair gelingt es mit einem Bluff, Pierce zunächst davon abzuhalten, ein Shuttle nach Epsilon 3 zu schicken. Allerdings hat die Ankunft des Erdkreuzers zusätzliche Aufmerksamkeit auf die Situation gelenkt und so will nun auch Londo Mollari wissen, was genau vor sich geht und erhebt im Namen seiner Regierung schon mal Anspruch auf was immer auf dem Planeten gefunden werden wird. Dass der Planet unterdessen bald zu explodieren droht, verleiht dem zweiten Teil der Episode zusätzlich Spannung, ebenso wie die schon erwähnte Ankunft der Aliens.
Der aufmerksame Zuschauer kann sich allerdings recht schnell zusammenreimen, dass die Maschine auf Epsilon 3 eine neue Person benötigt, um sie zu steuern und kontrollieren. Ebenso wird relativ schnell klar, dass es sich dabei natürlich nicht um eine der Hauptfiguren der Serie handelt, sondern um eine in dieser Doppelfolge eingeführte Nebenfigur: Draal. Abgesehen davon, dass er am Ende in die Maschine steigen darf, bekommt Draal in dieser Folge allerdings nicht mehr besonders viel zu tun; das ist aber nicht so schlimm, schließlich ist hier einfach eine ganze Menge los. „A Voice in the Wilderness“ steigert sich in dieser zweiten Hälfte zu einem spaßigen Abenteuer, wie man es in „Babylon 5“ bis dahin noch gar nicht gesehen hatte. Die Doppelfolge gehört zwar nicht zu den besten Episoden  der Serie, aber gerade diese zweite Folge stellt ein erstes Beispiel für das dar, was in den kommenden Staffeln folgen wird: Episoden, die direkt dort weitermachen, wo die letzte Folge aufgehört hat und die große, dramatische Weltraum-Action bieten, in denen aber auch die Charaktere nicht zu kurz kommen.

Zu ein paar Charakteren möchte ich dementsprechend auch noch ein paar Wörter verlieren: Sinclair erweist sich hier als kompetente Führungspersönlichkeit und wird seiner Verantwortung als Stationskommandant gerecht. Das demonstriert er zunächst im bereits erwähnten Gespräch mit Captain Pierce und später, als er Garibaldi aufsucht. Als Freund wie als Vorgesetzter sorgt er sich um seinen Sicherheitschef und möchte sicherstellen, dass er sich in dieser Krisensituation auf Garibaldi verlassen kann. Sinclair behält also die Lage im Blick, verteidigt seinen Führungsanspruch und sorgt sich um sein Personal. Garibaldi wiederum sorgt sich aufgrund der angespannten Lage auf dem Mars um seine frührere Freundin Lise (Denise Gentile). Ich schreibe bewusst nicht „Ex-Freundin“, denn obwohl er mit Lise nicht mehr zusammen ist, haben sie die Beziehung nie offiziell beendet. Wie wir hier erfahren, ist Garibaldi einfach nach Babylon 5 abgehauen, als er von Sinclair den Posten als Sicherheitschef angeboten bekommen hat. Lise wollte ihm nicht folgen, aber geklärt hat Garibaldi die Dinge mit ihr auch nie. Obwohl er nun schon schon über zwei Jahre auf der Raumstation ist, hat er in dieser Zeit nie mehr mit Lise gesprochen – aus Angst davor, das zu hören, was er eigentlich schon weiß: dass es aus ist zwischen ihnen beiden. Insofern ist sein Gespräch mit Lise am Ende der Folge ein wichtiger Schritt für Garibaldi, weil er diese bittere Wahrheit nun endlich einsehen und verarbeiten muss. Lise ist nun endgültig zur Ex-Freundin geworden.
Wesentlich heiterer präsentiert sich in dieser Folge Londo: Er fühlt sich bei den waghalsigen Manövern, mit denen er das Shuttle zum Planeten steuert, an seine Jugend erinnert. Damals kämpfte er als junger Centauri für seine geliebte Republik, heute sieht er sich zum Auslaufmodell degradiert und auf eine unbedeutende Raumstation abgeschoben. In dieser Episode bekommt er endlich einmal wieder die Chance, einen sinnvollen Beitrag zu leisten und etwas zu tun, ihn mit Bedeutung erfüllt. Delenn formuliert es so: „I think he enjoyed it. He discovered something inside him that he thought was buried long ago.“

Besonders wenn man beide Folgen am Stück anschaut, macht „A Voice in the Wilderness“ also richtig viel Spaß. Die Doppelfolge kann als in sich abgeschlossene Geschichte bestens unterhalten, etabliert jedoch Elemente, die für in Zukunft von großer Bedeutung sind – so viel kann ich hier schon verraten.

Highlight der Episode: Ivanovas Antowort auf Londos hartnäckiges Nachfragen, was auf Epsilon 3 vor sich geht: „Boom. Boom, boom, boom…..“ (vgl. ihre ähnliche Aussage in „Grail“)

Londo/G’Kar-Moment: Londos Spaß beim Fliegen des Shuttles zum Planeten. Es ist kein allzu großer Spoiler, wenn ich verrate, dass wir einen solchen gelösten Londo in Zukunft kaum noch sehen werden.

Folgende (weitere) wichtige Informationen, die für den weiteren Verlauf der Serie wichtig sind, erhalten wir in dieser Episode:

  • Die „große Maschine“ auf Epsilon 3 wird eingeführt und Draal als ihr neuer Wächter etabliert. Davon abgesehen sorgt die Maschine aber erst einmal vor allem für große Fragen (s. unten).

Sonstige Fragen:

  • Was meint Delenn, als sie sagt, Sinclairs Schicksal sei ein anderes (als als Wächter der großen Maschine zu dienen)?
  • Die wohl größte offene Frage lautet: Was ist der Zweck der großen Maschine auf dem Planeten? Draal macht am Ende der Episode unmissverständlich klar, dass der Planet und seine Geheimnisse vorerst gewahrt bleiben müssen und niemandem in die Hände fallen dürfen (genau wie für die Unsterblichkeit scheinen die meisten Spezies der Galaxis noch nicht reif dafür zu sein). Aber was genau meint er mit „…until the time is right“? (siehe auch „Hinter den Kulissen“)
  • Am Ende der Folge schuldet Delenn Londo einen Gefallen. Wann und warum wird Londo deshalb auf sie zukommen, um diesen Gefallen einzulösen?

Weitere interessante Punkte:

  • Von Londo erfahren wir, dass die Centauri eine beträchtliche Geldsumme zum Bau von Babylon 5 beigetragen haben.
  • Aus dem kurz zu sehenden Nachrichtenbeitrag auf ISN erfahren wir, dass Präsident Santiago sich dem Druck des Senats gebeugt hat, dem Mars-Aufstand mit stärkerer Gewalt zu begegnen.
  • Garibaldi isst in seinem Quartier eine Pizza, als Sinclair ihn besucht. Auf der Pizzaschachtel steht „Three Z Pizzza“ (ja, mit drei Z – darunter steht noch mehr, das ich aber nicht erkennen konnte). Lustigerweise bietet er Sinclair die gekaufte, fast aufgegessene Pizza mit den Worten „I made some dinner“ an.
  • Beim Abtippen des Zitats von Londo (s. ganz unten) bin ich gerade ins Grübeln gekommen. Londo spricht davon, dass er sich als junger Mann geschworen hat, einst zu sterben, indem er etwas edles, mutiges und sinnloses tut. Wie wir aber nun aus „Midnight on the Firing Line“ wissen, weiß Londo inzwischen aus einem prophetischen Traum, wie er sterben wird. Obwohl er die genauen Umstände nicht kennt, sieht es nicht danach aus, als ob sein Tod durch G’Kars Hand besonders edel oder mutig sein wird. Trotzdem kann man davon ausgehen, dass dieses Wissen einen erheblichen Einfluss auf Londo hat. Wenn man weiß, wie das eigene Leben enden wird, führt das dann dazu, dass man das Gefühl bekommt, dem Schicksal hilflos ausgeliefert zu sein? Daraus lassen sich hochinteressante philosophische Fragen spinnen. Londo sagt in „Midnight…“, dass solche Träume unter den Centauri weit verbreitet sind, es müsste also vielen von ihnen so gehen. Vielleicht ist Londos draufgängerisches Verhalten hier tatsächlich der Versuch, seinem Schicksal zu entkommen – vielleicht legt er es darauf an, zu sterben und damit zwar wesentlich früher abzutreten, aber immerhin selbstbestimmt und auf seine Weise. Das sind zwar nur Spekulationen, aber sehr interessante, wie ich finde.

Interessante „Hinter den Kulissen“-Fakten:

  • Dass die große Maschine auf Epsilon 3 später in der Serie noch eine wichtige Rolle spielen wird, ist kein Geheimnis. Zu diesem Zweck ist sie schließlich hier eingeführt worden. Allerdings ist sie auch wirklich nur zu einem konkreten Zweck eingeführt worden, der eben klar wird, wenn die Zeit gekommen ist (um mal die kryptischen Worte Draals zu verwenden). Davon abgesehen spielt sie nur selten eine Rolle. Der Grund dafür, dass die mächtige Maschine hier mit viel Trara eingeführt wird, nur um am Ende der Episode dann von Draal zur verbotenen Zone erklärt zu werden, ist ein ganz einfacher: Straczynski war sich bewusst, dass eine quasi allmächtige Maschine für die Helden der Serie ein Ausweg aus vielen Problemsituationen gewesen wäre. Die Maschine wäre buchstäblich zum „deus ex machina“ geworden, mit dem Sinclair jeden Feind hätte besiegen können. Das wäre dramaturgisch auf Dauer äußerst langweilig, was der Grund dafür ist, dass die Maschine in Zukunft nur äußerst sparsam eingesetzt wird.

Zitate:

„So if we go down there, it blows. If we don’t, it blows anyway, just a little later. It’s a good thing I’m Russian. We’re used to hopeless situations.“ (Ivanova)

„As a young and foolish Centauri, I swore that I would die on my feet, doing something noble and brave and futile. Perhaps it was not so wild a dream as I thought. Or as foolish. It is better than waiting for the inevitable.“ (Londo)

„He’s looking for a purpose. But his destiny lies elsewhere“ (Delenn über Sinclair)

 

Die nächste Folge in meinem „Babylon 5“ Rewatch:
1.20 „Babylon Squared“

Rettung per Apple Watch: Heroes Reborn

Dieser Text enthält einige wenige Spoiler, aber keine wirklich großen. 🙂

Erinnert ihr euch noch an „Heroes“? Das war eine tolle Science Fiction/Mystery-Serie, die vor zehn Jahren erschien und quasi so etwas wie „X-Men“ fürs Fernsehen war (und tatsächlich auch viele Comic-Elemente ins Fernsehen übertrug). Es ging um Menschen mit Superkräften (Selbstheilung, Gedankenlesen, Fliegen,…), eine geheime Organisation, die Jagd auf sie machte und nicht zuletzt um die Rettung der Welt. Schon von Anfang an war das Ganze mehr eine Soap als eine ernste Dramaserie, aber dank der interessanten Mischung aus unterschiedlichen Figuren und der frischen, so noch nicht gesehen Weise, in der diese Geschichte erzählt wurde, konnte die erste Staffel voll und ganz begeistern. Sie gehört zu den besten Beispielen für den Boom an Qualitäts-Serien der Nullerjahre. Leider hat es Serienschöpfer Tim Kring aber nicht bei dieser einen Staffel belassen, sondern noch drei weitere dranghängt, bevor „Heroes“ schließlich abgesetzt wurde. In den Staffeln zwei bis vier wurde die Serie immer wirrer und beliebiger; die Soap-Elemente nahmen überhand und die Handlung konnte nicht mehr fesseln. Neben einer fantastischen ersten Staffeln bliebt von „Heroes“ also vor allem in Erinnerung, dass Zachary Quinto – der später der neue Mr. Spock in „Star Trek“ wurde – und Hayden Panettiere dort ihren großen Durchbruch feierten. Und der Spruch „Save the cheerleader, save the world“, der zumindest vorübergehend zum Bestandteil des popkulturelle Bewusstseins wurde.

Ab 12.05. erhältlich: Das Bluray-Set von "Heroes Reborn"

Ab 12.05. erhältlich: Das Bluray-Set von „Heroes Reborn“

Schon während der Produktion von „Heroes“ war ein Spin-off namens „Heroes: Origins“ geplant gewesen, das dann aber doch nicht verwirklicht wurde. Dafür bekam Tim Kring 2015, fünf Jahre nach dem Ende der Originalserie, doch noch die Gelegenheit, seine Heldensaga weiter zu erzählen. „Heroes Reborn“ ist für Kring allerdings kein Spin-off, sondern eher die zehnte Staffel von „Heroes“, wie er im offiziellen „Making of“ erklärt – nur dass wir die Staffeln fünf bis neun halt nie zu Gesicht bekommen haben. Dementsprechend spielt die Handlung von „Heroes Reborn“ auch ein ganzes Stück nach dem Ende von „Heroes“. Zur Erinnerung: Am Ende der vierten Staffel von „Heroes“ hatte Claire Bennet die Existenz von Menschen mit Superkräften an die Öffentlichkeit gebracht. „Heroes Reborn“ spielt nun in einer Welt, in der diese Menschen, die „Evos“ genannt werden, Gegenstand hitziger gesellschaftlicher Debatten sind. Die Einen halten sie für die Rettung der Menschheit, Andere wiederum glauben, die Evos wollen die Macht über die ganze Erde an sich reißen. Überall auf der Welt sehen sich Evos zahlreichen Formen der Diskriminierung ausgesetzt. So müssen sie sich in den USA etwa registrieren und überwachen lassen, während in Paris vor dem Eiffelturm nach Evos gescannt wird, die den Turm nicht betreten dürfen. Die Handlung der Serie setzt ein Jahr nach einem großen Terroranschlag in Odessa ein, für den einige führende Evos und deren Unterstützer verantwortlich gemacht werden und bei dem auch die eigentlich für unzerstörbar gehaltene Claire Bennet ums Leben kam. (Ein Teil dieser Hintergrundgeschichte wird übrigens in sechs Mini-Episoden erzählt, die man vor der eigentlichen Serie anschauen sollte, die aber leider im Bonusmaterial auf Disc 3 des Bluray-Sets versteckt sind.)

Heroes Reborn - Season 1Dass Claire nicht mehr am Leben ist, hat wohl vor allem den Grund, dass man Hayden Panettiere nicht zu einer Rückkehr ins „Heroes“-Universum überzeugen konnte. Auch Zachary Quinto hatte keine Lust mehr, in die Rolle des Sylar zu schlüpfen und so finden sich nur wenige Mitglieder des ursprünglichen Ensembles im Cast von „Heroes Reborn“ wieder. Zumindest zu Beginn ist die Hauptfigur Claires Vater Noah Bennet (Jack Coleman) – von den Fans stets HRG („horn-rimmed glasses“) genannt. Er arbeitet inzwischen unter einem anderen Namen als Autohändler, wird aber wieder in den Konflikt um die Evos hineingezogen, als ihn der Verschwörungstheoretiker Quentin (Henry Zebrowski) ausfindig macht. Schnell muss Noah feststellen, dass er seine Erinnerungen an die Ereignisse um den Anschlag in Odessa aus seinem Gedächtnis löschen ließ – aber warum? Gemeinsam mit Quentin macht er sich auf, die Wahrheit herauszufinden.

Noah und Quentin sind aber bei weitem nicht die einzigen Hauptfiguren in „Heroes Reborn“. Die Serie wartet mit einem unüberschaubar großen Ensemble auf. Da ist zum Beispiel der Teenager Tommy (Robbie Kay), der über Superkräfte verfügt und in den 13 Episoden seine eigene Heldenreise antritt, bei der er auch die Wahrheit über seine Herkunft und sein Schicksal erfährt. Da ist ein Ehepaar, welches die Evos für den Tod seines Sohnes verantwortlich macht und fortan einen mörderischen Rachefeldzug gegen alle Evos führt; dumm nur, dass der Mann bald selbst Superkräfte zu entwickeln beginnt. Da ist Miko (Kiki Sukezane), ein Mädchen in Japan, welches sich mit Hilfe eines geheimnisvollen Schwerts direkt in ein Videospiel namens „Evernow“ teleportieren kann. Da ist ein Typ irgendwo in Los Angeles, der nach dem Tod seines Bruders feststellt, dass dieser über Superkräfte verfügte und diese im Kampf für das Gute als klassischer maskierter Superheld einsetzte; nun legt er selbst das Kostüm an, um den Kampf im Geist seines Bruders fortzuführen. Da ist Erica Kravid (Rya Kihlstedt), die Leiterin eines globalen Tech-Konzerns namens Renautas, die große Pläne für die Zukunft der Menschheit hat, bei denen die Evos eine besondere Rolle spielen. Und da ist ein irgendein blondes Mädchen, das mit einer Freundin anscheinend zu Fuß von Alaska nach Süden unterwegs ist – warum, das weiß man für mehrere Episoden nicht.

Heroes Reborn - Season 1Dass ich einige der Figuren nicht beim Namen genannt habe, liegt ganz einfach daran, dass ich mir ihre Namen auch nach 13 Episoden immer noch nicht gemerkt habe. „Heroes Reborn“ bietet nämlich von Anfang an ein so großes Figurenensemble und legt ein solch hohes Erzähltempo vor, dass man kaum Zeit hat, sich mit den einzelnen Charakteren vertraut zu machen. Ich kann auch jetzt noch nicht den Handlungsbogen dieses als maskierter vigilante kämpfenden Typen nacherzählen, weil er in den 13 Episoden ganz einfach komplett untergegangen ist und für die Handlung überflüssig war. (Die Figur bietet durchaus eine Menge an Potential, ist aber ganz einfach verdammt schlecht geschrieben und in die Serie integriert.) Tim Kring hat in diese 13 Episoden so viele Figuren, Ideen und Handlungsansätze gestopft, dass es locker für drei Staffeln reichen würde. Vielleicht hat er das getan, weil er schon befürchtet hatte, nur eine einzige Staffel zur Verfügung zu haben; hätte er sich jedoch auf weniger Handlungsstränge konzentriert und sich einiges für spätere Staffeln aufgehoben, dann wäre diese erste Staffel vermutlich wesentlich besser geworden (und die Chancen auf eine Verlängerung der Serie höher). Nur sehr wenige der Charaktere können wirklich ein eigenes Profil entwickeln und vieles geht im großen Wirrwarr der Handlungsstränge einfach unter. „Jessica Jones“ hat gezeigt, dass man eine Serie nicht mit über Superkräfte verfügenden Menschen vollstopfen muss, um eine Geschichte über eben diese Menschen zu erzählen. So gibt es auch in „Heroes Reborn“ mehrere Figuren, die für sich allein schon die Grundlage einer Fernsehserie bilden könnten, beispielsweise das erwähnte Ehepaar auf Terror-Feldzug.

Die Serie will einfach viel zu vieles gleichzeitig sein: Teenie-Melodrama, Mysterydrama, Superheldengeschichte und noch vieles mehr. Der hier gemachte Versuch, all das in einer großen Ensembleserie mit sich überschneidenden Handlungssträngen unterzubringen, geht letztlich komplett in die Hose, wenn es auch ein paar interessante Elemente und sogar zwei gute Episoden darin gibt (dazu gleich mehr). Schauspielerisch ist das Ganze übrigens auch äußerst durchwachsen. Jack Coleman schlägt sich als Noah Bennet wacker, ebenso der junge Robbie Kay, der sich schnell zur zentralen Figur der Serie mausert. Einige der anderen Schauspieler stolpern jedoch ziemlich verloren durch das Geschehen, was man ihnen aber nicht verübeln kann, schließlich ist das alles so konfus geschrieben, dass von realistischer Charakterentwicklung hier oft keine Rede sein kann.

Heroes Reborn - Season 1Genau wie in der ersten Staffel von „Heroes“ geht es auch hier wieder darum, den Weltuntergang abzuwenden. Tim Kring scheint immer noch nicht gelernt zu haben, dass man sich so etwas für spätere Staffeln aufheben sollte und erst einmal seine Figuren etablieren sollte. Schließlich war eines der zahlreichen Probleme der späteren „Heroes“-Staffeln, dass es ganz einfach keine spannende, glaubwürdige Geschichte mehr zu erzählen gab, nachdem es bereits in der ersten Staffelm um Alles ging. Lässt man einmal einige der vielen Nebenfiguren beiseite, dann erzählt „Heroes Reborn“ im Grunde von einer klassischen Heldenreise, bei der ein Auserwählter nach anfänglichem Sträuben gegen sein Schicksal die Welt retten muss. Ein Großteil der Geschichte wird dabei in einer zentralen Doppelfolge in der Mitte der Staffel klar (1.07/08), in der Noah Bennet mit Hilfe von Hiro Nakamura (Masi Oka) in der Zeit zurückreist zu den Ereignissen um den Terroranschlag in Odessa. Weil sich diese beiden Episoden auf weniger Figuren und Handlungsstränge konzentrieren als der Rest der Serie, wissen sie auch wesentlich besser zu unterhalten und halten tatsächlich ein paar Aha-Erlebnisse und clevere Twists bereit. Neben Hiro tauchen im Verlauf der Serie übrigens noch ein paar andere Charaktere aus „Heroes“ in Gastrollen auf, doch Hiros Gastrolle ist am überzeugendsten, weil sie für die Handlung am meisten Sinn macht. Andere Darsteller wiederum scheinen nur deswegen dabei zu sein, weil halt gerade sie zu einem Auftritt überredet werden konnten.

Weitere positiv hervorzuhebende Elemente sind die typische „Heroes“-Musik und das die einzelnen Episoden einleitende Voice-over, die zusammen sofort wieder für die typische Atmosphäre sorgen (auch wenn sich dahinter aufgrund der genannten Schwächen meist nicht viel Interessantes verbirgt und die Atmosphäre damit oft ungenutzt verpufft). Von all den neu eingeführten Figuren war es ausgerechnet eine Nebenfigur, die ich als „Penny-Mann“ bezeichne, die mich am meisten fasziniert hat: dieser Mann, der auf den Namen Caspar Abraham hört, verfügt über die Fähigkeit, anderen Personen bestimmte Erinnerungen zu nehmen, indem er ihnen einen Penny überreicht, den diese wiederum annehmen müssen, damit seine Gabe ihre Wirkung erzielt. Gerade weil es sich dabei um eine solche beschränkte, nur zu einem einzigen Zweck einsetzbare Fähigkeit handelt, finde ich diese Figur so spannend. Leider ist die Rolle des „Penny-Manns“ äußerst klein und wir erfahren auch nie, wie er nun genau in das Geschehen verstrickt ist. Aber immerhin ist dies das einzige Beispiel in der Serie dafür, dass weniger eben oft mehr sein kann.

Heroes Reborn - Season 1Ein wichtiger Teil der Handlung ist der bereits erwähnte Renautas-Konzern, der – es ist kein großer Spoiler – natürlich mit Primatech in Verbindung steht, jener Firma, in deren Auftrag Noah Bennet in „Heroes“ noch Jagd auf die Evos machte. Auch Renautas führt nichts Gutes im Schilde und macht ebenfalls Jagd auf Evos, um sich deren Fähigkeiten zunutze zu machen – zum Beispiel für eine Datenbrille, mit deren Hilfe Evos auf den ersten Blick erkannt werden können. Gegen Ende der Staffel stellt sich dann heraus, dass die Pläne der Konzerninhaberin Erica Kravid noch viel finsterer sind als bisher gedacht. Sie will nämlich die Zerstörung der Menschheit in Kauf nehmen und nur eine kleine, ausgewählte Gruppe von ihnen retten. Die glücklichen Auserwählten bekommen eine weiße Armbanduhr verpasst, die ihr Weg in die Zukunft sein soll – in diesem Fall wortwörtlich, denn sie sollen über 1500 Jahre in die Zukunft transportiert werden, wo die Menschheit auf einer postapokalyptischen Erde in einer „Gateway“ genannten Kolonie neu gegründet werden soll. Die Metaphern kommen in „Heroes Reborn“ immer wieder mit dem Holzhammer daher, von der „Google Glass“-artigen Datenbrille über die von bestimmten gesellschaftlichen Gruppen als Terroristen gebrandmarkten Evos (manchmal könnte man „Evos“ direkt durch „Muslime“ ersetzen) bis hin zur wie eine Apple Watch aussehenden Armbanduhr, die das am heißesten begehrte Gadget auf dem ganzen Planeten darstellt. Die Serie spricht zudem zahlreiche große Fragen und Themen an – Schicksal, freier Wille, die großen Konsequenzen vermeintlich kleiner Handlungen und den wichtigen Unterschied, den schon ein einzelnes Individuum machen kann. Letztendlich geht all das aber im unübersichtlichen Ensemble der teilweise sträflich langweiligen Figuren und Handlungsstränge unter.

Am Ende der 13 Episoden ist die Welt natürlich erst einmal gerettet, die Verwandschaftsverhältnisse zwischen einigen Figuren sind geklärt und die Staffelübergabe an eine neue Generation von Helden wird vollendet. Weitererzählt wird „Heroes Reborn“ jedoch erst einmal nicht, was wahrscheinlich auch gut so ist. Im „Making of“ des Bluray-Sets überbieten sich die Schauspieler übrigens gegenseitig mit Lob und Superlativen über die Serie und wirken dabei sogar noch unglaubwürdiger als zum Teil in ihren Rollen. Tim Kring zufolge geht es in der Serie darum, wie Menschen aus der ganzen Welt zusammen kommen, um die Welt zu retten. Eine sehr ähnliche Thematik hat eine andere Serie im letzten Jahr allerdings viel besser umgesetzt: Sense8. Auch dort geht es um Menschen mit einer besonderen Fähigkeit, die lernen müssen zusammen zu arbeiten. Aber wo „Heroes Reborn“ sich in zu vielen Handlungselementen verliert und ein solches Erzähltempo vorlegt, dass für Figurenentwicklung fast keine Zeit bleibt, geht Sense8 fast den umgekehrten Weg (mehr dazu gibt es hier irgendwann in einem eigenen Blogpost – spätestens dann, wenn Sense8 auf Bluray erscheint).

Noch eine Anmerkung zu den deutschen Blurays von „Heroes Reborn“: Genau wie bei „Heroes“ wird hier ein Teil der Handlung in Untertiteln erzählt (vor allem in den Szenen, in denen Figuren miteinander japanisch sprechen), zudem gibt es noch weitere Texteinblendungen wie etwa Ortsnamen, Episodentitel oder der Text von Computerchats und SMS. Für die deutschen Blurays wurden all diese Texte leider als nicht veränderbare Teile des Bildes eingedeutscht. Schaut man sich die Serie also auf englisch an, bleiben diese deutschen Texteinblendungen im Bild und es erscheinen zusätzliche englische Untertitel! Das hätte eigentlich wirklich nicht sein dürfen und spricht für all diejenigen, die sich die Serie kaufen wollen, um sie im Original anzuschauen, dafür, zu einer Importversion etwa aus Großbritannien zu greifen.

Bilder: Copyright Universal Pictures